L 3 AS 1188/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 AS 7486/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1188/16
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Sachentscheidungsbefugnis des Sozialgerichtes ist gegeben, wenn der Widerspruch nicht wegen eines Fehlers, der der Klägerin als Widerspruchsführerin zuzurechnen ist, als unzulässig verworfen worden ist, sondern wegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit des Widerspruches.

2. Bezugspunkt für die Beschränkung der Erstattungsforderung sind nach dem eindeutigen Wortlaut von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II (in der vom 01.04.2011 bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) die "bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft", nicht hingegen der auf diese Bedarfe entfallende Zahlbetrag.

3. Bei der prozentualen Beschränkung der Erstattungsforderung gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II (in der vom 01.04.2011 bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) sind die Kosten oder Bedarfe für die Heizung- und Warmwasserversorgung nicht zu berücksichtigen.

I.     Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 16. Oktober 2014 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 wird aufgehoben, soweit der Beklagte die Erstattung von Leistungen in Höhe von mehr als 83,20 EUR verlangt.

 

II.    Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtliche Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten.

 

III.   Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerin wendet sich gegen ein Urteil, mit dem ihre gegen eine Erstattungsforderung gerichtete Klage, soweit diese nicht durch ein angenommenes Teilanerkenntnis erledigt war, abgewiesen wurde. Streitbefangenen ist eine den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 28. Februar 2012 betreffende Forderung.

 

Die 1980 geborene, erwerbsfähige Klägerin lebte im streitbefangenen Zeitraum von
ihrem damaligen Ehemann getrennt (Scheidung am 29. Mai 2012). Sie bewohnte eine ca. 34,45 m² große Einraumwohnung in A..... Für diese Wohnung war zunächst eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 203,60 EUR zu zahlen, die sich aus der Grundmiete in Höhe von 130,19 EUR, der Vorauszahlung auf die kalten Betriebskosten in Höhe von 35,51 EUR und der Vorauszahlung für Heizung/Warmwasser in Höhe von 37,90 EUR zusammensetzte.

 

Die Klägerin beantragte beim Beklagten am 25. März 2011 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Sie bezog daraufhin auf Grund des Bescheides vom 11. April 2011 (in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Juni 2011 und vom 17. Oktober 2011) Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis zum 30. Oktober 2011.

 

Die Klägerin nahm zum 1. Mai 2011 eine bis zum 31. Oktober 2011 befristete Beschäftigung im Umfang von 30 Wochenstunden (= 6 Stunden täglich) auf. Als Vergütung war ein Festbetrag von monatlich 780,00 EUR brutto (entsprach 613,27 EUR netto) zuzüglich gesetzlicher allgemeiner Zulagen vereinbart. Die Überweisung erfolgte jeweils zum 15. des Folgemonats.

 

Am 22. September 2011 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. November 2011.

 

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 30. April 2012 in Höhe von monatlich 87,60 EUR. Auf der Bedarfsseite setzte er einen Regelbedarf in Höhe von 364,00 EUR und für Kosten für Unterkunft und Heizung einen Betrag in Höhe von 203,60 EUR an. Als Einkommen berücksichtigte er Lohn in Höhe von 950,00 EUR brutto und 480,00 EUR netto.

 

Die Klägerin schloss am 27./30. September 2011 einen neuen Arbeitsvertrag mit einem Beschäftigungsbeginn am 1. Oktober 2011 und einer Bruttovergütung von monatlich 950,00 EUR zuzüglich gesetzlicher allgemeiner Zulagen. Dieses Arbeitsverhältnis wurde arbeitgeberseitig zum 28. November 2011 gekündigt.

 

Mit Änderungsbescheid vom 24. November 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. April 2011 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 99,57 EUR auf Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Anhebung beruhte auf einem höheren Regelbedarf (374,00 EUR) und höheren Mietzahlungen (205,57 EUR) jeweils ab 1. Januar 2012 (insgesamt nunmehr 579,57 EUR). Die Mietsteigerung beruhte darauf, dass die Vermieterin Instandsetzungs- und Modernisierungskosten in Höhe von monatlich 1,97 EUR auf die Klägerin umlegte.

