L 4 AS 47/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 257/19
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 47/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

 

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

 

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Gründe:

 

I.

 

Der Kläger und Berufungsführer (im Weiteren: Kläger) begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Betreuung seines Sohns E. für folgende Zeiträume:

 

- Mai 2018 bis Februar 2019 im Verfahren   L 4 AS 49/21,

 

- März 2019 bis Februar 2020                       L 4 AS 47/21,

 

- Mai 2019 bis Oktober 2019                           L 4 AS 51/21,

 

- Dezember 2019 bis Mai 2020                     L 4 AS 53/21,

 

- Juni 2020 bis Mai 2021                               L 4 AS 55/21,

 

- September 2020 bis Februar 2021             L 4 AS 57/21.

 

Der Kläger, der zunächst als Alleinstehender SGB II-Leistungen von dem Beklagten bezog, ist der Vater des am ... 2018 geborenen E., der anfänglich wohl im Haushalt der Kindsmutter lebte. Zum 1. Mai 2018 mietete der Kläger eine 77 m² große Dreizimmerwohnung in P. an. Bereits im März 2018 kündigte er gegenüber dem Beklagten an, er werde die Wohnung gemeinsam mit seiner schwangeren Partnerin (und späteren Ehefrau) beziehen. Dies berücksichtigte der Beklagte im Änderungsbescheid vom 6. April 2018.

 

Am 3. Mai 2018 teilte der Kläger mit, er habe am 1. Mai 2018 auch seinen Sohn E. in seinen Haushalt aufgenommen. Seither beziehe er das Elterngeld für den Sohn. Dazu erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid vom 7. Mai 2018, berücksichtigte die eingetretenen Änderungen und bewilligte die vom Kläger beantragten Leistungen für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes (Kleidung und Mobiliar) für E.. Zudem bewilligte der Beklagte antragsgemäß eine Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft für die jetzige Ehefrau des Klägers sowie eine Erstausstattung für Bekleidung und Mobiliar für das erwartete weitere Kind.

 

Am 19. Juli 2018 heirateten der Kläger und seine Partnerin. Am ... 2018 wurde der gemeinsame Sohn C. geboren. Der Beklagte erließ weitere Änderungsbescheide, die die Mitglieder der nunmehr vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft berücksichtigten, bezogenes Kinder- und Elterngeld, die tatsächlichen Unterkunftskosten, den Regelbedarf und das Sozialgeld einbezogen.

 

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 5. Februar 2019 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 2019 SGB II-Leistungen für den Zeitraum von März 2019 bis Februar 2020. Dagegen legte der Kläger – anwaltlich vertreten – am 28. Februar 2019 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er verstehe nicht, weshalb ihm der Zuschlag für Alleinerziehende nicht gewährt werde (späteres Verfahren L 4 AS 47/21).

 

Am selben Tag stellte er einen Überprüfungsantrag für den Zeitraum von Mai 2018 bis Februar 2019. Er machte die Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehung geltend.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2019 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Februar 2029 zurück und führte aus, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 3 SGB II lägen nicht vor. Der Kläger sorge nicht allein für die Pflege und Erziehung seines Sohns E.. Mit dem Umzug im Mai 2018 seien der Sohn E. und auch die jetzige Ehefrau des Klägers in die Wohnung eingezogen. Die den Mehrbedarf rechtfertigenden Einschränkungen alleinerziehender Elternteile lägen deshalb nicht vor. Dagegen hat der Kläger am 26. März 2019 Klage erhoben (jetzt: L 4 AS 47/21).

