L 1 KR 320/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 36 KR 717/19
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 320/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Fahrkosten zur Arbeitsstelle während einer stufenweisen Wiedereingliederung sind zwar nicht nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen. Sie sind aber nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zu übernehmen, wenn die stufenweise Wiedereingliederung im Zusammenhang mit einer vom Rentenversicherungsträger bewilligten medizinischen Rehabilitationsleistung steht.

2. Die stufenweise Wiedereingliederung ist keine (Sach-)Leistung eines Rehabilitationsträgers. Sie ist einem Rehabilitationsträger aber dann zuzurechnen, wenn sie mit einer von ihm bewilligten medizinischen Rehabilitationsleistung in einem so engen Zusammenhang steht, dass sie Bestandteil einer einheitlichen (Gesamt-)Maßnahme darstellt.

3. Fahrkosten zur Arbeitsstelle können auch dann nach Rentenversicherungsrecht zu übernehmen sein, wenn statt der bewilligten medizinischen Rehabilitationsleistung, nur die stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt wird.

Bemerkung

Übernahme von Fahrkosten zur Arbeitsstelle während stufenweiser Wiedereingliederung - Zusammenhang mit vom Rentenversicherungsträger bewilligter Rehabilitationsleistung

      1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. Mai 2020 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2019 verurteilt, der Klägerin 672,00 EUR zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
      2. Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
      3. Die Revision wird zugelassen.

 

 

 

Tatbestand:

 

Streitig ist die Erstattung von Kosten für Fahrten zur Arbeitsstelle während einer stufenweisen Wiedereingliederung ins Erwerbsleben.

 

Die 1970 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte und an einem Krankenhaus als Krankenschwester beschäftigte Klägerin war vom 22.04.2018 bis 11.08.2019 arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld. Wegen einer Krebserkrankung (Diagnose ICD-10-GM C50) befand sie sich vom 21.08.2018 bis 23.08.2018, vom 06.11.2018 bis 18.11.2018 und vom 28.01.2019 bis 04.02.2019 in stationärer Krankenhausbehandlung. Nach dem zweiten Krankenhausaufenthalt wurde ihr auf ihren Antrag vom 08.11.2018 durch den beigeladenen Rentenversicherungsträger eine stationäre Anschlussrehabilitation bewilligt (zuletzt mit Bescheid vom 20.05.2019), die die Klägerin letztlich nicht in Anspruch nahm.

 

Am 29.05.2019 erstellte die behandelnde Frauenärztin für die Klägerin einen ärztlichen Wiedereingliederungsplan, nach dem vom 17.06.2019 bis 11.08.2019 eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben stattfinden sollte. Diesem Plan stimmten die Klägerin und ihr Arbeitgeber zu, die Klägerin unter der Voraussetzung der Weiterzahlung von Krankengeld durch die Beklagte. Die Klägerin erschien in diesem Zeitraum planmäßig an insgesamt 40 Arbeitstagen an ihrem Arbeitsplatz (einfache Wegstrecke vom Wohnort 42 km) und erhielt für diesen Zeitraum weiter Krankengeld von der Beklagten.

 

Unter dem 14.08.2019 fragte die Klägerin bei der Beklagten nach dem Sachstand ihres Antrags vom 13.06.2019 auf Erstattung der für den Arbeitsweg im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung entstehenden Fahrkosten an. Mit Bescheid vom 19.08.2019 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 24.10.2019 lehnte die Beklagte die Übernahme von Fahrkosten ab. Nach § 60 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) übernähmen die Krankenkassen Fahrkosten nur im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Um eine solche Leistung handele es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung nach 74 SGB V nicht.

 

Dagegen hat die Klägerin am 12.11.2019 beim Sozialgericht (SG) Chemnitz Klage erhoben. Nach aktueller Rechtsprechung seien Fahrkosten zur stufenweisen Wiedereingliederung von der Krankenkasse zu übernehmen; diese sei eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation, die sie – die Klägerin – fristgerecht beantragt habe. Dass sie keine der drei vom Rentenversicherungsträger bewilligten stationären Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch genommen habe, sei nicht ihr Verschulden, weil die Maßnahmen von den jeweiligen Rehabilitationskliniken abgelehnt worden seien.

 

Die Beklagte hat erwidert, Fahrkosten würden nach § 60 SGB V zu medizinischen Behandlungen übernommen und nicht zum Erreichen des Arbeitsplatzes. Die stufenweise Wiedereingliederung nach § 74 SGB V sei keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 60 Abs. 5 SGB V. Darüber hinaus liege ihr der von der Klägerin behauptete Antrag vom 13.06.2019 nicht vor.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 18.05.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Es fehle für die begehrte Fahrkostenerstattung an einem fristgerechten Antrag. Die Übernahme von Leistungen auch auf der Grundlage von §§ 44, 53 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) unterfalle dem Antragsgebot. Eine Übernahme setze deshalb einen fristgerechten Antrag vor Beginn der Maßnahme voraus, die hier vom 17.06. bis 11.08.2019 stattgefunden habe. Die Klägerin behaupte zwar, einen Antrag am 13.06.2019 gestellt zu haben. Einen entsprechenden Nachweis habe sie jedoch nicht erbringen können, sodass es an der notwendigen Antragstellung fehle.

 

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 18.06.2020 eingelegten Berufung. Der Antrag auf Fahrkostenerstattung sei am 13.06.2019 durch Herrn Y.... persönlich bei der Beklagten abgegeben worden und dort, wie sich aus dem Eingangsstempel auf der Kopie des Antrages ergebe, auch eingegangen. Ohnehin sei der Antrag auf Gewährung von Fahrkosten bereits in der Übersendung des Wiedereingliederungsplans zu sehen. Sie – die Klägerin – habe Anspruch auf die beantragte Fahrkostenerstattung. Dies ergebe sich dem Grunde und der Höhe nach aus § 44 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 53 Abs. 4 SGB IX. Bei der stufenweisen Wiedereingliederung handele es sich um eine eigenständige Leistung der medizinischen Rehabilitation. Soweit vereinzelt die gegenteilige Auffassung vertreten werde, stehe dem die systematische Stellung des § 28 SGB IX und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entgegen.

