L 14 KR 247/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 1371/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KR 247/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.

 

Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kostenübernahme für eine außervertragliche Psychotherapie.

 

Der 1963 geborene Kläger hatte mit Eingang bei der Beklagten am 17. März 2020 einen „Antrag auf Psychotherapie im Rahmen der Kostenerstattung“ bei dem nicht durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten F gestellt, dies unter Vorlage einer Liste bereits von ihm erfolglos kontaktierter Psychotherapeuten, die ihm keinen Therapieplatz hätten anbieten können. Der Psychotherapeut F teilte auf Befragen mit, dass die Durchführung einer ambulanten Langzeit-Verhaltenstherapie über 60 Sitzungen beabsichtigt sei. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 3. April 2020 ein, für den Dr. Zausführte, dass Angaben und Nachweise zur bisher erfolgten Behandlung fehlten und die Voraussetzungen für die begehrte Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Mit Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 8. April 2020 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass eine Kostenübernahme für die beantragte außervertragliche Psychotherapie nicht erfolgen könne. Mit Eingang bei der Beklagten am 8. Mai 2020 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung von Psychotherapie im Rahmen der Kostenerstattung, dies unter Verweis auf weitere von ihm erfolglos kontaktierte Psychotherapeuten. Die Beklagte befragte erneut den MDK, für den unter dem 19. Mai 2020 Dr. H ausführte, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllt seien.

 

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Mai 2020 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass man „unter Berücksichtigung des Einzelfalls“ einmalig die Kosten für eine Langzeittherapie (Verhaltenstherapie) von max. 60 Therapieeinheiten bei dem Psychotherapeuten F übernehme. Über den Leistungsumfang sei der Behandler mit dem beigefügten Schreiben zu informieren, die beigefügte Bescheinigung sei vor Beginn der Behandlung beim Psychotherapeuten vorzulegen. Der Therapeut werde die erbrachten Leistungen dann direkt mit ihr, der Beklagten, abrechnen. Beigefügt war ein Schreiben an den Psychotherapeuten F vom 27. Mai 2020, wonach die Kosten für die außervertragliche Langzeittherapie für den Kläger übernommen würden. Weiter ist ausgeführt, dass er, der Psychotherapeut, über keine Zulassung der KV verfüge. Die Abrechnungsgrundlage orientiere sich daher an der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Daher sei ihr als Leistungsträgerin gegenüber in diesem Zusammenhang gemäß § 11 GOÄ nur der einfache GOÄ-Gebührensatz abrechnungsfähig. Eine Steigerung der Gebühr innerhalb des bestehenden Gebührenrahmens sei nicht zulässig. Die erbrachte psychotherapeutische Leistung sei unmittelbar mit ihr, der Krankenkasse, abzurechnen. Der Abschluss eines privaten Behandlungsvertrages mit dem Kläger sei gemäß „unrechtmäßig (§ 630a Abs. 1 BGB)“(Bürgerliches Gesetzbuch), Mehrkosten dürften dem Kläger nicht auferlegt werden.

 

Den vom Kläger gegen die Honorarbeschränkung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2020 - erneut unter Verweis auf § 11 Abs. 1 GOÄ - zurück.

 

Hiergegen hat der Kläger die vorliegende, am 13. August 2020 beim Sozialgericht Berlin eingegangene Klage erhoben.

 

Am 29. September 2020 wandte sich der Kläger an das Gericht mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der zum Aktenzeichen S 76 KR 1911/20 ER geführt wurde. Er führte aus, dass der Therapeut nicht bereit sei, die Leistungen mit der Kostenbeschränkung auf den 1,0-fachen Satz nach GOÄ zu übernehmen. Die Leistung sei aber unaufschiebbar. Mit Beschluss vom 18. November 2020 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet, bis zur Bestandskraft ihres Bescheides vom 27. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2020 den Kläger von den Kosten für eine Langzeittherapie (Verhaltenstherapie) im Umfang von max. 60 Therapieeinheiten bei dem Psychologischen Psychotherapeuten F in voller Höhe freizustellen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen Versicherte mit Zustimmung der Krankenkasse eine psychotherapeutische Behandlung bei einem Nicht-Vertragstherapeuten durchführten, würden vertragliche Beziehungen in der Form das Behandlungsvertrages nur zwischen dem jeweiligen Versicherten und dem Psychotherapeuten begründet. Der Versicherte werde selbst Vertragspartner des Leistungserbringers und schulde diesem grundsätzlich selbst die Vergütung. Die Krankenkasse erfülle im Rahmen des Freistellungsanspruches nach § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) lediglich diese für sie fremde Schuld. § 11 GOÄ finde auf diese Fälle keine Anwendung. Ein Vertragsverhältnis der Krankenkasse mit dem Psychotherapeuten sei nicht zustande gekommen, da Herr F mit dem ihm von der Antragsgegnerin unterbreiteten Angebot offensichtlich nicht zufrieden sei, weshalb er ja auch die Behandlung des Antragstellers bisher ablehne und er das Angebot also nicht angenommen habe.

