L 4 AS 494/19

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 1880/15 PKH
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 494/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zu den Kosten der Unterkunft und Heizung gehören bei selbstbewohnten Eigenheimen auch die Finanzierungskosten - wie die Schuldzinsen für ein Darlehen und sonstige Gebühren oder Auslagen, die das finanzierende Institut (Bank, Bausparkasse) erhebt und denen der SGB II-Leistungsbezieher nicht entgehen kann (bejaht bei Kontoführungsgebühren; verneint bei Gebühren, die durch verspätete Ratenzahlung verursacht sind). Zu diesen unvermeidlichen Nebenkosten können auch Aufwendungen für eine Risikolebensversicherung gehören, wenn der Leistungsberechtigte belegt, dass das finanzierende Institut den Abschluss dieser Versicherung zur Bedingung für die Darlehensvergabe gemacht hat (hier verneint).

2. Dem Bezieher einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit steht kein Erwerbstätigenfreibetrag zu, wenn er nicht erwerbstätig ist. Allerdings sind die von ihm entrichteten Mitgliedsbeiträge zur Gewerkschaft als notwendige Ausgaben gemäß § 11b Abs 1 Nr 5 SGB II vom Einkommen abzusetzen. Diese sind zwar nach einem strengen Verständnis nicht mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben. Indes liegt eine eine notwendige Verbundenheit auch dann vor, wenn (vorübergehend) Entgeltersatzleistungen bezogen werden (vgl BSG, Urt v 27. September 2011, B 4 AS 180/10 R, juris RN 28ff). Der Bezug einer befristeten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist dem wertungsmäßig gleichzustellen, denn sie bedeutet kein endgültiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben.

3. Tilgungsleistungen sind auch bei einem weitgehenden Abschluss der Eigenheimfinanzierung (hier: 80%) nur im Ausnahmefall zu übernehmen, wenn ohne diese Übernahme nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Gefahr des Wohnungsverlustes besteht (hier verneint).

 

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. März 2019 wird geändert und wie folgt neugefasst:

 

Der Bescheid vom 12. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2015 wird geändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin für Juni 2015 weitere Leistungen in Höhe von 7,37 € zu bewilligen.

 

Der Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 25. April 2017 wird geändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen in Höhe von 7,37 € für Juli 2015, 7,42 € für August 2015, 1,44 € für Januar 2016 und 13,35 € für April 2016 zu bewilligen, sodass die Erstattungsforderung aufgehoben wird, soweit sie einen Gesamtbetrag von 15,63 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Juni 2015 bis Mai 2016.

 

Die 1960 geborene Klägerin und ihr 1956 geborener Ehemann, der eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhält, beziehen als Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten und Berufungsbeklagten (nachfolgend: Beklagter) seit 2005 ergänzende SGB II-Leistungen. Die Eheleute bewohnen gemeinsam ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von ca. 100 m² in Gorsdorf, einem Ortsteil der Stadt J. (Grundstücksgröße 1.500 m²). Das Haus ist mit einer Ölzentralheizung ausgestattet, die auch Warmwasser bereitet.

 

Zur Finanzierung des Eigenheims hatten die Klägerin und ihr Ehemann zwei Bauspardarlehen bei der Badenia Bausparkasse aufgenommen. Das Darlehen mit der Nr. xxx401 über 17.167,85 € valutierte zu den Jahresenden 2014 mit 1.295,15 € und 2015 noch mit 136,38 €. Die monatliche Rate betrug 103,80 €. Für das Jahr 2015 waren insgesamt 39,47 € Zinsen und Kontoführungsgebühren von 9,48 € zu zahlen. Zusätzlich fiel 2015 ein Beitrag für eine Risikolebensversicherung (RLV) von 20,88 € an. Die Zinsen für 2016 beliefen sich auf 2,71 € und die Gebühren auf 1,58 €. Es fiel kein Beitrag für die RLV mehr an. Für das Darlehen mit der Nr. xxx403 über 17.600 € waren monatliche Raten von 106,39 € zu zahlen. Zum Jahresende 2015 waren noch 6.709,01 € und Ende 2016 noch 5.816,67 € zurückzuzahlen. Im Jahr 2015 wurden Zinsen von insgesamt 328,23 € und Darlehensgebühren von 9,48 € gezahlt. Im Jahr 2016 betrugen die Gesamtzinsen 288,53 € und die Gebühren 9,48 €. Eine RLV war nicht abgeschlossen.

 

Die Klägerin hatte keine Aufwendungen für Frischwasser und Abwasser im streitigen Zeitraum, da der Abwasserzweckverband die Versorgung im September 2006 eingestellt hatte, nachdem seit August 2004 keine Zahlungen erbracht worden waren. Mit Bescheid vom 12. Juni 2015 übernahm der Beklagte die am 1. Juli 2015 fällige Abfallgrundgebühr für das Jahr 2015 in Höhe von 61,20 € gesondert und überwies den Betrag an den Versorger. Für das Jahr 2016 waren Teilbeträge von je 28,10 € am 1. April und 1. Oktober fällig.

 

Am 28. Mai 2016 legte die Klägerin dem Beklagten eine Mahnung des Abwasserzweckverbands vom 2. Dezember 2014 über einen Gesamtbetrag von 2.068,49 € vor. Nach dem Schreiben war Grundlage ein Abwassergebührenbescheid vom 14. April 2011 über 1.426,54 €, der am 28. April 2011 fällig war. Hinzu kamen Mahn- und Säumnisgebühren von 22,50 € und 616 €. Auf die vom Beklagten mehrfach geäußerte Bitte, die Originalrechnung vorzulegen, damit der Fälligkeitszeitpunkt der Forderung festgestellt werden könne, erklärte die Klägerin, es existiere keine Originalrechnung. Die Forderung sei fällig und daher vom Beklagten zu übernehmen. Schriftlich lehnte der Beklagte eine Berücksichtigung bei den Unterkunftskosten ab.

 

Im streitigen Zeitraum ergeben sich folgende Aufwendungen für das Eigenheim (in €):

 

2015

 

 

 

 

 

 

 

 

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Grundsteuer

 

 

44,49

 

 

44,48

 

BSV 403 D

28,14

28,14

28,14

28,14

28,14

28,14

28,14

BSV 401 D

4,08

4,08

4,08

4,08

4,08

4,08

4,08

Abfall

 

 

 

 

 

 

 

Schornsteinf.

 

 

 

 

 

 

 

Geb. Vers.

 

 

252,08

 

 

 

 

Heiz.Rep.

 

 

 

 

221,83

 

 

Heizöl

 

 

 

 

2238,20

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Summe

32,22

32,22

328,79

32,22

2492,25

76,70

32,22

 

 

2016

 

 

 

 

 

 

Jan

Feb

Mrz

Apr

Mai

Grundsteuer

 

44,49

 

 

44,49

BSV403 D

24,83

24,83

24,83

24,83

24,83

BSV401 D

4,36

 

 

 

 

Abfall

 

 

 

28,10

 

Schornsteinf.

