L 10 SF 1600/20 E-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SF 451/20 E
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 SF 1600/20 E-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 28.04.2020 (S 13 SF 451/20 E) wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.



Gründe

Über die statthafte Beschwerde (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -) des Erinnerungsgegners entscheidet der Berichterstatter des allein für Kostensachen zuständigen 10. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg als Einzelrichter ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 155 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 und 3 RVG), nachdem die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Die auf die Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Ulm vom 28.04.2020 (S 13 SF 451/20 E) gerichtete Beschwerde, mit dem das SG die Vergütungsfestsetzungsverfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dieses Gerichts (UdG) vom
22.08.2018 auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 06.02.2020 abgeändert und die Vergütung des Erinnerungsgegners aus der Staatskasse für seine Tätigkeit als nach dem Recht der Prozesskostenhilfe (PKH) in dem Hauptsacheverfahren S 10 AS 361/18 beigeordneter (Beschluss des SG vom 19.03.2018) Rechtsanwalt i.H.v. insgesamt 1.246,53 € (statt 1.456,14 €) festgesetzt hat, ist unbegründet.

Die statthafte und auch ansonsten zulässige Erinnerung der
Erinnerungsführerin ist nicht verwirkt (1.), sodass das SG daraufhin die PKH-Vergütung unter Abänderung der Vergütungsfestsetzungsverfügung der UdG festsetzen durfte, und der Erinnerungsgegner hat, ausgehend von seinem eigenen Vergütungsfestsetzungsantrag vom 15.06.2018 i.V.m. mit der Vergütungsfestsetzungsverfügung, die er verteidigt, jedenfalls keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung als vom SG im angefochtenen Beschluss letztlich festgesetzt (2.).

1. Die Erinnerung (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 RVG) gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden (PKH-)Vergütung (vgl. §§ 45 und 55 RVG) ist nicht fristgebunden (arg. ex § 56 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 RVG, der in Abweichung zur Beschwerde gegen einen Erinnerungsbeschluss gerade nicht auf die Fristbestimmung des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG verweist; s. dazu nur Bayerisches LSG 15.09.2022, L 12 SF 159/20, in juris, Rn. 25, unter zutreffendem Hinweis auf die entsprechende ausdrückliche Klarstellung in der amtlichen Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/4952, S. 51; Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 56 Rn. 10 m.w.N.; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 56 Rn.
 5). Die gegenteilige Rechtsansicht der Beschwerde (s. S. 2 Senats-Akte) ist schlicht unzutreffend, ebenso wie der Verweis auf die Regelungen des § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 3 Satz 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) und § 66 Abs. 2 SGG neben der Sache liegt.

Soweit in Teilen der Rechtsprechung und der Literatur indes im Rahmen des Rechtsinstituts der Verwirkung (dazu noch sogleich) eine analoge Anwendung des § 20 des Gerichtskostengesetzes (GKG) - freilich nur für das Erinnerungsrecht der Staatskasse - befürwortet wird (z.B. Oberlandesgericht - OLG - Rostock 07.11.2011, I Ws 298/11, in juris, Rn. 11 m.w.N.; Brandenburgisches OLG 10.09.2009, 2 Ws 125/09, in juris, Rn. 18; Stollenwerk in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 56 Rn. 6; Kießling in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 56 Rn. 7; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 56 Rn. 8 m.w.N.; K. Sommerfeldt/ M. Sommerfeldt in BeckOK RVG, § 56 Rn. 8, Stand 01.12.2022; Köpf in Poller/Härtl/Köpf, Gesamtes Kostenhilferecht, 3. Aufl. 2018, § 56 Rn. 15, alle Autoren ohne Begründung), folgt dem der Senat nicht. Schon in Ansehung des ausdrücklich in der Gesetzesbegründung (s.o.) artikulierten Willens des Gesetzgebers und des (beredeten) fehlenden Verweises in § 56 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 RVG auf § 33 Abs. 3 RVG (im Gegensatz zur Beschwerde, s. § 56 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 RVG) erschließt sich eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung einer entsprechenden Anwendung der genannten GKG-Regelung mit den dort genannten Fristen nicht ansatzweise und entbehrt mithin jeglicher tragfähiger Grundlage (wie hier auch z.B. Thüringer LSG 24.07.2019, L 1 SF 389/18 B, in juris, Rn. 5; OLG Düsseldorf 14.03.2017, I-10 W 35-37/17 u.a., in juris, Rn. 5 m.w.N.; OLG Köln 22.06.2011, 17 W 69/11, in juris, Rn. 17; s. auch bereits Kammergericht - KG
 - 08.12.2003, 19 WF 261/03, in juris, Rn. 4 zum vormaligen Recht).

