L 10 KR 929/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 2357/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 929/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 70/21 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.10.2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme für eine Bauchdeckensstraffung (Abdominalplastik).

 

Die 1978 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin reduzierte in Folge einer Strumektomie bei Schilddrüsenkarzinom sowie unterstützender Ernährungsberatung ihr Gewicht bei einer Körpergröße von 161 cm und einem Gewicht von 140 kg auf 90 kg.

 

Am 18.05.2015 beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage eines Befundberichts des plastischen Chirurgen Dr. Z sowie dessen Kostenvoranschlag vom 03.10.2015 über einen Betrag iHv 5400 € und eines Attestes ihres Hausarztes Dr. R vom 07.12.2015 die Übernahme der Kosten für eine Abdominalplastik. Auf Anforderung der Beklagten reichte sie einen Selbstauskunftsbogen sowie Fotos des unbekleideten betroffenen Bereichs ein.

 

Die Beklagte veranlasste eine gutachterliche Untersuchung der Klägerin durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK), für den Dr. N im Gutachten vom 19.02.2016 zu dem Ergebnis kam, dass eine medizinische Indikation für den operativen Eingriff nicht vorliege. Objektivierbare Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich Stütz- und Bewegungsapparat durch die Hauterschlaffung hätten nicht bestätigt werden können. Ein entstellender Befund liege nicht vor. Auch hätten sich reizlose Hautverhältnisse gefunden. Mit Bescheid vom 08.03.2016 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf dieses Gutachten ab. Zur Begründung ihres hiergegen am 23.03.2016 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, aufgrund der vorliegenden Bauchdeckenerschlaffung bestünden durchaus funktionelle Einschränkungen. Sie habe aufgrund der herabhängenden Bauchdecke Probleme beim Bücken, in die Hocke Gehen oder sich nach vorne Beugen. Außerdem komme es im Hautbereich der erschlafften Bauchdecke immer wieder zu Entzündungen. Zur weiteren Begründung legte sie ein Attest der behandelnden Psychotherapeutin Frau P vom 17.05.2016 vor und machte geltend, dass auch ihre psychischen Erkrankungen auf ihre äußerliche Erscheinung aufgrund der Fettschürze zurückzuführen seien.

 

Die Beklagte holte ein weitere Gutachten des MDK vom 17.05.2016 und 09.06.2016 ein, in denen Dr. X zu der Auffassung gelangte, dass sich aus Widerspruchsbegründung und dem Attest der Psychotherapeutin Frau P keine neuen Erkenntnisse ergäben. Nach dem Ergebnis der gutachterlichen Untersuchung vom 19.02.2016 lägen keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen vor. Zwar sei eine gewisse Hautpflege nachvollziehbar erforderlich. Hierunter seien allerdings unauffällige Hautverhältnisse möglich. Die psychische Befindlichkeit sei keine Indikation für einen chirurgischen Eingriff an einem regelrechten Körperzustand, sondern sei mit den Mitteln der Psychotherapie und Psychiatrie zu behandeln.

 

Mit Bescheid vom 09.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

 

Am 08.12.2016 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dortmund (SG) Klage erhoben, zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, sie könne sich aufgrund der erschlafften und hängenden Bauchdecke nicht mehr Bücken. Selbst im Sitzen könne sie ihre Füße mit den Händen nicht mehr erreichen. Ihre tägliche Mobilität sei aufgrund der erheblichen Hautfalte beschränkt. Es seien bei ihr psychische Störung eingetreten, die das Maß des „Normalen“ erheblich überschreiten würden.

 

Das SG hat einen Befundbericht von Dr. R der vom 31.07.2017 und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein plastisch-chirurgisch-sozialmedizinisches Gutachten der Fachärztin für Chirurgie Dr. E eingeholt, die feststellte, dass sich im Rahmen der Begutachtung keine Aspekte gefunden hätten, die eine medizinische Indikation zur Durchführung einer Bauchdeckenplastik plausibel machen würden. Zwar sei es nach Gewichtsreduktion zu einer Erschlaffung des Haut- /Weichteilmantels im Bereich der Bauchdecke mit Ausbildung einer mäßigen Fettschürze gekommen. Eine funktionelle Beeinträchtigung oder ein entstellender Aspekt resultiere hieraus jedoch nicht. Chronische oder therapierefraktäre Entzündungen im Bereich der Unterbauchumschlagsfalte lägen nicht vor.

