L 29 AS 2166/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 AS 11964/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 2166/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II erledigt sich mit dem Ende des Leistungsverhältnisses zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigtem.

Es wird festgestellt, dass eine Auskunftspflicht der Klägerin gemäß dem Bescheid vom 3. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2016 nicht mehr besteht.

 

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Gegenstand des Verfahrens ist ein Auskunftsersuchen des Beklagten zur Feststellung von Einkommen und Vermögen der vermeintlichen Partnerin eines Beziehers von Arbeitslosengeld II in einer vom Beklagten angenommenen Bedarfsgemeinschaft.

 

Die am 27. Mai 1957 geborene Klägerin und der am 12. August 1957 geborene – inzwischen am 27. Dezember 2021 verstorbene – C G (im Folgenden: G) bewohnten seit Oktober 2002 gemeinsam eine Wohnung unter der im Rubrum bezeichneten Anschrift. Sodann bezogen sie im Jahr 2006 im selben Haus gemeinsam die aktuell noch von der Klägerin bewohnte Wohnung, die durch beide angemietet wurde und über eine Wohnfläche von 56 m² sowie zwei Zimmer verfügt.

 

G, der sich als alleinstehend bezeichnete, stand seit dem Jahr 2005 im laufenden Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte ging zunächst nicht vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin aus. Am 15. April 2009 und 11. August 2015 fanden auf Veranlassung des Beklagten Hausbesuche zur Prüfung des Bestehens einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft statt. Wegen der Prüfberichte wird auf Bl. 246 und 532 f. der Leistungsakten (LA) Bezug genommen.

 

Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 erließ der Beklagte das streitgegenständliche Auskunftsersuchen gegenüber der Klägerin. Darin hieß es:

 

„Sehr geehrte Frau L,

 

ich bitte Sie mir bis zum 16.05.2016 Auskunft zu geben über Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

 

Ich benötige Angaben für die Zeit ab 01.01.2015.

 

Bitte übersenden Sie mir hierfür die in der Anlage aufgeführten Unterlagen mit den entsprechenden Nachweisen.

 

Begründung:

 

Herr Claus G… bezieht derzeit bei mir Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie sind dessen Partnerin. Sie bewohnen die jetzige Wohnung seit dem 01.03.2006 gemeinsam mit Herrn G… (gemeinsamer Mietvertrag). Aufgrund der hier vorliegenden Erklärung bezüglich der Prüfung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft von Herrn G… ist von einer räumlichen Trennung nicht auszugehen. Für die Berechnung, ob und in welcher Höhe ein Leistungsanspruch gegeben ist, ist daher auch Ihr Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen. Ein Auskunftsersuchen unmittelbar bei dem Betroffenen blieb erfolglos. Um über den tatsächlichen Leistungsanspruch von Herrn G… entscheiden zu können, benötige ich daher die genannten Informationen von Ihnen. Ich bitte Sie daher, mir diese bis zum 16.05.2016 zukommen zu lassen. Ihre Auskunftspflicht ergibt sich aus § 60 SGB II.

 

Rechtsbehelfsbelehrung…“

 

Beigefügt waren ein Vordruck über eine vom Arbeitgeber auszufüllende Einkommensbescheinigung, das Formular „EK“ zur Feststellung der Einkommensverhältnisse jeder in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person sowie das Formular „VM“ zur Feststellung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen.

 

Die Klägerin erhob Widerspruch mit der Begründung, sie sei nicht die Partnerin von G. Es liege nur eine Haushaltsgemeinschaft vor. G sei ihr Untermieter. Ein gemeinsames Konto oder gemeinsame Verträge bestünden nicht. Anhaltspunkte dafür, dass ein gemeinsamer Haushalt in der Weise geführt werde, dass G und sie aus einem Topf wirtschafteten, gebe es nicht. Es greife auch nicht die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II. Zwar lebten sie zusammen mehr als ein Jahr „unter einem Dach“. Es löse aber nicht jede Form des Zusammenlebens, sondern nur eines im Sinne auch einer Wirtschaftsgemeinschaft die Vermutung aus. Eine Wirtschaftsgemeinschaft bestehe hier indes nicht.