 

Die Klägerin war nochmals vom 22. Dezember 2011 bis zum 3. Januar 2012 zu einer Bruttovergütung von 550,00 EUR für zehn Arbeitstage zuzüglich gesetzlicher allgemeiner Zulagen beschäftigt; die Zahlung der Vergütung war jeweils zum 15. Kalendertag des Folgemonats fällig.

 

Nach den Lohn-/Gehaltsabrechnungen belief sich das Gehalt der Klägerin

-    im November 2011 (für Oktober 2011) auf 958,14 EUR brutto (= 748,16 EUR netto),

-    im Dezember 2011 (für November 2011) auf 964,56 EUR brutto (= 736,93 EUR netto),

-    im Januar 2012 (für Dezember 2011) auf 419,34 EUR brutto (= 313,81 EUR netto) und

-    im Februar 2012 (für Januar 2012) auf 137,53 EUR brutto (= 101,05 EUR netto).

 

Der Klägerin, der bereits zu einem früheren Zeitpunkt Arbeitslosengeld bewilligt worden war, bewilligte die Agentur für Arbeit B.... mit Änderungsbescheid vom 7. Dezember 2011 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 29. November 2011 bis zum 12. August 2012 in Höhe von kalendertäglich 15,94 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2011 wurde die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 22. Dezember 2011 bis zum 3. Januar 2012 wegen der Arbeitsaufnahme auf kalendertäglich 0,00 EUR festgesetzt.

 

Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 28. Februar 2012 hob der Beklagte die Bescheide vom 17. Oktober 2011, 24. November 2011 und 23. Januar 2012 für die Monate November 2011 (nunmehr bewilligt: 59,19 EUR) und Februar 2012 (nunmehr bewilligt: 101,37 EUR) teilweise und für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 ganz auf. In Bezug auf den Vertrauensausschluss bei der Klägerin zitierte der Beklagte die Ausschlusstatbestände in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Die Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 264,70 EUR setzt sich zusammen aus den Einzelbeträgen von 28,41 EUR für November 2011, 87,60 EUR für Dezember 2011, 99,57 EUR für Januar 2012 und 49,12 EUR für Februar 2012.

Auf der Einkommensseite rechnete der Beklagte an (netto):

-    für November 2011: 780,04 EUR (= 748,16 EUR [Lohn für Okt. 2011] + 31,88 EUR
[Arbeitslosengeld, 2 Tage]),

-    für Dezember 2011: 1.071,67 EUR (= 736,93 EUR [Lohn für Nov. 2011] + 334,74 EUR [Arbeitslosengeld, 21 Tage] + 0,00 EUR [Lohn für 22. – 31. Dez. 2011]),

-    für Januar 2012: 760,13 EUR (= 313,81 EUR [Lohn für Dez. 2011] + 446,32 EUR
[Arbeitslosengeld, 28 Tage]) und

-    für Februar 2012: 579,57 EUR (= 101,05 EUR [Lohn für Dez. 2011/Jan. 2012] + 478,32 EUR [Arbeitslosengeld, 28 Tage]).

Nach der Berücksichtigung von Freibeträgen im Sinne von § 11b Abs. 2 und 3 SGB II stand im November 2011 einem Bedarf in Höhe von 567,60 EUR Einkommen in Höhe von 500,41 EUR und im Dezember Einkommen in Höhe von 800,76 EUR gegenüber. Einem Bedarf in Höhe von 579,57 EUR stand im Januar 2012 Einkommen in Höhe von 596,26 EUR und im Februar 2012 in Höhe von 478,20 EUR gegenüber.