 

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. Mai 2020 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2019 zu verurteilen, der Klägerin 1.008,00 EUR zu bezahlen sowie der Klägerin außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Unabhängig von der Frage des Antragseingangs könnten die Fahrkosten mangels Hauptleistung im Sinne von § 60 SGB V nicht übernommen werden, weil die stufenweise Wiedereingliederung keine eigenständige medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Sinne von § 40 SGB V sei. In der Anlage zur Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie sei der Sinn und Zweck der stufenweisen Wiedereingliederung beschrieben. In der Reduzierung der täglichen Arbeitszeit und der zu Beginn erforderlichen ärztlichen Stellungnahme sowie der Zustimmung aller Beteiligten könne keine medizinische Rehabilitationsmaßnahme erkannt werden.

 

Der vom Senat beigeladene Rentenversicherungsträger stellt keinen Antrag und bringt vor, die Klägerin habe keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu ihren Lasten durchgeführt. Die stufenweise Wiedereingliederung stelle keine eigenständige Leistung zur medizinischen Rehabilitation dar, sondern erfolge im Zusammenspiel mit einer bereits abgeschlossenen Hauptleistung.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten, die Rehabilitationsakte der Beigeladenen und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß zum Termin der mündlichen Verhandlung geladenen Beigeladenen verhandeln und entscheiden (§ 153, § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

 

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (mehr als 750,00 EUR) erreicht. Zwar begehrt die Klägerin, die während der stufenweisen Wiedereingliederung (17.06.2019 bis 11.08.2019) den Weg zur Arbeitsstelle mit dem Pkw zurücklegte, als Fahrkostenerstattung eine Wegstreckenentschädigung für 2 x 42 km an 40 Arbeitstagen. Dafür kommt nach § 73 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, der auf § 5 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG) mit seiner Pauschale von 0,20 EUR je gefahrenem Kilometer verweist, lediglich eine Erstattung von 672,00 EUR in Betracht. Maßgeblich ist aber der Klageantrag, mit dem – wie bereits in erster Instanz – eine Erstattung von 1.008,00 EUR begehrt wird. Dieser Antrag ist nicht deshalb in dieser Höhe gestellt worden, um die Berufungssumme zu überschreiten (zur Rechtsmissbräuchlichkeit einer solchen Antragstellung: BSG, Urteil vom 30.06.2021 – B 4 AS 70/20 R – juris Rn. 20; Wehrhahn in: jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 144 Rn. 23; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 14a). Vielmehr ist die Erstattung deshalb in dieser Höhe beantragt worden, weil die Klägerin irrtümlicherweise die Kilometerpauschale von 0,30 EUR nach § 5 Abs. 2 BRKG angesetzt hat.

 

Die Berufung der Klägerin ist zum überwiegenden Teil begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage vollständig abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2019 ist rechtswidrig und verletzt der Klägerin in ihren Rechten. Entgegen der Auffassung des SG scheidet die Fahrkostenerstattung nicht mangels fristgerechter Antragstellung aus (1). Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Fahrkosten hat die Klägerin allerdings nicht nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (2), sondern – wenn auch in geringerer Höhe – nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (3).

 

1. Eine verspätete Antragstellung steht dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht entgegen.

 

Die Antragstellung war bereits nicht verspätet. Denn sie ist – wie sich im Berufungsverfahren herausgestellt hat – vor Beginn der stufenweisen Eingliederung erfolgt. Die Klägerin hat am 13.06.2019 bei der Beklagten die Erstattung der für den Arbeitsweg im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung vom 17.06. bis 12.08.2019 entstehenden Fahrkosten beantragt. Zwar hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren zunächst noch den Eingang eines solchen Antrags am 13.06.2019 bestritten. Doch ergibt sich dieser Antragseingang aus der von Klägerseite im Berufungsverfahren vorgelegten Kopie des Antragsschreibens, der einen Eingangsstempel der Beklagten vom 13.06.2019 trägt. Der Senat ist davon überzeugt, dass das Original des Antragsschreibens an dem durch den Eingangsstempel bekundeten Tag der Beklagten zugegangen ist. Einer Vernehmung des Zeugen Neubert zur Abgabe des Antragsschreibens in einer Geschäftsstelle der Beklagten bedurfte es daher nicht.

 

Einer Beweisaufnahme hätte es auch aus Rechtsgründen nicht bedurft. Das SG unterstellt, dass die (rechtzeitige) Stellung eines Antrags Anspruchsvoraussetzung für die Erstattung von Fahrkosten sowohl nach § 60 SGB V als auch nach § 73 SGB IX (das SG zitiert noch die bis 31.12.2017 geltende, im vorliegenden Fall aber nicht mehr anwendbare Vorgängervorschrift des § 53 SGB IX) ist, also materiell-rechtliche Bedeutung hat, weil der Anspruch ohne den Antrag nicht bzw. nur in Abhängigkeit vom Antragszeitpunkt bestehen kann. Diese Rechtsauffassung hält näherem Zusehen nicht stand. Zwar bestimmt § 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (IV), dass Leistungen in der Sozialversicherung grundsätzlich nur auf Antrag erbracht werden. Der Antrag nach § 19 SGB IV ist aber nur im verfahrensrechtlichen Sinne zu verstehen (Hampel in: jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 19 Rn. 18). D.h. ohne Leistungsantrag des Versicherten darf nicht über dessen Leistungsanspruch entschieden werden (Öndül in: jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 16 Rn. 28). Dies bedeutet nicht, dass der Leistungsantrag keine materiell-rechtliche Bedeutung haben kann. Vielmehr kann er eine Doppelfunktion als Verfahrenshandlung und als materiell-rechtliche Voraussetzung haben. Inwieweit die für das Verfahren notwendige Antragstellung zu den materiellen Anspruchsvoraussetzungen gehört, ist im Wege der Auslegung der jeweiligen Leistungsnorm zu ermitteln (BSG, Urteil vom 28.05.2019 – B 1 A 1/18 R – juris Rn. 17). Statt sich hiermit näher zu beschäftigen, hat sich das SG damit begnügt, sich auf ein "Antragsgebot" zu berufen. Die Auslegung des § 60 SGB V ergibt indessen, dass der Antrag nur bei Fahrkosten im Zusammenhang mit einer ambulanten Behandlung materiell-rechtliche Bedeutung hat. Denn diese Fahrkosten werden nach der Sonderregelung in § 60 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB V nur nach vorheriger Genehmigung der Krankenkasse übernommen. Dazu hat das BSG entschieden: Hat ein Versicherter vor Beginn einer ambulanten Behandlung bei seiner Krankenkasse die Übernahme der entstehenden Fahrkosten beantragt, darf ihm das Fehlen der vorherigen Genehmigung nicht entgegengehalten werden, soweit und solange die Krankenkasse die Übernahme der Kosten zu Unrecht ablehnt (BSG, Urteil vom 13.12.2016 – B 1 KR 2/16 R – juris Rn. 11; Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 8/13 R – juris Rn. 14). Damit ist Anspruchsvoraussetzung nicht die vorherige Genehmigung, wohl aber der rechtzeitige Genehmigungsantrag, wobei dieser nicht vor jeder einzelnen Fahrt gestellt werden muss, sondern für alle im Rahmen einer konkreten Behandlungsmaßnahme notwendigen Fahrten gestellt werden kann (BSG, Urteil vom 28.07.2008 – B 1 KR 27/07 R – juris Rn. 22). Da die Sonderregelung in § 60 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB V jedoch für alle anderen Fahrkostenansprüche – und damit auch für die hier allein in Betracht kommenden nach § 60 Abs. 5 SGB V und § 73 SGB IX – nicht gilt, hat bei ihnen der Antrag keine materiell-rechtliche, sondern nur verfahrensrechtliche Bedeutung.

