L 9 U 1216/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 477/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1216/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Zuerkennung einer höheren Verletztenrente.

Er hat am 28.09.1981, am 04.04.2001 und am 06.04.2001 Arbeitsunfälle erlitten.

Den Arbeitsunfall vom 28.09.1981, bei dem der Kläger bei Baggerarbeiten aus der Fahrerkabine seines Baggers gestürzt war, erkannte die Berufsgenossenschaft A. (BG) mit Bescheid vom 08.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 als solchen an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Kläger habe sich bei dem Unfall eine Schädelprellung zugezogen, keine Unfallfolgen seien die vom Kläger beklagten Schwindelbeschwerden, Kopfschmerzen und die Sehstörungen an beiden Augen.  Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) blieb erfolglos (S 4 U 3646/12).

Ein weiteres Unfallereignis ereignete sich am 04.04.2001, als dem Kläger nach seinen Angaben beim Lösen einer LKW-Plane Schmutz bzw. Staub in beide Augen geriet, was ein Brennen und Jucken derselben und wenige Tage später eine Schwellung am rechten Auge hervorgerufen habe. Durch Bescheid vom 24.04.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2002 erkannte die Beklagte, gestützt auf ein augenärztliches Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. C., der als Ursache für die herabgesetzte Sehschärfe rechts Entwicklungsanomalien am Auge angeführt hatte, als Folgen des Versicherungsfalls vom 04.04.2001 eine „ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Sandverunreinigung des rechten Auges“ an und lehnte die Gewährung von Rente ab. Die hiergegen zum SG erhobene Klage (S 14 U 3228/02) wurde mit Urteil vom 10.03.2005 - gestützt auf ein medizinisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. D. - abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte - u.a. gestützt auf ein augenärztliches Gutachten von Dr. E. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - keinen Erfolg (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.03.2008 - L 10 U 1907/05 -).

Zwei Tage später, am 06.04.2001, sprang dem Kläger wiederum beim Lösen einer LKW-Plane ein Metallteil (Befestigungsstange bzw. –haken aus Eisen) in das rechte Auge. Diesbezüglich erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 20.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009 Unfallfolgen eine „ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Prellung des rechten Auges“ an und lehnte die Gewährung von Rente ab. Auch hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG (S 4 U 5384/09). In diesem Klageverfahren erstattete der Facharzt für Augenheilkunde Prof. Dr. G. ein augenärztliches Gutachten vom 06.04.2011. Darin führte Prof. Dr. G. aus, die Sehschärfe rechts betrage 0,1 und habe sich seit der Begutachtung durch Dr. E. im Jahr 2006 (Visus damals: 0,7) verschlechtert. Die Sehschärfe links betrage 0,7 im Vergleich zu 1,1 im Jahr 2006. Am rechten Auge bestehe zudem ein absolutes Zentralskotom, während links diesbezüglich ein unauffälliger Befund vorliege. Als Folgen des Unfalls vom 06.04.2001 sei ein Z.n. penetrierender Verletzung mit subretinaler Fremdkörpereinsprengung und V.a. nachfolgende toxische globale Netzhautschädigung am rechten Auge anzunehmen. Für eine angeborene Amblyopie bestünden keine ausreichenden Belege. Die Teil-MdE für die Sehschärfenminderung betrage 20 v.H., die Teil-MdE für die Gesichtsfeldeinengung 5 v.H. Da eine MdE von 25 v.H. einer vollständigen Erblindung gleichkomme, sei die Gesamt-MdE im Falle des Klägers mit 20 v.H. zu bemessen. Daraufhin einigten sich die Beteiligten im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 20.09.2011 auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab 21.10.2006 unter Anerkennung einer penetrierenden Augapfelverletzung rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 06.04.2001. Nachfolgend erkannte die Beklagte durch Ausführungsbescheid vom 17.11.2011 die folgenden Unfallfolgen am rechten Auge an: Gewebestück an der Hornhautrückfläche, Trübung der Augenlinse, Abhebung und Vernarbung der Netzhaut, Sehschärfenminderung sowie Gesichtsfeldausfälle zentral und peripher nach penetrierender Augapfelverletzung.

