L 4 KA 27/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 536/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 27/14
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise wegen des Umfangs der Abrechnung der Leistungen Nr. 01100 EBM (Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten) und der Leistungsgruppen 2 und 13 für das Jahr 2008 in Höhe von insgesamt 84.394,94 € vor bzw. 20.124,55 € nach Quotierung.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Sie besteht seit dem 1. August 2003 aus zwei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärzten für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt.

Mit Honorarbescheid vom 10. Juli 2008, der am 25. August 2008 zur Post gegeben wurde, setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin das Honorar für das Quartal I/08 fest. Mit Honorarbescheid vom 27. Oktober 2008, der am 1. Dezember 2008 zur Post ging, erfolgte die Festsetzung des klägerischen Honorars für das Quartal II/08.

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen hatte bereits für die Quartale I/07 bis IV/07 von Amts wegen ein Prüfverfahren bezüglich der Leistungen nach Nr. 01100 (Unvorhergesehene Inanspruchnahme) und Nr. 01411 (Dringender Besuch I) durchgeführt, was der Klägerin im Jahr 2011 mitgeteilt wurde. Diese wandte in dem dortigen Verfahren ein, es liege eine 33-jährige Praxistätigkeit mit ununterbrochener Samstagstätigkeit und Hausbesuchen an Samstagen vor. Trotz unterschiedlicher Vergütung der Samstagstätigkeit in den vergangenen Jahren sei die Frequenz der Samstagstätigkeit und der Hausbesuche an Samstagen praktisch unverändert auf gleich hohem Niveau geblieben. Dies zeige, dass hierfür nicht Anreize der Honorierung maßgebend gewesen seien. Diese Samstagstätigkeit werde nur noch von wenigen einzelnen Landarztpraxen durchgeführt. Hieraus folge die statistische Auffälligkeit. Diese Tätigkeit verursache keine weiteren Kosten, da das Honorar in der Größenordnung von ca. 800.000 Punkten im Quartal gestrichen werde. Durch die Samstagstätigkeit würden Krankenhauseinweisungen vermieden. Die Prüfungsstelle setzte dennoch mit Bescheid von Oktober 2011 für 2007 eine Honorarkürzung in Höhe von insgesamt 93.710,00 € vor Quotierung (13.426,84 € quotiert) fest. Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Klägerin Klage (Az.: S 12 KA 184/13). Das Klageverfahren wurde im August 2013 durch Vergleich beendet, in dem der Beklagte die Honorarkürzung auf 8.951,23 € (quotiert) reduzierte.

Darüber hinaus führte die Beigeladene zu 1) eine anlassbezogene Plausibilitätsprüfung gegenüber der Klägerin, betreffend die Quartale I/2008 bis IV/2010, durch. Grund für diese Prüfung waren Patientenüberschneidungen der Klägerin mit einer ca. 1,5 km entfernt liegenden anderen Gemeinschaftspraxis. Mit Bescheid vom 23. August 2012, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, setzte sie gegenüber der Klägerin eine Honorarrückforderung in Höhe von 319.187,64 € fest. Auf die Quartale des Jahres 2008 entfielen dabei ausweislich des Bescheides die folgenden Rückforderungsbeträge:

Quartal I/08 II/08 III/08 IV/08
Rückforderung in € 22.411,20 24.295,04 21.673,56 23.993,44


Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 3. September 2012 Widerspruch. Das Widerspruchsverfahren ruht wegen der Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.

In den Quartalen I/08 bis IV/08 entwickelten sich die Fallkosten der Klägerin (Kl.) im Vergleich zu der Fachgruppe der Allgemeinärzte und praktischen Ärzte (VG.) folgendermaßen:

Quartal   I/08 II/08 III/08 IV/08
Anzahl Praxen /Ärzte 2.996/3.930,25  2.986/3.932,25 2.960/3.899,30 2.984/3.893,14
Fallzahl Kl./VG. 2.249/1.181 2.135/1.148 2.142/1.149 2.202/1.166
Rentneranteil in % Kl./VG. 36/34 37/35 40/35 37/35
Fallkosten gesamt in € Kl./VG. 77,61/70,74 78,97/71,33 77,15/70,42 77,77/71,75
Überschreitung in € 6,87 7.64 6,73 6.02
Überschreitung in %  10 11  10 8
         
Leistungsgruppe 2        
Fallkosten gesamt in € Kl./VG. 15,22/5,46 14,15/5,17 14,27/5,08 13,38/5,16
Überschreitung in € 9,76 8,98 9,19 8,22
Überschreitung in % 179 174 181 159
         
Leistungsgruppe 13        
Fallkosten gesamt in € Kl./VG. 2,13/0,72 1.82/0,68 1,87/0,68 1,61/0,68
Überschreitung in € 1,41 1,14 1,19 0,93
Überschreitung in % 196 168 175 137
         
Nr. 01100        
Abrechnende Praxen 1.859 1.655 1.524 1.652
Anzahl auf 100 Fälle Kl./VG. 18/1 25/1 18/1 25/1
Fallkosten in Punkten Kl./VG. 102,7/7,0 138,6/7 98,2/6,9 136,4/9,1
Fallkosten in € Kl./VG. 5,25/0,35 7,08/0,35 5,02/0,35 6,97/0,46
Überschreitung in € 4,90 6,73 4,67 6,51
Überschreitung in % 1.367 1.800 1.323 1.399

                   
Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen führte von Amts wegen ein weiteres Prüfverfahren für das Jahr 2008 betreffend die Leistungen der Leistungsgruppen 2 und 13 sowie der Leistungen nach Nr. 01100 EBM durch, was sie der Klägerin mit Schreiben vom 10. April 2012 mitteilte. Mit Schreiben vom 7. Mai 2012 zeigte der hiesige Prozessbevollmächtigte gegenüber dem Beklagten an, dass er die Klägerin in diesem Verfahren vertrete. Eine inhaltliche Stellungnahme erfolgte zunächst nicht.

Mit an die Klägerin selbst adressiertem Bescheid vom 15. August 2012, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, setzte die Prüfungsstelle folgende Honorarkürzungen, jeweils pro Fall in €, fest:

Quartal I/08 II/08 III/08 IV/8
Leistungsgruppe 2 4,30   3,81 4,10 3.05
Leistungsgruppe 13 0,69   0,46 0,51 0,25
Nr. 01100 4,79   6,37 4,31 6,04
Gesamt 9,78 10,64 8,92 9,34


In allen drei Kürzungsbereichen erkannte er Mehrbeträge in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zzgl. 100 % an.

Mit Schriftsatz vom 30. August 2012 legte der Prozessbevollmächtigte am 31. August 2012 gegen den Bescheid Widerspruch ein. In diesem Schreiben führte er wörtlich aus: „…in dieser Angelegenheit berichtet uns die Mandantschaft, dass nach dort direkt ein Bescheid vom 15.08.2012, Honorarkürzung Quartale I/08 bis IV/08, zugestellt wurde. Wir möchten darauf hinweisen, dass wir uns mit Schreiben vom 07.05.2012 in dieser Angelegenheit gemeldet und mit Telefax vom 22.05.2012 die Vollmacht übersandt hatten. Der Eingang der Vollmacht war auch mit Ihrem Schreiben vom 24.05.2012 bestätigt worden. Wir fragen daher an, ob der uns vorliegende Bescheid vom 15.08.2012 tatsächlich in diesem Verfahren ergangen ist….“ Mit Schreiben vom 4. September 2012 wurde der Bescheid dann nochmals von der Prüfstelle an den Prozessbevollmächtigten übersandt, wo er am 6. September 2012 einging. 