 

Mit Bescheid vom 29. Juni 2016 lehnte der Beklagte den Antrag des G auf weitere Leistungsgewährung mangels nachgewiesener Hilfebedürftigkeit für die Zeit ab August 2016 ab. Er und die Klägerin seien mehrfach vergeblich aufgefordert worden, Unterlagen zum Einkommen und Vermögen der Klägerin einzureichen. Den Widerspruch des G wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2016 als unbegründet. Dagegen ist unter dem Aktenzeichen S 55 AS 14393/16 Klage erhoben, gerichtet auf Leistungsgewährung für die Zeit ab August 2016. Das Klageverfahren hat zuletzt mit Blick auf das vorliegende Verfahren geruht.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2016 wies der Beklagte den Widerspruch gegen das Auskunftsersuchen vom 3. Mai 2016 mit der Maßgabe zurück, dass die im Auskunftsersuchen benannten Anlagen und Bescheinigungen nicht einzureichen seien, Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse jedoch zu erteilen sei. Man gehe unter den gegebenen (näher dargelegten) Umständen davon aus, dass die Klägerin mit G in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft lebe. Folglich seien ihr Einkommen und Vermögen bei der Ermittlung von G‘s Leistungsanspruch zu berücksichtigen und sei sie gemäß § 60 Abs. 4 SGB II zur Auskunft hierüber verpflichtet.

 

Dagegen hat die Klägerin am 19. August 2016 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Zur Begründung ist ausgeführt worden, sie sei nicht die Partnerin des G, sodass zwischen ihnen auch keine Bedarfsgemeinschaft bestehe. Sie bildeten lediglich eine Haushaltsgemeinschaft.

 

Infolge des Weiterbewilligungsantrages des G von November 2016 für die Zeit ab Januar 2017 erging mit Bescheid vom 16. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ein weiteres Auskunftsersuchen an die Klägerin für die Zeit ab dem 1. Januar 2017. Mit Bescheid vom 28. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2017 erließ der Beklagte nochmals ein an die Klägerin gerichtetes Auskunftsersuchen, nunmehr für die Zeit ab dem September 2017. Dagegen richtet sich die von der Klägerin im Verfahren S 213 AS 13012/17 erhobene Klage, über die soweit ersichtlich noch nicht entschieden ist.

 

Im Verhandlungstermin der vorliegenden Sache am 18. Oktober 2017 haben die Klägerin und G als Zeuge Angaben zu ihren damaligen Lebensumständen und dem Zusammenleben in einer Wohnung gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 302 ff. der Gerichtsakten (GA) verwiesen. Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2016 aufzuheben, hilfsweise, den Beklagten zur Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens zu verpflichten.

 

Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der vom Beklagten geltend gemachte Auskunftsanspruch lasse sich auf § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II stützen. Die von der Norm vorausgesetzte Partnerschaft habe zwischen G und der Klägerin bestanden. Grundlage für die von der Vorschrift ferner verlangte Berücksichtigungsfähigkeit von Einkommen oder Vermögen der Partnerin sei eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II, die nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zwischen der Klägerin und G jedenfalls seit Juli 2016 und damit zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung bestanden habe.

 

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 23. Oktober 2016 Berufung eingelegt und zunächst geltend gemacht, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass zwischen ihr und G eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestehe und sie deshalb zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet sei.

 

Auf Auflage des Senat hat der Beklagte mit Schreiben vom 30. Juli 2020 mitgeteilt, derzeit seien noch zwei Klageverfahren des G anhängig, in denen es um Leistungsansprüche des G gehe: das – derzeit mit Blick auf das vorliegende Berufungsverfahren ruhende – Verfahren mit dem Az. S 55 AS 14393/16 bezüglich des Zeitraums August bis Dezember 2016 und das Verfahren S 116 AS 4255/17 bezüglich der Leistungszeiträume Januar bis März 2017 und April bis September 2017.