Im Dezember 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten, auch eine Sehminderung des linken Auges sowie Beschwerden im Bereich der rechten Hand, Kopfschmerzen und Schwindelanfälle als Folge des Unfalls vom 06.04.2001 anzuerkennen. Mit Bescheid vom 04.04.2012 lehnte die Beklagte dies und eine Rentenerhöhung ab. Insbesondere könne ein Zusammenhang zwischen einer späteren Sehkraftminderung des linken Auges und dem Unfall vom 06.04.2001 nicht wahrscheinlich gemacht werden, da es an unmittelbaren Schädigungszeichen des linken Auges direkt nach dem Unfall fehle. Auch sei die Prellung des Auges nicht geeignet gewesen, Schwindelanfälle und Kopfschmerzen zu verursachen. Der hiergegen erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28.06.2012).

Im Januar 2019 beantragte der Kläger unter Vorlage eines augenfachärztlichen Untersuchungsbogens von Dr. H./Frau I. vom 07.01.2019 (Visus rechts: Handbewegungen; links: 0,6) eine Erhöhung der Verletztenrente, da sich seine Sehschärfe an beiden Augen verschlechtert habe. Die Beklagte zog einen weiteren Befundbericht bei Dr. H./Frau I. (Bericht vom 07.03.2019) sowie den (letzten erhältlichen) Befundbericht vom ehemals behandelnden Augenarzt Dr. E. vom 03.08.2015 bei und holte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. J. ein. Prof. Dr. J. vermochte in seiner Stellungnahme vom 27.07.2019 aus den ihm vorgelegten ärztlichen Unterlagen keine morphologischen Anzeichen für eine Verschlechterung der subjektiven Sehschärfe von Fingerzählen zu Handbewegungen zu entnehmen. Im Übrigen sei seiner Auffassung nach davon auszugehen, dass das zur Sehminderung führende Ereignis vor April 2001 liege und bereits deshalb keine Verschlimmerung von Unfallfolgen vorliege. Die Durchführung einer von Prof. Dr. J. angeregten erneuten Begutachtung in der Universitätsaugenklinik Freiburg lehnte der Kläger ab.

Mit Bescheid vom 16.10.2019 lehnte die Beklagte eine Erhöhung der wegen der Folgen des Versicherungsfalls vom 06.04.2001 gewährten Verletztenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, die dem letzten maßgeblichen Bescheid vom 17.11.2011 zugrundeliegenden Verhältnisse hätten sich nicht wesentlich verändert. Eine Schädigung des linken Auges anlässlich des Unfalls vom 06.04.2001 sei nie nachgewiesen und auch nicht als Unfallfolge anerkannt. Eine Verschlechterung der Sehkraft des linken Auges könne daher, auch nicht im Sinne eines Nachschadens, nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich des rechten Auges liege keine wesentliche Verschlimmerung vor, da selbst eine völlige Erblindung nur eine Erhöhung der MdE um fünf Prozentpunkte auf 25 v.H. nach sich gezogen hätte, was als nicht wesentlich gelte (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger rügte, dass die Beklagte nicht das eine Auge bewerten und das andere aus der Bewertung herauslassen könne, weil er heute durch die Arbeitsunfälle vom 04.04. und vom 06.04.2001 an beiden Augen nahezu blind sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2020 zurück.

Deswegen hat der Kläger am 11.02.2020 Klage zum SG erhoben und die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v. H. begehrt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Unfallgeschehen vom 06.04.2001 habe zwar nur das rechte Auge betroffen, allerdings habe er beim Unfall vom 04.04.2001 Staub in beide Augen bekommen, die sich daraufhin entzündet hätten, wozu Frau K. K. als Zeugin gehört werden solle. Zudem sei davon auszugehen, dass das linke Auge die unfallbedingt schwindende Sehkraft des rechten Auges versuche auszugleichen und dadurch überlastet sei. Die Sehschärfenverschlechterung links sei deshalb ebenfalls als Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 06.04.2001 MdE-erhöhend zu berücksichtigen. Dass eine Erhöhung der MdE um fünf Prozentpunkte nicht zu einer Erhöhung der Verletztenrente führe, sei im Übrigen nicht angemessen.