 

Beginnend am 7. Dezember 2020 hat der Kläger die streitige Langzeittherapie begonnen und dann regelmäßig in Anspruch genommen. Die Beklagte hat in der Folgezeit auf der Grundlage dieses Beschlusses die Kosten für die durchgeführte Langzeittherapie übernommen, dies ausdrücklich „gemäß des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2020“, und sich hierbei vorbehalten, die Kosten über dem einfachen GOÄ-Satz in Abhängigkeit von der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vom Kläger zurückzufordern (Schreiben vom 26. November 2020). Ausweislich der seitens der Beklagten beigebrachten Rechnungen hat der Psychotherapeut F für Behandlungen bis 26. September 2022 insgesamt 5.731,35 € in Rechnung gestellt, dies jeweils mit dem 2,3-fachen GOÄ-Satz.

 

Auf die vorliegende Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 28. Mai 2021 den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2020 aufgehoben, soweit er eine Beschränkung der Erstattung von Kosten auf die Höhe des einfachen Gebührensatzes nach der GOÄ enthalte. Als Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren des Klägers komme nur § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V in Betracht. Der Sachleistungsanspruch der Versicherten auf Psychotherapie ergebe sich aus §§ 27, 28 SGB V. Der Beklagten sei es jedoch nicht möglich gewesen, den Kläger mit einer Behandlung durch einen Vertragstherapeuten oder eine Vertragstherapeutin zu versorgen, sodass auf einen außervertraglichen Leistungserbringer habe zurückgegriffen werden müssen. Mit ihrer Kostenübernahme dem Grunde nach durch Bescheid vom 27. Mai 2020 habe die Beklagte anerkannt, dass sie eine unaufschiebbare Psychotherapie(sach)leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können. In einem solchen Fall des sogenannten Systemversagens wegen mangelnder Verfügbarkeit zugelassener Leistungserbringer komme von vornherein keine Sachleistung, sondern nur ein sachleistungsersetzender Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. In diesem Rahmen habe die Krankenkasse dem Versicherten die Kosten zu erstatten bzw. ihn von der entsprechenden Zahlungsverpflichtung freizustellen, die dieser dem Leistungserbringer tatsächlich schulde, sofern eine der GOÄ entsprechende Abrechnung vorliege. Der Vergütungsanspruch des Behandlers richte sich nach der Gebührenordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (GOP), die in § 1 Abs. 1 auf die GOÄ verweise. Die Höhe des Erstattungsanspruches sei demnach nicht auf die Kosten beschränkt, die die Krankenkasse hätte aufwenden müssen, wenn ihr die Bereitstellung der Leistung im Sachleistungssystem möglich gewesen wäre. Der Psychotherapeut F sei auch nicht dazu verpflichtet, den Kläger auf der Grundlage des einfachen Gebührensatzes nach der GOÄ zu behandeln. § 11 GOÄ, auf den die Beklagte sich berufe, finde auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Vorschrift setze voraus, dass die Krankenkasse „die Zahlung leiste“. Die Leistung einer Zahlung im Rechtssinne erfordere eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen der Krankenkasse und dem Behandler. Die Kasse müsse die Zahlung als Erfüllung einer eigenen gegenüber dem Behandler bestehenden Zahlungsverpflichtung leisten. Voraussetzung sei also, dass der Leistungserbringer einen eigenen Anspruch gegen den öffentlich-rechtlichen Kostenträger habe. § 11 GOÄ gelte hingegen nicht, wenn der Patient selbst Honorarschuldner des Arztes sei, jedoch seinerseits gegenüber einem Dritten einen Anspruch auf Kostenerstattung habe. Einen eigenen Anspruch gegen die Beklagte habe Herr F aber nicht. Ein Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten sei nicht zustande gekommen, da Herr F das von der Beklagten unterbreitete Angebot nicht angenommen habe. Im Rahmen der Kostenerstattung werde kein unmittelbarer Vergütungsanspruch des Psychotherapeuten gegen die Krankenkasse begründet. Vielmehr würden in Fällen wie dem vorliegenden vertragliche Beziehungen in der Form des Behandlungsvertrages nur zwischen dem jeweiligen Versicherten und dem Psychotherapeuten begründet. Der Versicherte werde selbst Vertragspartner des Leistungserbringers und schulde diesem grundsätzlich selbst die Vergütung. Die Krankenkasse erfülle im Rahmen des Freistellungsanspruches nach § 13 Abs. 3 SGB V lediglich diese für sie fremde Schuld. Die bloß faktische Honorarzahlung könne eine Rechtsbeziehung zum Psychotherapeuten nicht entstehen lassen. Ein solcher öffentlich-rechtlicher interner Kostenerstattungsanspruch des Versicherten eröffne nicht den Anwendungsbereich des § 11 GOÄ. Auch eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V scheide aus, da es der Beklagten gerade nicht gelungen sei, dem Kläger die begehrte psychotherapeutische Behandlung als Sachleistung zu verschaffen, auch nicht „ersatzweise auf anderem Wege“. Vorliegend habe sich der Psychotherapeut F ausdrücklich geweigert, den Kläger zu den von der Beklagten genannten Vergütungsbedingungen zu behandeln.