 

Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 28. Februar 2012 am 15. März 2012 Widerspruch ein. Zum einen beantragte sie, dass in die rückwirkende Berechnung auch der
Oktober 2011 einzubeziehen sei. Denn bis zum 30. September 2011 habe sie für ihre damalige Arbeitgeberin gearbeitet. Diese habe jedoch Insolvenz angemeldet, weshalb diese für September 2011 keinen Lohn gezahlt habe. Seit 1. Oktober 2011 sei sie dann bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt gewesen. Dieser habe vertragsgemäß den Lohn für Oktober 2011 erst im November 2011 gezahlt. Dies habe zur Folge, dass sie im Oktober 2011 überhaupt keinen Lohn erhalten habe. Zum anderen machte sie geltend, dass ihr noch Leistungen in Höhe von 377,27 EUR zustünden. Deshalb ergebe sich kein Erstattungsbetrag von 264,70 EUR, sondern ein noch auszuzahlender Betrag von 62,57 EUR.

 

Mit Änderungsbescheid vom 12. April 2012 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für März 2012 an.

 

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2012 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, weil er sich gegen die Leistungsbewilligung für
Oktober 2011 richte. Dieser Monat sei aber nicht Gegenstand des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids gewesen.

 

Die Klägerin hat am 2. November 2012 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass der Widerspruch nicht unzulässig gewesen sei. Denn sie habe sich gegen den Bescheid vom 28. Februar 2012 als solches gewandt. Dass sie mit ihrem Vorbringen im Widerspruchsschreiben nicht habe durchdringen können, sei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Widerspruchs. Außerdem hat sie gerügt, dass bei der Erstattungsforderung für Dezember 2011 und Januar 2012 mit den vollständigen Bewilligungsaufhebungen die Sonderregelung in § 40 Abs. 4 SGB II nicht beachtet worden sei, wonach abweichend von § 50 SGB X 56 % der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II berücksichtigten Bedarfe für die Unterkunft nicht zu erstatten seien, wenn die Leistungsbewilligung nicht lediglich teilweise aufgehoben werde. Dieser nicht zu erstattende Anteil belaufe sich im Dezember 2011 auf 92,79 EUR und im Januar 2012 auf 93,90 EUR. Dies habe zur Folge, dass im Dezember 2011 der geltend gemachte Erstattungsbetrag unterhalb des Nichterstattungsbetrages von 92,79 EUR liege, mithin eine Erstattungsforderung nicht gegeben sei. Der Erstattungsbetrag von insgesamt 264,70 EUR verringere sich auf nur noch 83,20 EUR, da für Dezember 2011 und Januar 2012 Beträge von 87,60 EUR und 93,90 EUR abzuziehen seien.

 

Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 7. Januar 2013 ein Teilanerkenntnis des Inhalts abgegeben, dass der Bescheid vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2012 insoweit aufgehoben werde, als von der Klägerin Leistungen in Höhe von mehr als 179,43 EUR zurückverlangt werden. Der Beklagte hat seiner Berechnung zum einen die Höhe der ausgezahlten Leistungen für Unterkunft und Heizung zugrunde gelegt, zum anderen für die prozentuale Absenkung der Erstattungsforderung gemäß § 40 Abs. 4 SGB II nur die ausgezahlten Unterkunftskosten berücksichtigt. Danach haben sich Erstattungsforderungen für Dezember 2011 in Höhe von 31,50 EUR und für Januar 2012 in Höhe von 35,73 EUR ergeben. Der Beklagte hat ferner ein Teilkostengrundanerkenntnis abgegeben, wonach er der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 50% erstatten werde.

 

Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis und Teilkostengrundanerkenntnis mit Schriftsatz vom 30. Januar 2013 angenommen. Ergänzend hat sie danach vorgetragen, dass bei Anwendung von § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II von den tatsächlichen Unterkunftskosten und nicht von dem auf sie entfallenden Zahlbetrag auszugehen sei. Außerdem hätten die Kosten für die Heizung- und Warmwasserversorgung in der diesseitigen Berechnung keinen Eingang gefunden.