 

2. Nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kann die Klägerin die Erstattung der Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstelle während der stufenweisen Wiedereingliederung nicht beanspruchen.

 

a) Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit allein § 60 SGB V in Betracht. Diese Vorschrift regelt die krankenversicherungsrechtlichen Ansprüche auf Übernahme von Fahrkosten abschließend (BSG, Urteil vom 13.12.2016 – B 1 KR 2/16 R – juris Rn. 9; Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 8/13 R – juris Rn. 12; Urteil vom 28.07.2008 – B 1 KR 27/07 R – juris Rn. 14; Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 4/07 R – juris Rn. 12). Dies gilt auch für Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation, die nach § 60 Abs. 5 beansprucht werden können. Für diese scheidet § 11 Abs. 2 SGB V i.V.m. §§ 7, 44, 64 Abs. 1 Nr. 5, § 73 Abs. 4 SGB IX von vornherein als Anspruchsgrundlage aus (anderer Ansicht Landessozialgericht [LSG] Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2020 – L 6 KR 100/15 – juris Rn. 58 ff.). Denn § 11 Abs. 2 SGB V hat nur den Charakter einer Einweisungsvorschrift; der darin benannte Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation wird erst in den §§ 27 ff. SGB V zu Leistungsansprüchen verdichtet (Becker/Kingreen in: dies., SGB V, 8. Aufl., § 11 Rn. 3). Anspruchsgrundlage für Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist daher allein § 60 Abs. 5 SGB V. Dieser Anspruch ist weiter als derjenige nach § 60 Abs. 1 und 2 SGB V für andere Fahrten, weil sich sein Umfang nach § 73 Abs. 1 und 3 SGB IX richtet und er damit neben den Fahrkosten auch Verpflegungs- und Übernachtungskosten sowie bestimmte behinderungsbedingt (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB IX) und pflegebedingt (§ 60 Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB V) notwendige Kosten umfasst. Der Anspruchsumfang bestimmt sich allerdings nicht vollständig nach § 73 SGB IX. Da § 60 Abs. 5 Satz 1 SGB V ausschließlich auf § 73 Abs. 1 und 3 SGB IX verweist, ist die Anwendung des § 73 Abs. 4 SGB IX mit der dort vorgesehenen Fahrkostenpauschale ausgeschlossen; stattdessen werden auch im Rahmen der medizinischen Rehabilitation Fahrkosten nur in der sich aus § 60 Abs. 3 SGB V ergebenden Höhe übernommen (Nolte in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 60 SGB V Rn. 24d).

 

b) Ein Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten nach § 60 Abs. 5 SGB V setzt voraus, dass diese Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation entstanden sind. Grundsätzlich gehören Maßnahmen und Leistungen, die nicht durch medizinische Erfordernisse der Krankheitserkennung oder -behandlung veranlasst sind, nicht zum Gegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Als eine Ausnahme regelt das Gesetz in § 60 SGB V die Gewährung von Fahrkosten als akzessorischer Nebenleistung zur Krankenbehandlung. Der Gesetzgeber hat den Umfang dieses Anspruchs seit Einführung des SGB V deutlich eingeschränkt, weil es nicht um eine Kernleistung der gesetzlichen Krankenversicherung geht (BSG, Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KR 27/14 R – juris Rn. 14). Als akzessorische Nebenleistung setzt die Fahrkostenübernahme das Bestehen eines Hauptleistungsanspruchs voraus und teilt dessen rechtliches Schicksal (Kingreen in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 60 Rn. 6). Der Hauptleistungsanspruch muss dem Versicherten gegen seine Krankenkasse zustehen. § 60 Abs. 5 SGB V setzt daher voraus, dass der Versicherte eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Anspruch nimmt, die ihm von seiner Krankenkasse gewährt wird. Es genügt nicht die Inanspruchnahme von Leistungen anderer Rehabilitationsträger oder von Vergünstigungen sonstiger Stellen oder Personen, selbst wenn diese rehabilitativen Charakter haben.

 

c) Ein Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten nach § 60 Abs. 5 SGB V scheidet aus, weil die von der Klägerin wahrgenommene stufenweise Wiedereingliederung keine medizinische Rehabilitationsleistung der gesetzlichen Krankenversicherung war.

 