 

 

 

115,69

 

 

 

 

 

 

 

Summe

29,19

69,32

24,83

168,62

69,32

 

 

 

 

 

Die Klägerin führte und führt eine Vielzahl sozialgerichtlicher Verfahren, in denen sie höhere SGB II-Leistungen geltend macht – insbesondere für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Sie vertritt die Auffassung, für die Betriebskosten des Eigenheims könne sie Leistungen in der Höhe beanspruchen, die auch Mieter für die Bruttokaltmiete erhalten können – in ihrem Fall seien dies 424 € monatlich. Außerdem habe der Beklagte Leistungen für die Beschaffung von Heizöl im Voraus zu erbringen, da sie durch Vorlage der Heizölrechnungen für die Jahre 2004 bis 2006 einen Jahresverbrauch von ca. 5.500 Liter nachgewiesen habe. Es ergebe sich ein Jahresbedarf von rund 4.500 €. Hinsichtlich des Heizöls herrscht zwischen den Beteiligten regelmäßig Streit um die Leistungshöhe und die Verfahrensweise bei der Beschaffung. Nachdem in den Jahren von 2007 bis 2014 keine Belege über Heizölkäufe vorgelegt wurden, gewährte der Beklagte dafür auch keine Leistungen. Auf Nachweis bewilligte er mehrfach Leistungen für den Erwerb von Brennholz.

 

Der Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrente des Ehemanns betrug bis Juni 2015 monatlich 382,86 € und ab Juli 2015 392,42 €. Der Ehemann entrichtete Gewerkschaftsbeiträge von monatlich 4,30 € bis Juli 2015 und 4,40 € ab August 2015.

 

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2015 für den Bewilligungszeitraum von Juni 2015 bis Mai 2016 vorläufige Leistungen pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft von 202,74 € für die Monate Juni, Juli, September, Oktober und Dezember 2015, 224,99 € für August 2015, 224,98 € für November 2015 sowie 183,57 € für die Monate Januar bis Mai 2016 und überwies die Gesamtleistungen für die Bedarfsgemeinschaft auf das Konto der Klägerin. Zur Begründung der Vorläufigkeit gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) wies er darauf hin, es lägen noch nicht alle KdUH-Nachweise vor, sodass die Leistungen voraussichtlich noch angepasst werden müssten. Den gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2015 zurück: Der Bescheid sei rechtmäßig; die vorläufige Leistungsbewilligung sei auch deshalb nicht zu beanstanden, weil von einer Rentenanpassung auszugehen sei, die bislang noch nicht mitgeteilt worden sei.

 

Am 28. August 2015 hat (nur) die Klägerin Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung höherer Leistungen für den streitigen Bewilligungszeitraum geltend gemacht hat. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts H. aus dem Jahr 2007 sei ihr Ehemann kein Bezieher von SGB II-Leistungen. Zudem sei sein Einkommen aus der Erwerbsminderungsrente nicht bei der Berechnung ihres Leistungsanspruchs zu berücksichtigen, weil die Rente eine Entschädigung dafür darstelle, dass er nach unverschuldeten Arbeitsunfällen seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Es sei verfassungswidrig, dass Leistungsberechtigte, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, nur 90 % der Regelleistung eines alleinstehenden Leistungsberechtigten beanspruchen könnten. Dies verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der Beklagte komme seinen Zahlungspflichten für die Heizkosten nicht nach. Gemäß § 41 Abs. 1 SGB II seien die Leistungen im Voraus zu erbringen. Dies gelte auch für die Zahlung zur Bevorratung mit Heizöl. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stünden ihr die Tilgungsraten des Finanzierungsdarlehens für das Eigenheim zu (B 14/11b AS 67/06 R). Die Ablehnung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 1 und 3 GG. Denn ein „Vermögensaufbau“ werde nur dann für unzulässig gehalten, wenn es um die Tilgung von Hauskrediten gehe. Durch die Riester-Förderung werde ebenfalls Vermögen aufgebaut und Mietzahlungen führten zum Vermögensaufbau beim Vermieter. Schließlich seien auch die Nebenkosten der Eigenheimfinanzierung zu berücksichtigen.

 

Am 7. September 2015 haben die Klägerin und ihr Ehemann 4.000 l Heizöl zu einem Gesamtpreis von 2.237,20 € getankt und die Rechnung am 16. September 2015 dem Beklagten zur Bewilligung entsprechender Leistungen und umgehenden Auszahlung des Betrags auf das Konto vorgelegt. Am 30. September 2015 hat der Lieferant die Begleichung der Rechnung angemahnt und eine Mahngebühr von 1 € verlangt. Mit Änderungsbescheid vom 22. Oktober 2015 hat der Beklagte für die Heizkosten einen Gesamtbetrag von 2.238,20 € bewilligt.

 

Bereits während des ersten Widerspruchsverfahrens und nach Klageerhebung hat der Beklagte mehrere Änderungsbescheide (vom 30. Juli, 6. August, 22. und 27. Oktober, 29. November 2015, 9. Februar und 24. Mai 2016) erlassen, die weiterhin vorläufige Leistungen ausgewiesen haben. Dagegen hat die Klägerin jeweils Widerspruch eingelegt, die der Beklagte mit mehreren Widerspruchsbescheiden als unzulässig verworfen hat.

 

Im Ergebnis der Änderungsbescheide gelangten folgende vorläufige Leistungen pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zur Auszahlung:

 

Monat                         Regelbedarf               KdUH              insgesamt

 

Juni 2015:                   183,57 €                         19,17 €            202,74 €

 

Juli 2015                     183,57 €                         19,17 €            202,74 €

 

August 2015               183,57 €                       167,46 €            351,03 €

 

September 2015         183,57 €                         19,17 €            202,74 €

 

Oktober 2015              183,57 €                     1.249,19 €       1.432,76 €

 

November 2015          183,57 €                         41,41 €            224,98 €

 

Dezember 2015          183,57 €                         19,17 €            202,74 €

 

Januar 2016               187,57 €                         15,32 €            202,89 €

 

Februar 2016              187,57 €                         37,57 €            225,14 €

 

März 2016                  187,57 €                         15,32 €            202,89 €

 

April 2016                   187,57 €                         73,17 €            260,74 €

 

Mai 2016                     187,57 €                         37,57 €            225,14 €

 

Mit Änderungsbescheid vom 25. April 2017 hat der Beklagte die Leistungen für die Klägerin im Bewilligungszeitraum – bis auf Juni 2015 – endgültig festgesetzt:

 

Monat                         Leistungen insgesamt:                       Differenz zu vorl. Leist.:

 

Juni 2015:                   keine Festsetzung

 

Juli 2015                         197,96 €                                         (- 4,78 €) €

 

August 2015                   346,25 €                                         (- 4,78 €) €

 

September 2015             197,96 €                                         (- 4,78 €) €

 

Oktober 2015              1.427,98 €                                         (- 4,78 €) €

 

November 2015              220,20 €                                         (- 4,78 €) €

 

Dezember 2015              197,16 €                                         (- 4,78 €) €

 

Januar 2016                   198,11 €                                         (- 4,78 €) €

 

Februar 2016                  220,36 €                                         (- 4,78 €) €

 

März 2016                      198,11 €                                         (- 4,78 €) €

 

April 2016                       255,95 €                                         (- 4,78 €) €

 

Mai 2016                         220,36 €                                         (- 4,78 €) €

 

Für den Ehemann der Klägerin wurden Leistungen in identischer Höhe festgesetzt. Eine Begründung enthielten die Festsetzungsbescheide nicht.