 

Das Sozialgericht hat die Klage, soweit sie nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis vom 7. Januar 2013 erledigt gewesen ist, mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2014 abgewiesen und entsprechend des angenommenen Teilanerkenntnisses 50% der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für erstattungsfähig erklärt. Die Klägerin könne über das angenommene Teilanerkenntnis hinaus keine weitere Reduzierung der Erstattungsforderung verlangen. Denn bei der prozentualen Berechnung gemäß § 40 Abs. 4 SGB II seien nur die reinen Unterkunftskosten, nicht aber die Kosten für die Heizung und Warmwasserversorgung zu berücksichtigen.

 

Die Klägerin hat gegen das ihr am 29. Oktober 2014 zugestellte Urteil am 26. November 2014 Nichtzulassungsbeschwerde (Az.: L 3 AS 1378/14 NZB) eingelegt. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 27. Januar 2016 die Berufung zugelassen.

 

Zur Berufung, die zunächst unter dem Az. L 3 AS 111/16 geführt worden ist, ist mit Beschluss vom 29. April 2016 im Hinblick auf das Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht mit dem Az.: B 14 AS 31/15 R ruhend gestellt worden. Das Berufungsverfahren ist, nachdem die Revision vom rechtsmittelführenden Jobcenter zurückgenommen worden war, unter dem Az.: L 3 AS 1188/16 fortgeführt worden.

 

Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung, dass im Rahmen von § 40 Abs. 4 SGB II auf die rechnerisch berücksichtigten Unterkunftskosten abzustellen sei, verweist die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Mai 2015 (Az.: L 7 AS 643/13).

 

Die Klägerin beantragt:

 

1.    Das Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 16. Oktober 2014 wird insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist.

2.    Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 wird insoweit aufgehoben, als der Beklagte Leistungen in Höhe von mehr als 83,20 EUR von der Klägerin zurückfordert.

 

Der Beklagte hat keinem Antrag formuliert.

 

Er vertritt die Auffassung, dass, weil das Revisionsverfahren, dessentwegen das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden sei, vom Rechtsmittelführer zurückgenommen worden sei, höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, was Bezugspunkt für die Beschränkung des Erstattungsbetrages gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II sei.

 

Die Beteiligten haben übereinstimmend (Schriftsätze jeweils vom 21. Dezember 2022) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen (Az.: S 7 AS 7486/12, L 3 AS 1378/14 NZB und L 3 AS 1188/16) sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I. Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung.

 

II. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist nicht der Bescheid vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 in Gänze, sondern nur die Erstattungsforderung im Verfügungssatz Nummer 3 des Bescheides vom 28. Februar 2012.

 

1. Dass die Klägerin nicht auch die Aufhebungsentscheidung im Verfügungssatz Nummer 1 und die Entscheidung über die Leistungsbewilligungen für die Monate November 2011 bis Februar 2012 im Verfügungssatz Nummer 2 zur Überprüfung stellen wollte, ergibt sich sowohl aus dem Klageantrag als auch der Klagebegründung im Schriftsatz vom 1. November 2012. Mit dem Klageantrag – ebenso wie mit Nummer 2 des Berufungsantrages – wird eine Herabsetzung des Erstattungsbetrags im Verfügungssatz Nummer 3 aufgegriffen. Mit dem Wortlaut des Klageantrages wird der Begriff der Rückforderung im Verfügungssatz Nummer 3 aufgegriffen. Auch die Berufungsbegründung verhält sich nur zu der vom 1. April 2011 bis zum 31. Juli 2016 in § 40 Abs. 4 SGB II enthaltenen Sonderregelung zu den allgemeinen Erstattungsregelungen in § 50 SGB X.