 

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein Gutachten des Facharztes für plastische und ästhetische Chirurgie Dr. A vom 21.06.2018 eingeholt, der eine nach drastischer Gewichtsreduktion verstärkte Bauchfettschürzenbildung mit aneinander reiben/aufliegen von Hautareal mit diesbezüglich angedeuteten Hautinfekten (Pilzbesiedlung) feststellte. Es liege eine leichte Einschränkung der Mobilität der Klägerin vor. Das Vorliegen einer Fettschürze mit Doppelfaltenbildung und einem aneinander reiben der Haut im Bereich des Schamhügels sowie der Oberschenkel mache eine Korrekturoperation erforderlich. Eine Abdominalplastik sei medizinisch indiziert.

 

Hierzu hat das SG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. E vom 06.09.2019 eingeholt, die die Auffassung vertrat, aus dem Befund von Dr. A mit leicht geröteten Bezirken bei Verdacht auf eine mögliche Pilzinfektion könne eine Indikation zur Durchführung einer Abdominalplastik nicht abgeleitet werden. Hierfür könne lediglich eine therapierefraktäre Situation oder gar eine ultima ratio-Situation eine Begründung sein. Die Doppelfaltenbildung habe sie bei Erstellung ihres Gutachtens berücksichtigt und fotografisch dokumentiert.

 

Mit Urteil vom 15.10.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Voraussetzung für einen Sachleistungsanspruch nach § 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit. Unter Krankheit sei ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Eine Krankheit im Rechtssinne verlange eine erhebliche Abweichung vom idealen Zustand. Geringfügige Störungen, die keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben, würden nicht ausreichen. Abweichungen von einer morphologisch idealen Norm, die noch befriedigende körperliche oder psychische Funktionen zulasse, seien keine Krankheit. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit sei vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung der normalen körperlichen und psychischen Funktionen in der Lage ist. Eine Abweichung von dieser Norm führe zur Regelwidrigkeit. Erforderlich sei dabei, dass der Versicherte in seiner Körperfunktion beeinträchtigt wird und diese Funktionsbeeinträchtigung durch die notwendige Krankenbehandlung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet wird oder dass er an einer Abweichung leidet, die entstellend wirkt. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form von Eingriffen in intakte, nicht in ihrer Funktion beeinträchtigte komme als Ausnahmefall nur dann in Betracht, wenn die Abweichung entstellend wirke. Diesbezüglich sei auf das Erscheinungsbild in üblicher Alltagskleidung, nicht jedoch auf den unbekleideten Zustand abzustellen.

 

Eine behandlungsbedürftige Erkrankung in diesem Sinne liege bei der Klägerin durch die Fettschürze nicht vor. Diese führe nicht zu einer operationsbedürftigen körperlichen Fehlfunktion. Die Kammer folge den Ausführungen der Sachverständigen Dr. E, die weder eine statische muskuläre Dysbalance des Rumpfes noch andere körperliche Fehlfunktionen habe feststellen können. Dies werde auch durch die Gutachten des MDK bestätigt. Auch der gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. A beschreibe anlässlich seiner gutachterlichen Untersuchung einen pathologisch unauffälligen Befund und eine mechanische Behinderung durch die Vorwölbung der Bauchdecke lediglich beim Vorbeugen (Fingerbodenabstand 5 cm). Seiner Auffassung, allein aus der Ausprägung der Fettschürze im Stadium II ergäbe sich unter Bezugnahme auf die fachärztlich plastisch-chirurgische Literatur eine Operationsindikation, sei entgegenzuhalten, dass es hierauf für die Frage der Einstandspflicht der Beklagten als gesetzlicher Krankenkasse nicht ankomme. Überschüssige Haut- und Fettgewebe würden für sich gesehen keinen krankhaften Befund im og Sinne darstellen. Eine Operationsindikation werde auch nicht durch das Hautbild der Klägerin begründet. Die durch Dr. A befundeten Hautveränderungen in Form einer Rötung und fraglichen Pilzinfektion könnten zwar eine Erkrankung darstellen, seien aber zunächst einer dermatologischen Behandlung zuzuführen. Auch der psychische Leidensdruck der Klägerin aufgrund der Fettschürze führe zu keiner anderen Beurteilung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei dieser vorrangig durch Psychiater/Psychologen zu behandeln und rechtfertige keinen operativen Eingriffs in ein funktionell intaktes Organ. Eine Entstellung der Klägerin habe durch die Kammer ebenfalls nicht festgestellt werden können.