 

Mit zwei Erstattungsbescheiden „bei endgültiger Festsetzung“ vom 25. April 2017 hat der Beklagte von der Klägerin die Erstattung einer Überzahlung von 4,78 €/Mt. gefordert. Im Bescheid ist der Betrag für März 2016 zweimal aufgeführt. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 21. September 2022 klargestellt, dass elf Monatsbeträge von 4,78 € (insgesamt: 52,58 €) gefordert werden.

 

Weder aus dem Bescheid über die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs noch aus den Erstattungsbescheiden ergibt sich eine Begründung für die geringeren Leistungen. Allerdings hatte der Beklagte mit Schreiben vom 22. März 2017 die Klägerin und ihren Ehemann zu einer beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung angehört und ausgeführt, der Ehemann habe ab Juli 2015 ein höheres Renteneinkommen erzielt als bislang berücksichtigt. Dies führe zu einem monatlich um 4,78 € geringeren Leistungsanspruch pro Person. Die Klägerin habe die Änderung in den Verhältnissen nicht unverzüglich mitgeteilt.

 

Zur endgültigen Leistungsfestsetzung haben sich die Beteiligten im Klageverfahren nicht geäußert. Nachdem ein Erörterungstermin nicht zustande gekommen war, haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Mit Urteil vom 7. März 2019 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Leistungsbewilligung sei in der Fassung der Bescheide über die endgültige Leistungsfestsetzung nicht zu beanstanden. Bei den KdUH seien nur solche Kosten zu übernehmen, die tatsächlich entstanden seien und für deren Deckung ein Bedarf bestehe. Da der Beklagte die Kosten für die Lieferung von 4.000 l Heizöl vollständig übernommen habe, sei über die Heizkosten nicht zu entscheiden. Einen höheren Bedarf habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Das Einkommen des Ehemanns aus der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sei auf den Bedarf anzurechnen.

 

Nach Zustellung des Urteils am 29. März 2019 hat die Klägerin am 16. April 2016 bei dem SG einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren gestellt. Der Senat hat mit Beschluss vom 26. August 2019 PKH bewilligt. Danach hat die Klägerin die Berufung eingelegt und begründet: Die gewährten Leistungen – insbesondere für die KdUH - seien unzureichend. Der Wortlaut von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II schließe die Berücksichtigung von Tilgungsraten nicht aus. Die Darlehen zur Finanzierung des Eigenheims seien im streitigen Zeitraum bereits weitgehend getilgt gewesen, sodass die Tilgungsrate anzuerkennen sei. Denn deren Erbringung sei unvermeidbar. Sie habe alles getan, um die monatliche Belastung möglichst niedrig zu halten. Die Heizkosten seien zu übernehmen. Da ihr Ehemann keine SGB II-Leistungen beziehe, dürfe sein Renteneinkommen nicht auf ihren Bedarf angerechnet werden.

 

Eine zwischenzeitliche Mahnung der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service (BA), unter Festsetzung einer Mahngebühr von 5 € zur Zahlung von 52,80 € (zurückweisender Widerspruchsbescheid der BA vom 9. September 2019) hat der Beklagte im September 2022 aufgehoben und insoweit ein Teilanerkenntnis abgegeben, das die Klägerin angenommen hat.

 

Mit Schreiben vom 30. September 2019 hat die Berichterstatterin die Klägerin aufgefordert, die Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung und die Gewerkschaftsmitgliedschaft zu belegen. Weiter sei zu ermitteln, wie im streitigen Zeitraum die Warmwasserbereitung erfolgt sei.

 

Im November 2019 hat die Klägerin ausgeführt, üblicherweise erfolge die Warmwasserbereitung über die Ölzentralheizung. Weil sie jedoch keine Leistungen zur Beschaffung von Heizöl erhalten habe, sei die Warmwasserbereitung bis September 2015 mit einem elektrischen Durchlauferhitzer erfolgt. Daher stünden ihr Mehrbedarfsleistungen zu. Der Beklagte sei verpflichtet, neben den vollständigen Schuldzinsen für das Immobiliendarlehen auch die dafür anfallenden Gebühren und Entgelte zu übernehmen. Es handele sich um Verwaltungskosten, die mit der Inanspruchnahme des Darlehens untrennbar verbunden seien und denen sie sich nicht habe entziehen können. Daher sei auch die Prämie für die RLV, deren Abschluss Bedingung für die Darlehensgewährung gewesen sei, bei den KdUH zu berücksichtigen.

 

Zum geltend gemachten Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung hat der Beklagte ausgeführt, mit dem im September 2015 beschafften Heizöl habe die Heizungsanlage betrieben werden können, sodass kein Mehraufwand für eine dezentrale Warmwasserbereitung entstanden sei. Belege über die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung seien trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt worden. Der Gewerkschaftsbeitrag sei nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, da der Ehemann nicht erwerbstätig sei.

 

Auf Nachfrage hat die Klägerin unter dem 9. Dezember 2020 einen Auszug aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bausparkasse (AGB) vorgelegt. Dort heißt es:

 

㤠17

 

Zum Schutz der Bausparerfamilie und zur weiteren Sicherung ihrer Forderungen schließt die Bausparkasse für diejenigen Inhaber von Bausparverträgen, die Bauspardarlehn in Anspruch nehmen und zu Beginn des Jahres, in dem die Auszahlung des Bauspardarlehns beginnt, das 15. Lebensjahr vollendet und das 55. Lebensjahr nicht überschritten haben, eine Risikolebensversicherung nach Maßgabe eines mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrags ab.  …

 

Versicherung und der Versicherungsschutz beginnen mit dem Tage der ersten Auszahlung des Bauspardarlehns, vorausgesetzt der Versicherte lebt noch zu diesem Zeitpunkt. …

 

Versicherungsnehmer ist der Bausparer bei einem auf Eheleute lautenden Bausparvertrag der Ehemann, sofern bei Vertragsabschluss nichts anderes vereinbart wird. Die Bausparkasse ist unwiderruflich bezugsberechtigt auf die Versicherungssumme bis zur Höhe der Forderung der Bausparkasse gegen den Bausparer am Todestag. Die fälligen Überschussanteile stehen dem versicherten Bausparer zu.“

 

Mit Schreiben vom 3. November 2020 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, vorliegend sei von zwei Darlehen bei der Bausparkasse nur für das Darlehen xxx401 ein Beitrag für eine RLV zu zahlen. Obwohl nach den AGB der Abschluss einer RLV zwingend vorgesehen sei, habe es für das Darlehen xxx403 keine RLV gegeben. Insoweit werde um ergänzende Ausführungen gebeten.

 

Am Erörterungstermin am 13. Juli 2021 haben die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der Vertreter des Beklagten teilgenommen. Wegen der Erörterungen im Einzelnen, insbesondere zu den Voraussetzungen für eine Übernahme von Tilgungsraten, wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

 

Nachfolgend hat die Klägerin bekräftigt, ihr Ehemann habe niemals SGB II-Leistungen beantragt, auch keine von ihr gestellten Leistungsanträge ausgefüllt oder unterschrieben. Ihm stünden daher keine SGB II-Leistungen zu und er habe auch keine Leistungen erhalten. Daher sei seine Rente nicht auf ihren Leistungsanspruch anzurechnen. Sie hat insoweit aus dem Urteil des BSG vom 17. Oktober 2013 (B 14 AS 58/12 R, juris) Ausführungen zur gemischten Bedarfsgemeinschaft zitiert. Nach der Entscheidung seien Entschädigungsrenten – wie sie auch ihr Ehemann beziehe – nicht auf den SGB II-Leistungsanspruch anzurechnen. Unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 49/14 R, juris, RN 12-24) hat sie ausgeführt, die Tilgungsleistungen seien zu übernehmen. Angaben zu einer Gefährdung des Wohneigentums und zu Umständen ihres Einzelfalls hat sie nicht gemacht.