 

2. Entsprechendes gilt für das von der Klägerin im Vorverfahren geltend gemachte Leistungsbegehren bezüglich Oktober 2011. Auch dieses ist nicht vom Klageantrag umfasst. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Widerspruchsbegründung der Klägerin dahingehend zu verstehen war, dass mit ihr konkludent einen Überprüfungsantrag im Sinne von § 44 SGB X gestellt werden sollte, und gegebenenfalls in welchem Verfahrensstadium sich dieses Antragsverfahren befindet.

 

3. Die angefochtene Erstattungsentscheidung ist nur noch in dem Umfange streitgegenständlich, soweit sich der Rechtsstreit nicht gemäß § 101 Abs. 2 SGG durch das angenommene Teilanerkenntnis im Schriftsatz des Beklagten vom 7. Januar 2013 erledigt hat.

 

III. Die zugelassene Berufung ist begründet. Die angefochtene Erstattungsentscheidung ist rechtswidrig, soweit der Beklagte die Erstattung von Leistungen in Höhe von mehr als 83,20 EUR verlangt.

 

1. Die Klage war zulässig. Insbesondere wurde das erforderliche Vorverfahren durchgeführt, auch wenn der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wurde.

 

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. In der Rechtsprechung und der Literatur wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ob es für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ausreicht, dass ein Vorverfahren, das heißt ein Widerspruchsverfahren, erfolglos durchgeführt worden ist, oder ob über den Widerspruch in der Sache entschieden worden sein muss (eingehend zum Meinungsstand: Burkiczak, SGb 2016, 189 ff.). Die Kontroverse wird jedoch vor dem Hintergrund von Widersprüchen geführt, die verfristet oder formwidrig waren. Demgegenüber geht es vorliegend nicht um Fehler, die der Klägerin als Widerspruchsführerin zuzurechnen sind, sondern um die Beurteilung einer vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit des Widerspruches. Diese Konstellation ist mit der zu vergleichen, dass ein formeller Mangel des Widerspruchsbescheides der Behördenseite zuzurechnen ist (so bereits Sächs. LSG, Urteil vom 3. November 2016 – L 3 AL 111/14 – juris Rdnr. 26). In diesem Fall wird dieser Mangel als unbeachtlich für die Sachentscheidungsbefugnis des Gerichtes angesehen. So hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 6. Februar 1986 entschieden, dass ein formeller Mangel des Widerspruchsbescheides, im dortigen Fall eine Entscheidung durch eine unzuständige Behörde, zwar zur formellen Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheides führt, jedoch die Prozessvoraussetzung des durchgeführten Vorverfahrens nicht entfallen lässt. Denn § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der § 78 SGG entspricht, besage nicht, dass der Widerspruchsbescheid als gebotene Prozessvoraussetzung frei von Rechtsfehlern sein müsse (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1986 – 2 C 23/85NVwZ 1987, 320 f. = juris Rdnr. 11, m. w. N.; vgl. auch W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO [28. Aufl., 2022], Vorb § 68 Rdnr. 8, m. w. N; Wöckel, in: Eyermann, VwGO [16. Aufl. 2022], § 68 Rdnr. 21, m. w. N.).

 

2. Die Klage war auch begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht von der Klägerin die Erstattung von Leistungen in Höhe von mehr als 83,20 EUR verlangt.

 

Maßgebend für die Erstattungsforderung ist § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (vgl. Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 BGBl. I S. 850; im Folgenden: a. F.). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 78 Rdnr. 15= juris Rdnr. 20 m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 10. Dezember 2020 – L 3 AS 505/18 – juris Rdnr. 25).

 

Nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. waren abweichend von § 50 SGB X 56 % der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft nicht zu erstatten. Nach § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II a. F. galt Satz 1 nicht in den Fällen des § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X, des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X sowie in Fällen, in denen die Bewilligung lediglich teilweise aufgehoben wird.

 

a) Grundvoraussetzung für die Anwendung von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. war danach, dass keiner der Ausnahmefälle des § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II a. F. gegeben war.