 

Nachdem sich nach der Ladung zum Verhandlungstermin am 9. Dezember 2022 herausgestellt hatte, dass G verstorben war, hat der Berichterstatter des Senats den Beklagten wie folgt angeschrieben: Da Leistungsansprüche des G für den Zeitraum, auf den sich das Auskunftsersuchen vom 3. Mai 2016 bezogen habe, nicht mehr streitig seien, sei die Auskunftserteilung nur mit Blick auf eine mögliche nachträgliche Leistungsrücknahme und Erstattungsforderung gegenüber G in Betracht gekommen. Indes dürfte nach dem Ableben des G eine Leistungsrücknahme und Erstattungsforderung nicht mehr in Betracht kommen. Es werde daher angeregt, das streitige Auskunftsersuchen aufzuheben. Darauf hat der Beklagte erwidert, es treffe zwar zu, dass Rückforderungsansprüche gegen G nicht mehr in Betracht kämen, jedoch stünden Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin nach § 62 Nr. 2 SGB II im Raum. Daher habe sich das Auskunftsersuchen nicht erledigt.

 

Im Verhandlungstermin am 9. Dezember 2022 hat der Senat u.a. darauf hingewiesen, dass sich das streitgegenständliche Auskunftsersuchen im Sinne von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch den Tod des G erledigt haben dürfte, weil damit dessen Leistungsverhältnis zum Beklagten vollständig beendet sei. Nachdem die Vertreterin des Beklagten erklärt hatte, das Auskunftsersuchen mit Blick auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin nach § 62 Nr. 2 SGB II gleichwohl nicht als erledigt zu betrachten, hat der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

 

festzustellen, dass eine Auskunftspflicht der Klägerin gemäß dem Bescheid vom 3. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. August 2016 nicht mehr besteht.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung mit der geänderten Klage zurückzuweisen.

 

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend

 

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Streitakten (drei Bände), die beigezogenen GA S 55 AS 14393/16, S 116 AS 4255/17, S 137 AS 9894/17 und S 213 AS 13012/17 sowie die LA des Beklagten (fünf Bände) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Die im Verhandlungstermin vor dem Senat am 9. Dezember 2022 erfolgte Änderung der Klage von der ursprünglichen Anfechtungsklage gegen das Auskunftsersuchen in eine Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung, dass eine Auskunftspflicht nicht mehr besteht, ist gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

 

Eine Klageänderung ist in der Berufungsinstanz wie in erster Instanz möglich (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 99 Rn. 12 m.w.N.). Die ursprüngliche Berufung der Klägerin war zulässig und sie verfolgt mit der nunmehrigen Feststellungsklage ihr auf die verlangte Auskunft bezogenes Begehren weiter (vgl. Schmidt a.a.O.). Der Beklagte hat die Einwilligung mit der Klageänderung (vgl. § 99 Abs. 1 SGG) in der Weise erklärt, dass er einen Gegenantrag gestellt hat (vgl. Schmidt a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). Im Übrigen erachtet der Senat die Klageänderung als sachdienlich im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG. Wie bereits in seinem rechtlichen Hinweis im Verhandlungstermin dargelegt, geht der Senat davon aus, dass sich das streitige Auskunftsersuchen durch die mit dem Tod des G verbundene Beendigung des Leistungsverhältnisses zwischen diesem und dem Beklagten erledigt hat (näher dazu sogleich). Der nunmehr gestellte Feststellungsantrag ist geeignet, den Streit der Beteiligten über den Fortbestand der Auskunftspflicht zu entscheiden und einen diesbezüglichen neuen Rechtsstreit zu vermeiden.

 

Auch die Prozessvoraussetzungen  für die  nunmehrige Feststellungsklage  (vgl. § 55 SGG) sind erfüllt. Insbesondere hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung über das Bestehen einer Auskunftspflicht gemäß dem Bescheid vom 3. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids. Denn der Beklagte hält trotz der unstreitig eingetretenen Beendigung des Leistungsverhältnisses zu G an dem Auskunftsersuchen gegen die Klägerin, gerichtet auf ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse ab dem 1. Januar 2015, fest. Damit ist das Grundrecht der Klägerin auf informationielle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz betroffen (vgl. Bundessozialgericht  <BSG>, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – juris Rn. 19, 30). Das daher berechtigte Interesse zu klären, ob sie dem Beklagten derart sensible Daten offenbaren muss, lässt sich über die (ursprüngliche erhobene) Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG nicht mehr erreichen, da sich das Auskunftsersuchen wie erwähnt erledigt hat.