 

Gegen dieses ihr am 2. Juni 2021 zugegangene Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 25. Juni 2021 bei Gericht eingegangenen Berufung, die sie auf dem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen Behördenpostfach eingelegt und mit  dem Namen der Krankenkasse unterschrieben hat. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass § 11 GOÄ keine Rechtsbeziehung zwischen Kostenträger und Leistungserbringer erfordere. Die Berechnung erfolge in den Fällen des § 11 GOÄ nach den einfachen Gebührensätzen und demgemäß ohne Steigerungssätze, wenn – wie vorliegend – dem Leistungserbringer vor Inanspruchnahme der Leistung die Bescheinigung über diese Vorgehensweise vorgelegt werde. Mit Vorlage dieser Bescheinigung gehe die Krankenkasse eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber dem Leistungserbringer ein und verschaffe dem Versicherten die Psychotherapieleistung in Natur auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V. Zu einem Anspruch auf Kostenerstattung oder Freistellung nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V komme es somit nicht mehr. Im Übrigen trägt die Beklagte unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen ferner vor, dass zwingende Voraussetzung des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V – abgesehen von der vorliegend nicht einschlägigen Unaufschiebbarkeit einer Leistung – das Beantragen der Leistung vor Beginn der Behandlung bei der Krankenkasse sei. Die Krankenkasse habe sodann nicht nur über die Leistung selbst, sondern unter Beachtung der allgemeinen Vorschriften, unter anderem des Wirtschaftlichkeitsgebotes gemäß § 12 SGB V, auch über die Art und Weise der Sicherstellung der Leistungserbringung zu befinden. Zur Sicherstellung der Leistungserbringung könne die Krankenkasse auch selbst eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber dem qualifizierten, nicht zugelassenen Leistungserbringer eingehen und damit den sich aus einer wirksamen Honorarforderung ergebenden Rechnungsbetrag begleichen, ohne dass sich der Versicherte die Leistung selbst beschaffen und sich einer schuldrechtlichen Verpflichtung aussetzen müsse. Es sei zu beachten, dass eine Erstattung der Kosten für eine durch den Versicherten selbst beschaffte Leistung einerseits oder eine ersatzweise Naturalleistungserbringung andererseits zu erheblichen Unterschieden in der finanziellen Belastung für die Krankenkasse führen könne. Auch im Falle einer Versorgungslücke sei jedoch das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten.