 

Daraus folgt für die Klägerin, dass die Sonderregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. keine Anwendung auf die Bewilligungszeiträume November 2011 und Februar 2012 findet. Denn in Bezug auf diese beiden Monate wurden, wie sich aus den Verfügungssätzen Nummern 1 und 2 des Bescheides vom 28. Februar 2012 ersehen lässt, die Leistungsbewilligungen nur teilweise aufgehoben und in einer im Vergleich zur früheren Bewilligungsentscheidung geringeren Höhe festgesetzt.

 

Hingegen findet die Sonderregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. auf die Bewilligungszeiträume Dezember 2011 und Januar 2012 Anwendung, weil in Bezug auf diese beiden Monate die Leistungsbewilligungen vollständig aufgehoben und der Leistungsanspruch der Klägerin jeweils auf 0,00 EUR festgesetzt wurde. Die Ausnahmeregelung des § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II a. F. ist nicht einschlägig. Zwar wird in der Begründung des Bescheides vom 28. Februar 2012 der Wortlaut der Vertrauensausschlusstatbestände in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (nachträgliche Einkommens- oder Vermögenserzielung) und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis, dass der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rechtswidrig wurde) wiedergegeben. Unmittelbar anschließend wird aber nur ausgeführt, dass das Arbeitseinkommen beziehungsweise das Arbeitslosengeld auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes anzurechnen sei, was nach § 9 Abs. 2 SGB II zur Minderung des monatlichen Leistungsanspruches führe. Damit stützte der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung ausschließlich auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Dieser war aber in der Ausnahmeregelung des § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II a. F. nicht aufgeführt.

 

b) Bezugspunkt für die Beschränkung der Erstattungsforderung sind nach dem eindeutigen Wortlaut von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. die "bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft", nicht hingegen der auf diese Bedarfe entfallende Zahlbetrag (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. August 2013 – L 20 AS 678/10 – juris Rdnr. 50 f., m. w. N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Mai 2015 – L 7 AS 643/13 – juris Rdnr.40 ["unmissverständliche Formulierung"]).

 

Dies ergibt sich außerdem aus § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Dezember 2022 geltenden Fassung (vgl. Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 BGBl. I S. 850; im Folgenden: a. F.). Danach wurden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach § 19 Abs. 1 und 2 SGB II a. F. erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt waren. Dies gilt auch nach der zum 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Gesetzesänderung (vgl. Artikel 1 Nr. 23 des Gesetzes vom 16. Dezember 2022 BGBl. I S. 2328) fort. Die danach vom Gesetzgeber vorgesehene Berechnung des Leistungsanspruches setzt bei den nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 SGB II anzuerkennenden Bedarfen an. Der Zahlungsanspruch ist erst das Ergebnis des Berechnungsvorganges nach Abzug des zu berücksichtigende Einkommens und Vermögens.

 

Ferner entspricht dieses Regelungsverständnis dem Sinn und Zweck der Regelung in § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F.. Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 23. August 2012 ausgeführt (vgl. BSG, Urteil vom– B 4 AS 169/11 R – SozR 4-4200 § 40 Nr. 5 = juris Rdnr. 19; ähnlich: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. August 2013, a. a. O., Rdnr. 52; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Mai 2015, a. a. O.):

"Es handelt sich um eine Folgeregelung zu derjenigen Vorschrift (§ 8 Abs 1 WoGG in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 22.12.2008, BGBl I 2963), die einen grundsätzlichen Ausschluss derjenigen Personen vom Wohngeld anordnet, die Leistungen nach dem SGB II beantragt haben oder beziehen. Der Ausschluss beruht auf der Überlegung, dass Unterkunftskosten nur noch von der einen oder anderen Stelle bewilligt werden sollen. Vor diesem Hintergrund soll § 40 Abs. 2 S 1 SGB II aF durch den teilweisen prozentualen Ausschluss der Erstattungspflicht gewährleisten, dass Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht schlechter stünden, als wenn sie Wohngeld erhalten hätten, weil dieses nicht der Rückforderung unterliegt (BT-Drucks 15/1516 S 63). Hierbei orientiert sich der Satz von 56 % am tatsächlichen Subventionssatz des besonderen Mietzuschusses auf der Basis der empirischen Werte der Wohngeldstatistik 2001. Der durchschnittliche Subventionssatz wurde durch die Teilung des durchschnittlichen Wohngeldanspruchs durch die durchschnittliche berücksichtigungsfähige Miete errechnet (BT-Drucks 15/1516 S 63)."