 

Anhand der von ihr übersandten Jahreskontoauszüge für die Bauspardarlehen hat die Berichterstatterin im Oktober 2021 eine aktualisierte Aufstellung der KdUH gefertigt und an die Beteiligten übersandt. Sie hat dazu ausgeführt, dass die Kontogebühren einbezogen worden seien. Soweit Sondergebühren wegen „Bearbeitung Einzugsrücklauf“       oder „Problemkreditbearbeitung“ oder nicht weiter konkretisierte Notariats- und Gerichtskosten erhoben worden seien, sei eine Berücksichtigung nicht möglich. Daraufhin hat die Klägerin mitgeteilt, sie könne ab dem 1. Dezember 2026 Regelaltersrente beziehen. Die Immobiliendarlehen seien voraussichtlich im Januar 2022 vollständig getilgt. Für den streitgegenständlichen Zeitraum seien bislang weder Zinsen noch Gebühren oder Tilgungsanteile bewilligt worden.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. März 2019 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2015 (für Juni 2015) sowie den Bescheid über die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs vom 25. April 2017 (für Juli 2015 bis Mai 2016) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren, sowie den Erstattungsbescheid vom 25. April 2017 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die Berufung für unbegründet und verweist auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG. Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung seien mangels Belegvorlage nicht zu übernehmen. Eine einkommensmindernde Berücksichtigung von Gewerkschaftsbeiträgen setze nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II voraus, dass es sich eine um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe handele. Dies sei bei dem (mühelosen) Einkommen aus der Erwerbsminderungsrente nicht der Fall. Die Voraussetzungen für eine Übernahme von Tilgungsraten im Ausnahmefall lägen nicht vor, denn die Klägerin habe eine finanzielle Notlage weder dargelegt noch nachgewiesen. Es sei nicht ersichtlich, dass sie ohne eine Übernahme gezwungen wäre, ihre Unterkunft aufzugeben.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Daher sind das Urteil des SG und die Bescheide des Beklagten zu ändern, soweit ihr höhere SGB II-Leistungen zustehen.

 

Die Berufung ist zulässig. Allein die im Bewilligungszeitraum gezahlten Tilgungsraten, deren Berücksichtigung im Rahmen der KdUH begehrt wird, belaufen sich auf rund 1.780 €. Der davon auf die Klägerin entfallende hälftige Anteil überschreitet die Beschwerdewertgrenze von 750 € gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.

 

Streitgegenstand im Berufungsverfahren sind neben dem klageabweisenden Urteil des SG vom 7. März 2019 die Bescheide des Beklagten vom 12. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2015 für den Monat Juni 2015 sowie vom 25. April 2017 über die endgültige Leistungsfestsetzung für die Zeit von Juli 2015 bis Mai 2016 und die dazu erlassenen Erstattungsbescheide vom 25. April 2017.

 

Das Begehren der Klägerin ist darauf gerichtet, ihr für den Zeitraum von Juni 2015 bis Mai 2016 weitere Leistungen nach dem SGB II insbesondere unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs sowie weiterer KdUH sowie ohne Anrechnung des Renteneinkommens des Ehemanns zu zahlen.

 

Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Klägerin verfolgt ihr Klageziel, das auf die Abänderung der vorläufigen Bewilligung für Juni 2015 und der abschließenden Entscheidung für Juli 2015 bis Mai 2016 gerichtet ist, zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG; vgl. dazu zuletzt: BSG, Urteil vom 11. November 2021, B 14 AS 41/20 R, juris RN 11). Gegen die Erstattungsbescheide wendet sie sich mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG), die mit den Bescheiden über die abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs vom selben Tag eine rechtliche Einheit bilden (vgl. BSG, a.a.O., RN 14).

 

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf (eine abschließende Feststellung von) höhere SGB II-Leistungen ist für den streitigen Zeitraum § 80 SGB II in Verbindung mit § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II (in der ab 1. August 2016 geltenden Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016, BGBl I 1824). Der Anwendbarkeit dieser Regelungen steht nicht entgegen, dass für die vorangegangene vorläufige Bewilligung noch altes Recht (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III, idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24. April 2006, BGBl I 926) galt (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2019, B 14 AS 44/18 R, juris RN 17). Ermächtigungsgrundlage der Erstattungsverfügung für diesen Zeitraum ist § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II.

 

Der Beklagte hatte anfänglich mit Bescheid vom 12. Mai 2015 vorläufige Leistungen für den Bewilligungszeitraum von Juni 2015 bis Mai 2016 gewährt, als Rechtsgrundlage § 40 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III angeführt und sinngemäß ausgeführt, nach Vorlage weiterer KdUH-Belege werde die Leistungsbewilligung angepasst. Dies stellt keine ausreichende Begründung für eine (nur) vorläufige Bewilligung dar, da weitere KdUH im Bewilligungszeitraum durch den Erlass von Änderungsbescheiden berücksichtigt werden konnten. Soweit der Beklagte jedoch im Widerspruchsbescheid vom 20. August 2015 sinngemäß ausgeführt hat, wegen der zu erwartenden Rentenanpassung habe das anrechnungsfähige Einkommen noch nicht festgestanden, hat er die Begründung zutreffend ergänzt und den Begründungsmangel gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Verbindung mit § 41 Abs. 3 SGB X geheilt.

 

Die vorläufige Leistungsbewilligung ist durch die abschließende Festsetzung des Leistungsanspruchs mit Bescheid vom 25. April 2017 für elf Monate des Bewilligungszeitraums – von Juli 2015 bis Mai 2016 – ersetzt worden. Damit hat sich insoweit die vorläufige Leistungsgewährung erledigt. Streitgegenständlich ist insoweit nur noch der „Änderungsbescheid“ vom 25. April 2017 mit der endgültigen Entscheidung über den Leistungsanspruch. Im Übrigen, d.h. für den Monat Juni 2015, der vom Änderungsbescheid vom 25. April 2017 nicht erfasst ist, hat sich die vorläufige Leistungsbewilligung, für die keine abschließende Festsetzung des Leistungsanspruchs erfolgt ist, durch Zeitablauf erledigt, weil die Leistungen gemäß § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II als abschließend festgesetzt gelten (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2022, B 7/14 AS 1/21 R, juris RN 10ff. [14, 15, 21]).

 

Streitgegenständlich sind zudem die an die Klägerin gerichteten Erstattungsbescheide „bei endgültiger Festsetzung“ vom 25. April 2017, mit denen für 11 Monate je 4,78 €, insgesamt 52,58 €, zurückgefordert werden.