Wann eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 60 Abs. 5 SGB V vorliegt, bestimmt sich allein nach dem Krankenversicherungsrecht und dort nach § 40 SGB V (BSG Urteil vom 22.04.2009 – B 3 KR 5/08 R – juris Rn. 27; Urteil vom 22.04.2008 – B 1 KR 22/07 R – juris Rn. 30). Maßgeblich ist dagegen nicht, was das SGB IX in den §§ 42 ff. SGB IX zu den medizinischen Rehabilitationsleistungen zählt. Denn die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung besteht auch nach Inkrafttreten des SGB IX allein in der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V (BSG, Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 36/06 R – juris Rn. 17). Das SGB IX regelt zwar Gegenstände, Umfang und Ausführungen von Leistungen. Ob der einzelne Leistungsträger allerdings für alle unter dem Aspekt medizinischer Rehabilitation in Betracht kommenden Einzelleistungen aufzukommen hat, richtet sich danach, ob der Träger für die betroffene Maßnahme als Ganzes zuständig ist. Hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe verweist § 7 Abs. 1 SGB IX nach wie vor auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze, während die Vorschriften des SGB IX nur maßgebend sind, soweit etwa im SGB V nichts Abweichendes vorgesehen ist. Anders als § 15 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) verweist das SGB V für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht pauschal auf die §§ 42 ff. SGB IX. Vielmehr sind die Krankenkassen nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet (BSG, Urteil vom 07.05.2013 – B 1 KR 53/12 R – juris Rn. 23; Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 36/06 R – juris Rn. 18). Hinzu kommt, dass der Katalog der Krankenbehandlungsmaßnahmen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V weitgehend mit dem Katalog der medizinischen Rehabilitationsleistungen nach § 42 Abs. 2 SGB IX deckungsgleich ist. Obwohl das Ziel der (Wieder-)Herstellung der Gesundheit (vgl. § 1 Satz 1 SGB V) den Zielen von Teilhabeleistungen gleicht (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX), haben nicht alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung rehabilitativen Charakter. Vielmehr dient der Großteil der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung der kurativen Behandlung von Krankheiten und unterfällt daher nicht dem SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R – juris Rn. 12 ff.). Der deshalb im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung engere Begriff der Leistung zur medizinischen Rehabilitation bestimmt sich nach § 40 SGB V. Hierzu gehören auch Maßnahmen der erweiterten ambulanten Physiotherapie (BSG, Urteil 17.02.2010 – B 1 KR 23/09 R – juris Rn. 23 ff.) sowie der Belastungserprobung und Arbeitstherapie im Sinne des § 42 SGB V (BSG, Urteil vom 13.09.2011 – B 1 KR 25/10 R – juris Rn. 28). Nicht davon erfasst sind dagegen ergänzende Leistungen zur Rehabilitation im Sinne des § 43 SGB V, bei denen daher auch kein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten nach § 60 Abs. 5 SGB V besteht (BSG, Urteil vom 22.04.2008 – B 1 KR 22/07 R – juris Rn. 30; Urteil vom 22.04.2009 – B 3 KR 5/08 R – juris Rn. 27).

 

Im SGB V ist die stufenweise Wiedereingliederung nicht als Leistung zur medizinischen Rehabilitation ausgestaltet. Eine Regelung hat die stufenweise Wiedereingliederung nicht im Leistungsrecht, sondern im Vertragsarztrecht gefunden, nämlich in § 74 SGB V. Dort sind nur besondere Prüfungs- und Feststellungspflichten des Vertragsarztes zu Art und Umfang trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit möglicher Erwerbstätigkeiten geregelt, deren Verrichtung prognostisch die Möglichkeiten einer Wiedereingliederung in das Erwerbsleben verbessert. Die auf dieser Feststellung beruhenden Rechtsverhältnisse gestaltet § 74 SGB V nicht aus (Berchtold in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl., § 74 SGB V Rn. 2). Vor allem räumt § 74 SGB V dem Versicherten keinen Anspruch auf eine von der Krankenkasse zu erbringende (Sach-)Leistung "stufenweise Wiedereingliederung" ein. Vielmehr sind die zentralen Akteure der stufenweisen Wiedereingliederung der versicherte Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber. Nicht ohne Grund bezeichnet § 74 SGB V die stufenweise Wiedereingliederung als "stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit" durch Versicherte mit noch nicht vollständig wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit. Konstitutiv für das Wiedereingliederungsverhältnis ist daher eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die stufenweise Wiederaufnahme der Tätigkeit (Sichert in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl., § 74 Rn. 17 f.). Dabei ist das Wiedereingliederungsverhältnis – anders als das Arbeitsverhältnis – nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck (zu diesem Nebe, SGb 2015, 125, 126). Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses befreit (Oppermann in: Hauck/Noftz, § 44 SGB IX Rn. 27). Da dies auch den Vergütungsanspruch des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers betrifft, besteht vor allem in dessen sozialer Absicherung durch Gewährung von Krankengeld der Beitrag der Krankenkasse zur stufenweisen Wiedereingliederung (Wendtland in: BeckOK SozR, § 74 SGB V Rn. 2; Jabben in: BeckOK SozR, § 44 SGB IX Rn. 8). Die stufenweise Wiedereingliederung ist damit nicht nur formal aufgrund ihres Regelungsortes im SGB V keine medizinische Rehabilitationsleistung der Krankenkasse, sondern auch materiell, weil sie von der Krankenkasse nicht erbracht, sondern nur unterstützt wird. Die stufenweise Wiedereingliederung ist keine Leistung, die die Krankenkasse den Versicherten bewilligt und über deren Erbringung die Krankenkasse mit Dritten Verträge schließt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Der Arbeitgeber geht das Wiedereingliederungsverhältnis mit dem versicherten Arbeitnehmer nicht ein, um eine diesem von der Krankenkasse geschuldete Leistung zu bewirken. Auch wenn das Wiedereingliederungsverhältnis vom Arbeitsverhältnis zu unterscheiden ist (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 16.05.2019 – 8 AZR 530/17 – juris Rn. 21; Urteil vom 06.12.2017 – 5 AZR 815/16 – juris Rn. 12; Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12 – juris Rn. 32; Urteil vom 28.07.1999 – 4 AZR 192/98 – juris Rn. 15; Urteil vom 29.01.1992 – 5 AZR 37/91 – juris Rn. 19), wurzelt es doch in ihm. Eine stufenweise Wiedereingliederung kommt nur bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis in Betracht, aus dem sich wiederum trotz ruhender Hauptpflichten Ausstrahlungen auf das Wiedereingliederungsverhältnis ergeben können (BAG, Urteil vom 29.01.1992 – 5 AZR 37/91 – juris Rn. 20). Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich nicht – insbesondere nicht aus seiner Fürsorgepflicht – verpflichtet ist, einer stufenweisen Wiedereingliederung zuzustimmen (BAG, Urteil vom 29.01.1992 – 5 AZR 37/91 – juris Rn. 18; Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12 – juris Rn. 32; Urteil vom 06.12.2017 – 5 AZR 815/16 – juris Rn. 19 – anders jedoch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern nach § 164 Abs. 4 SGB IX, zur Vorgängervorschrift des § 81 Abs. 4 SGB IX vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2019 – 8 AZR 530/17 – juris Rn. 19 ff.), erfüllt er nicht eine fremde Pflicht, wenn er ein Wiedereingliederungsverhältnis eingeht (so aber wohl BAG, Urteil vom 28.07.1999 – 4 AZR 192/98 – juris Rn. 21). Weil die stufenweise Wiedereingliederung keine Leistung der Krankenkasse ist, die der Arbeitgeber erbringt, kann er dafür auch nicht – wie es sonst bei Leistungserbringern der Fall ist – von der Krankenkasse eine Vergütung verlangen. Die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung setzt – wie der vorliegende Fall zeigt – auch nicht deren Bewilligung durch die Krankenkasse voraus. Selbst die Gewährung von Krankengeld durch die Krankenkasse ist nicht zwingend mit einer stufenweisen Wiedereingliederung verbunden, vielmehr ist auch eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber denkbar (vgl. den dem Senatsurteil vom 21.09.2022 – L 1 KR 340/21 – zugrunde liegenden Fall). Der einzige notwendige Beitrag der Krankenkasse bei der stufenweisen Wiedereingliederung sind die in § 74 SGB V vorgesehenen ärztlichen Feststellungen und die damit zusammenhängende Betreuung des versicherten Arbeitnehmers durch einen Vertragsarzt. Dies führt aber nicht dazu, dass die stufenweise Wiedereingliederung derart durch therapeutische Interventionen geprägt wäre, dass sie als Bestandteil einer ärztlich verantworteten Behandlungsmaßnahme erschiene. Die stufenweise Wiedereingliederung ist daher richtigerweise keine von der Krankenkasse erbrachte Leistung, sondern eine vertragliche Interaktion von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die dadurch ermöglicht wird, dass der Anspruch auf Krankengeld den Lebensunterhalt sichert (Gagel, br 2011, 66, 67).