 

Schließlich lässt sich auch aus der zum 1. April 2011 in Kraft getretenen Änderung der Regelung über die Beschränkung der Erstattungsforderung keine andere Auslegung von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. herleiten. Die Sonderregelung fand sich bis zum 31. März 2011 in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 15 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 BGBl. I S. 2917). An Stelle von "Bedarfe für Unterkunft" wurde dort die Formulierung "Kosten für Unterkunft" verwendet. Die im Vergleich zur Vorgängerregelung geänderte Fassung von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. ist eine Folge von Änderungen im Wohngeldgesetz (vgl. BT-Drs. 7/3404 S. 115 zu § 40 Abs. 4). Dass der Gesetzgeber darüber hinaus einen anderen Bezugspunkt für die Regelung über die Beschränkung der Erstattungsforderung wählen wollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. August 2013 – L 20 AS 678/10 – juris Rdnr. 54).

 

c) Entgegen der Auffassung der Klägerseite sind bei der prozentualen Beschränkung der Erstattungsforderung gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. aber die Kosten oder Bedarfe für die Heizung- und Warmwasserversorgung nicht zu berücksichtigen.

 

Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. In § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. waren nur die "Bedarfe für Unterkunft" benannt, während in § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II a. F. der "Bedarf für Unterkunft und Heizung" als Teil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes definiert wurde und seit 1. Januar 2011 in § 22 SGB II die "Bedarfe für Unterkunft und Heizung" geregelt sind.

 

Aus dem Umstand, dass in der zum 1. April 2011 in Kraft getretenen Regelung in § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. – anders als in der bis zum 31. März 2011 geltenden Vorgängerregelung in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. – die "Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung" als von der Sonderregelung nicht erfasst nicht mehr erwähnt waren, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Bezugspunkt für die Beschränkung der Erstattungsforderung waren in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2011 nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der jeweils geltenden Fassung die "berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung". Die Nichtprivilegierung von Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung hatte seinen Grund darin, dass auch im Wohngeldgesetz diese Kosten nicht berücksichtigt wurden und damit eine Benachteiligung der Leistungsempfänger nach dem SGB II gegenüber den Wohngeldempfänger nicht eintreten konnte (vgl. Eicher/Greiser, in: Eicher, SGB II 3. Aufl., 2013, § 40 Rdnr. 167). Zwar wurden im Wohngeldrecht in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 Heizkosten nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WoGG berücksichtigt (vgl. Artikel 1 des Gesetzes vom 24. September 2008 BGBl. I S. 1856). Diese Regelung wurde jedoch zum 1. Januar 2011 wieder abgeschafft (vgl. Artikel 22 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 BGBl. I S. 1885). In diesem Zuge wurde wegen der Streichung der Heizkostenkomponente im Wohngeldgesetz der Halbsatz "mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung" nicht von § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. in § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. übernommen (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 115 [zu § 40 Abs. 4]). Aber auch während der zweijährigen Geltungsdauer von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WoGG unterfielen die Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung nicht der Privilegierung in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. (vgl. Eicher/Greiser, a. a. O.).

 

d) Daraus folgt für die Klägerin:

 

(1) Die Erstattungsbeträge als solche, das heißt vor Berücksichtigung der Sonderregelung in § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F., sind unter rechnerisch korrekt. Diesbezüglich wurde auch von Klägerseite nichts eingewandt.