 

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 in Verbindung mit §§ 7 ff, 20 ff SGB II in der in den streitbefangenen Zeitraum von Juni 2015 bis Mai 2016 geltenden Fassung. Nach § 19 Abs. 1 Nr. SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben (1.) erwerbsfähig (2.) und hilfebedürftig (3.) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (4.) Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Klägerin und ihr Ehemann sind im streitigen Zeitraum im erwerbsfähigen Alter sowie erwerbsfähig gewesen, und sie haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Die erwerbsfähige Klägerin bildet zusammen mit ihrem erwerbsfähigen Ehemann gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Ehemann nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Denn er bezieht eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, was bedeutet, dass seine Erwerbsfähigkeit einschränkt, aber nicht ausgeschlossen ist. Ein Antrag des Ehemanns auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde im Januar 2008 bestandskräftig abgelehnt. Der Ehemann ist daher nicht nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 SGB II wegen des Bezugs der Erwerbsminderungsrente von SGB II-Leistungen ausgeschlossen.

 

Der Hilfebedürftigkeit der Klägerin steht nicht das in ihrem Miteigentum stehende Einfamilienhaus entgegen. Dieses unterfällt nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dem Schonvermögen. Die Wohnfläche von 100 m² überschreitet nur knapp die vom BSG mit 90 m² gezogene Grenze bei von zwei Personen bewohnten Eigenheimen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 90/12 R, juris). Dabei haben die von der Rechtsprechung entwickelten Grenzwerte keinen normativen Charakter, sondern stellen Annährungswerte dar, die Entscheidungsspielraum für Besonderheiten des Einzelfalls zulassen. Insoweit ist hier zu berücksichtigen, dass sich das Eigenheim in einer zur Stadt J. gehörenden kleinen ländlichen Gemeinde mit rund 300 Einwohnern befindet. Angesichts dieser Grundstückslage ist nicht zu vermuten, dass sich das Anwesen einfach und angemessen verwerten lässt. Auch die Grundstücksgröße von 1.500 m² steht der Annahme der Angemessenheit nicht entgegen. Denn diese ist im ländlich geprägten Raum ortsüblich (so bereits der 5. Senat des Landessozialgerichts zum Eigenheim der Klägerin im Urteil vom 18. April 2013, L 5 AS 76/08, juris; ebenso: Urteil des Senats vom 22. Juli 2020, L 4 AS 633/16, juris RN 44). Sonstige Vermögenswerte, die dem Leistungsanspruch entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

 

Die Höhe des der Klägerin und ihrem Ehemann zustehenden Regelbedarfs ergibt sich aus § 20 SGB II. Nach § 20 Abs. 4 SGB II ist die monatliche Leistung für Personen einer Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nach Regelbedarfsstufe 2 zu bestimmen. Diese beträgt 90 % des Regelbedarfs eines Alleinstehenden nach Absatz 2 Satz 1 (Regelbedarfsstufe 1). Im Jahr 2015 handelte es sich um einen monatlichen Betrag von 360 € und von 364 € ab Januar 2016. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt es weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG, dass Alleinstehenden ein höherer Regelbedarf zugebilligt wird als Personen, die mit einem Partner in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Denn das Zusammenleben in einem Haushalt lässt die Annahme zu, dass „aus einem Topf gewirtschaftet“ wird und dadurch Einsparmöglichkeiten entstehen – insbesondere, was die Generalkosten der Haushaltsführung betrifft. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zu den Regelleistungen nach dem SGB II angeführt und keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Höhe des Bedarfs für Partner in Bedarfsgemeinschaften geäußert (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, juris RN 154; BVerfGE 125, 175-260).

 

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dabei ist die Angemessenheit der mit der Nutzung von Eigentum zum eigenen Wohnen verbundenen Aufwendungen nach den Aufwendungen zu beurteilen, die für Mietwohnungen angemessen sind, denn die Frage der Angemessenheit von Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 34/06 R, juris RN 35; zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019, a.a.O., RN 17). Diese Rechtsprechung verkennt die Klägerin, wenn sie die Auffassung vertritt, sie könne – unabhängig von den tatsächlichen Kosten – für ihr Eigenheim monatliche KdUH in Höhe einer Bruttokaltmiete sowie Heizkosten beanspruchen. Denn das BSG hat nicht entschieden, dass Hauseigentümern Leistungen für die KdUH in derselben Höhe zustehen, wie sie Mieter erhalten. Lediglich die Angemessenheit der Kosten beurteilt sich nach einheitlichen Kriterien. Maßgeblich sind die tatsächlichen Kosten – wie dies § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausdrücklich regelt.

 

Der Senat legt daher die tatsächlichen monatlichen Aufwendungen im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zugrunde. Dazu gehören die aufzubringenden Betriebskosten, wie Grundsteuer, Wasserversorgung und -entsorgung, Abfallgebühren, Schornsteinfeger, Heizungswartung und ggf. Instandsetzungsmaßnahmen, Gebäudeversicherung sowie Heizkosten. Zu den KdUH gehören auch die von der Klägerin und ihrem Ehemann zur Finanzierung des Eigenheims aufzuwendenden Beträge. Berücksichtigungsfähig sind regelmäßig die Schuldzinsen, dem Grundsatz nach jedoch nicht Tilgungsleistungen. Denn die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen weder der Vermögensbildung noch der Schuldentilgung dienen. Im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses „Wohnen“ sind nur in eng begrenzten Fällen Ausnahmen von diesem Grundsatz zuzulassen, etwa, wenn es um den Erhalt von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von SGB II-Leistungen bereits weitgehend abgeschlossen und dessen Anschaffung außerhalb des Leistungsbezugs erfolgt ist. In einem solchen Fall tritt der Aspekt des Ausschlusses des Vermögensaufbaus aus Mitteln der Existenzsicherung gegenüber dem von SGB II verfolgten Ziel, die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen, zurück. Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig ein Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (ständige Rechtsprechung des BSG: Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 79/10 R, juris RN 18; zuletzt: Urteil vom 12. Dezember 2019, a.a.O., RN 18). Weiter hat das BSG im Urteil vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 49/14 R, juris RN 19 ff.) ausgeführt, die Feststellung eines solchen Ausnahmefalls unterliege weitgehend der Beurteilung des Tatrichters, dessen bestehender Entscheidungsspielraum zu respektieren sei. Die Annahme, dass eine Finanzierung weitgehend abgeschlossen ist, bedürfe einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung einer Prognose über eine mögliche Gefährdung des Wohneigentums.

 

Danach sind nach der Bewertung des Senats hier die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Übernahme von Tilgungsleistungen nicht gegeben: Die Klägerin hat – trotz mehrerer Hinweise – nur wenige Informationen zur Eigenheimfinanzierung und zur persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Situation und Perspektive der Eheleute gegeben. Das Gesamtfinanzierungsvolumen hat sie nicht offengelegt. Der Senat kann daher allein die beiden bekannten Bauspardarlehen berücksichtigen. Für sie wäre frühestens ab Jahresende 2015 von einem „weitgehenden Abschluss der Finanzierung“ auszugehen, denn dieser liegt nach Auffassung des Senats erst ab einem erbrachten Tilgungsanteil von 80 % vor. Das Finanzierungsvolumen aus den Bauspardarlehen beläuft sich auf 34.767,85 €, von dem am 31. Dezember 2015 noch eine Restschuld von 6.845,39 € (136,38 € aus xxx401 und 6.709,01 € aus xxx403) zu tilgen war; das sind 19,7 % des finanzierten Betrags. Im Vorjahr belief sich die Restschuld Ende 2014 noch auf 25,7 % der Darlehen (8.932,13 €). Die Finanzierung war noch nicht weitgehend abgeschlossen.