Die Klägerin reichte im Folgenden eine offensichtlich nicht zu den Akten gelangte Stellungnahme vom 4. Mai 2012 nach, in der sie auf die seit 1978 bestehende Samstagssprechstunde des Dr. A. und seine langjährige Auseinandersetzung über die Anerkennung seiner Praxisbesonderheiten hinwies. Trotz höherer Honorierung hätten sich ihre Samstagsbesuche nicht erhöht. Durch die fast ganzjährig durchgeführte Samstagssprechstunde erziele sie Einsparungen bei den Krankenhauseinweisungen und vermeide Fehlbehandlungen durch den Wochenenddienst. Unter dem Gesichtspunkt der Gesamtwirtschaftlichkeit erziele sie Ersparnisse in sechsstelliger Höher jährlich. Weiter führte sie mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19. April 2013 aus, sie rüge einen Verstoß des Grundsatzes Beratung vor Regress. Durch die Kürzungen werde das Gesamthonorar unter den Durchschnitt der Fachgruppe gedrückt. Als übergroße Landarztpraxis betreue sie eine Vielzahl älterer/multimorbider Patienten, was zu einer überdurchschnittlichen Anforderung von Besuchen und Wegegebühren führe. Durch die Besuche könnten Krankenhauseinweisungen erspart werden. Aufgrund einer Plausibilitätsprüfung seien in 2008 bereits insgesamt 92.373,70 € an Honorar einbehalten worden. Die Plausibilitätsprüfung habe für die Quartale I/08 bis IV/10 insgesamt zu einer Kürzung von 319.187,64 € geführt. Aufgrund einer Tilgungsvereinbarung müsse die Klägerin 31.900,00 € pro Quartal zurückzahlen. Eine weitere Kürzung sei unzulässig.

Der Beklagte lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung am 24. April 2013, an der ihr Prozessbevollmächtigter teilnahm. Den in der Prüfsitzung geschlossenen Widerrufsvergleich mit einer Kürzungssumme in Höhe von 20.000,00 € netto (nach Quotierung) widerrief die Klägerin.

Mit Bescheid vom 20. September 2013, zugestellt am 21. September 2013, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Die festgesetzten Honorarkürzungen für das Jahr 2008 in Höhe von insgesamt 84.384,94 € (vor Quotierung) seien rechtmäßig. Im Einzelnen ergäben sich folgende Kürzungsbeträge:

Quartal I/08 II/08 III/08 IV/08
Leistungsgruppe 2 u. 13 11.222,51   9.116,45   9.874,62   7.266,60
Nr. 01100 10.772,71 13.599,95   9.232,02 13.300,08
Gesamt 21.995,22 22.716,4 19.106,64 20.566,68


Die Abrechnungswerte der Klägerin lägen in Bezug auf die Leistungen nach Nr. 01100 und den Leistungsgruppen 2 und 13 sehr deutlich im Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses. Vom Vorliegen eines solchen „offensichtlichen“ Missverhältnisses sei bei Überschreitungswerten von ca. 40 bis 50 % oder mehr auszugehen. Die Grenze dürfe bei Überschreitungen von mehr als 40 % gegenüber den Vergleichswerten der Vergleichsgruppe festgesetzt werden. Nach Durchsicht der Praxisunterlagen habe nicht festgestellt werden können, dass die Überschreitungen auf Besonderheiten zurückzuführen seien. So sei insbesondere nicht ersichtlich, warum etwas bei der Patientin M., geb. 1991, die häufig unvorhergesehenen Inanspruchnahmen notwendig gewesen seien. Gleiches gelte bezüglich der Patientin L., geb. 1951, bei Diagnosen wie akuter Bronchitis, essentieller Hypertonie, Gallenblasenstein ohne Cholezystitis, aber auch allgemein bei Diagnosen wie Hyperurikämie ohne Zeichen von entzündlicher Arthritis, alkoholischer Fettleber oder Stoffwechselstörung. Dabei genüge angesichts der prozentual sehr hohen Überschreitungswerte bei der Nr. 01100 im Rahmen einer sog. statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten ein pauschaler Vergleich der beanstandeten Leistung und den Leistungsgruppen mit den Durchschnittswerten der Vergleichsgruppe. Die Überschreitungswerte bei den strittigen Leistungen bzw. Leistungsbereichen seien durch eine zu häufige Abrechnung entstanden. Sie seien nicht auf Besonderheiten der Behandlungsausrichtung zurückzuführen, sondern auf eine Herangehensweise und ein Abrechnungsverhalten, welche mit dem Grundsatz einer wirtschaftlichen Behandlungsweise nicht in Übereinstimmung zu bringen seien. Auf Grund des Zuschlags bzgl. chronischer Erkrankungen nach Nr. 03212 sei zwar nachzuvollziehen, dass ca. 60 % und mehr der Patienten mit chronischen Behandlungen behandelt würden, dem stehe jedoch z.B. eine geringe Betreuung für Patienten mit Diabetes mellitus gegenüber. Auch sonstige Praxisbesonderheiten seien nicht erkennbar bzw. fielen jedenfalls quantitativ nicht ins Gewicht. Der höhere Rentenanteil stehe in keinem kausalen Zusammenhang mit der Überschreitung des Ansatzes der strittigen Leistungspositionen. Kompensatorische Einsparungen in anderen Teilbereichen seien nicht ersichtlich. Bei den Krankenhauseinweisungen sei die geringe Zahl zu beachten, weshalb die Kausalität in Bezug auf Einsparungen durch die anderweitig veranlassten Behandlungen bzw. bezüglich der Abrechnungswerte zweifelhaft sei. Auch bei den Arbeitsunfähigkeitsfällen sei ein kausaler Zusammenhang nicht erkennbar. Der Klägerin sei ein ausreichend hohes „Mehr“ belassen worden.

Die Klägerin hat am 17. Oktober 2013 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben und ausgeführt, unzulässig sei bereits, dass zugleich mit Bescheid vom 23. August 2012 eine Honorarrückforderung nach Plausibilitätsprüfung erfolgt sei (in Höhe von insgesamt 92.373,70 € für 2008). Dies sei von dem Beklagten bei der hiesigen Widerspruchsentscheidung nicht berücksichtigt worden. Der Bescheid sei deutlich vor dem Widerspruchsbescheid im hiesigen Verfahren ergangen. Der Bescheid der Prüfungsstelle sei ihrem Bevollmächtigten erst am 6. September 2012 zugegangen. Damit sei die Zustellung des hier angegriffenen Ausgangsbescheides deutlich später erfolgt als die Zustellung des Bescheids über die Plausibilitätsprüfung. Sie rüge weiterhin einen Verstoß des Grundsatzes „Beratung vor Regress“. Des Weiteren liege ein Wechsel der Prüfmethode vor, da im Bescheid vom 15. August 2012 Punktzahlen, in der Anlage des Widerspruchsbescheides aber Eurowerte angegeben würden, die nicht der tatsächlichen Vergütung entsprächen. Auch halte sie es weiterhin für unzulässig, dass durch die Kürzungen das Gesamthonorar unter den Durchschnitt der Fachgruppe gedrückt werde. Es werde nicht aufgeschlüsselt, welche Kürzungsanteile auf die einzelnen Leistungsgruppen entfielen. Die Praxisbesonderheiten seien nicht ausreichend gewürdigt worden, ebenso die seit Jahrzehnten unterdurchschnittlichen Krankenhauseinweisungen.

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2013 hat das Sozialgericht die nunmehr beigeladenen Träger beigeladen.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 18. März 2014 mitgeteilt, im Rahmen des Verfahrens betreffend die Plausibilitätsprüfung sei aus dem prozentualen Anteil der Plausibilitätskürzung am Gesamthonorar dieser Anteil auf das Honorarvolumen der von der Wirtschaftlichkeitsprüfung betroffenen Honorarbereiche übertragen und dementsprechend vom ursprünglichen festgestellten Kürzungsbetrag der Wirtschaftlichkeitsprüfung in Abzug gebracht. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ergäben sich nunmehr daher folgende Rückforderungen:

Quartal I/08 II/08 III/08 IV/08
Rückforderung in €   6.265,93 3.392,87 6.001,10 4.464,65
Gesamt 20.124,55 €      


Mit Urteil vom 19. März 2014, der Klägerin zugestellt am 27. März 2014, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Die Kammer habe in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handele (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Kammer habe trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden können, weil diese ordnungsgemäß geladen und hierauf hingewiesen worden seien.