 

(2) In Bezug auf die Monate November 2011 und Februar 2012, hinsichtlich derer die Leistungsbewilligung nur teilweise aufgehoben wurde und damit die Ausnahmeregelung in § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II a. F. greift, verbleibt es bei den Erstattungsforderungen in Höhe von 28,41 EUR und 49,12 EUR.

 

(3) Hingegen ändern sich die Erstattungsforderungen für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012.

 

Im Dezember 2011 setzten sich die Bedarfe für Unterkunft, ohne die Bedarfe für Heizung, aus der Grundmiete in Höhe von 130,19 EUR und der Vorauszahlung auf die kalten Betriebskosten in Höhe von 35,51 EUR (vgl. § 556 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB] i. V. m. § 2 der Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten [Betriebskostenverordnung – BetrKV]) zusammen. Dies ergibt einen Gesamtbetrag von 165,70 EUR. Davon sind 92,79 EUR (= 56 %) nicht zu erstatten, sodass ein Erstattungsbetrag von 72,91 EUR verbleibt. Da der Beklagte für Dezember 2011 aber nur 87,60 EUR bewilligt und ausgezahlt hatte, der nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. privilegierte Anteil jedoch bei 92,79 EUR, das heißt darüber, liegt, hat der Beklagte für Dezember 2011 keinen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin.

 

Im Januar 2012 hatte die Klägerin Bedarfe für Unterkunft in Höhe von insgesamt 167,67 EUR, die sich aus der Grundmiete in Höhe von 130,19 EUR, der Vorauszahlung auf die kalten Betriebskosten in Höhe von 35,51 EUR und der monatlichen Umlage der Instandhaltungs- und Modernisierungskosten von 1.97 EUR zusammensetzten. Davon sind 93,90 EUR (= 56 %) nicht zu erstatten; ein Betrag von 73,77 EUR ist zu erstatten. Für Januar 2012 hatte der Beklagte 99,57 EUR bewilligt und ausgezahlt. Da ein Betrag von 93,90 EUR privilegiert ist, beläuft sich die Erstattungsforderung nur auf 5,67 EUR.

 

(4) Aus den einzelnen Beträgen für die vier Monate errechnet sich eine Gesamterstattungsforderung von 83,20 EUR (= 28,41 EUR + 0,00 EUR + 5,67 EUR + 49,12 EUR).

 

IV. Zur Fassung von Ziffer I Satz 2 des Entscheidungstenors wird angemerkt, dass sich die Erstattungsforderung ursprünglich auf einen Betrag in Höhe von 264,70 EUR belief. Nach dem angenommenen Teilanerkenntnis wurde nur noch ein Betrag in Höhe von 179,43 EUR erstatten verlangt. Mithin hatte sich der Rechtsstreit in Höhe von 85,27 EUR ledig (vgl. § 101 Abs. 2 SGG). Streitig war im Berufungsverfahren nach dem Berufungsantrag nur noch ein Differenzbetrag von 96,23 EUR (= 179,43 EUR – 83,20 EUR). Zur besseren Verständlichkeit des Entscheidungsergebnisses wurde der Tenor jedoch so gefasst, dass er sich unter Einbeziehung des erledigten Teils unmittelbar auf den Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides bezieht.

 

V. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt unter anderem, dass der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben hat und über dieses hinaus unterlegen ist.

 

Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören auch die Kosten des Vorverfahrens, das eine zwingende Klagevoraussetzung war (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 50/15 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 25 = juris Rdnr. 20, m. w. N.; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [13. Aufl., 2020], § 193 Rdnr. 5a, m. w. N.).

 

VI. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere besitzt die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die Regelung über die Beschränkung der Erstattungsforderung, zuletzt geregelt in § 40 Abs. 9 SGB II in der vom 1. August 2016 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 34 Buchst. e des Gesetzes vom 26. Juli 2016 BGBl. I S. 1824), inzwischen ersatzlos entfallen ist.

 

Rechtskraft
Aus
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