Mit Urteil vom 25.02.2021 hat das SG die Klage nach mündlicher Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.04.2001 die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v. H. nicht in Betracht komme, da weder am rechten Auge eine Verschlimmerung der bereits anerkannten Unfallfolgen eingetreten sei noch am linken Auge weitere Unfallfolgen vorlägen, die MdE-erhöhend zu berücksichtigen wären. Im Vergleich zu den auf der Basis des Gutachtens von Prof. Dr. G. vom 06.04.2011 durch den gerichtlichen Vergleich vom 20.09.2011 und den nachfolgenden Ausführungsbescheid vom 17.11.2011 bindend anerkannten Unfallfolgen sei (nur) insofern eine Verschlimmerung eingetreten, als die Sehschärfenminderung auf dem rechten Auge nach 0,1 im Jahr 2001 nun nur noch im Erkennen von Handbewegungen bestehe. Selbst falls diese Verschlimmerung ebenfalls auf den Arbeitsunfall vom 06.04.2001 zurückzuführen wäre, was das Gericht hier nicht entscheiden müsse, wäre die MdE hierfür allenfalls um fünf Prozentpunkte auf 25 v.H. zu erhöhen, wobei zu berücksichtigen sei, dass erst bei völliger Erblindung des Auges eine MdE von 25 v.H. in Betracht komme. Gemäß § 73 Abs. 3 SGB VII stelle aber eine Erhöhung der MdE um lediglich fünf Prozentpunkte keine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X dar. Weitere Unfallfolgen, die MdE-erhöhend wirken könnten, lägen nicht vor. Dies gelte entgegen der Ansicht des Klägers insbesondere für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen am linken Auge. Ein Unfallzusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen des Klägers am linken Auge und dem Arbeitsunfall vom 06.04.2011 sei nicht hinreichend wahrscheinlich. So sei schon kein Gesundheitserstschaden am linken Auge nachgewiesen. Das Unfallgeschehen vom 06.04.2001 (Schlag mit einem Befestigungshaken gegen das Auge) habe nach den eigenen Angaben des Klägers lediglich das rechte Auge betroffen. Soweit der Kläger ausführe, seine verminderte Sehstärke am linken Auge sei darauf zurückzuführen, dass er am 04.04.2001 Staub auch in das linke Auge bekommen habe, so sei dies für das vorliegende Verfahren nicht relevant, da hier lediglich (höhere) Verletztenrente aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.04.2001 im Streit stehe. Aus diesem Grund sei auch der Anregung des Klägers, K. K. als Zeugin zu hören, nicht nachzugehen gewesen. Darüber hinaus folge das Gericht nicht der – auch von keinem Arzt geteilten – Ansicht des Klägers, dass die Reduzierung der Sehschärfe des linken Auges auf eine Überlastung dieses Auges aufgrund der zunehmenden Verminderung der Sehschärfe des rechten Auges zurückzuführen sei. Denn wie dem Gutachten von Prof. Dr. G. aus dem Jahr 2011 zu entnehmen sei, sei es bereits in der Zeit zwischen 2006 und 2011 zu einer deutlichen (weiteren) Verschlechterung der Sehfunktion des rechten Auges (von 0,7 auf 0,1) gekommen, ohne dass Prof. Dr. G. die gleichzeitig erfolgende Sehschärfenverschlechterung des linken Auges (von 1,1 auf 0,7) als (mittelbare) Unfallfolge festgestellt oder im Hinblick auf die von ihm erwartete künftige MdE eine Überlastung des linken Auges als mögliche Folge mit einbezogen hätte. Die Sehschärfenminderung am linken Auge sei somit auf unversicherte Ursachen zurückzuführen und als unversicherter sog. Nachschaden nicht MdE-erhöhend zu berücksichtigen (mit Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 319).