Die zulässige Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16. August 2013 (richtig: vom 20. September 2013) sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Gegenstand des Verfahrens sei nur der Bescheid des Beklagten, nicht auch der des Prüfungsausschusses. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränke sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser werde mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetze den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens werde. Eine dennoch gegen diesen Bescheid erhobene Klage sei unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 - 6 RKa 40/95 - juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 6 KA 36/98 R - juris Rdnr. 14).

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nehme der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorge die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfalle damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, dürfe er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V), gesetzliche Krankenversicherung, in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 26. März 2007 - BGBl. I, S. 378 (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise sei § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V i.V.m. der Prüfvereinbarung. Danach werde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungs- bzw. Verordnungswerte des Arztes würden mit denjenigen seiner Fachgruppe - bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt würden, sei dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringe. Ergebe die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe stehe, d. h. ihn in einem Ausmaß überschreite, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lasse, habe das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - B 6 KA 45/02 R - juris Rdnr. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen sei, entziehe sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995 - juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasse, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis habe das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem habe es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien hätten einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund habe das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2000 - B 6 KA 24/99 R - juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum dürfe eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - B 6 KA 45/02 R - juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spreche, sei es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juni 1987 - 6 RKa 23/86 - aaO., juris Rdnr. 23). Von daher sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte vom Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses bei Überschreitungen von mehr als 40 % gegenüber den Vergleichswerten der Fachgruppe ausgehe.

Ein statistischer Kostenvergleich könne dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering sei, dass sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreite, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig sei. Dies sei bei der klägerischen Praxis für den streitbefangenen Zeitraum nicht der Fall (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 6 KA 50/97 R - juris Rdnrn. 15 bis 19).

Unter Beachtung dieser Grundsätze sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Der Beschluss sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Übersendung des Prüfantrags mit der Möglichkeit zur Stellungnahme und der Möglichkeit der Widerspruchserhebung habe eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X). Ferner habe eine Prüfsitzung stattgefunden, an der der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilgenommen habe.

Vor dem Ausspruch des Regresses habe auch keine Beratung erfolgen müssen. Bei großer Unwirtschaftlichkeit – nämlich bei einem Mehraufwand, dessen Ausmaß ein „offensichtliches Missverhältnis“ darstelle – hindere das Fehlen einer Beratung eine Honorarkürzung bzw. einen Regress nicht (vgl. BSG, Urteil vom 21. Mai 2003 - B 6 KA 32/02 R - juris Rdnr. 28; BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 6 KA 24/03 R - juris Rdnr. 22, jeweils m.w.N.). Sonderregelungen für den Bereich der Richtgrößenprüfung gälten hier nicht.

Ein Wechsel der Prüfmethode liege nicht vor. Der Beklagte habe eindeutig dargelegt, dass er sog. unquotierte Beträge festsetze. Sofern budgetbedingte Honorarkürzungen und Honorarkürzungen auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung miteinander zu verrechnen seien, stelle sich die Frage, ob die Prüfgremien diese Verrechnung in ihrem Bescheid durchführten oder ob sie nur die Honorarkürzung auf Grund der Unwirtschaftlichkeit berechneten und der Kassenärztlichen Vereinigung die Festlegung der gegenzurechnenden budgetbedingten Honorarkürzungen überließen. Das Bundessozialgericht habe beide Wege zugelassen und ein Wahlrecht eingeräumt. Es sei zulässig, dass die Kassenärztliche Vereinigung die konkrete Berechnung und Festsetzung des Euro-Kürzungsbetrages vornehme (vgl. Clemens in juris-Praxiskommentar, § 106, 2. Auflage 2012, Rdnr. 53 f. m.w.N. zur BSG-Rspr.) Entsprechend habe die Kammer bisher die unquotierten Festsetzungen des Beklagten nicht beanstandet. Die Euro-Beträge vor Quotierung entsprächen einer Umrechnung der abgesetzten Punktezahl zum fiktiven Punktwert von 10 Pfg. bzw. des entsprechenden Eurowerts und damit vor Anwendung der Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs bzw. der honorarvertraglichen Regelungen. Das weitere Verfahren seitens der Beigeladenen zu 1) sei ohne Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Brutto-Festsetzung. Im Übrigen habe die Kammer bereits wiederholt angemerkt, dass sich eine Kassenärztliche Vereinigung, die zur Umsetzung des Prüfbescheides offensichtlich die Honorarverteilung nochmals unter Abzug der wegen Unwirtschaftlichkeit gekürzten Leistungsmenge vornehme, sich in Widerspruch zu § 106 SGB V in der vom BSG vorgenommenen Rechtsauslegung setze (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2002 - B 6 KA 30/00 R - juris Rdnr. 15 ff.; BSG, Urteil vom 5. November 2003 – B 6 KA 55/02 R - juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 79/03 R - juris Rdnr. 26). Diese Vorgehensweise werde, da sie Vertragsärzte nur begünstigen könne, nicht im Klagewege angegangen mit der Folge, dass sie nur durch Maßnahmen der Aufsichtsbehörde beanstandet werden könne (vgl. bereits SG Marburg, Urteil vom 7. September 2011 - S 10 KA 913/09 - juris Rdnr. 72; SG Marburg, Urteil vom 3. Juli 2013 - S 12 KA 383/12 -). Von daher sei es auch unerheblich, ob der Beklagte Eurowerte oder Punktezahlen angebe.

Der Bescheid sei auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Praxisbesonderheiten habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen.

Als Praxisbesonderheiten des geprüften Arztes kämen nur solche Umstände in Betracht, die sich auf das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des Arztes auswirkten und in den Praxen der Vergleichsgruppe typischerweise nicht oder nicht in derselben Häufigkeit anzutreffen seien. Für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit sei es deshalb nicht ausreichend, dass bestimmte Leistungen in der Praxis eines Arztes erbracht würden. Vielmehr müsse substantiiert dargetan werden, inwiefern sich die Praxis gerade in Bezug auf diese Merkmale von den anderen Praxen der Fachgruppe unterscheide (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 1995 - 6 RKa 35/94 - juris Rdnr. 16). Die betroffene Praxis müsse sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden, und diese Abweichung müsse sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 79/03 R - juris Rdnr. 20). Ein bestimmter Patientenzuschnitt könne z. B. durch eine spezifische Qualifikation des Arztes, etwa aufgrund einer Zusatzbezeichnung, bedingt sein (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2000 - B 6 KA 24/99 R - juris Rdnr. 18). Es müsse sich um Besonderheiten bei der Patientenversorgung handeln, die vom Durchschnitt der Arztgruppe signifikant abwichen und die sich aus einem spezifischen Zuschnitt der Patientenschaft des geprüften Arztes ergäben, der im Regelfall in Wechselbeziehung zu einer besonderen Qualifikation des Arztes stehe. Ein Tätigkeitsschwerpunkt allein stelle nicht schon eine Praxisbesonderheit dar (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 6 KA 17/08 R - juris Rdnr. 27).