 

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Eine Auskunftspflicht der Klägerin gemäß dem Bescheid vom 3. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids  besteht nicht mehr. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist insofern der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht als der letzten Tatsacheninstanz am 9. Dezember 2022 (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 55 Rn. 21 m.w.N.).

 

Zu diesem Zeitpunkt war das an die Klägerin gerichtete Auskunftsersuchen im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt und damit unwirksam geworden. Denn G als ursprünglich Leistungsberechtigter war bereits knapp ein Jahr zuvor verstorben. Allein auf die Feststellung seines Leistungsanspruchs zielte das Auskunftsersuchen vom 3. Mai 2022 ab. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Bescheides („Für die Berechnung, ob und in welcher Höhe ein Leistungsanspruch gegeben ist, ist daher auch Ihr Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen… Um über den tatsächlichen Leistungsanspruch von Herrn G… entscheiden zu können, …“) wie aus Sinn und Zweck des behördlichen Auskunftsanspruchs aus § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II, der ausschließlich auf die Klärung der finanziellen Verhältnisse des jeweiligen Partners bzw. der jeweiligen Partnerin eines/einer Leistungsberechtigten zugeschnitten ist. Entsprechend ist die gesetzliche Ermächtigung darauf beschränkt, Auskünfte einzuholen, die zur Ermittlung des Leistungsanspruchs erforderlich sind (BSG, Urteil vom 24. Februar  2011 – B 14 AS 87/09 R – juris Rn. 18; ausführlich dazu Voelzke in Hauck/Noftz, § 60 Rn. 39 m.w.N.). Mit den „Aufgaben nach diesem Buch“ im Sinne der Vorschrift ist mit anderen Worten die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bzw. der Höhe des Leistungsanspruchs eines SGB II-Antragstellers gemeint. Es kann hier dahinstehen, ob – was nicht fern liegt – § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II auch Angaben zu Einkommen und Vermögen umfasst, das nur insofern für die Bestimmung des Anspruchs eines/einer SGB II-Leistungsberechtigten erforderlich ist, als es noch um die Rücknahme einer Leistungsgewährung und einen damit verbundenen behördlichen Erstattungsanspruch geht. Jedenfalls geht ein Auskunftsersuchen ins Leere, wenn das Verhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungsempfänger/-in – wie hier durch das Ableben des G – dergestalt beendet ist, dass weder ein Anspruch auf (höheres) Arbeitslosengeld II noch mögliche diesbezügliche Erstattungsansprüche des Jobcenters mehr in Betracht kommen. Mit einer derartigen Beendigung des Leistungsverhältnisses erlischt die Auskunftspflicht des Partners oder der Partnerin des Leistungsempfängers (ebenso Blüggel in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl., § 60 Rn. 31; Becker in jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 60 Rn. 93).  

 

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, dass noch Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin nach § 62 Nr. 2 SGB II im Raum stünden. Die Auskunftspflicht des Partners bzw. der Partnerin von SGB II-Leistungsberechtigten aus § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II dient wie dargelegt ausschließlich der Klärung des Leistungsanspruchs (ggf. auch im Rückabwicklungsverhältnis). Die Vorschrift ermächtigt die Jobcenter nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich nicht dazu, von einem/einer Partner/-in des/der Leistungsberechtigten Auskunft mit Blick auf einen möglichen Schadensersatzanspruch nach § 62 Nr. 2 SGB II zu verlangen.

 

Dies gilt im Besonderen für das hier in Rede stehende Auskunftsersuchen vom 3. Mai 2016, das auch nach seinem Wortlaut ausschließlich auf die erforderliche Berechnung abzielte, ob und in welcher Höhe ein Leistungsanspruch des G bestand. Allein auf die Feststellung von dessen Leistungsanspruch bezog sich folglich auch die zur Einholung von Auskünften über das Einkommen und Vermögen der Klägerin zu treffende behördliche Ermessensentscheidung gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 SGB II i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X (vgl. zu § 60 Abs. 2 SGB II BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – juris Rn. 13). Dieses Auskunftsersuchen hatte sich mit der Beendigung des Leistungsverhältnisses zwischen G und dem Beklagten erledigt.