Soweit dem entgegen gehalten wird, im Zuge des Leitbildwechsels von einem einrichtungszentrierten zu einem personenzentrierten Leistungsrecht könne es auf die Verankerung der stufenweisen Wiedereingliederung in den betrieblichen Beziehungen nicht entscheidend ankommen (Nebe, SGb 2015, 125, 133), wird übersehen, dass das Recht des Sozialgesetzbuchs unter Sozialleistungen nach wie vor allein Zuwendungen öffentlicher Träger versteht, nicht dagegen sozial motivierte Leistungen Privater. Dieser Leitbildwechsel betrifft das Eingliederungshilferecht und soll dort bewirken, dass die notwendige Unterstützung durch den Sozialleistungsträger nicht mehr am institutionellen Rahmen bestimmter Wohnformen, sondern unter ganzheitlicher Perspektive am notwendigen individuellen Bedarf ausgerichtet wird (siehe nur die BT-Drucks. 18/9522, S. 4). Einen solchen Leitbildwechsel hat es im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bisher nicht gegeben und wäre auch mit dessen ausgeprägter Steuerung des Leistungsgeschehens über das Leistungserbringungsrechts und damit über die Institutionen der Leistungserbringung nur schwerlich vereinbar. Ohnehin führt der Leitbildwechsel nicht dazu, dass alle irgendeinem rehabilitativen Zweck zurechenbaren Vergünstigungen Privater als Leistungen eines öffentlichen Trägers anzusehen sind.

 

Die stufenweise Wiedereingliederung ist nicht mit der Belastungserprobung und Arbeitstherapie (§ 42 SGB V) vergleichbar, die eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist (BSG, Urteil vom 13.09.2011 – B 1 KR 25/10 R – juris Rn. 28). Denn während die Belastungserprobung dazu dient, die Belastungs- und Leistungsfähigkeit des Versicherten festzustellen, setzt die stufenweise Wiedereingliederung voraus, dass eine ausreichende Belastbarkeit bereits festgestellt worden ist (Nellissen in: jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 44 Rn. 26). Und im Gegensatz zur stufenweisen Wiedereingliederung verfolgt die Arbeitstherapie in erster Linie einen medizinischen Zweck; sie nutzt den Erwerb und die Verbesserung von Grundarbeitsfähigkeiten, um Krankheiten in einem umfassenden Sinne zu behandeln (BSG, Urteil vom 13.09.2011 – B 1 KR 25/10 R – juris Rn. 21), weshalb sie in der Regel in stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt wird (Waßer in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 42 Rn. 15). Dagegen sollen über den Weg der stufenweisen Wiedereingliederung Arbeitnehmer individuell, d.h. je nach Krankheit und bisheriger Arbeitsunfähigkeitsdauer schonend, aber kontinuierlich bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit an die Belastungen ihres Arbeitsplatzes herangeführt werden (Nr. 1 der Anlage zur Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Damit weist die stufenweise Wiedereingliederung eine größere Nähe zur Teilhabe am Arbeitsleben auf (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2017 – B 14 AS 27/16 R – juris Rn. 17 ff.; BAG, Urteil vom 13.06.2006 – 9 AZR 229/05 – juris Rn. 23).

 

Richtigerweise gibt nicht nur § 74 SGB V, sondern auch § 44 SGB IX keinen Anhalt dafür, dass die stufenweise Wiedereingliederung für sich allein eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist (in diese Richtung auch Nellissen in: jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 44 Rn. 8 und 19; anders dagegen Luik in: Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl., § 44 Rn. 7). Das SGB IX hat die stufenweise Wiedereingliederung nicht in den – nicht abschließenden – Leistungskatalog des § 42 Abs. 2 SGB IX aufgenommen, sondern ihr in § 44 SGB IX eine eigene Vorschrift gewidmet. Danach sind alle Träger einer medizinischen Rehabilitation verpflichtet, die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen so zu erbringen, dass sie eine in Betracht kommende stufenweise Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Leistungsberechtigter unterstützen. Die stufenweise Wiedereingliederung steht nach § 44 SGB IX immer in einem Zusammenhang mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 42 SGB IX. Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 44 SGB IX. Mit der Formulierung, die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen sollen mit der Zielsetzung einer Unterstützung der stufenweisen Wiedereingliederung erbracht werden, stellt der Gesetzgeber klar, dass die stufenweise Wiedereingliederung Teil einer medizinischen Rehabilitation nur ist, wenn sie im Kontext mit dieser erfolgt; eine isolierte stufenweise Wiedereingliederung ist dagegen nicht Bestandteil der medizinischen Rehabilitation (Nellissen in: jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 44 Rn. 19).