 

Nach Hinweis des Gerichts, dass die Berufung – entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts - auch bei Einreichen auf einem sicheren Übermittlungsweg von der verantwortenden Person signiert sein müsse, so dass die Monatsfrist für die Einlegung versäumt sei,  hat die Beklagte ausgeführt, dass die den Berufungsschriftsatz verantwortende Sachbearbeiterin doch namentlich im Kopf des Schriftsatzes genannt sei, dies sei eine Signatur. Unabhängig von der möglicherweise fehlenden Zulässigkeit bitte man um ergänzende Ausführungen zur Begründetheit der Berufung, um Rückschlüsse für ähnlich gelagerte Sachverhalte ziehen und weitere Klagefälle vermeiden zu können.

 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte die rechtliche Wirkung des § 13 Abs. 3 SGB V verkenne. Die Beklagte sei keine Kostenträgerin im Sinne des § 11 GOÄ. Eine Rechtsbeziehung der Beklagten mit dem Therapeuten habe nicht bestanden. Der an die Beklagte gerichtete Antrag sei ein Antrag auf Erstattung einer selbst beschafften Leistung gewesen bzw. auf Freistellung von diesen Kosten. Eine Kostenübernahmebescheinigung im Sinne des Abs. 2 des § 11 GOÄ habe es vor Abschluss des Vertrages über die Behandlung zwischen der Beklagten und dem Therapeuten nicht gegeben und eine Begrenzung sei auch nach der Regelung des § 11 Abs. 2 GOÄ rechtswidrig.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten zu diesem Verfahren und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den des Verwaltungsvorganges der Beklagten, den diese mit ihrer Berufung zur Akte gereicht hat, sowie auf den Inhalt des beigezogenen Verfahrens S 76 KR 1911/20 ER.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen. Nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Vorliegend fehlt es an einer schriftlichen Einlegung der Berufung. Nach § 65a Abs. 1 SGG kann anstelle eines schriftlich einzureichenden Antrags oder einer schriftlich einzureichenden Erklärung ein elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dieses muss von der verantwortenden Person entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden (§ 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGG) oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Berufungsschriftsatz der Beklagten wurde zwar auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen Behördenpostfach übersandt, wie sich aus dem entsprechenden Herkunftsnachweis im Transfervermerk ergibt. Er war jedoch nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, wie sich ebenfalls aus dem Transfervermerk ergibt. Er war auch nicht mit einer einfachen Signatur der verantwortenden Person signiert. Die einfache Signatur im Sinne des § 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGG meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigenhändige Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Die bloße Nennung des Nachnamens bzw. des Namenskürzels im Kopf des Schriftsatzes zeigt hingegen lediglich den zuständigen Sachbearbeiter oder die zuständige Sachbearbeiterin auf, trifft jedoch keine Aussage darüber, ob dieser oder diese für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift auch die Verantwortung übernehmen will (BAG, Beschluss vom 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 –, Leitsatz und Rn. 15 und 19 f., zu der dem § 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGG insoweit gleichlautenden Norm § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 Zivilprozessordnung –ZPO-, Rechtsprechung hier und im Folgenden zitiert nach juris). Entgegen der Einschätzung der Beklagten reicht also die namentliche Nennung der Sachbearbeiterin im Kopf des Schriftsatzes für eine einfache Signatur nicht aus.

 

Die Frist für die Berufung gegen das der Beklagten am 2. Juni 2021 zugegangene Urteil lief am Freitag, dem 2. Juli 2021 ab, sie wurde mangels einer dem Schriftformerfordernis genügenden Berufungseinlegung nicht gewahrt. Nach § 67 Abs. 1 und 2 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, wobei der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen ist. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Die Beklagte hat vorliegend nach Hinweis auf die Versäumung der Frist mangels Wahrung der Schriftform weder einen  Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt noch die versäumte Rechtshandlung nachgeholt, so dass eine Entscheidung im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung nicht zu erfolgen hatte.

 

Die Berufung wäre auch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2021 ist rechtmäßig. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem erstinstanzlichen Urteil der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2020, gegen den sich der Kläger in zulässiger Weise mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) gewandt hat. Die Anfechtungsklage ist gegen die vorliegend erfolgte einschränkende Nebenbestimmung im Hinblick  auf  die Höhe der Kostenübernahme isoliert zulässig. Denn grundsätzlich ist eine isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen statthaft, solange diese nicht offenkundig von vornherein ausscheidet (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, Anhang § 54 Rn. 18a m.w.N.). Ob eine Nebenbestimmung isoliert aufgehoben werden kann, hängt davon ab, ob der Verwaltungsakt ohne sie sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann (BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 8 B 10/18 - Rn. 5), was vorliegend ohne weiteres möglich ist. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2020 ist im Hinblick auf die angefochtene Nebenbestimmung im bereits erstinstanzlich entschiedenen Maße rechtswidrig und daher zu Recht durch das erstinstanzliche Urteil abgeändert worden.