Praxisbesonderheiten seien grundsätzlich im Verwaltungsverfahren vorzutragen. Das BSG habe zuletzt im Beschluss vom 27. Juni 2012 - B 6 KA 78/11 B - juris Rdnr. 11 darauf hingewiesen, es habe sich bereits mehrfach mit dem Gebot befasst, Wesentliches bereits im Verfahren vor den Prüfgremien vortragen zu müssen (unter Hinweis auf BSG vom 15. November 1995 - 6 RKa 58/94; vom 8. Mai 1985 - 6 RKa 24/83; vom 11. Dezember 1985 - 6 RKa 30/84; vom 20. September 1988 - 6 RKa 22/87; ebenso auch das erst nach Vorlage der Beschwerdebegründung schriftlich abgesetzte Urteil des BSG vom 21. März 2012 - B 6 KA 17/11 R - juris Rn. 40 ff.; vgl. auch BSG vom 27. Juni 2012 - B 6 KA 78/11 B – juris Rn. 8). Dabei obliege die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt. Die Prüfgremien seien allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig seien. Bei den erforderlichen Bewertungen hätten die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, sodass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf. beanstandet werden könne (vgl. BSG vom 21. März 2012 - B 6 KA 17/11 R - a.a.O., juris Rdnr. 17 m.w.N.).

Die Klägerin habe nicht dargelegt, weshalb bei ihr die Abrechnung der Leistung nach Nr. 01100 EBM notwendig geworden sein solle. Insofern dürfte zunächst eine Verkennung des Leistungsinhalts naheliegen. Die Nr. 01100 EBM setze die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr oder an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24. und 31. Dezember zwischen 7:00 Uhr und 19:00 Uhr voraus und werde mit 555 Punkten bewertet. „Unvorhergesehene“ Inanspruchnahme setze voraus, dass in den aufgeführten Zeiträumen keine Sprechstunden abgehalten würden (vgl. Wezel/Liebold, EBM, Kommentierung zu Nr. 01101). Insofern gebe die Klägerin selbst an, an Samstagen Sprechstunden abgehalten zu haben. Für Leistungen innerhalb einer Samstagssprechstunde könne aber nur die Nr. 01102 EBM, die mit 285 Punkten bewertet werde, abgerechnet werden. Letztlich könne dies dahingestellt bleiben, da der Beklagte zunächst im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung von der vollständigen Leistungserbringung ausgehen könne. Die Klägerin habe aber nicht ansatzweise dargelegt, weshalb der Ansatz der Leistungen nach Nr. 01100 EBM notwendig geworden sein solle, insbesondere in einem Umfang, der ganz erheblich von dem der Fachgruppe abweiche. Gleiches gelte für die vermehrte Erbringung von Besuchsleistungen, insbesondere der dringenden Besuche. Auch hierzu habe die Klägerin nur allgemeine Ausführungen gemacht. Insofern obliege es ihr, im Einzelnen darzulegen, welche Patienten behandelt würden und mit welchen Krankheitsbildern, die die Leistungen notwendig machten.

Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass kompensatorische Ersparnisse vorlägen. Insbesondere habe die Klägerin nicht dargelegt, weshalb die vermehrt abgerechneten und beanstandeten Leistungen zu einer Ersparnis bei Krankenhauseinweisungen geführt haben sollten.

Nach der Rechtsprechung des BSG könne ein Mehraufwand in einem Bereich der ärztlichen Behandlung/Verordnung nur dann durch anderweitige Einsparungen als kompensiert angesehen werden, wenn belegt bzw. nachgewiesen sei, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt würden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich seien (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar 1998 - B 6 KA 69/96 R - juris Rdnr. 15 m. w. N.).

Ein Verzicht auf das Erfordernis des Nachweises eines kausalen Zusammenhanges oder die Einschränkung der Anforderungen an den Nachweis könne nicht etwa daraus abgeleitet werden, dass es letztlich nur auf eine Art Gesamtwirtschaftlichkeit ankomme und die ärztliche Tätigkeit als einheitlicher Kostenkomplex zu begreifen sei und Durchschnittsüberschreitungen in Teilbereichen ganz oder weitgehend hinzunehmen seien, wenn der Aufwand in anderen Bereichen unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liege. Hierfür lasse sich nicht die gesetzliche Vorschrift über die Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) anführen. Deren Regelung, dass die Prüfung auch die Häufigkeit von Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit umfasse, habe nicht etwa die primäre Zielrichtung gehabt, dass Durchschnittsunterschreitungen in diesen Bereichen gegen anderweitige Mehrleistungen gegengerechnet werden könnten. Anliegen dieser Regelung sei es vielmehr gewesen, die Wirtschaftlichkeitsprüfung effektiver zu gestalten und Durchschnittsüberschreitungen auch in diesen Bereichen systematisch zu erfassen. Einsparungen in einem Leistungsbereich gäben dem Arzt keine Art Freibrief, in anderen Leistungsbereichen mehr Aufwendungen haben zu dürfen. Der Arzt müsse vielmehr umfassend wirtschaftlich handeln. Die Wirtschaftlichkeit müsse grundsätzlich sowohl insgesamt als auch in jedem Teilbereich gegeben sein, sowohl beim Gesamtfallwert, in jeder einzelnen Sparte, bei jeder Einzelleistung sowie auch bei den Arzneiverordnungen, Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und bei den Arbeitsunfähigkeits-Fällen. Die so verstandene Konzeption der Wirtschaftlichkeitsprüfung habe der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 106 SGB V übernommen, so wie sich auch sonst das Gesetz als Übernahme der in der Praxis seit langem angewandten und durch die Rechtsprechung bestätigten Methode des statistischen Kostenvergleichs darstelle. Aus diesem Ansatz des Gesetzes, das eine umfassende Wirtschaftlichkeit in jedem Teilbereich fordere, ergebe sich, dass ein Mehraufwand in einem Bereich im Hinblick auf anderweitige Einsparungen nur dann hingenommen werden könne, wenn belegt bzw. nachgewiesen sei, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt würden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich sei. Dies bedeute, dass zunächst zu prüfen sei, ob die Mehraufwendungen nicht auf anzuerkennenden Praxisbesonderheiten beruhten, die notwendigerweise Einsparungen in anderen Bereichen nach sich zögen. Sei dies zu verneinen, sei festzustellen, ob unabhängig von Praxisbesonderheiten Einsparungen vorlägen, die sich anhand der Abrechnungsstatistik eindeutig belegen ließen oder aus anderen Gründen auf der Hand lägen. Weiterhin müsse aufgezeigt werden, aufgrund welchen methodischen Zusammenhanges durch welche vermehrten Leistungen der Arzt in welcher Art von Behandlungsfällen aus welchem Grund welche Einsparungen erzielt habe. Ferner müssten die erbrachten Leistungen medizinisch gleichwertig sein. Schließlich müsse der Kostenvergleich - sei es eine Kostenberechnung oder eine plausible Kostenschätzung - ergeben, dass der Mehraufwand insgesamt nicht höher sei als die anderweitig erzielten Einsparungen. Die Darlegungs- und Nachweislast liege beim Arzt. Er müsse das Vorliegen der Einsparungen, den methodischen Zusammenhang mit dem Mehraufwand, die medizinische Gleichwertigkeit und die kostenmäßigen Einsparungen darlegen und ggf. nachweisen. Das bedeute nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelfallprüfung - anführen und medizinisch erläutern müsse; entscheidend sei vielmehr die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit. Gelinge der erforderliche Nachweis nicht, so gehe das zu Lasten des Arztes (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 1997 - 6 RKa 1/97 - juris Rdnrn. 22 bis 25 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genüge der allgemeine Hinweis auf behauptete unterdurchschnittliche Krankenhauseinweisungen nicht, wie sie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung wiederholt habe. Die Notwendigkeit einer stationären Einweisung könne allein nach der Erkrankung bestimmt werden. Soweit die Klägerin auf ihre umfassende Betreuung der Patientin verweise, habe es ihr oblegen, darzulegen, welcher Patient z.B. durch eine engmaschige Besuchstätigkeit von einer ansonsten notwendigen Krankenhauseinweisung bewahrt worden sei. Im Übrigen komme hinzu, dass die Klägerin nicht in allen Quartalen signifikant unterhalb der Einweisungsfrequenz der Fachgruppe liege und dass es sich insgesamt um geringe Fallzahlen handele, die eine Aussage auf Grund statistischer Abweichungen nur allenfalls ganz begrenzt zuließen. Nicht zu beanstanden sei auch, dass im Ergebnis das Gesamthonorar der Klägerin pro Fall unter den Durchschnitt der Fachgruppe gedrückt werde. Insofern kommt es auf die Wirtschaftlichkeit in jedem Einzelleistungsbereich bzw. auch in jeder Leistungsgruppe an. Insofern bestehe, wie bereits ausgeführt, keine Budgetzuweisung in dem Sinne, dass für eine Abrechnung innerhalb eines solchen Budgets die Wirtschaftlichkeit zu unterstellen wäre.