 

Zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kann die stufenweise Wiedereingliederung nur dann zählen, wenn sie mit einer eigentlichen medizinischen Rehabilitationsleistung in einem so engen Zusammenhang steht, dass sie als ein auf das Rehabilitationsziel zu beziehender Bestandteil einer in der Zusammenschau einheitlichen (Gesamt-)Maßnahme gewertet werden kann (BSG, Urteil vom 29.01.2008 – B 5a/5 R 26/07 R – juris Rn. 27 f.; Urteil vom 05.02.2009 – B 13 R 27/08 R – juris Rn. 20 f.; Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris Rn. 34; vgl. auch BSG, Urteil vom 05.07.2017 – B 14 AS 27/16 R – juris Rn. 20). Dies hat das BSG zwar zur Abgrenzung der Zuständigkeiten von Kranken- und Rentenversicherungsträgern entschieden, beansprucht aber auch für die Leistungsansprüche der Versicherten Geltung. Danach ist – der gesetzlichen Wertung in § 44 SGB IX entsprechend – die stufenweise Wiedereingliederung leistungsrechtlich nicht für sich allein Bestandteil der medizinischen Rehabilitation, sondern nur, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erfolgt. Soweit das BSG in der stufenweisen Wiedereingliederung eine "Hauptleistung" erblickt hat (Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris Rn. 38), folgt daraus nichts anderes. Denn damit hat das BSG nur begründet, warum die stufenweise Wiedereingliederung von Nebenleistungen wie dem Übergangsgeld (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) begleitet werden kann. Nicht aufgegeben, sondern vielmehr daran festgehalten hat das BSG in dieser Entscheidung, dass sich die stufenweise Wiedereingliederung als Bestandteil einer einheitlichen (Gesamt-)Maßnahme darstellen muss (Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris Rn. 34).

 

Werden diese für die gesetzliche Rentenversicherung entwickelten Maßstäbe auf die gesetzliche Krankenversicherung übertragen, so kann im vorliegenden Fall die stufenweise Wiedereingliederung gleichwohl nicht zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gezählt werden. Denn die vom 17.06.2019 bis 11.08.2019 durchgeführte stufenweise Wiedereingliederung fand nicht im Anschluss an eine von der Beklagten nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung gewährte Leistung zur medizinischen Rehabilitation statt. Eine Gewährung von ambulanten oder stationären medizinischen Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB V durch die beklagte Krankenkasse kam wegen deren nachrangiger Zuständigkeit (§ 40 Abs. 4 SGB V) nicht in Betracht. Es war daher der beigeladene Rentenversicherungsträger, der der Klägerin auf deren Antrag vom 08.11.2018 hin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bewilligt hatte.

 

d) Zu keiner anderen Beurteilung führen Schutzzweckerwägungen. Das während einer stufenweisen Wiedereingliederung gezahlte Krankengeld hat zwar Entgeltersatzfunktion (vgl. § 47 Abs. 3 SGB V sowie BSG, Urteil vom 17.06.2021 – B 3 KR 2/19 R – juris Rn. 12; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – juris Rn. 15; Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 19/06 R – juris Rn. 16). Dennoch wird das wegen Arbeitsunfähigkeit entgehende Arbeitsentgelt nicht einfach in voller Höhe als Krankengeld weitergezahlt. Vielmehr wird das Krankengeld nach Maßgabe des § 47 SGB V in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des zu ermittelnden Regelentgeltes gezahlt und durch mehrere Regelungen begrenzt, um zu vermeiden, dass ein Versicherter durch den Bezug der Entgeltersatzleistung bessergestellt wird, als wenn er aus einer aktiven Erwerbstätigkeit Arbeitsentgelt erzielen würde (Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 47 Rn. 18; Tischler in: BeckOK SozR, § 47 SGB V Rn. 33). Der vom Gesetzgeber gewollte Abstand zwischen Arbeitsentgelt und Lohnersatzleistung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 17.02.1997 – 1 BvR 1903/96 – juris Rn. 10 f.), zumal während der Arbeitsunfähigkeit Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit wegfallen. Bei der stufenweisen Wiedereingliederung fallen diese indessen insbesondere in Gestalt von Fahrkosten zur Arbeitsstelle an. Wenn dem Versicherten diese nicht anderweitig – etwa über § 60 SGB V – erstattet werden, kann er während der stufenweisen Wiedereingliederung schlechtergestellt sein, weil ihm aufgrund der dem Lohnabstandsgebot geschuldeten Begrenzung des Krankengeldes weniger Einkommen zum Lebensunterhalt zur Verfügung steht als bei anderer aktiver Erwerbstätigkeit. Dies rechtfertigt jedoch keine erweiternde Auslegung des § 60 Abs. 5 SGB V. Ganz abgesehen davon, dass diese Einkommenslücke nicht zwingend mit einer stufenweisen Wiedereingliederung verbunden ist, weil während dieser auch die Fortzahlung des (vollen) Arbeitsentgelts nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz möglich ist (so in dem dem Senatsurteil vom 21.09.2022 – L 1 KR 340/21 – zugrunde liegenden Fall), ist es Sache des Gesetzgebers diese Lücke zu schließen.

 

3. Die Klägerin kann jedoch nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung die Erstattung der Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstelle während der stufenweisen Wiedereingliederung – wenn auch in geringerer Höhe als beantragt – beanspruchen.

 