Gleichwohl besteht in der Rechtsprechung weitgehend Einigkeit (s. auch dazu nur Bayerisches LSG, a.a.O., m.w.N.; Thüringer LSG 23.07.2018, L 1 SF 497/16 B, in juris, Rn. 18), dass das Erinnerungsrecht nach dem RVG trotz des Fehlens einer Befristung nicht „bis in alle Ewigkeit“ besteht; dem wird vielmehr auch im Kostenrecht durch das (allgemeine) Rechtsinstitut der Verwirkung Rechnung getragen (dazu nur Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - 20.10.2005, 8 B 81/04, in juris, Rn. 3).

Die Verwirkung in diesem Sinne setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts (hier: die Erinnerung der Erinnerungsführerin) während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen (statt vieler nur Bundessozialgericht - BSG - 05.07.2016, B 1 KR 40/15 R, in juris, Rn. 20 m.w.N., auch zum Nachfolgenden). Solche, die Verwirkung auslösenden „besonderen Umstände“ liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Dabei findet das Recht der Verwirkung allerdings nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (BSG, a.a.O., Rn. 20 f.).

Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, was unter einem „längeren Zeitraum“ in diesem Sinne zu verstehen ist (vgl. dazu aber BSG, a.a.O., Rn. 21: „Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht.“). Denn es erschließt sich schon nicht, welches „Umstandsmoment“ - in Abgrenzung zum bloßen Zeitablauf, der allein gerade nicht genügt (s.o. und statt vieler nur BVerwG, a.a.O.) - als Vertrauensgrundlage der Erinnerungsgegner meint für sich reklamieren zu können. Die bloße Auszahlung der PKH-Vergütung in Folge der - später mit der Erinnerung angegriffenen -
Vergütungsfestsetzungsverfügung der UdG, auf die der Erinnerungsgegner nicht einmal selbst abgestellt hat (der Beschwerde lässt sich Derartiges jedenfalls nicht entnehmen), begründet für sich gesehen richtigerweise jedenfalls kein irgendwie geartetes Verwirkungsverhalten der Erinnerungsführerin, zumal die entsprechende Auszahlungsanordnung nicht der Vertreter der Staatskasse (hier: die Erinnerungsführerin) erteilt, sondern der UdG des Gerichts, bei dem die Vergütung festgesetzt worden ist (s. nur Nr. 1.3.1 der Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung - VwV Vergütungsfestsetzung - der Landesjustizverwaltungen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 19.07.2005).

Damit geht das Beschwerdevorbringen, das auch insoweit auf rechtsirrigen Annahmen beruht, schon mangels Verwirkungsverhaltens der Erinnerungsführerin gegenüber dem Erinnerungsgegner ins Leere; der bloße Verweis auf den Zeitablauf ist gerade nicht hinreichend, um eine Verwirkung zu begründen. Auch erschließt sich das Vorbringen der Beschwerde, die Erinnerungsführerin sei nicht erinnerungsbefugt, weil sie am Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei, schon im Ansatz nicht. Die Erinnerungsbefugnis der Staatskasse, deren Vertreterin die Erinnerungsführerin gerade ist, ergibt sich unmittelbar aus der bundesrechtlichen Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG. Es spielt schließlich auch keine Rolle, wann die Erinnerungsführerin von der Vergütungsfestsetzung im Verfahren S 10 AS 361/18 letztlich überhaupt Kenntnis erhalten hat, denn daraus kann von vornherein nichts über das nicht hinreichende Zeitmoment (s.o.) hinaus abgeleitet werden.

Mithin vermag sich der Erinnerungsgegner nicht mit Erfolg auf eine Verwirkung des Erinnerungsrechts der Erinnerungsführerin berufen.

(2.) Der Erinnerungsgegner hält die Vergütungsfestsetzung der UdG weiterhin für zutreffend und verteidigt diese. Auf der Grundlage dessen ergibt sich unter Zugrundelegung der entsprechenden (nachfolgenden) Gebührenansätze zu Gunsten des Erinnerungsgegners zunächst folgender Vergütungsbetrag (ohne Umsatzsteuer): Verfahrensgebühr (Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses - VV - zu § 2 Abs. 2 des RVG in der vorliegend bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung, vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG) i.H.v. 400,00 €, abzgl. Anrechnung Geschäftsgebühr (Vorbem. 3 VV RVG) i.H.v. 75,00 €, zzgl. Einigungsgebühr (Nrn. 1005, 1006 VV RVG) i.H.v. 300,00 €, zzgl. Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG) i.H.v. 19,50 €, zzgl. Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG) i.H.v. 20,00 € sowie zzgl. 20,00 € Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) = 684,50 €.