 

Das Gericht verweist zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts in der angefochtenen Entscheidung, denen es sich nach eigener Überprüfung vollumfänglich anschließt. Das erstinstanzliche Gericht hat unter umfassender Darlegung aller einschlägigen rechtlichen Grundlagen und der hierzu ergangenen ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dargelegt, dass und weshalb die Kosten für die streitige Behandlung des Klägers nicht lediglich beschränkt auf die Höhe des einfachen Gebührensatzes nach der GOÄ zu übernehmen sind.

 

Ergänzend und auf die Einwände der Beklagten im Berufungsverfahren ist auf Folgendes hinzuweisen: Entgegen der Auffassung der Beklagten hat diese die Therapie nicht als Naturalleistung erbracht. Grundsätzlich erbringt die Krankenkasse den Versicherten vertragsärztliche Leistungen, indem sie - in der Regel vermittelt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 73 Abs. 2, § 75 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V, §§ 2 ff. Psychotherapie-Vereinbarung – Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä)) - ihnen eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält, unter denen sich die Versicherten den gewünschten Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen. Der Versicherte erhält die von ihm zu beanspruchenden Leistungen in der Regel dementsprechend nicht unmittelbar von der Krankenkasse in Natur, sondern von Leistungserbringern. Die Krankenkassen bedienen sich regelmäßig der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl. § 2 Abs. 2 S 3 SGB V). Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung Zugelassenen (Ärzte etc.) frei wählen (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 3/13 R –, Rn. 12) und diese dann bei ambulanter Behandlung unter Vorlage ihrer Gesundheitskarte in Anspruch nehmen. Die Verschaffungspflicht der Krankenkasse im Hinblick auf Sach- oder Dienstleistungen des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V gewährleistet, dass der Versicherte notwendige Leistungen der Krankenpflege erhält, ohne sie sich selbst erst beschaffen und insbesondere ohne bei ihrer Inanspruchnahme eine unmittelbare Gegenleistung erbringen zu müssen. Das Sachleistungsprinzip verfolgt also mehrere Schutzzwecke: keine Vorleistung des Patienten, kein Risiko der Kostenerstattung, Sicherung von Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit durch Einbindung der Leistungserbringer in ein öffentlich-rechtliches Pflichtensystem (Plagemann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 2 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 61). Der Kläger konnte vorliegend den Psychotherapeuten F nicht über den beschriebenen Sachleistungsweg in Anspruch nehmen. Er konnte diesen nicht nach Auswahl des Behandlers unter Vorlage seiner Gesundheitskarte in Anspruch nehmen. Ein Genehmigungsverfahren ist zwar grundsätzlich auch vor Inanspruchnahme einer Psychotherapie durch einen Vertragsbehandler durchzuführen. Vorliegend blieb der Kläger, wie dargestellt, jedoch auch nach der grundsätzlichen Bewilligung der Behandlung durch die Beklagte in die finanzielle Abwicklung involviert: es wurde gerade nicht einfach nur die Leistung bewilligt, sondern in der Folgezeit die Vertragsgestaltung über den Kläger abwickelt und nicht etwa direkt mit dem Behandler F, ohne den Kläger hierbei einzubeziehen.  Deutlich  wird dies z. B. darin, dass die Beklagte ausweislich ihres Schreibens vom 26. November 2020 den Kläger für die Kosten für die durchgeführte Langzeittherapie zwischenzeitlich lediglich ausdrücklich „gemäß des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2020“ im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz freigestellt und sich hierbei vorbehalten hat, die Kosten über dem einfachen GOÄ-Satz in Abhängigkeit von der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vom Kläger zurückzufordern.