a) Dieser Anspruch besteht gegen die beklagte Krankenkasse und nicht gegen den beigeladenen Rentenversicherungsträger. Denn nach der Rechtsprechung des BSG hat ein Versicherter mit Einreichen des ärztlichen Wiedereingliederungsplanes bei der Krankenkasse einen Teilhabeantrag im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gestellt (BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris Rn. 12; dahingehend auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2020 – L 6 KR 100/15 – juris Rn. 41 ff.). Leitet die Krankenkasse diesen Teilhabeantrag nicht weiter, begründet dies nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX deren umfassende Prüfungs- und ggf. auch Leistungszuständigkeit als zuerst angegangene Leistungsträgerin (sog. leistende Rehabilitationsträgerin), die sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen erstreckt, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (BSG, Urteil vom 19.11.2019 – B 1 KR 13/19 R – juris Rn. 23; Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R – juris Rn. 47; Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R – juris Rn. 29; Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 34/06 R – juris Rn. 14). Die Rechtsfolgen des § 14 SGB IX löst allerdings nicht jeder bei einem Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) gestellte Antrag aus, sondern nur ein auf Leistungen zur Teilhabe gerichteter Antrag. Die vom BSG vertretene Auffassung, im Einreichen des Wiedereingliederungsplanes bei der Krankenkasse einen Teilhabeantrag zu erblicken, ist nicht von Bedenken frei. Denn die stufenweise Wiedereingliederung ist – wie bereits ausgeführt – für sich allein keine Leistung eines Rehabilitationsträgers, sondern diesem nur dann als Teilhabeleistung zuzurechnen, wenn sie mit einer eigentlichen medizinischen Rehabilitationsleistung in einem so engen Zusammenhang steht, dass sie als ein auf das Rehabilitationsziel zu beziehender Bestandteil einer in der Zusammenschau einheitlichen (Gesamt-) Maßnahme gewertet werden kann. Dann aber stellt sich die Frage, warum der der eigentlichen medizinischen Rehabilitationsleistung zugrunde liegende Antrag nicht auch die stufenweise Wiedereingliederung mitumfassen soll, was zur Folge hätte, dass diese wegen der Einheitlichkeit des rehabilitationsrechtlichen Leistungsgeschehens nicht Gegenstand eines neuen Teilhabeantrages sein kann (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.05.2022 – B 8 SO 9/20 R – juris Rn. 13; Urteil vom 28.11.2019 – B 8 SO 8/18 R – juris Rn. 14). Hinzukommt, dass ein Antrag im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zwar auf eine konkrete Leistung zur Teilhabe gerichtet sein muss (Joussen in: Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl., § 14 Rn. 6), aber nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz auszulegen ist (Eicher, NZS 2022, 601, 602) und daher – sofern nicht eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung erfolgt ist – alle nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen umfasst (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R – juris Rn. 32 m.w.N.). Trotz dieser Bedenken folgt der Senat dem BSG und sieht einen die Rechtsfolgen des § 14 Abs. 2 SGB IX auslösenden Teilhabeantrag in der Einreichung des ärztlichen Wiedereingliederungsplanes vom 29.05.2019 bei der Beklagten, die so zeitnah nach dessen Ausstellung erfolgt ist, dass die Klägerin aufgrund der darin bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Krankengeld ohne Unterbrechung (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) weiterbeziehen konnte. Weil die Beklagte mangels Weiterleitung dieses Antrages an die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin umfassend rehabilitationsrechtlich zuständig geworden ist, ist sie auch für deren sich aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ergebende Ansprüche passivlegitimiert. Verhielte es sich anders, weil es von Rechts wegen ausgeschlossen wäre, in der Einreichung des Wiedereingliederungsplanes einen Teilhabeantrag zu sehen, wäre die Beigeladene nach § 75 Abs. 5 SGG zu verurteilen gewesen.

 

b) Die Klägerin hat nach § 9, § 28 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 5, § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Anspruch auf Übernahme der ihr im Zusammenhang mit der stufenweisen Wiedereingliederung vom 17.06.2019 bis 11.08.2019 entstandenen Fahrkosten.

 

Nach § 9 SGB VI erbringt die gesetzliche Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§§ 10, 11 SGB VI) erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Die zu erbringenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI die Leistungen nach den §§ 42 bis 47 SGB IX mit Ausnahme derjenigen nach § 46 SGB IX. Ergänzt werden diese Teilhabeleistungen nach § 28 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX durch die Übernahme von Reisekosten. Dabei werden nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB IX als Reisekosten die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Die Reisekostenübernahme nach § 73 SGB IX hat nicht nur einen ergänzenden Charakter, sondern ist – wie die Fahrkostenübernahme nach § 60 SGB V – eine akzessorische Nebenleistung und setzt als solche voraus, dass der abzugeltende Reiseaufwand durch eine Hauptleistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben kausal bedingt ist (Stotz in: Hauck/Noftz, § 73 SGB IX Rn. 15). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

 

Die von der Klägerin geltend gemachten Fahrkosten sind ihr durch die Teilnahme an einer stufenweisen Wiedereingliederung entstanden, die der Rentenversicherung rehabilitationsrechtlich zuzurechnen ist. Zwar hat das BSG betont, dass die stufenweise Wiedereingliederung zum Katalog der medizinischen Rehabilitationsleistungen zählt, die vom Rentenversicherungsträger zu erbringen sind, weil § 15 Abs 1 SGB VI auf die §§ 42 bis 47 SGB IX (bis 31.12.2017: §§ 26 bis 31 SGB IX) verweist und damit auch auf den § 44 SGB IX, der die stufenweise Wiedereingliederung regelt (BSG, Urteil vom 29.01.2008 – B 5a/5 R 26/07 R – juris Rn. 20). Dies bedeutet aber nicht, dass die stufenweise Wiedereingliederung für sich allein eine Leistung der medizinischen Rehabilitation wäre. Dies kann sie schon deshalb nicht sein, weil die stufenweise Wiedereingliederung keine (Sach-)Leistung des Rentenversicherungsträgers ist, die dieser dem Versicherten schuldet und durch dessen Arbeitgeber erbringen lässt; vielmehr wurzelt das für sie konstitutive Wiedereingliederungsverhältnis im Arbeitsverhältnis, auch wenn es von diesem zu unterscheiden ist. Insoweit gilt für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nichts anderes als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch aus § 44 SGB IX ergibt sich – wie bereits dargelegt –, dass die stufenweise Wiedereingliederung nicht selbst eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist, sondern nur dann Teil einer medizinischen Rehabilitation ist, wenn sie im Kontext einer solchen erfolgt. Schon seinem Wortlaut nach zählt § 44 SGB IX die stufenweise Wiedereingliederung nicht zu den medizinischen und sie ergänzenden Leistungen des Rehabilitationsträgers, sondern stellt sie diesen gegenüber und verlangt nur, dass diese Leistungen mit der Zielrichtung der stufenweisen Wiedereingliederung erbracht werden, diese also unterstützen. Dies setzt nicht voraus, dass die stufenweise Wiedereingliederung gleichzeitig mit einer vom Rentenversicherungsträger gewährten Leistung zur medizinischen Rehabilitation erfolgt (BSG, Urteil vom 29.01.2008 – B 5a/5 R 26/07 R – juris Rn. 24), verlangt aber einen solchen Zusammenhang zwischen beiden, dass sich die stufenweise Wiedereingliederung als Bestandteil einer in der Zusammenschau einheitlichen (Gesamt-)Maßnahme darstellt, weil sie erforderlich ist, um den Erfolg der von dem Träger geförderten Rehabilitation zu festigen oder erst herbeizuführen (BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris Rn. 34; Urteil vom 05.02.2009 – B 13 R 27/08 R – juris Rn. 20 f.; Urteil vom 29.01.2008 – B 5a/5 R 26/07 R – juris Rn. 27 ff.). Mit Blick auf § 71 Abs. 5 SGB IX (bis 31.12.2017: § 51 Abs. 5 SGB IX) wurde ein "unmittelbarer Anschluss" der stufenweisen Wiedereingliederung an eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation verlangt, der allerdings keine direkte Aufeinanderfolge (Nahtlosigkeit) erfordern soll (BSG, Urteil vom 05.02.2009 – B 13 R 27/08 R – juris Rn. 22 ff.), sondern selbst bei einer mehrmonatigen Zwischenzeit vorliegen kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2013 – L 2 R 1706/11 – juris Rn. 48 f.).