Soweit die Beigeladene zu 1) wegen patientenbezogener Prüfungen für die Quartale I/08 bis IV/10 und damit auch in den hier streitbefangenen Quartalen zusätzlich eine Honorarberichtigung in Höhe von insgesamt 319.187,64 € vorgenommen habe, sei dies vom Beklagten im Rahmen des hier streitbefangenen Bescheides nicht zu berücksichtigen gewesen.

Bei einer sachlich-rechnerischen Berichtigung, die zur Absetzung einzelner Leistungen führe, sei der Beklagte grundsätzlich gehalten, deren Ergebnis durch vorherige Bereinigung der Fallkostenstatistik zu berücksichtigen. Eine der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorausgehende sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnung könne aber nur in Bezug auf solche Abrechnungsunrichtigkeiten in Betracht kommen, die offenkundig und aus den Behandlungsunterlagen ohne weiteres zu ersehen seien. Eine scharfe Trennung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Abrechnungskontrolle sei ansonsten weder praktisch durchführbar noch rechtlich geboten. Die Prüfungseinrichtungen dürften deshalb im Zweifel davon ausgehen, dass der Arzt die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht habe, und hätten lediglich zu prüfen, ob gegebenenfalls durch die unwirtschaftlichen Gebührenansätze andere, geringer bewertete Leistungen eingespart worden seien (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 1994 - 6 RKa 18/92 - juris Rdnr. 23). Ob und in welchem Umfang solche Fehlabrechnungen vorgekommen seien, könne im Nachhinein nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand festgestellt werden. Anders als in den Fällen der Unvereinbarkeit bestimmter Gebührenansätze oder anderer formaler Abrechnungshindernisse, in denen die Fehlabrechnung erkennbar sei und im Wege der Richtigstellung korrigiert werden könne, lasse sich die Frage, ob der Arzt in einem konkreten Behandlungsfall die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht oder nur eine geringer bewertete Leistung überhöht abgerechnet habe, anhand der Behandlungsausweise nicht beantworten. Eine nachträgliche Befragung des Arztes und des behandelten Patienten scheide wegen der großen Zahl der Behandlungsfälle und der gleichwohl verbleibenden Ungewissheit aus. Für derartige Nachforschungen bestehe auch kein Anlass, weil es der Arzt in der Hand habe, durch sorgfältige Lektüre der Gebührenordnung und gegebenenfalls Rückfrage bei seiner Kassenärztlichen Vereinigung fehlerhafte Honoraransätze zu vermeiden. Die Prüfungseinrichtungen dürften deshalb bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung davon ausgehen, dass der Kassenarzt die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht habe, und diese Leistungen ihrer Beurteilung zugrunde legen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 1992 - 6 RKa 3/92 - juris Rdnr. 23 f.). Dies gelte auch für implausible Abrechnungen aufgrund von Zeitprofilen, was das Gericht bereits entschieden habe (vgl. SG Marburg, Urteil vom 7. September 2011 - S 10 KA 913/09 - juris, Rdnr. 72, Berufung durch Vergleich beendet; zum Verhältnis verschiedener sachlich-rechnerischer Berichtigungen s. SG Marburg, Urteil vom 30. Januar 2013 - S 12 KA 170/11 - Berufung beim LSG Hessen anhängig - L 4 KA 11/13), oder patientenbezogene Implausibilitäten.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes ziele auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden seien. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage bestehe danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasse auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet habe. Dementsprechend erfolge eine sachlich-rechnerische Richtigstellung z. B. bei der Abrechnung fachfremder Leistungen oder qualitativ mangelhafter Leistungen, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten, bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht würden, bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R - juris Rdnr. 26 f. m.w.N.). Bei implausiblen Abrechnungen aufgrund von patientenbezogenen Implausibilitäten könne die Implausibilität nicht einer Einzelleistung oder einzelnen Leistungen oder Leistungsbereichen zugeordnet werden. Die Implausibilität folge vielmehr aus dem Gesamtumfang der abgerechneten Leistungen und der festgestellten Patientenidentität mit einem weiteren Leistungserbringer. Die Wirtschaftlichkeitsprüfgremien dürften deshalb von der Richtigkeit der Honoraranforderung ohne Bereinigung der statistischen Grundlagen ausgehen.

Andererseits könnten sich beide Prüfverfahren überlappen, da die Implausibilität auf der vermehrten Abrechnung von Leistungen beruhe, die gerade Grundlage für die Annahme einer Unwirtschaftlichkeit sei. Insbesondere aber werde in beiden Verfahren zur Ermittlung des Berichtigungsbetrags auf die Honorarsumme Bezug genommen. Damit könne eine zweifache Honorarkürzung wegen des gleichen Sachverhalts einer unzulässigen Abrechnung nicht ausgeschlossen werden bzw. werde in unzulässiger und den Vertragsarzt benachteiligender Weise auch bei der zweiten Kürzung von einer Honorarsumme ausgegangen, die bereits berichtigt worden sei. Der Beklagten könne aber, wie bereits ausgeführt, von der Richtigkeit der Abrechnung ausgehen und die Honorarkürzung nur „zur Quote“ feststellen, was vorliegend der Fall sei. Die Umsetzung dieser Honorarkürzung werde in der Praxis im Bereich der Beigeladenen zu 1) von dieser vorgenommen. Sie errechne den tatsächlichen Kürzungsbetrag quartalsweise. Soweit die Beigeladene zu 1) zur Umsetzung des Prüfbescheides offensichtlich die Honorarverteilung nochmals unter Abzug der wegen Unwirtschaftlichkeit gekürzten Leistungsmenge vornehme, so setze sie sich, wie bereits ausgeführt, in Widerspruch zu § 106 SGB V in der vom Bundessozialgericht vorgenommenen Rechtsauslegung. Jedenfalls bestehe dann ein ausreichender Schutz gegen eine evtl. zweifache Kürzung, wenn im jeweils nachgehenden Bescheid die vorangehende Honorarkürzung im Rahmen der Ermessensausübung beachtet werde. Insofern komme der Beigeladenen zu 1) generell bei Festsetzung der Honorarkürzung aufgrund implausibler Abrechnungen ein Ermessen zu. Dem Beklagten komme bei Festsetzung der Honorarkürzung aufgrund implausibler Abrechnung ebenfalls ein Ermessensspielraum zu. Soweit er aber eine Festsetzung nur vor Quotierung treffe, seien die Ergebnisse einer Plausibilitätsprüfung nur im Rahmen der Umsetzung in quotierte Beträge zu berücksichtigen. Von daher komme es im Ergebnis nicht auf die Berücksichtigung der Honorarkürzung wegen implausibler Abrechnung an, da Streitgegenstand nur die vom Beklagten festgesetzte Honorarkürzung vor Quotierung sei. Es könne auch dahinstehen, ob die Beigeladene zu 1) die Umsetzung in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen habe, ob die Berechnung überhaupt nachvollziehbar sei, ob es sich nicht um Verwaltungsakte handele und ob sie ihre Festsetzungen ohne weiteres und jederzeit korrigieren könne. Aber auch wenn man allein auf die zeitliche Nachrangigkeit abstellen wolle, so sei der Ausgangsbescheid der Prüfungsstelle zeitlich vor dem Plausibilitätsbescheid. Entgegen der Auffassung der Klägerin komme es insofern nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe an den Prozessbevollmächtigten an, da Verwaltungsakte Wirksamkeit bereits bei Bekanntgabe an den Adressaten, also die Klägerin, erlangten (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Selbst bei Bestellung eines Bevollmächtigten räume das Gesetz der Behörde ein Ermessen ein, ob sie die Bekanntgabe gegenüber dem Bevollmächtigten vornehme (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung in § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Klägerin hat am 14. April 2014 Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt.