 

Indes ist für die hier streitigen Monate des Jahres 2016 (Januar bis Mai) zu beachten, dass mit vollständiger Tilgung des Darlehens xxx 401, für das im Januar 2016 die letzte reguläre Rate und im März 2016 nach Abrechnung des Darlehens noch ein Restbetrag von 36,87 € eingezogen wurde, sich die monatliche Zahlungslast der Eheleute deutlich von 210,19 € auf 106,39 € verringert hat. Ab Februar 2016 hatten die Eheleute aus eigenen Kräften, d.h. nicht vom Beklagten über die KdUH refinanzierte, monatliche Tilgungsanteile von durchschnittlich 82,35 € aufzubringen. Im Jahr 2015 waren die Tilgungsleistungen mit durchschnittlich 173,90 € monatlich mehr als doppelt so hoch. Damit bestand ab Februar 2016 eine deutlich geringere wirtschaftliche Belastung der Klägerin als zuvor.

 

Zudem kann der Senat nach den ihm bekannten Umständen des Einzelfalls keine konkrete Gefahr des Wohnungsverlustes für den Fall, dass die Tilgungsanteile nicht vom Beklagten übernommen werden, feststellen. Eine solche konkrete Gefahr liegt nach Auffassung des Senats nicht regelmäßig schon dann vor, wenn den Beziehern von SGB II-Leistungen aus eigenen Kräften die Erbringung von Tilgungsleistungen rechnerisch nicht möglich ist, weil ihnen keine frei bleibenden Mittel (beispielsweise aus Freibeträgen auf Erwerbseinkommen oder Mehrbedarfsleistungen) zur Verfügung stehen. Denn damit würde die vom BSG im Ausnahmefall mögliche Übernahme von Tilgungsanteilen zum Regelfall und die den Leistungsberechtigten grundsätzlich aufgebürdete Last, die Tilgungsanteile (irgendwie) selbst aufzubringen, ihnen ohne sachlichen Grund abgenommen. Daher müssen konkrete Hinweistatsachen für eine ernsthafte Kreditgefährdung vorliegen, die über Mahnschreiben des Darlehensgebers oder auch einzelne Einzugsrückläufe bei den Ratenzahlungen hinausgehen. Im konkreten Einzelfall muss offensichtlich sein, dass die Aufbringung der Raten dem Leistungsberechtigten nicht möglich ist und die weitere Finanzierung voraussichtlich scheitern wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Tilgungsanteile den Regelbedarf übersteigen, zusätzliche Geldmittel nicht zur Verfügung stehen und keine Hilfe von Dritten erfolgt.

 

So liegt der Fall der Klägerin nicht: Die monatliche Belastung durch die Tilgungsraten ist im Jahr 2016 mit 82,35 € relativ gering und durch Einsparungen kompensierbar. Zudem ist dem Senat aus der mehrjährigen Beschäftigung mit dem SGB II-Leistungsfall der Klägerin bekannt, dass es in der Vergangenheit keine Unregelmäßigkeiten bei den Ratenzahlungen gab. Lastschrift-Rückgaben sind erstmalig in den Jahren 2015 und 2016 aufgetreten. Schließlich hat die Klägerin trotz gerichtlicher Nachfrage keine Erläuterung zu den aus den Jahreskontoauszügen ersichtlichen Rückbuchungen der Lastschriften im Februar und Dezember 2015 und April 2016 abgegeben. Andere Angaben zu den individuellen Umständen hat sie – bis auf die Mitteilung, sie werde ab Dezember 2026 Altersrente beziehen können – nicht gemacht. Dies ist zu respektieren. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen lässt sich jedoch eine ernsthafte Gefährdung des Wohneigentums nicht prognostizieren.

 

Neben den Schuldzinsen können sonstige Aufwendungen zu den Finanzierungskosten gehören und im Rahmen der KdUH berücksichtigungsfähig sein. Dazu gehören Kostenpositionen, die die finanzierende Bank geltend macht, denen sich der Darlehensnehmer nicht entziehen kann. Dies trifft hier auf die von der darlehensgebenden Bausparkasse verlangten Kontoführungsgebühren von 9,48 € pro Jahr für jedes der beiden Bauspardarlehen zu. Auf den Monat berechnet ergibt sich ein Betrag von 0,79 €, der zusätzlich zum monatlichen Zinsanteil zu berücksichtigen ist.

 

Indes konnte im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, dass auch die Aufwendungen für die Risikolebensversicherung (RLV) für das Darlehen xxx401 zu den unvermeidlichen Nebenkosten gehören. Denn die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen und belegt, dass die Bausparkasse den Abschluss eines RLV-Vertrags zur Bedingung für die Darlehensvergabe gemacht hat. Dagegen spricht, dass für das Darlehen xxx403 keine derartige Absicherung erfolgt ist. Nach den vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bausparkasse war für jeden Kreditnehmer im Alter zwischen 16 und 55 Jahren, der ein Bauspardarlehen in Anspruch nahm, eine RLV abzuschließen. Die Höhe der Versicherungssumme entsprach dem zugesagten Darlehen und reduzierte sich jährlich im Umfang des jeweiligen Tilgungsfortschritts. Danach wäre für jedes der beiden Bauspardarlehen eine RLV abzuschließen gewesen. Der von der Bausparkasse verfolgte Schutzzweck stellt sich für jedes Darlehen in gleicher Weise. Weshalb entgegen den AGB für das Darlehen xxx403 keine RLV abgeschlossen wurde, ist für den Senat nicht erklärlich. Diesbezügliche Nachfragen hat die Klägerin nicht beantwortet.

 

Danach ergibt sich für das Darlehen xxx401 für 2015 ein berücksichtigungsfähiger monatlicher Aufwand von 4,08 €, der sich aus dem Monatsanteil der Jahreszinsen (3,29 €) und dem anteiligen Betrag für die Kontoführung (0,79 €) zusammensetzt. Für 2016 war nur noch in der Januarrate ein Gesamtbetrag von 4,29 € für Zinsen (2,71 €) und Kontoführungsgebühren (1,58 €) zu zahlen. Mit dem Sondereinzug zum 1. März 2016 von 36,87 €, der auf den Bearbeitungsgebühren für die Einzugsrückläufe in 2015 beruhen dürfte, war das Darlehen vollständig getilgt. Für das Darlehen xxx403 ergibt sich für 2016 aus den Jahreszinsen ein Monatsanteil von 24,04 € und der anteiligen Kontoführungsgebühr von 0,79 € ein berücksichtigungsfähiger Betrag von 24,83 €. Für 2015 ergeben sich monatlich 28,14 €.

 

In den streitbefangenen Monaten Juni, Juli, September und Dezember 2015 bestanden die Aufwendungen für die KdUH allein in Finanzierungskosten von je 32,22 €. Im August 2015 war neben den Finanzierungskosten noch die Grundsteuer von 44,49 € sowie der Jahresbeitrag zur Gebäudeversicherung von 252,08 € fällig, sodass sich ein Gesamtbetrag von 328,79 € ergibt. Im Oktober 2015 sind neben den Finanzierungskosten Aufwendungen für die Heizungsreparatur von 221,83 € und für die Beschaffung von Heizöl von 2.238,20 € (inkl. Mahngebühr) zu berücksichtigen, die zu Gesamtaufwendungen von 2.492,25 € führen. Im November 2015 fiel die Grundsteuer von 44,48 € für das letzte Quartal an und ergab mit den Finanzierungskosten einen Betrag von 76,70 €. Im Januar 2016 ergeben sich Finanzierungskosten von insgesamt 29,12 € (4,29 € und 24,83 €). Im Februar und Mai 2016 ergeben sich aus Finanzierungskosten von 24,83 € und der Grundsteuer Gesamtaufwendungen von 69,32 €. Im März 2016 fielen nur die Finanzierungskosten an. Im April 2016 kam dazu noch die Abfallgebühr und die Rechnung des Schornsteinfegers.