 

Gegen das am 13.11.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.12.2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, sie leide seit Jahren unter einer aus der Hautfettschürze resultierenden Hauterkrankung im Bauchbereich. Diese beeinträchtige sie in ihren Körperfunktionen. Sie könne insofern auch nicht auf eine rein dermatologische Behandlung verwiesen werden. Denn die Hautbeschwerden träten regelmäßig auf. Dass sich bei dem faltenbedingten aneinander reiben der Haut Entzündungen bilden, sei unumgänglich. Auch wenn die Klägerin diese häufig auch durch freiverkäufliche Salben behandeln könne, könnten wiederkehrenden Entzündungen nicht verhindert werden. Trotz intensiver Hygiene-und Hautpflegebemühungen komme es immer wieder zu Rötungen und Entzündungen. Dies werde in den warmen Sommermonaten durch vermehrtes Schwitzen noch verstärkt. Eine rein dermatologische Behandlung sei ihr auf Dauer nicht zumutbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich die Hauterkrankung erst durch die vorangegangene Operation mit anschließend erforderlicher Schilddrüsenhormonsubstitution eingestellt habe. Es handele sich insofern um eine einheitliche Heilbehandlung mit der Folge der Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse zur Übernahme der Kosten der Abdominalplastik. Die wegen ihres Schamgefühls hinsichtlich ihres Äußeren durchgeführte psychologische Therapie habe aufgrund des zwischenzeitlichen Eintritts des Psychiaters in den Ruhestand nicht fortgeführt werden können.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.10.2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2016 zu verurteilen, die Kosten für eine Abdominalplastik entsprechend dem Kostenvoranschlag vom 03.10.2015 übernehmen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die streitgegenständliche Straffung der Bauchdecke stelle einen Angriff in ein krankenversicherungsrechtlich gesundes Organ dar. Eine medizinische Indikation zur Durchführung der Bauchdeckenplastik habe die Sachverständige Dr. E auch unter Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. A nicht bejaht. In Bezug auf Operationen am – krankenversicherungsrechtlichen betrachtet – gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lasse sich grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen. Auch die vorgetragenen rezidivierenden Reizerscheinungen könnten keine Rechtfertigung für die Durchführung der begehrten Maßnahme sein, da eine ausreichende Behandlungsmöglichkeit unter Nutzung konservativer Therapiemaßnahmen und den Mitteln der Dermatologie bestehe und diese noch nicht ausgeschöpft seien.

 

Der Senat hat Befundberichte der Dermatologin Dr. G vom 23.04.2020 und der Fachärztin für Innere Medizin Dr. V vom 05.06.2020 sowie zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des Facharztes für Dermatologie Dr. S vom 24.02.2021 eingeholt. Dieser hat leichte Rötungen in der Nabelregion und eine leichte Rötung und Überpigmentierung in den Leisten festgestellt. Deutlich entzündliche Areale oder gar nässende Areale sowie eine Ekzem-Situation ließen sich an keiner Körperstelle nachweisen. Durch die Gewichtsabnahme sei es zu schlaffer Haut im Bereich des Bauches und einer Fettschürzenbildung gekommen. Eine Entstellung sei aber weder im bekleideten noch unbekleideten Zustand zu begründen. Auf dermatologischen Gebiet lägen leichte rezidivierende Gesundheitsstörungen vor, die sich in den Hautfalten abspielen (Intertrigo). Hier komme es zu Reibungseffekten, zu Rötungen und bisweilen sei möglicherweise eine Pilzinfektion nachvollziehbar gegeben. Funktionelle Beeinträchtigungen würden hieraus jedoch nicht resultieren. Medizinische Behandlungsmaßnahmen würden ausreichen, den Gesundheitsstörungen zu begegnen. Es bestehe keine Therapieresistenz bei dermatologischen Veränderung durch Hautüberschuss. Eine Korrekturoperation der Bauchdecke sei weder aus medizinischen Gründen noch zur Beseitigung von Entstellungen erforderlich.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung, über die der Berichterstatter mit Zustimmung der Beteiligten gemäß §§ 155 Abs 3 und 4, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet.

 

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 08.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2016 nicht beschwert, denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Abdominalplastik.