Gegen das den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.03.2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 01.04.2021 vom Kläger selbst eingelegte Berufung. Zu deren Begründung trägt er vor, dass sich sein Antrag bei der Beklagten wie auch seine Klage beim SG einzig und allein auf den am 20.09.2011 beim SG abgeschlossenen Vergleich und das Gutachten von Prof. Dr. G. vom 06.04.2011 beziehe. Der Richter habe ihm damals gesagt, dass er es der Beklagten mitteilen solle, sobald ein Augenarzt einen weiteren Verlust seiner Sehschärfe ermitteln sollte. Dies habe er bereits 2015 getan. Die Beklagte habe diesen Befund auszuwerten und ihm dementsprechend auch die Rente zu erhöhen. Als Folge des Arbeitsunfalls vom 04.04.2001 habe er eine Entzündung beider Augen gehabt, die durch den eingedrungenen Schmutz verursacht gewesen sei. Als er am 09.04., 10.04. und 11.04. von den Ärzten gesehen worden sei, sei die Entzündung schon ausgeheilt gewesen. Es seien nur noch die Verletzungen durch den Arbeitsunfall vom 06.04.2001 zu sehen gewesen. Daher sei die benannte Zeugin K. K. zu befragen, die beide Arbeitsunfälle und die dazugehörigen Folgen aufklären könne. Es gelte, nicht das rechte, bereits ausgewertete Auge mit dem linken Auge, das noch nicht ausgewertet und als Unfallfolge anerkannt worden sei, zu vermischen. Insbesondere sei der Beklagten aufzugeben, den Arbeitsunfall vom 04.04.2001 aufzuklären, die Folgen auszuwerten und diesen Arbeitsunfall auch als solchen anzuerkennen. Hierzu habe er die Zeugin benannt. Die Zeugin habe ihm in der Apotheke auch eine Augenspülung besorgt, mit der er die Entzündung seiner Augen behandelt habe. Das SG hätte darüber hinaus eine professionelle Meinung einholen müssen und klären sollen, ob durch eine Belastung (im Sinne einer Überlastung) ein Verlust der Sehschärfe am linken Auge entstehen könne. Außerdem müsse man in Betracht ziehen, dass auch an diesem Auge Schäden ermittelt worden seien (Gutachten Prof. Dr. D. vom 10.10.2003). Hinsichtlich des rechten Auges habe Prof. Dr. G. eine Sehschärfe von 0,1 gemessen. Heute betrage die Sehschärfe „Handbewegungen“, was einer Blindheit (MdE 25 v.H.) gleichzustellen sei. Hinzu komme noch ein Gesichtsfeldausfall, der weitere 2,5 Prozentpunkte bringe. Somit erhalte man einen Gesamtwert von 27,5 v.H., welcher auf 30 v.H. aufgerundet werden müsse. Dennoch solle nach Auffassung der Beklagten und des SG der (MdE)-Wert gleichbleiben. Dazu müsse er die Frage stellen, ob der Verlust eines Auges in Deutschland mit 20 oder 25 Prozent bewertet werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Februar 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund der erlittenen Verluste an den Augen Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v.H. zu gewähren.       

Die Beklagte beantragt,

 die Berufung zurückzuweisen.

Vor dem Hintergrund der langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten über viele Jahre hinweg könne der Vergleich vom 20.09.2011 nur so verstanden werden, dass die Beteiligten eine Befriedung und endgültige Lösung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen hätten erreichen wollen. Die in Form eines Kompromisses mit gegenseitigem Nachgeben geschlossene abschließende Regelung habe die Folgen des Unfalls vom 06.04.2001 und die damit verbundene MdE umfasst. Dies beinhalte insbesondere auch die geltend gemachten Unfallfolgen am linken Auge, welche mangels nachgewiesenem Erstschaden nicht anerkannt worden seien. Nachdem der Kläger geltend mache, dass (am rechten Auge) mittlerweile ein Zustand vorliege, der einer Erblindung gleichkomme, könne sein Begehren dahin ausgelegt werden, dass es sich um ein Anpassungsverlangen nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X handele. Die Erblindung auf einem Auge werde mit einer MdE um 25 v.H. bewertet. Nach § 73 Abs. 3 SGB VII sei eine Erhöhung der mit 20 v.H. festgestellten Rente nicht möglich, da es sich um keine wesentliche Änderung, d.h. mehr als fünf Prozent handele. Eine tatsächliche Verschlechterung halte sie auch nicht für erwiesen; des Weiteren wäre auch die Reduzierung der Sehschärfe auf das Erkennen von Handbewegungen nicht gleichbedeutend mit einer Erblindung. Selbst wenn man aber hiervon ausginge, verkenne der Kläger, dass bei einseitigen Schäden der addierte Wert nie höher sein könne als der für den Verlust eines Auges und in angemessener Relation zum Verlust eines Auges stehen müsse (mit Verweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 314). Hinsichtlich seines Verlangens, eine Zeugin zum Arbeitsunfall vom 04.04.2001 und der daraus entstandenen Verletzungen auch am linken Auge zu hören, verkenne der Kläger weiterhin, dass dieser Unfall nicht Gegenstand der vorliegenden Rechtssache sei.