Die Klägerin ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtswidrig.

Die Honorarkürzung sei fehlerhaft, weil sie zu einem Gesamthonorar, welches unter dem Durchschnitt der Fachgruppe liege, führe. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei einer Schwankungsbreite von zumindest 20 % über dem durchschnittlichen Honorar nicht automatisch von Unwirtschaftlichkeit ausgegangen werden könne. Auch sei der angegriffene Bescheid weder mathematisch nachvollziehbar noch werde angegeben, wie sich die Kürzungen auf die einzelnen Leistungsgruppen verteilten. Praxisbesonderheiten lägen bei ihr vor. Durch ihre intensive Hausbesuchstätigkeit und die - von ihr allerdings nicht zu steuernde - gehäufte unvorhergesehene Inanspruchnahme außerhalb der Sprechstundenzeiten seien erhebliche Kosten im Bereich der stationären Einweisung eingespart worden. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes hätten die durchschnittlichen Kosten je stationärem Behandlungsfall im Jahr 2012 in Hessen 4.183,00 € betragen. Bei ihr seien die Einweisungen seit Jahren unterdurchschnittlich, vielfach sogar extrem unterdurchschnittlich. Dies sei Ausdruck eines besonderen Behandlungskonzepts. Durch die engmaschige Besuchstätigkeit und Kontrolle und Anweisung der Patienten und ihrer Angehörigen hätten, gerade wegen des ländlichen Bereichs, Einweisungen vermieden werden können. Die erzielten Einsparungen gingen weit über die Honorarmehranforderungen in den geprüften Bereichen hinaus. Es sei ihr nicht möglich, nachzuweisen, dass ihre Behandlungsweise kausal für die unterdurchschnittlichen Krankenhauseinweisungen gewesen sei. Der Ausgangsbescheid sei mehr als 4 Jahre nach Abschluss des Quartals I/2008 erlassen worden. Aufgrund dieses Zeitablaufs könne sie keine konkreten Patienten mehr benennen, bei denen sie etwa durch gehäufte Hausbesuche stationäre Einweisungen gespart habe. Es sei für sie auch nicht zumutbar, sich vorsorglich anlässlich der Behandlung entsprechende Notizen oder Listen zu machen, um später den Nachweis führen zu können. Als Besonderheit sei auch die Kürzung der Nr. 01100 zu bewerten. Sie sei gezwungen, diese Ziffer abzurechnen, wenn sie in den Zeiträumen, die in der Ziffer festgelegt seien, von ihren Patienten in Anspruch genommen werde. Sie habe in diesen Zeiträumen keine Samstagssprechstunde angeboten. Die Abrechnungen aufgrund dieser Ziffer seien auch dadurch zustande gekommen, dass der organisierte ärztliche Notdienst von den Patienten nicht angenommen worden sei, weil unzumutbare Wartezeiten aufgetreten seien. Es sei schon fraglich, ob eine Kürzung dieser Ziffer überhaupt im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen werden dürfe, da die Alternative, das Wegschicken der Patienten, medizinisch und ethisch nicht vertretbar sei. Auch habe vor der Kürzung eine Beratung erfolgen müssen. Die Prüfungsvereinbarung sehe ausdrücklich den Grundsatz „Beratung vor Regress“ vor.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Marburg vom 19. März 2014 sowie des Bescheides des Beklagten vom 20. September 2013 zu verurteilen, ihren Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtmäßig. Es sei unproblematisch, wenn im Ergebnis das Gesamthonorar pro Fall unter den Durchschnitt der Fachgruppe gedrückt werde, denn es komme auf die Wirtschaftlichkeit in jedem Einzelleistungsbereich an. Eine Kürzung des Gesamthonorars sei nicht vorgenommen worden. Bei den Honorarkürzungen sei ein ausreichend hoher Mehrbehalt belassen worden. Wie und in welchem Umfang gekürzt worden sei, sei in dem Bescheid der Prüfungsstelle dargelegt worden. Auf diesen sei in dem angefochtenen Bescheid verwiesen worden. Soweit die Klägerin behaupte, durch die Hausbesuchstätigkeit und unvorhergesehene Inanspruchnahme seien erhebliche Kosten im Bereich der stationären Einweisungen erspart worden, genüge ihr Vorbringen nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an den Nachweis eines Kausalzusammenhangs. Im Hinblick auf die dem Vertragsarzt obliegenden Pflichten bei der Patientendokumentation sei es weiter nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin erkläre, wegen des Zeitablaufs könne sie keine Patienten mehr benennen. Insbesondere seien ärztliche Aufzeichnungen vom Vertragsarzt prinzipiell mindestens 10 Jahre lang aufzubewahren. Bei der Zahl der Einweisungen durch die Klägerin sei zum einen darauf hinzuweisen, dass sie nicht in allen Quartalen in 2008 weniger Einweisungen vorgenommen habe als die Vergleichsgruppe. Zum anderen seien die Zahlungen wegen der geringen Fallzahl der Krankenhauseinweisungen sowohl bei der Klägerin als auch bei der Vergleichsgruppe nicht aussagekräftig. Im Hinblick auf die Abrechnung der Nr. 01100 GOP habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, auf ihre Patienten entsprechend einzuwirken, um eine regelhafte Inanspruchnahme zur „Unzeit“ zu vermeiden. Vor dem Regress habe auch keine Beratung stattfinden müssen. Eine solche sei bei Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses, wie es hier gegeben sei, nach zutreffender Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht erforderlich.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2016 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Gericht die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter zurückweisen könne, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Nach dem jetzigen Verfahrensstand ziehe der Senat in Erwägung, die zuvor aufgezeigte Möglichkeit anzuwenden. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 10. Juni 2016.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.


Entscheidungsgründe

Der Senat durfte die Berufung der Klägerin nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet gehalten hat und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich war. Die Beteiligten wurden vorher auch angehört.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie des Bescheides vom 20. September 2013 und auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.

Der Beklagte war berechtigt, eine Prüfung nach Durchschnittswerten durchzuführen.

Dies folgt aus § 106 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Krankenversicherung (SGB V) in den Fassungen vom 26. März 2007 und 28. Mai 2008. Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 der Vorschrift vorgesehenen Prüfungsarten hinaus – also insbesondere den Richtgrößenprüfungen nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V – Prüfungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Eine solche Vereinbarung haben die Vertragspartner für den maßgeblichen Zeitraum in § 7 der Prüfungsvereinbarung vom 12. Juni 2008 getroffen, wo eine Prüfung nach Durchschnittswerten ausdrücklich als mögliches Prüfverfahren vorgesehen ist.

Der Bescheid des Beklagten vom 20. September 2013, auf den sich, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, die gerichtliche Kontrolle beschränkt, ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

Es war zulässig, das Honorar der Klägerin in den Quartalen I/08 bis IV/08 wegen Unwirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bezüglich der Ziffer GOP 01100 sowie den Leistungsgruppen 2 und 13 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) zu kürzen.

Bei der Prüfung nach Durchschnittswerten wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Ergibt sich hieraus, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des betroffenen Arztes (beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten) in einem offensichtlichen Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht - also diesen in einem Ausmaß überschreitet, welches sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt - kann von Unwirtschaftlichkeit ausgegangen werden. Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt. Die Prüfgremien sind zu Ermittlungen von Amts wegen nur hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind. Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, d. h. deren Einschätzungen sind von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüf- und beanstandbar (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 13/13 R – juris, Rn. 14 m.w.N.).