 

Gemäß § 27 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf eine Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 35/15 R – in juris Rn  9). Nicht Gegenstand des Anspruchs auf Krankenbehandlung sind demgegenüber ästhetischer Operationen, die weder auf einer Entstellung noch einem sonstigen kurativen Behandlungsgrund beruhen (vgl BSG, Urteil vom 27.08.2019 – B 1 KR 37/18 R – in juris).

 

Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme sind bei der Klägerin nicht erfüllt.

 

Die Bauchdeckenfettschürze an sich ist keine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, weil sie zu keiner unmittelbaren Beeinträchtigung einer Körperfunktion führt (vgl Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. 2013 – L 1 KR 119/11 – in juris Rn 19; Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15.09.2004 – L 9 KR 56/03 – in juris Rn 20; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 – L 4 KR 60/04 – in juris Rn 22).

 

Eine Einschränkung der Körperfunktionen aufgrund des Hautüberschuss im Bereich der Bauchdecke liegt nicht vor. Der Senat folgt insoweit der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).

 

Soweit bei der Klägerin eine Behandlungsbedürftigkeit der Haut besteht, kann dieser Bedarf ausweislich der nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S sowie der erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. E durch konservative Maßnahmen in Form einer konsequenten dermatologischen (Weiter-) Behandlung und pflegerische Maßnahmen befriedigt werden. Speziell durch die bei der Klägerin vorliegenden Hautüberschuss verursachte therapierefraktäre Hautveränderungen haben weder der MDK noch die gerichtlichen Sachverständigen feststellen können. Vielmehr hat Dr. S eine therapierefraktäre Situation ausdrücklich verneint. Eine solche ergibt sich auch nicht aufgrund des Befundberichts der Dermatologin Dr. G. Die Klägerin hat diese Ärztin lediglich einmalig am 07.01.2020 aufgesucht. Zu weiteren Kontrolluntersuchungen ist sie nicht erschienen. Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass eine konsequente dermatologische Behandlung der Hautveränderungen überhaupt jemals erfolgt ist.

 

Soweit Dr. A die medizinische Indikation mit dem Verdacht auf Pilzbesiedlung im Bereich der seitlichen Ausläufer der aneinander reibenden Hautfalten begründet, kann dem nicht gefolgt werden. Der dermatologische Sachverständige Dr. S konnte eine solche Pilzinfektion nicht feststellen. Darüber hinaus hat Dr. A in seinem Gutachten die vorrangige Möglichkeit der Behandlung etwaiger Hauterscheinungen durch konservative Maßnahmen in Form einer konsequenten dermatologischen Behandlung nicht berücksichtigt. Seiner Auffassung, allein aus der Ausprägung der Fettschürze im Stadium II ergebe sich eine Operationsindikation, kann aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, auf die auch insoweit Bezug genommen wird, nicht gefolgt werden.

 

Eine Entstellung liegt bei der Klägerin – wovon sich der Senat anhand der durch die gerichtlichen Sachverständigen Dr. E, Dr. A und Dr. G beigefügten Fotodokumentationen überzeugen konnte – nicht vor. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Abnormität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktion der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und damit zugleich erwarten lässt, dass Betroffene ständig viele Blicke auf sich ziehen, zum Objekt besonderer Beachtung anderer werden und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen und zu vereinsamen drohen, sodass deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. So genügt etwa nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi „im Vorbeigehen“ bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (vgl BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 35/15 R – in juris Rn 13 f mwN). Abzustellen ist dabei auf das Bild in bekleidetem Zustand (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.02.2017 – L 1 KR 134/14 – in juris Rn 25).

 

Ausgehend hiervon sind die aus den durch die Sachverständige Dr. E gefertigten Bildaufnahmen der Klägerin im bekleideten Zustand ersichtlichen frontalen und seitlichen Verformungen der Bauchdecke nicht derart erheblich ausgeprägt, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im vorbeigehen bemerkbar machen könnten und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer führen. Die überschüssige Haut ist durch das Tragen weiter Oberbekleidung gut kaschiert. Auch die Sachverständigen Dr. E und Dr. G haben das Vorliegen einer Entstellung der Klägerin im bekleideten Zustand nicht feststellen können.