Mit Schreiben vom 24.11.2022 hat der Senat eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Aussicht gestellt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wie auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der Vorakten S 14 U 3228/02, L 10 U 1907/05, S 4 U 5384/12 und S 4 U 3646/12 verwiesen.


II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 25.02.2021 die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 5 SGG) zu Recht abgewiesen. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 16.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2020, mit dem die Beklagte die Erhöhung der wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.04.2001 gewährten Verletztenrente abgelehnt hat.


Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger beanspruchte Erhöhung der ihm zuerkannten Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass er keinen Anspruch hierauf hat, weil eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen nicht eingetreten ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Anknüpfungspunkt und Vergleichsmaßstab ist der Ausführungsbescheid vom 17.11.2011, mit dem die Beklagte auf der Basis des vor dem SG geschlossenen Vergleichs vom 20.09.2011 (S 4 U 5384/09) die Unfallfolgen am rechten Auge anerkannt (Gewebestück an der Hornhautrückfläche, Trübung der Augenlinse, Abhebung und Vernarbung der Netzhaut, Sehschärfenminderung sowie Gesichtsfeldausfälle zentral und peripher nach penetrierender Augapfelverletzung) und dem Kläger ab dem 21.10.2006 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. gewährt hat. Die Geltendmachung einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Verschlimmerung auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 1 und 3 SGB VII ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, auch wenn dem Ausgangs- bzw. Ausführungsbescheid - wie vorliegend - ein gerichtlicher Vergleich zugrunde liegt (vgl. nur Hessisches LSG, Urteil vom 26.10.2020 - L 9 U 141/19 -, juris Rn. 31; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2016 - L 6 U 34/16 -, juris Rn. 46; zu Fragen der Abgrenzung von Anpassung nach § 59 SGB X und Abänderung nach § 48 SGB X vgl. Hissnauer, jurispK-SGb X, § 59 Rn. 37 ff.). Hierfür spricht im vorliegenden Fall auch und insbesondere – dass nach dem (von der Beklagten unwidersprochenen) Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 20.09.2011 ausdrücklich besprochen wurde, dass der Kläger eventuelle Verschlechterungen seines Sehvermögens in der Zukunft der Beklagten mitteilen solle und diese hierüber dann zu entscheiden habe. Dafür, dass der Kläger mit dem Vergleichsabschluss im Sinne einer endgültigen Regelung auch für die Zukunft auf diese Möglichkeit hätte verzichten wollen, spricht nach dem vorliegenden Sachverhalt nichts.

Lediglich ergänzend ist unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers auf Folgendes hinzuweisen:

Auch der Senat kann nur nochmals darauf hinweisen, dass die Beklagte mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 16.10.2019 lediglich darüber entschieden hat, ob dem Kläger wegen einer Verschlimmerung der Folgen des Unfalls vom 06.04.2011 eine höhere Verletztenrente zusteht. Dies hat sie mit zutreffender Begründung verneint. Vergleichsmaßstab ist insoweit der Befund im Gutachten von Prof. Dr. G. aus April 2011, den die Beteiligten zur Grundlage des am 20.09.2011 im Verfahren S 4 U 5384/09 geschlossenen Vergleichs gemacht haben, mithin eine Sehschärfenminderung des rechten Auges auf 0,1 sowie Gesichtsfeldausfälle nach penetrierender Augapfelverletzung. Selbst wenn man in der nunmehr von den behandelnden Ärzten des Klägers angegebenen Herabsetzung des Sehvermögens des rechten Auges auf „Handbewegungen“ eine Verschlimmerung im Sinne einer nunmehr vorliegenden funktionellen Blindheit des rechten Auges sähe, und dies rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 06.04.2011 zurückzuführen wäre, würde dies nach den unfallmedizinischen Grundsätzen lediglich zu einer MdE um 25 v.H. führen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 308). Es ergäbe sich im Vergleich zu der bisher der gewährten Rente zugrundeliegenden MdE um 20 v.H. lediglich eine Erhöhung um 5 v.H., was nach § 73 Abs. 3 SGB VII nicht „rechtlich wesentlich“ im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wäre. Den Erfahrungswerten der Unfallmedizin geht die gesetzliche Regelung vor, dass nach § 73 Abs. 3 SGB VII, § 48 Abs. 1 SGB X geringfügige Änderungen in der Höhe der MdE weder zu Gunsten noch zu Lasten der Versicherten zu einer Rentenänderung führen sollen. Einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 73 Abs. 3 SGB VII (hierzu ausführlich Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Februar 2017, § 73 Rn. 25) stehen dessen eindeutiger Wortlaut und Entstehungsgeschichte entgegen (BSG, Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R -Rn. 20 ff.). Nach dieser Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, wird der Kläger hierdurch nicht in seinen (Grund-)Rechten verletzt. Es handelt es sich bei der Regelung des § 73 Abs. 3 SGB VII um eine im Lichte des Art. 3 Grundgesetz (GG) zulässige und sachlich gerechtfertigte Typisierung (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 19.12.2013, a.a.O., juris Rn. 32 ff.).

Soweit der Kläger eine fortschreitende Sehminderung des linken Auges als (Verschlimmerung der Folge(n) des Unfalls vom 04.04.2001 geltend macht, bei dem er Staub in beide Augen bekommen habe, hat die Beklagte mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid keine Entscheidung getroffen. Eine hierauf gerichtete Klage ist mangels einer Verwaltungsentscheidung und mangels eines durchgeführten Vorverfahrens unzulässig (§ 78 SGG). Aus diesem Grund kommt auch die vom Kläger verlangte weitere Sachaufklärung (etwa durch Vernehmung der von ihm benannten Zeugin) im vorliegenden gerichtlichen Verfahren nicht in Betracht. Wenn der Kläger dieses Anliegen weiterverfolgen möchte, hat er zunächst die Beklagte zu veranlassen, eine entsprechende rechtsbehelfsfähige Entscheidung zu treffen.

Soweit der Kläger zeitweise geltend gemacht hat, die Verschlechterung der Sehkraft am linken Auge sei aufgrund der Überlastung dieses Auges, das nach dem unfallbedingten Ausfall des rechten Auges dessen Arbeit habe mitübernehmen müssen, ebenfalls Folge des Unfalls vom 06.04.2001, steht dieser Vortrag schon im Widerspruch zu dem gerade erwähnten parallelen Vortrag, die Sehminderung des linken Auges sei dem Unfall vom 04.04.2001 anzulasten. Wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat, teilt diese Ansicht im Übrigen soweit ersichtlich weder einer der behandelnden Ärzte des Klägers noch einer der befassten Sachverständigen. Im unfallmedizinischen Schrifttum wird eine entsprechende Möglichkeit im Übrigen ausdrücklich ausgeschlossen: Danach bleibt bei Verletzung eines Auges das Sehvermögen des unbeteiligten Auges unbeeinträchtigt. Die Meinung, dass der Verlust eines Auges eine höhere Belastung oder Mehrleistung des Partnerauges bedinge, wird ausdrücklich als „irrig“ bezeichnet (Burggraf, Augenärztliche Begutachtung, 2016, S. 104).

Fehlt es an einer Änderung der MdE um mehr als 5 v. H., liegt keine wesentliche Änderung im Sinne der §§ 73 Abs. 3 SGB VII, 48 Abs. 1 SGB X vor. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente.

Die Berufung war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers im Rechtsmittelverfahren.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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