 

Eine Umdeutung gemäß § 43 Abs. 1 und 2 SGB X des auf die Ermittlung von G’s Anspruch auf Arbeitslosengeld II gerichteten Auskunftsverlangens an die Klägerin in ein solches zwecks etwaiger Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 62 Nr. 2 SGB II kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil insoweit bereits die Tatbestandsvoraussetzung „zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich“ bzw. zur Klärung des Leistungsanspruchs nicht erfüllt ist und im Übrigen die wesentliche Zielrichtungsänderung eine gänzlich andere – neue – behördliche Ermessensentscheidung erfordern würde.

 

Es ist auch nicht etwa so, dass der Beklagte nach diesen Maßgaben unzureichende Möglichkeiten hätte, Schadensersatzansprüche gegen Auskunftspflichtige gemäß § 62 Nr. 2 SGB II geltend zu machen. Vielmehr kann er die Auskunft des Partners/der Partnerin über Einkommen und Vermögen im Rahmen der ersten Stufe der Stufenklage, die im Zivilprozessrecht (§ 254 Zivilprozessordnung <ZPO>) wie in der Sozialgerichtsbarkeit möglich ist (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 254 ZPO, vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 56 Rn. 5 m.w.N.; zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aus § 62 Nr. 2 SGB II im Wege der Leistungsklage Blüggel in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl., § 62 Rn. 27 ff.), erstreiten. Für den Weg über die Stufenklage spricht zudem, dass der mit der erzwungenen Auskunft über Einkommen und Vermögen verbundene Eingriff in das das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur gerechtfertigt erscheint, wenn feststeht, dass der Beklagte den Schadensersatzanspruch – nach Prüfung sämtlicher Voraussetzungen des § 62 Nr. 2 SGB II – auch wirklich geltend macht. Andernfalls müsste der Partner/die Partnerin des (ehemaligen) Leistungsbeziehers womöglich Auskunft über diese sensiblen Daten geben, ohne dass am Ende auch tatsächlich Schadensersatz verlangt wird. Davon könnte der Beklagte hier letztlich etwa mit Blick darauf absehen, dass durchaus fraglich ist, ob man der Klägerin Vorsatz oder Fahrlässigkeit wird vorwerfen bzw. nachweisen können. Denn auch wenn die Begründung für ihre Auskunftsverweigerung, es habe keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden, nicht tragfähig gewesen sein sollte, heißt das nicht, dass die Fehleinschätzung dieser rechtlich und tatsächlich schwierigen Zuordnung auch subjektiv vorwerfbar ist. Zudem ist durchaus fraglich, ob der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden vorliegt (dazu Blüggel a.a.O. Rn. 15). Womöglich kann der Klägerin, die von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, das Auskunftsersuchen gerichtlich überprüfen zu lassen, nicht zugerechnet werden, dass der Beklagte nunmehr, nach langer Dauer des vorliegenden Rechtstreits und G’s frühem Ableben, von diesem keine Leistungserstattung mehr verlangen kann (zum Nachrang der Haftung des Auskunftspflichtigen gegenüber dem Erstattungsanspruch gegen den Leistungsberechtigten Blüggel a.a.O. Rn. 19 ff. m.w.N.).

 

Hat sich das Auskunftsersuchen gegenüber der Klägerin mit der Beendigung des Leistungsverhältnisses zwischen Beklagtem und G erledigt, muss nicht mehr entschieden werden, ob das Auskunftsersuchen vom 3. Mai 2016 hinreichend bestimmt war (vgl. § 33 Abs. 1 SGB X). Daran bestehen insofern Zweifel, als darin zwar mit dem 1. Januar 2015 der Beginn des Zeitraums bezeichnet wurde, für den Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangt wurde, nicht jedoch das genaue Ende dieses Zeitraums. Ein Termin ist insoweit nicht benannt und der Endzeitpunkt ergibt sich auch nicht, jedenfalls nicht mit Eindeutigkeit, aus sonstigen Ausführungen im Bescheid oder den Gesamtumständen. Insbesondere erschließt sich dies nicht aus der Angabe des Datums 16. Mai 2016, bis zu dem die Auskunft eingereicht werden sollte. Für die Notwendigkeit einer genaueren Festlegung spricht zudem, dass mit der Pflicht zur Auskunft über Einkommen und Vermögen wie erwähnt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

Rechtskraft
Aus
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