Bei der Klägerin lag ein offensichtliches Missverhältnis im Hinblick auf die oben genannten Leistungsbereiche vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solches Missverhältnis schon bei einer Überschreitung von 30 % gegeben ist oder erst bei 50 % oder 60 % beginnt (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 13/13 R – juris, Rn. 21 m.w.N.), denn bei der Klägerin lagen die prozessualen Überschreitungen weit über diesen Werten. Wie sich aus der Anlage 1 zu dem Bescheid vom 20. September 2013 ergibt, betrug selbst der geringste Überschreitungswert bei ihr 137 % (Leistungsgruppe 13, Quartal IV/08), der höchste Wert sogar 1.800 % (GOP 01100, Quartal II/08). Für Fehler bei der Ermittlung dieser Werte bestehen keine Anhaltspunkte. Genauso wenig ist zu beanstanden, dass der Beklagte bei der Prüfung als Vergleichsgruppe die Gruppe der Fachärzte für Allgemeinärzte herangezogen hat. Insbesondere ist diese Vergleichsgruppe hinreichend homogen (s. nur BSG, Beschluss vom 15. August 2012 – B 6 KA 100/11 B – Rn. 7; auch BSG, Urteil vom 2. Juni 1987 – 6 RKa 23/86, juris, Rn. 17).

Praxisbesonderheiten sind nicht feststellbar.

Diese sind nur anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (s. nur BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 – B 6 KA 45/14 R – juris, Rn. 32 m.w.N.). § 106 Abs. 5a S. 5 SGB V ordnet insoweit an, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten vereinbaren müssen. Dies haben die Vertragspartner in Hessen in der ab 1. Januar 2008 geltenden Prüfvereinbarung vom 12. Juni 2008 getan (vgl. § 10 der Prüfvereinbarung).

Die Klägerin hat nicht nachvollziehbar dargetan, dass bei ihren Patienten in 2008 ein abweichender Bedarf an Behandlung im Sinne der obigen Definition bestand. Ihr Vortrag im Verwaltungsverfahren, sie sei eine übergroße Landpraxis, die eine Vielzahl von älteren/multimorbiden Patienten betreue, was die hohe Zahl an Hausbesuchen nötig mache, genügt zur Darlegung von Praxisbesonderheiten nicht. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Anteil der Rentner an den Patienten der Klägerin in allen betroffenen Quartalen nur geringfügig höher war der Rentneranteil der Vergleichsgruppe (ca. 14 % im Quartal III/08, lediglich zwischen 5 % und 6 % in den übrigen Quartalen), und dass sich die ganz erheblichen Überschreitungen bei der GOP 01100 und den Leistungsgruppen 2 und 13 hierdurch nicht erklären lassen. Dass die Klägerin – unabhängig vom Rentneranteil – mehr multimorbide Patienten betreut als die Vergleichsgruppe, ist erst recht nicht dargetan oder erkennbar. Konkrete Behandlungsfälle wurden in keinem einzigen Fall von ihr benannt.

Hinsichtlich der nach GOP 01100 von der Klägerin abgerechneten Leistungen hat der Beklagte im Übrigen in dem angefochtenen Bescheid überzeugend erläutert, dass bei der Durchsicht der Behandlungsunterlagen keinerlei Besonderheiten ersichtlich gewesen seien. Vielmehr habe sich mehrfach die Frage gestellt, ob im Hinblick auf die gestellten Diagnosen überhaupt eine Berechnung der Ziffer gerechtfertigt sei. Soweit die Klägerin meint, sie sei gezwungen, in allen Fällen, in denen sie während der in GOP 01100 genannten Zeiten von Patienten in Anspruch genommen werde, diese Position auch abzurechnen, sie habe also auf die diesbezügliche Leistungserbringung gar keinen Einfluss, hat der Beklagte zutreffend eingewandt, dass es einem Arzt zuzumuten ist, auf seine Patienten einzuwirken, um deren regelhaftes Vorsprechen zur „Unzeit“ zu vermeiden. Dass ein Allgemeinarzt durchaus die Möglichkeit hat, seine Patienten entsprechend zu steuern, belegen schon die viel geringeren Abrechnungswerte der Vergleichsgruppe in diesem Bereich. Die weitere Behauptung der Klägerin, der ärztliche Notdienst sei in den streitgegenständlichen Quartalen mangelhaft gewesen, ist schon völlig unsubstantiiert und würde, selbst wenn dort gewisse Mängel bestanden hätten, keine Abrechnung der GOP 01100 in dem Umfang, wie er bei der Klägerin stattgefunden hat, rechtfertigen.
 
Auch für kompensatorische Einsparungen ist nichts erkennbar.

Deren Anerkennung setzt nach ständiger bundessozialgerichtlicher Rechtsprechung voraus, dass zwischen dem Mehraufwand auf der einen Seite und einem Minderaufwand auf der anderen Seite ein kausaler Zusammenhang besteht, wobei es die Aufgabe des betroffenen Arztes ist, substantiiert darzulegen, in welchen Leistungsbereichen Einsparungen zu verzeichnen sein sollen, die in kausalem Zusammenhang mit den Mehraufwendungen bei den verordneten Heilmitteln stehen (BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 13/13 R – juris, Rn. 19). An entsprechendem ausreichendem Vorbringen der Klägerin fehlt es hier. Diese beruft sich lediglich darauf, durch ihre engmaschige Besuchstätigkeit habe sie Krankenhauseinweisungen vermeiden können. Konkrete Patienten, bei denen das der Fall war, hat sie freilich nicht benannt, so dass sich - wie bereits das Sozialgericht ausgeführt hatte - schon deswegen nicht feststellen lässt, ob gerade bei denjenigen, bei denen die Klägerin Hausbesuche durchgeführt hat, Einweisungen verhindert wurden. Im Übrigen stützen auch die die Krankenhauseinweisungen betreffenden Statistiken ihr Vorbringen nicht. Zum einen ist die Zahl der Einweisungen bei der Klägerin nur in drei der vier Quartalen geringer als in der Vergleichsgruppe, zum anderen ist die Zahl der Krankenhauseinweisungen insgesamt, also sowohl bei der Klägerin als auch der Vergleichsgruppe, nur sehr gering und daher bereits deswegen nicht aussagekräftig (vgl. hierzu die Statistik, Bl. 60 bis 63 der Behördenakte)

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist der Umfang der beklagtenseits vorgenommenen Honorarkürzungen.

Bei der Entscheidung darüber, in welchem Umfang Kürzungen vorzunehmen sind, steht dem Beklagten ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu (s. nur BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 6 KA 18/12 R –, juris, Rn. 24). Die Überprüfung durch den Senat beschränkt sich somit darauf, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde und die Klägerin durch den oder die Ermessensfehler beschwert ist. Das Gericht hat insoweit (nur) festzustellen, ob die Behörde von einem vollständigen und richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die rechtlichen Grenzen ihres Ermessensspielraums eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (s. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Ermessensfehler in diesem Sinne liegen hier nicht vor.

Nicht durchgreifend zunächst der Einwand, der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid, gegenüber dem Bescheid der Prüfstelle vom 15. August 2012, die Berechnungsmethode geändert. Dass keine solche Änderung vorliegt, folgt schon daraus, dass mit dem Bescheid des Beklagten vom 20. September 2013 keine gegenüber dem ursprünglichen Bescheid neue Festsetzung getroffen, sondern nur der Widerspruch zurückgewiesen wurde. Der Umstand, dass - in der Bescheidbegründung - anstelle von Euro-Werten pro Fall nunmehr Gesamtkürzungsbeträge pro Quartal genannt werden (jeweils vor Quotierung), stellt keine Änderung dar, denn die Höhe der Kürzung blieb damit gleich. Die aufgeführten Gesamtbeträge sind auch rechnerisch korrekt; sie ergeben sich aus der Multiplikation der - in den Anlagen zum Bescheid vom 15. August 2012 aufgeführten - Gesamtfallzahlen der Klägerin in den jeweiligen Quartalen mit dem Euro-Wert pro Fall.