 

Für Juni 2015 ergibt sich aus den KdUH von 32,22 € und dem Regelbedarf von 360 € für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sowie unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für eine dezentrale Warmwasserbereitung von 8,28 € pro Person ein Gesamtbedarf von 768,76 €. Insoweit folgt der Senat den Vortrag der Klägerin, sie habe bis zur Bevorratung mit Heizöl im September 2016 kein Heizöl mehr im Tank gehabt, sodass die Warmwasserbereitung über die Zentralheizung nicht möglich gewesen und diese dezentral erfolgt sei. Daher ist bis August 2015 der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II zu berücksichtigen.

 

Diesem Bedarf ist das Einkommen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Dabei handelt es sich insbesondere um Leistungen nach dem SGB II, der Grundrenten nach dem Bundesversorgunggesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zweckbestimmte Leistungen nach § 11a Abs. 3 SGB II.

 

Da die Klägerin im Juni 2015 kein eigenes Einkommen erzielt hat, ist allein das Einkommen ihres Ehemanns zu berücksichtigen, denn bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Auf das Einkommen des Ehemanns kommt es hier an, weil davon nicht nur die Hilfebedürftigkeit der Klägerin abhängig ist, sondern auch, ob der Ehemann selbst als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II einen Anspruch nach dem SGB II besitzt, und zwar auch dann, wenn er selbst individuell nicht hilfebedürftig ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, juris). Denn im Leistungsrecht des SGB II gilt jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn nicht der gesamte Bedarf der Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist. Die Hilfebedürftigkeit des individuell nicht Bedürftigen wird durch diese Regelung, die auch für Sozialgeldempfänger im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II Anwendung findet, in verfassungsrechtlich zulässiger Weise (BSG, a.a.O.; BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, juris RN 17) fingiert. Daher ist bei einem bestehenden Hilfebedarf und Leistungsanspruch – entgegen der Auffassung der Klägerin – jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Bezieher von SGB II-Leistungen. Dessen ungeachtet ist – entsprechend dem Wunsch der Klägerin – der Ehemann nicht Beteiligter im Klage- und Berufungsverfahren.

 

Die von ihm bezogene Erwerbsminderungsrente gehört nicht zu den von § 11a SGB II erfassten Einkünften. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt sich nicht um eine Entschädigungsleistung. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhält, wer wegen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Rentenzahlung soll Einkommenseinbußen kompensieren, die dadurch entstehen, dass eine Erwerbstätigkeit von mehr als sechs Stunden täglich wegen der Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht möglich ist. Sie ersetzt – anteilig – ausgefallenes Arbeitseinkommen und dient wie dieses dazu, den Lebensunterhalt zu sichern.

 

Im Juni 2015 belief sich der Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrente des Ehemanns auf 382,86 €. Davon ist die Versicherungspauschale nach § 11b Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 6 Nr. 1 und 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) in der 2015 gültigen Fassung von 30 € abzuziehen. Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung sind nicht zu berücksichtigen, da für den gesamten streitigen Zeitraum keine Belege für die Beitragshöhe vorgelegt worden sind. Zwar hat die Klägerin im Berufungsverfahren erklärt, 2015 habe sich der monatliche Beitrag auf 34,03 € belaufen. Der genannte Betrag erscheint nach den in den Vorjahren und dem ab Juli 2016 zu zahlenden Beiträgen von rund 20 €/Mt. zu hoch und kann – ohne Nachweis – nicht berücksichtigt werden.

 

Ein Erwerbstätigenfreibetrag (§ 11b Abs. 2 SGB II) steht dem Ehemann der Klägerin nicht zu, denn er war nicht erwerbstätig. Allerdings sind im Rahmen der notwendigen Ausgaben gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II nach Auffassung des Senats die von ihm entrichteten Mitgliedsbeiträge zur Gewerkschaft in Höhe von 4,30 € abzusetzen. Diese sind zwar nach einem strengen Verständnis keine mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben. Indes reicht es für den Begriff der Notwendigkeit aus, wenn eine Ausgabe einen Nutzen für die Einkommenserzielung hat (so bereits zu § 76 Abs. 2 Nr. 4 Bundessozialhilfegesetz: BVerwGE 62, 275 [278; 95, 103 ff.]). Dieser Auffassung ist das BSG in seinem Urteil vom 27. September 2011 (B 4 AS 180/10 R, juris RN 28ff.) jedenfalls für Gewerkschaftsbeiträge ausdrücklich gefolgt und geht von der notwendigen Verbundenheit auch dann noch aus, wenn Entgeltersatzleistungen bezogen werden. Die vom Ehemann der Klägerin bezogene Erwerbsminderungsrente ist wie eine Entgeltersatzleistung zu bewerten, denn der Ehemann ist nicht endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist jederzeit möglich. Daher ist nach Auffassung des Senats der Gewerkschaftsbeitrag berücksichtigungsfähig (vgl. auch Urteil des Senats vom 22. Juli 2020 im Verfahren L 4 AS 633/16 der Klägerin, juris RN 55). Danach ergibt sich für den Monat Juni 2015 ein anrechenbares Einkommen des Ehemanns von 348,56 €, welches nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II verteilt auf die beiden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu einem individuellen Leistungsanspruch der Klägerin von 210,11 € führt. Eine Rundung der Endzahlbeträge auf volle Euro-Beträge findet nach § 41 Abs. 2 SGB II n.F. nicht mehr statt. Da der Klägerin vom Beklagten für diesen Monat Leistungen in einer Gesamthöhe von 202,74 € bewilligt worden waren, ergibt sich ein noch nicht befriedigter Leistungsanspruch von 7,37 €.

 

Im Juli 2015 sind die KdUH unverändert und führen zu einem Gesamtbedarf von 768,78 €. Nach der Rentenerhöhung ergibt sich ein Auszahlbetrag von 392,42 €, der um die Versicherungspauschale und den Gewerkschaftsbeitrag zu bereinigen ist. Das anrechenbare Einkommen von 358,12 € führt nach Verteilung auf die beiden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu einem Leistungsanspruch der Klägerin von 205,33 €. Dieser liegt um 7,37 € über den mit Bescheid vom 25. April 2017 bewilligten endgültigen Leistungen, weshalb dieser Bescheid entsprechend zu ändern ist. Der Erstattungsbescheid vom 25. April 2017 ist für Juli 2015 aufzuheben, da die Klägerin einen weiteren Zahlungsanspruch von 2,59 € hat.