Die vom Erinnerungsgegner begehrte und sowohl von der UdG als auch vom SG gebilligte Terminsgebühr i.H.v. 370,00 € ist indes überhöht. Der Erörterungstermin vor dem SG im Verfahren S 10 AS 361/18 dauerte 75 Minuten. Dies begründet nach der Rechtsprechung des Senats (s. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 09.04.2020, L 10 SF 4170/18 E-B, in juris, Rn. 33 m.w.N.) wegen der - freilich nur etwas - überdurchschnittlichen Terminsdauer eine oberhalb der Mittelgebühr (280,00 €) liegende Gebühr. Diese ist vorliegend allerdings nur mit 350,00 € in Ansatz zu bringen, eben weil die Terminsdauer nur leicht überdurchschnittlich war. Nur am Rande wird angemerkt, dass im Termin ausweislich des Protokolls auch Umstände besprochen wurden, die mit dem Streitgegenstand des Rechtsstreits - nämlich der Anrechnung von Einkommen auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - nichts zu tun hatten, namentlich und u.a. auch die Frage, ob zwei Wohnungen der seinerzeitigen Klägerin in Griechenland als Vermögen zu berücksichtigen sind; dazu enthielten die in Rede stehenden Bescheide vom 11.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2018 sowie vom 26.02.2018 und vom 28.03.2018 keinerlei Regelung und auch im gesamten schriftsätzlichen Klagevorbringen ist von Wohnungen in Griechenland nicht einmal die Rede gewesen.

Die vom Erinnerungsgegner geltend gemachte Terminsgebühr i.H.v. 370,00 € ist mithin unbillig und kann - entgegen dem SG - auch nicht in Ansehung des dem Rechtsanwalt grundsätzlich zustehenden Toleranzrahmens von 20 v.H. (dazu nur BSG 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, in juris, Rn. 19 m.w.N.) zu Grunde gelegt werden. Denn dazu hätte der Erinnerungsgegner eine entsprechende konkrete Ermessensentscheidung auf Grund der Umstände des Einzelfalls i.V.m. den gesetzlichen Bemessungskriterien treffen (s. dazu nur Mayer in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 14 Rn. 12 m.w.N.) und die Erhöhung insbesondere auch gesondert begründen müssen (BSG, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 19.08.2019, L 10 SF 833/19 E-B), was nicht der Fall ist.

Die geltend gemachten Auslagen für das Kopieren von 1.011 Seiten aus der Verwaltungsakte des beklagten Jobcenters (vgl. Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG), die die UdG noch antragsgemäß mit 169,15 € und das SG auf der Grundlage einer „wohlwollenden Schätzung“ mit 118,00 € (ausgehend von 670 Kopien) vergütet hat, kann der Erinnerungsgegner nicht verlangen; seine diesbezüglichen Auslagen können insoweit vielmehr überhaupt nicht abgegolten werden.

Entgegen der Annahme der UdG - was das SG insoweit zutreffend erkannt hat (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) - hat der Erinnerungsgegner gerade nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, dass und warum die von ihm gefertigten und zur Auslagenabgeltung begehrten Ablichtungen - nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des SG die gesamte Verwaltungsakte - „zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten“ (s. den Wortlaut der Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG) gewesen sein sollen. Seine nur pauschal gebliebenen Ausführungen und Behauptungen im Schriftsatz vom 13.08.2018 (auf entsprechenden Vorhalt und Hinweis der UdG) erklären nicht einmal ansatzweise, dass es geboten war, die gesamte Verwaltungsakte zu kopieren, zumal der Erinnerungsgegner wiederum „weitere Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren“ erwähnt hat, die indes mit dem Klageverfahren nichts zu tun hatten und auf die sich auch die Beiordnung als Grundlage und Rahmen der geltend gemachten Vergütung (vgl. dazu etwa bereits Senatsbeschluss vom 24.07.2020, L 10 SF 1957/20 E-B) überhaupt nicht erstreckte. Im angefochtenen Bescheid vom 11.05.2017 ging es allein um die Neuberechnung der der Klägerin gewährten SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 01.06.2017 bis 30.04.2018 wegen der zusätzlichen (Einkommens-)Anrechnung von Unterhalt i.H.v. 67,00 € monatlich, im Widerspruchsbescheid vom 25.01.2018 allein um die Frage, ob der Widerspruch vom 08.01.2018 verfristet war und in den während des Klageverfahrens erlassenen Bescheiden vom 26.02.2018 und 28.03.2018 um Zugunstenentscheidungen für den nämlichen Leistungszeitraum in Ansehung und unter Berücksichtigung zweier von der Klägerin selbst eingereichter Lohnabrechnungen, einer von ihr eingereichten Wasser- sowie Stromabrechnung und eines Abfallgebührenbescheids. Warum in Ansehung dessen die Ablichtung der gesamten Verwaltungsakte zur sachgemäßen Bearbeitung geboten gewesen sein soll, ist unerfindlich und nicht nachvollziehbar, zumal Verwaltungsakten im Allgemeinen zahlreiche Schriftstücke enthalten, die auch zu Beginn eines Prozesses für den Rechtsanwalt erkennbar ohne Bedeutung für dessen Ausgang sind (Verwaltungsgericht - VG - Kassel 20.01.2020, 6 K 2849/16.KS.A, in juris, Rn. 5).