 

Soweit die Bauchdeckenfettschürze mit einem seelischen Leiden für die Klägerin verbunden ist, folgt hieraus ebenfalls kein Anspruch auf eine Abdominalplastik. Ein operativer Eingriff in einen für sich genommenen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustand zwecks Behebung oder Linderung einer psychischen Störung begründet grundsätzlich keine Leistungspflicht der Krankenkasse. Dies beruht vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkung von körperlichen Veränderungen und der deshalb unsicheren Erfolgsprognose von Operationen, die nur mittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen und die mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Bei psychischen Störungen beschränkt sich der Heilbehandlungsanspruch deshalb im Allgemeinen auf eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie (vgl BSG, Urteile vom 19.10.2004 – B 1 KR 3/09 R – in juris Rn 17 und vom 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R – in juris Rn 16 ff). Insofern ist es auch unerheblich, dass eine psychologische/psychiatrische Behandlung der Klägerin aufgrund des Ruhestandes ihres vormals behandelnden Psychiaters derzeit nicht stattfindet. Es steht der Klägerin frei, den og Heilbehandlungsanspruch mit Hilfe eines anderen Arztes/Psychologen wahrzunehmen.

 

Zur Überzeugung des Senats kann die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auch nicht aus dem Urteil des Sächsischen LSG vom 31.05.2018 – L 1 KR 249/16 in juris – herleiten, nach dem die von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zur Mammaaugmentationsplastik nach Entfernung eines Mammakarzinoms (vgl BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 35/15 R – in juris Rn 18) entsprechend herangezogen werden konnte.

 

Der dort entschiedene Sachverhalt betraf eine Straffungsoperation nach einer Adipositasbehandlung. Eine Adipositasbehandlung hat zum Ziel, das Körpergewicht des Betroffenen zu verringern und über eine Gewichtsreduktion und metabolische Veränderungen den Gesundheitszustand, die Lebensqualität und die Lebenserwartung zu verbessern (vgl S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemein-und Viszeralchirurgie, Stand Februar 2018, Seite 7). Dazu kann es gehören, auch die Körperform zu rekonstruieren, sofern hierfür eine medizinische Indikation vorliegt. Dementsprechend lautet die Empfehlung 6.32 der Leitlinie „bei Patientenwunsch und entsprechender medizinischer Indikation soll eine Straffung angeboten und durchgeführt werden (Herv d Verf)“. Im Folgenden beschreibt die Leitlinie mit Hauterkrankungen und funktionellen Einschränkungen durch die Hautüberschüsse dieselben Kriterien, die auch die Rechtsprechung angelegt. Dem entsprechend scheidet vorliegend auch ein Vergleich mit der von der Klägerin zitierten Entscheidung des LSG Sachsen aus. Denn dort litt die Patientin an einer therapieresistenten Hauterkrankung. Das LSG Sachsen hat daher zugunsten der dortigen Klägerin entschieden, dass diese sich nicht lebenslang auf dermatologische Behandlungen ihrer Hautbeschwerden verweisen lassen müsse, sondern einen Anspruch darauf habe, den krankhaften Befund auf Dauer wieder zu normalisieren. Dafür sei die Bauchfettschürzenresektion geeignet und notwendig (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 31.05.2018, aaO, Rn 70,71).

 

Bei der Klägerin liegt jedoch – wie bereits ausgeführt – keine therapieresistente Hauterkrankung vor.

 

Auch kann eine Hautstraffung nach starkem Gewichtsverlust nicht grundsätzlich mit einem Brustaufbau nach einer Mastektomie (etwa aufgrund eines Mammakarzinoms) gleichgesetzt werden. Denn der Anspruch auf Brustaufbau liegt darin begründet, dass eine ärztliche Behandlung stets darauf gerichtet ist, Erkrankte unter Wahrung ihrer körperlichen Integrität zu heilen. Wird zur Behandlung in den Körper eingegriffen, ist dieser möglichst wieder herzustellen. Diese Fälle unterscheiden sich grundlegend von Eingriffen in einen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustand, um das nicht entstellte äußere Erscheinungsbild zu ändern (Urteil des erkennenden Senats vom 29.03.2021 – L 10 KR 501/20; BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 35/15 R – in juris Rn 18; RSG NRW, Urteil vom 28.05.2020 – L 16 KR 558/19 und vom 25.03.2021 – L 16 KR 443/20 –; ähnlich auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.08.2020 – L 4 KR 287/19 – in juris Rn 26 – 33; Bayerisches LSG, Urteil vom 04.12.2018 – L 20 KR 406/18 – in juris Rn 69; LSG Hamburg, Urteil vom 17.07.2014 – L 1 KR 160/13 – in juris Rn 29).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor – § 160 Abs 2 SGG –.

 

 

Rechtskraft
Aus
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