 

Im August 2015 führen Unterkunftskosten von 328,79 € zu einem Gesamtbedarf von 1.065,35 €. Aus dem Renteneinkommen des Ehemanns resultiert ein anrechenbarer Betrag von 358,02 €, da sich ab August 2016 der Gewerkschaftsbeitrag auf 4,40 € erhöhte. Es ergibt sich ein Leistungsanspruch der Klägerin von 353,67 €, der um 7,42 € über der endgültigen Leistungsbewilligung liegt, sodass auch insoweit der Bescheid vom 25. April 2017 zu ändern und die Erstattungsforderung für diesen Monat aufzuheben ist. Der Zahlungsanspruch beläuft sich auf 2,64 €

 

Für September 2015 ergibt sich aus Regelbedarf und KdUH von 32,22 € ein Gesamtbedarf von 752,22 €. Ein Mehrbedarf nach § 22 Abs. 7 SGB II ist nicht mehr zu gewähren, da die Eheleute in diesem Monat Heizöl tankten. Nach Anrechnung des unveränderten Renteneinkommens von 358,02 € ergibt sich ein Leistungsanspruch der Klägerin von 197,10 €, der geringer ist als die ihr endgültig bewilligten Leistungen von 197,96 €.

 

Für Oktober 2015 beläuft sich – insbesondere wegen der Heizölrechnung – der Gesamtbedarf auf 3.212,25 €, der nach Anrechnung des Renteneinkommens von 358,02 € zu einem Leistungsanspruch der Klägerin von 1.427,12 € führt. Da der Beklagte ihr endgültig Leistungen von 1.427,98 € bewilligt hatte, besteht kein weiterer Leistungsanspruch. Denn entgegen den Angaben der Klägerin, der Beklagte zahle grundsätzlich keine Heizkosten, hat dieser auf die Heizkostenrechnung aus September 2015 reagiert und dafür Leistungen in Höhe des Rechnungsbetrags einschließlich der vom Lieferanten gelten gemachten Mahngebühr von 1 € im Oktober 2015 bewilligt und ausgezahlt.

 

Für November 2015 bestand ein Bedarf von 996,70 €, der sich aus dem Regelbedarf und den KdUH von 76,70 € zusammensetzt. Nach Anrechnung des unveränderten Renteneinkommens verbleibt ein Leistungsanspruch von 219,34 €. Da der Beklagte endgültig 220,20 € bewilligt hat, besteht kein weiterer Leistungsanspruch.

 

Im Dezember 2015 betrug der Gesamtbedarf 752,22 € (KdUH 32,22 €). Nach Anrechnung der Rente bleibt ein Leistungsanspruch der Klägerin von 197,10 €. Die endgültige Leistungsbewilligung lag mit 197,16 € darüber.

 

Der Gesamtbedarf von 757,12 € im Januar 2016 setzt sich zusammen aus den erhöhten Regelbedarfen von je 364 € und Unterkunftskosten von 29,12 €. Vom Renteneinkommen des Ehemanns sind unverändert 358,02 € anzurechnen, sodass sich ein Leistungsanspruch der Klägerin von 199,55 € ergibt. Für diesen Monat hat der Beklagte endgültig Leistungen von 198,11 € festgesetzt, sodass noch ein weiterer Leistungsanspruch von 1,44 € besteht. Insoweit ist der Festsetzungsbescheid zu ändern und die Erstattungsforderung auf 3,34 € zu reduzieren. Ein Zahlungsanspruch besteht nicht, da der Klägerin bereits höhere vorläufige Leistungen (202,89 €) ausgezahlt worden waren.

 

Zusammen mit den KdUH von 69,32 € ergibt sich im Februar 2016 ein Gesamtbedarf von 797,32 €. Unter Berücksichtigung des Renteneinkommens von 358,02 € ergibt sich ein Leistungsanspruch der Klägerin von 219,65 €, der unter den endgültig festgesetzten Leistungen von 220,36 € liegt.

 

Im März 2016 führen KdUH von 24,83 € zu einem Gesamtbedarf von 752,83 €. Nach Anrechnung des unveränderten Renteneinkommens verbleibt ein individueller Leistungsanspruch der Klägerin von 197,41 €. Da der Beklagte endgültig 198,11 € bewilligt hat, besteht kein weiterer Leistungsanspruch.

 

Regelbedarf und Unterkunftskosten ergeben im April 2016 einen Gesamtbedarf von 896,62 €. Nach Anrechnung des unveränderten Einkommens hat jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft einen Leistungsanspruch von 269,30 €. Für diesen Monat hatte der Beklagte die Leistungen endgültig auf 255,95 € festgesetzt. Der Bescheid vom 25. April 2017 ist zu ändern und die Erstattungsforderung für diesen Monat aufzuheben. Es ergibt sich ein Zahlungsanspruch von 8,56 €.

 

Schließlich beläuft sich für Mai 2016 mit Unterkunftskosten von 69,32 € der Gesamtbedarf auf 797,32 €. Nach Anrechnung des Einkommens von 358,02 € bleibt ein individueller Leistungsanspruch von 219,65 €. Der Beklagte hat endgültig bereits höhere Leistungen von 220,36 € bewilligt.

 

Soweit die dargestellten weiteren Leistungsansprüche der Klägerin bestehen, sind die zugrundeliegenden Bewilligungsbescheide, d.h. der Bescheid vom 12. Mai 2015 für den Monat Juni 2015 und der Festsetzungsbescheid vom 25. April 2017 für die übrigen Monate des Bewilligungszeitraums sowie der Erstattungsbescheid vom 25. April 2017 entsprechend zu ändern.

 

Der Senat ist nicht gehindert, die im Bewilligungszeitraum vorläufig gezahlten Leistungen mit den endgültigen Leistungen zu verrechnen. Dies ist möglich, weil bei einer vorläufigen Leistungsbewilligung kein Vertrauensschutz im Hinblick auf ein „Behalten-Dürfen“ der vorläufig bewilligten Leistungen entsteht und es eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu Anrechnung gibt. § 41a Abs. 6 Satz 1 SGB II (wie zuvor bereits § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III) bestimmt, dass die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen sind. Dazu stellt Satz 2 nun klar, dass Überzahlungen, die sich daraus ergeben, dass im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hoch erbrachte Leistungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen sind, die für andere Kalendermonate desselben Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären. Diese Anrechnung ist ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Rechtsinstitut und durch Verwaltungsakt geltend zu machen, der – ähnlich einer Aufrechnung – in Höhe der gezahlten vorläufigen Leistungen das Erlöschen der festgestellten endgültigen Leistung rückwirkend zum Zeitpunkt der Vorschusszahlung bewirkt. Durch die Regelung in Satz 2 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass das Verbot der Saldierung (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2007, B 11b 15/06 R, juris) bei der Anrechnung von vorläufigen auf endgültige Leistungen nicht gilt, wie dies von der Rechtsprechung bereits für die Vorläuferregelung in § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III angenommen worden war (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil des 5. Senats vom 28. Februar 2013, L 5 AS 218/09, juris ; vgl. z. Vorst.: Kemper in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a RN 73). Dies bedeutet im Ergebnis für den vorliegenden Fall, dass die dargestellten weiteren Leistungsansprüche der Klägerin in den Monaten Juni bis August 2015 sowie Januar und April 2016 in einer Gesamthöhe von 36,95 € die geltend gemachte Erstattungsforderung von 52,58 € reduzieren, sodass die Klägerin noch einen Gesamtbetrag von 15,63 € an den Beklagten zu erstatten hat. Dementsprechend waren das erstinstanzliche Urteil und die angegriffenen Bescheide des Beklagten zu ändern. Im Übrigen war die Klage abzuweisen und die weitergehende Berufung zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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