 

Gelingt es nicht, Versicherten die gebotenen Leistungen in der dargelegten Weise durch Sachleistungen zu verschaffen, müssen die Krankenkassen hierfür durch Vorkehrungen außerhalb des Naturalleistungssystems Sorge tragen. Hierzu dient die Rechtsgrundlage des § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch sichert, dass Versicherte ihren Individualanspruch trotz der Mängel im System der Leistungserbringung verwirklichen können (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 3/13 R –, Rn. 14). In einem derartigen Fall des Systemversagens ohne dringende Behandlungsbedürftigkeit im Sinne einer Notfallbehandlung darf sich der Versicherte unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V außerhalb des Vertragsarztsystems privat behandeln lassen, wobei sich der Vergütungsanspruch des Arztes gegen den Patienten richtet, dem wiederum ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Krankenkasse zusteht (Hesral in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 76 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 28).

 

Wie in der bereits erstinstanzlich genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. September 2014 (B 1 KR 11/13 R) ausgeführt, muss die Krankenkasse den Versicherten nach der Rechtsfolge des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V „in vollem Umfang“ für die selbst beschaffte Leistung von entstandenen Kosten freistellen oder diese „in der entstandenen Höhe“ erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, Rn. 23). Zu prüfen war also durch die Beklagte (lediglich) die Notwendigkeit der Leistung, dies im Hinblick auf die Erbringung von 60 Stunden Verhaltenstherapie. Deren Notwendigkeit hat die Beklagte zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid bejaht und bestandskräftig festgestellt.

 

Wenn die Notwendigkeit der Leistung feststeht, sind die Kosten „in der entstandenen Höhe“ zu erstatten. Entstanden sind Kosten, wenn eine GOÄ-konforme Rechnung erstellt wurde. Denn geht es allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt (BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R –, Rn. 38). Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Vorbehaltlich eines anders lautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Die Fälligkeit der Vergütung hängt davon ab, dass die Rechnung die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs. 2 bis 4 GOÄ erfüllt. Dies entspricht dem Zweck der komplexen Regelung über den notwendigen Inhalt einer Rechnung, dem Zahlungspflichtigen, von dem weder medizinische noch gebührenrechtliche Kenntnisse erwartet werden können, eine Grundlage für eine Überprüfung der in Rechnung gestellten Leistungen zu geben. Die Fälligkeit wird nicht davon berührt, dass die Rechnung mit dem materiellen Gebührenrecht nicht übereinstimmt (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, Rn. 27). Hieraus ergibt sich nunmehr keine Grundlage für die Beschränkung auf eine bestimmte Gebührenhöhe.

Aus § 11 Abs. 1 GOÄ folgt ebenfalls nichts zugunsten der Beklagten. In § 11 Abs. 1 GOÄ ist vorgesehen, dass, wenn ein Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) oder ein sonstiger öffentlich-rechtlicher Kostenträger die Zahlung leistet, die ärztlichen Leistungen nach den Gebührensätzen des Gebührenverzeichnisses (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GOÄ) zu berechnen sind. Das heißt, dass nur eine Abrechnung zum einfachen Satz möglich ist und eine Bemessung der Gebühren nach § 5 GOÄ ausscheidet. § 11 GOÄ gilt jedoch dann nicht, wenn der Patient selbst Honorarschuldner auf der Behandlungsseite ist und die Kosten nur vom jeweiligen Träger übernommen werden, wenn also der Patient selbst dem Arzt gegenüber aufgrund des abgeschlossenen Behandlungsvertrages das Honorar schuldet, seinerseits jedoch einen Kostenerstattungsanspruch, z. B. gegenüber einem Träger, hat. Ein solcher öffentlich-rechtlicher interner Kostenerstattungsanspruch des Patienten führt nicht zur Anwendung des § 11 GOÄ, da gegenüber dem Arzt ausschließlich der Patient zahlungspflichtig bleibt (VG Mainz, Urteil vom 22. Februar 2018 – 1 K 862/17.MZ –, Rn. 61 f., m.w.N., und Hoffmann/Kleinken, Kommentierung § 11 GOÄ, C I, Punkt 1.3.). Ein (jedenfalls konkludent abgeschlossener) Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist lediglich zwischen dem Kläger und dem Psychotherapeuten F zustande gekommen. Durch den Behandlungsvertrag wird nach § 630a Abs. 1 BGB derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist. Vor Inkrafttreten des § 630a Abs. 1 BGB war zwar zweifelhaft, ob bei der Behandlung gesetzlich Versicherter ohne weiteres auch ein Dienstvertrag zwischen dem Behandelnden und dem gesetzlich Versicherten zustande kommt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll nun auch das Rechtsverhältnis zwischen Behandelndem und gesetzlich Versichertem als Behandlungsvertrag zu qualifizieren sein. Unabhängig davon kommt zwischen Patient und Behandler jedenfalls dann ein privatrechtlicher Vertrag zustande, wenn der Patient nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V statt Sach- und Dienstleistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung Kostenerstattung wählt (so insgesamt Lafontaine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 630a BGB (Stand: 07.11.2022), Rn. 47 und 48, m.w.N.), bzw. wenn – wie vorliegend – es um die Freistellung von Kosten nach selbstbeschaffter Leistung geht. Ergänzend wird erneut auf die erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen, wo bereits zu Recht in Übereinstimmung mit der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeführt wurde, dass Anspruchsgrundlage des Klägers § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V ist und dass die Beklagte entgegen ihrer Ansicht hier keine Naturalleistung erbracht hat.