Auch Kürzungsmethode und -umfang sind nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, ausgehend von den jeweiligen durchschnittlichen Punkten pro Fall und einem Punktwert von 5,11 Cent, sowohl für die Klägerin als auch die Ärzte der Vergleichsgruppe einen Eurobetrag pro Fall je betroffener Leistung und Quartal errechnet. Dann hat er den Fallbetrag der Vergleichsgruppe verdoppelt, diese Summe der Klägerin belassen und nur den bei der Klägerin darüber hinausgehenden Betrag pro Fall gekürzt. Damit wird dieser je Fall sogar ein noch deutlich höherer Betrag zugestanden als der, der sich für die Ärzte der Vergleichsgruppe errechnet. Mit einem solchen Vorgehen hat der Beklagte die Grenzen seines Ermessenspielraums eingehalten. Insbesondere ist er bei der Ermittlung der Kürzungshöhe auch zu Pauschalierungen berechtigt.

Der Klägerin kann sich des Weiteren nicht mit Erfolg darauf berufen, die Kürzung dürfe nicht zu einem Unterschreiten des durchschnittlichen Honorars führen. Erbringt ein Arzt einzelne Leistungen nicht wirtschaftlich, sind die zuständigen Gremien berechtigt, die Vergütung für diese Leistungen zu kürzen oder ggfs. sogar ganz zu streichen, denn vollständig zu vergüten ist nur eine Leistung, die auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechend erbracht wurde. Die Kürzung oder Streichung einzelner Leistungen birgt dann zwangsläufig die Gefahr, dass sich das Gesamthonorar auf einen Betrag, der unter dem Durchschnitt (der Fachgruppe) liegt, vermindert. Tritt ein solcher Fall ein, ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Anspruch dahingehend, dass einem Arzt zumindest das durchschnittliche Honorar seiner Vergleichsgruppe belassen werden müsse, besteht nicht.

Ebenfalls kein Hindernis ist es, dass die Klägerin vor dem Regress seitens des Beklagten nicht beraten wurde, denn einer vorhergehenden Beratung bedurfte es hier nicht. Auf den in § 106 Abs. 5e SGB V in der Fassung vom 22. Dezember 2011 bestimmten Vorrang der Beratung kommt es hier schon deswegen nicht an, weil sich diese Regelung nur auf Richtgrößenprüfungen, nicht aber auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Durchschnittswerten bezieht. Ansonsten gilt nach zutreffender und ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass keine vorherige Beratung im Sinne von § 106 Abs. 5 S. 2 SGB V nötig ist, wenn bei dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines offensichtlichen Missverhältnisses besteht (s. nur BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 13/13 R, juris, Rn. 22 m.w.N.). Letzteres ist bei der Klägerin der Fall.

Schließlich wurde mit dem Zugang des Bescheides der Prüfstelle vom 15. August 2012 auch die maßgebliche Ausschlussfrist gewahrt. Diese Frist beträgt vier Jahre; ihr Lauf beginnt mit der Festsetzung des von der Kürzungsmaßnahme betroffenen Honorars, d.h. dem Zeitpunkt, zu dem der ursprüngliche Honorarbescheid dem betroffenen Arzt zugeht (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 – B 6 KA 45/14 R – juris, Rn. 26).

Der Fristlauf für das Quartal I/2008 begann am 29. August 2008, denn der Honorarbescheid für dieses Quartal, datierend vom 30. Juli 2008, ist der Klägerin am 28. August 2008 zugegangen. Dies folgt aus dem hier einschlägigen § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X, da es sich um einen schriftlichen Bescheid handelte, der am 25. August zur Post gegeben und mit einfacher Post versandt wurde.

Der Bescheid vom 15. August 2008 ging der Klägerin noch vor dem Ende der Ausschlussfrist, die am 28. August 2012, 24 Uhr, abgelaufen war, zu, denn die Bekanntgabe dieses Bescheides fand bereits am 18. August 2012 statt. Auch hier berechnet sich der Zeitpunkt des Zugangs nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X, weil es sich ebenfalls um einen schriftlichen Bescheid, der mit einfacher Post übermittelt wurde, handelte. Von der Prüfstelle zur Post gegeben wurde der Bescheid am 15. August 2012.

Dass der Bescheid statt an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin an die Klägerin selbst übersandt wurde, führt nicht zu einem späteren Zeitpunkt des Zugangs. Wie in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend dargelegt worden ist, durfte die Prüfstelle, weil keine förmliche Zustellung stattfand, gemäß § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X nach Ermessen darüber entscheiden, ob sie den Bescheid gegenüber dem Bevollmächtigten oder der Klägerin bekanntgibt. Ob ihre Entscheidung, die Bekanntgabe an die Klägerin vorzunehmen, frei von Ermessensfehlern ist, erscheint zwar zweifelhaft, denn Gründe dafür, den Bescheid an die Klägerin statt an ihren Bevollmächtigten zu übersenden, sind nicht erkennbar. Auch wenn man aber davon ausgeht, dass die behördliche Entscheidung ermessensfehlerhaft war, hindert dies nicht den Zugang und das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes. Anders nämlich als bei der Verletzung zwingender Bekanntgabevorschriften ist es bei Bestimmungen wie § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X, bei denen eine bestimmte Verfahrensweise in das Ermessen der Behörde gestellt wird, auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht sachgerecht, bei der ermessensfehlerhaften Anwendung dieser Normen von der Unwirksamkeit des Zugangs auszugehen (in diesem Sinne auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. November 1995 – 15 A 72/93, juris, Rn. 21 f.).
 
Erst recht wurde die Ausschlussfrist in Bezug auf die Honorarbescheide für die Quartale II/08 bis IV/08 eingehalten, da diese der Klägerin zeitlich allesamt nach dem Honorarbescheid vom 30. Juli 2008 zugingen.

Letztendlich ist es auch unbedenklich, dass der Beklagte bei seinem Bescheid nicht die Kürzungen, die mit dem Bescheid vom 23. August 2012 vorgenommen wurden, berücksichtigt hat. Soweit, bezogen auf ein und dasselbe Quartal, durch mehrere Bescheide in verschiedenen Prüfungsverfahren Honorarkürzungen vorgenommen werden, sind die in den zeitlich zuerst erlassenen Bescheiden vorgenommenen Kürzungen grundsätzlich erst und nur im Rahmen der später erlassenen Bescheide bei der Berechnung der Höhe der dortigen Kürzung zu berücksichtigten. Eine Berücksichtigung in umgekehrter Reihenfolge findet dagegen nicht statt. Auf diese Weise wird der betroffene Arzt ausreichend vor einer unzulässigen doppelten Kürzung geschützt.

Eine Berücksichtigung der in diesem Verfahren vorgenommenen Honorarkürzungen war folglich erst in dem Bescheid vom 23. August 2012 (der nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist) erforderlich, weil dieser zeitlich nach dem Bescheid vom 15. August 2012 erlassen wurde. Auch, soweit man auf den Zeitpunkt des Zugangs abstellt, ergibt sich nichts anderes, denn der Bescheid vom 15. August 2012 ging, wie bereits festgestellt, am 18. August 2012 zu, während der Bescheid vom 23. August 2012, der an diesem Tag zur Post gegeben wurde und mit einfacher Post an die Klägerin übermittelt wurde, dieser erst am 26. August 2012 zuging.

Hinzu kommt, dass – worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat – vom Beklagte die Honorarkürzung nur „zur Quote“ festgestellt wurde und damit die konkrete Umsetzung der Kürzung der Beigeladenen zu 1) überlassen hat, die dann den tatsächlichen Kürzungsbetrag pro Quartal errechnet.
 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Verpflichtung der Klägerin, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, war nicht gerechtfertigt, da diese keine Anträge gestellt haben.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
 

Rechtskraft
Aus
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