Richtigerweise existiert auch weder tatsächlich noch rechtlich eine allgemeine Grundlage für eine irgendwie geartete „Schätzung“ oder für eine pauschale Anerkennung dessen, was an Kopien „zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war“, und es ist auch nicht Aufgabe der Kostenbeamten oder des Gerichts, das eigene Ermessen nachträglich an die Stelle des anwaltlichen Ermessens zu setzen bzw. dessen unsubstantiierte Angaben unter Zugrundelegung spekulativer Annahmen nachträglich zu plausibilisieren (wie hier z.B. auch Oberverwaltungsgericht - OVG - Sachsen-Anhalt 11.05.2020, 4 O 42/20, in juris, Rn. 10 m.w.N., auch zu Gegenstimmen; OVG Nordrhein-Westfalen 18.10.2006, 7 E 1339/05, in juris, Rn. 33; ausführlich VG Kassel, a.a.O., Rn. 5 ff. m.w.N.; VG Dresden 21.08.2019, 12 K 2345/16.A, in juris, Rn. 11; vgl. auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof - BayVGH - 23.11.2021, 11 C 21.740, in juris, Rn. 21 a.E.; 18.02.2020, 5 M 19.2487, in juris, Rn. 8 a.E.; die Entscheidung des Bundesgerichtshof - BGH - 04.12.2013, XII ZB 159/12, in juris, Rn. 16, betrifft im Übrigen die Höhe von Kopierkosten und verweist darüber hinaus ebenfalls auf das Erfordernis einer ausreichenden Schätzgrundlage, die für die Frage, was im Einzelfall zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war, gerade nicht existiert), weswegen zu Gunsten des Erinnerungsgegners auch nicht die Gebotenheit einer bestimmten Anzahl von Kopien ohne weiteres einfach unterstellt werden kann. Deswegen hat der nunmehr allein für Kostensachen zuständige hiesige Senat auch keine Veranlassung gesehen, die vom SG zitierte Rechtsprechung des vormals für Kostensachen zuständig gewesenen 12. Senats des LSG Baden-Württemberg in dieser Allgemeinheit fortzuführen.

Somit ergibt sich auch unter Zugrundelegung der vom Erinnerungsgegner selbst für zutreffend erachteten - und dies zu seinen Gunsten unterstellt - Gebührenpositionen i.H.v. 684,50 € (s.o.) zuzüglich der angemessenen Terminsgebühr i.H.v. 350,00 € (s.o.) und unter Außerachtlassung der nicht vergütungsfähigen Kopien (s.o.) ein Betrag von 1.034,50 € zzgl. Umsatzsteuer daraus (Nr. 7008 VV RVG: = 196,56 €), ein Gesamtvergütungsbetrag von mithin 1.231,06 €. Da das SG in der angefochtenen Entscheidung indes zu Gunsten des Erinnerungsgegners im Ergebnis einen höheren Gesamtbetrag von 1.246,53 € festgesetzt hat, besteht schon deshalb kein Raum für eine noch höhere (Gesamt-)Vergütung. Auf die weiteren zur Verteidigung der Vergütungsfestsetzungsentscheidung der UdG im Übrigen gerichteten Ausführungen des Erinnerungsgegners kommt es damit nicht entscheidungserheblich an. Ebenso kann dahinstehen, ob die des Weiteren von der UdG und dem SG zu Gunsten des Erinnerungsführers oberhalb der Mittelgebühr zu Grunde gelegte Verfahrensgebühr von 400,00 € nicht ohnehin allein deswegen - ebenso wie die vergütete Terminsgebühr (s.o.) - überhöht und unbillig ist, weil die Bemessung hinsichtlich Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach objektiven Kriterien zu erfolgen hat, mithin zuvörderst orientiert am konkreten Streitgegenstand (vgl. dazu bereits oben) des gerichtlichen Verfahrens (vgl. BSG 12.12.2019, B 14 AS 48/18 R, in juris, Rn. 20: „objektiv auf die Sache“) sowie im Rahmen der anwaltlichen Beiordnung (vgl. auch dazu bereits oben).


Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG; die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Rechtskraft
Aus
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