 

Soweit die Beklagte vorträgt, dass eine Erstattung der Kosten für eine durch den Versicherten selbst beschaffte Leistung eine erheblich andere finanzielle Belastung für die Krankenkasse herbeiführen kann, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Diesen Aspekt hat bereits das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung vom 2. September 2014 (a. a. O.) dargelegt und hierzu ausgeführt: Will eine Krankenkasse durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil z.B. nicht die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der GOÄ eingreifen, kann sie die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung auf konkrete günstige Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 11/13 R, Rn. 24, ebenso BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R –, Rn. 34). Hiermit ist indes nicht gemeint, GOÄ-konforme Rechnungen in rechtlich nicht vorgesehener Weise zu kürzen. Verwiesen wird vielmehr ausdrücklich lediglich auf günstigere Möglichkeiten der Leistungsbeschaffung, etwa durch günstigere Leistungserbringer. Sofern derartige Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen oder die Beklagte aus anderen Gründen diesen Weg nicht gegangen ist, verbleibt es bei der genannten Regel, dass die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten sind.

 

Selbst wenn – was vorliegend mit Zugrundelegung des 2,3 fachen Gebührensatzes nicht der Fall ist – der Psychotherapeut eine überhöhte Rechnung gestellt hätte, eröffnete dies der Beklagten nicht die Möglichkeit einer Kürzung. Auch hierzu hat das BSG in der genannten Entscheidung ausdrücklich ausgeführt: Soweit der Versicherte im Rahmen der Selbstbeschaffung einer ihm vorenthaltenen GKV-Leistung einer nach GOÄ fälligen Forderung ausgesetzt ist, kann ihn die auf Kostenerstattung in Anspruch genommene Krankenkasse nicht darauf verweisen, er hätte auf eigenes Risiko einen Rechtsstreit gegen eine möglicherweise nach materiellem Gebührenrecht überhöhte Rechnung führen müssen. Dies würde vernachlässigen, dass die Krankenkasse den Versicherten erst durch die rechtswidrige Leistungsablehnung oder Nichtleistung einer unaufschiebbaren Leistung in die Verlegenheit gebracht hat, sich das ihm Zustehende selbst zu beschaffen. Die Krankenkasse kann vielmehr dem Versicherten anbieten, ihn in einem Rechtsstreit auf Abrechnungsminderung zu unterstützen und von den Kosten freizustellen mit der Folge, dass sich bei einem Erfolg der Umfang der zu erstattenden Kosten reduziert (BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, Rn. 28).

 

Keinesfalls aber führt dies dazu, dass die Beklagte lediglich von ihr für wirtschaftlich gehaltene Beträge erstatten müsste. Ist – wie vorliegend – im Falle eines vertragsärztlichen Systemversagens der Versicherte berechtigt, einen Privatarzt aufzusuchen und sich von ihm behandeln zu lassen und ist dieser nur nach Vereinbarung einer von der GOÄ nach oben abweichenden Gebührenhöhe (§ 2 GOÄ) selbst oder durch Mithilfe unselbstständiger Hilfeleistungen anderer Personen zur Behandlung bereit, ist die Beklagte auf Basis einer rechtmäßigen Honorarvereinbarung und ordnungsgemäßen Abrechnung nach der GOÄ grundsätzlich auch zur Übernahme dadurch entstehender Mehrkosten verpflichtet (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – B 1 KR 19/20 R –, Rn. 34).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG lagen nicht vor.

 

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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