 

Zwar hat das BSG eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers bisher nur angenommen, wenn der Versicherte vor der stufenweisen Wiedereingliederung eine Leistung des Rentenversicherungsträgers zur medizinischen Rehabilitation tatsächlich in Anspruch genommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.2008 – B 5a/5 R 26/07 R – juris Rn. 2; Urteil vom 05.02.2009 – B 13 R 27/08 R – juris Rn. 2; Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris Rn. 2). Dies ist aber keine notwendige Voraussetzung. Maßgeblich für das Vorliegen des erforderlichen Zusammenhangs ist vielmehr, ob das vom Rentenversicherungsträger mit der bewilligten Leistung verfolgte Rehabilitationsziel durch die stufenweise Wiedereingliederung (zeitlich noch) erreichbar ist, nicht dagegen, ob die bewilligte Leistung tatsächlich durchgeführt worden ist. Da die medizinische Rehabilitationsleistung weder erfolgreich gewesen noch vollständig durchgeführt worden sein muss, schadet ihr vorzeitiger Abbruch nicht – und zwar selbst dann nicht, wenn sie infolgedessen nur an einem Tag in Anspruch genommen wurde. Dann kann aber auch nichts anderes gelten, wenn der Abbruch nicht erst nach der Anreise zur Rehabilitationseinrichtung, sondern bereits vor dem Antritt der Rehabilitationsmaßnahme erfolgte, solange dies nicht geschah, weil die Leistungsbewilligung aufgehoben wurde. Daher schadet es im vorliegenden Fall nicht, dass die Klägerin die ihr mehrfach vom beigeladenen Rentenversicherungsträger – zunächst mit Bescheid vom 30.11.2018, sodann mit Bescheiden vom 19.02.2019 und 04.03.2019 sowie schließlich mit Bescheid vom 20.05.2019 – bewilligte Anschlussrehabilitation nicht angetreten hat. Grund dafür waren Unstimmigkeiten wegen der von der Klägerin gewünschten Mitnahme ihrer schwerbehinderten Tochter, bei der ebenfalls eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme anstand. Dass die tatsächliche Inanspruchnahme der medizinischen Rehabilitationsleistung scheiterte und die Klägerin sich letztlich mit der "zweiten Phase der Rehabilitation" (so BSG, Urteil vom 29.01.2008 – B 5a/5 R 26/07 R – juris Rn. 27), nämlich der stufenweisen Wiedereingliederung, begnügte, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen. Vielmehr genügt es, dass das mit der von der Beigeladenen bewilligten Leistung verfolgte Rehabilitationsziel (auch) durch die stufenweise Wiedereingliederung erreichbar war. Dass die Bewilligung später – mit Bescheid vom 03.12.2019 und damit lange nach Beendigung der stufenweisen Wiedereingliederung – von der Beigeladenen für gegenstandslos erklärt wurde, ändert daran nichts.

 

Der Klägerin erfüllte nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer stufenweisen Wiedereingliederung im Sinne des § 44 SGB IX, insbesondere war sie in der Zeit vom 17.06.2019 bis 11.08.2019 arbeitsunfähig. Vielmehr erfüllte die Klägerin auch die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§§ 10, 11 SGB VI) für die Gewährungen von Leistungen zur Teilhabe; dies ergibt sich ebenso wie das Nichtvorliegen von Ausschlusstatbeständen (§ 12 SGB VI) aus dem Ergebnis der Prüfung dieser Voraussetzungen durch die Beigeladene vor der Bewilligung der medizinischen Rehabilitationsleistung mit den Bescheiden vom 30.11.2018, 19.02.2019, 04.03.2019 und 20.05.2019.

 

Bei einer dem Rentenversicherungsträger rehabilitationsrechtlich zuzurechnenden stufenweisen Wiedereingliederung kommt nicht nur ein Anspruch auf Übergangsgeld in Betracht (dazu BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – juris; Urteil vom 05.02.2009 – B 13 R 27/08 R – juris; Urteil vom 29.01.2008 – B 5a/5 R 26/07 R – juris), sondern auch ein Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten (ebenso SG Neuruppin, Urteil vom 26.01.2017 – S 22 R 127/14 – juris; SG Berlin, Urteil vom 29.11.2018 – S 4 R 1970/18 – juris; anderer Ansicht SG Kassel, Urteil vom 20.05.2014 – S 9 R 19/13 – juris). Denn § 28 Abs. 1 SGB VI verweist ohne irgendwelche Einschränkungen auf § 64 Abs. 1 Nr. 5 und § 73 SGB IX. Ein Ausschluss der durch die stufenweise Wiedereingliederung verursachten Reisekosten lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass in § 71 Abs. 5 SGB IX nur das Übergangsgeld Erwähnung gefunden hat.

 

Der Klägerin kann die Erstattung der durch die stufenweise Wiedereingliederung von 17.06.2019 bis 11.08.2019 entstandenen Fahrtkosten nicht in der geltend gemachten Höhe von 1.008,00 EUR, sondern nur in Höhe von 672,00 EUR beanspruchen. Nach § 73 Abs. 4 Satz 1 SGB IX werden Fahrkosten in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 BRKG. Diese beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeugs 0,20 EUR je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130,00 EUR (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BRKG). Abrechnungsfähig ist der Aufwand sowohl für die Hinreise als auch für die Rückreise. Die Klägerin hat während der stufenweisen Wiedereingliederung an 40 Tagen Wege zur Arbeitsstelle zurückgelegt. Die Wegstrecke für Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstelle beträgt 2 x 42 km. Dies ergibt eine Fahrkostenerstattung in Höhe von 2 x 42 (km) x 40 (Tage) x 0,20 EUR = 672,00 EUR. Da § 73 Abs. 4 Satz 1 SGB IX allein auf § 5 Abs. 1 BRKG mit seiner Kilometerpauschale von 0,20 EUR und nicht – wie von der Klägerin irrtümlicherweise angenommen – auch auf § 5 Abs. 2 BRKG mit seiner Kilometerpauschale von 0,30 EUR verweist, war die Berufung insoweit zurückzuweisen.

 

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

5. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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