 

Mit Bescheid vom 19. März 2019 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag für den Zeitraum von Mai 2018 bis Februar 2019 ab. Bei einem Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) müssten die Gründe für die Unrichtigkeit der angegriffenen Bescheide angegeben werden. Dies sei nicht erfolgt. Dagegen legte der Kläger unter Verweis auf seine Ausführungen im Überprüfungsantrag Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2019 zurückwies: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen wegen Alleinerziehung. Denn er lebe nicht allein mit seinem Sohn E. zusammen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Es komme darauf an, ob die den Mehrbedarf beantragende Person den Alltag mit dem Kind überwiegend allein bewältigen müsse oder ob sie nach den tatsächlichen Umständen eine wesentliche Mitwirkung des anderen Elternteils, eines Partners oder einer anderen im selben Haushalt lebenden Person erhalte. Dies sei hier durch die im Haushalt lebende Ehefrau gegeben. Dagegen hat der Kläger am 23. April 2019 Klage beim SG erhoben (jetzt: L4 AS 49/21).

 

Zur Begründung der Klagen hat der Kläger vorgetragen: Die Mutter seines Sohns E. lebe nicht mit in der Bedarfsgemeinschaft. Er erziehe E. allein. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei in allen Fällen zu berücksichtigen, in denen die Familie „unvollständig“ sei und nur ein Elternteil für die Pflege und Erziehung der Kinder sorge. Zudem sei in Zweifelsfällen zugunsten der mehrbedarfsberechtigten Person zu entscheiden, weil ihr die erzieherische Verantwortung obliege. Eine Vermutung spreche dafür, dass sie diese auch tatsächlich allein trage.

 

Am 2. April 2019 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er habe am 1. April 2019 eine vollschichtige Beschäftigung aufgenommen. Mit Bescheiden vom 3. Mai 2019 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 11. Februar 2019 ab dem 1. Mai 2019 vollständig auf und bewilligte vorläufige Leistungen für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2019 unter Anrechnung eines Nettoeinkommens von 1.100 €. Da das erzielte Einkommen voraussichtlich nicht zum vollständigen Wegfall der Hilfebedürftigkeit führe, würden Leistungen nahtlos vorläufig weiterbewilligt unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Einkommens. Am 2. Mai 2019 legte der Kläger die Kündigung des Arbeitgebers zum 30. April 2019 vor.

 

Den gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid (für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2019) eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2019 zurück. Zur Begründung führte er aus, es bestehe kein Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen wegen Alleinerziehung. Aufgrund der Beschäftigungsaufnahme sei ab Mai 2019 mit einem monatlichen Netto-Einkommen von 1.154 € zu rechnen gewesen. Daher sei die vorläufige Anrechnung von 1.100 € nicht zu beanstanden. Dagegen haben der Kläger und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft am 29. Mai 2019 Klage beim SG erhoben (jetzt: L 4 AS 51/21). Zur Begründung haben sie vorgetragen, es bestehe ein Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen. Zudem sei das Einkommen unzutreffend berechnet, denn inzwischen gehe der Kläger keiner Tätigkeit mehr nach. Nach Vorlage der Gehaltsabrechnung für April 2019 (Bruttoverdienst: 915,79 €, Auszahlungsbetrag: 811,28 €, dem Konto am 17. Mai 2019 gutgeschrieben) hat der Beklagte Änderungsbescheide vom 1. und 3. Juni 2019 erlassen, mit denen er die Leistungen für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2019 – ohne Vorläufigkeitsvorbehalt – festgesetzt hat.

 

Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 2019 Leistungen für den Zeitraum von November 2019 bis Oktober 2020. Am 22. Oktober 2019 zeigte der Kläger durch Vorlage des Arbeitsvertrags eine Arbeitsaufnahme im November 2019 an. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheiden vom 7. November 2019 die Leistungsbewilligung ab 1. Dezember 2019 auf und bewilligte vorläufige Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2019 bis Mai 2020 unter Berücksichtigung eines monatlichen Nettoeinkommens von 1.178 €. Das Arbeitsverhältnis endete zum 18. Dezember 2019. Mit Bescheid vom 27. Januar 2020 entschied der Beklagte endgültig über die Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2019 bis Mai 2020. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb er keinen Mehrbedarf für Alleinerziehung erhalte. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2020 zurück. Er wiederholte die Begründungen aus den vorangegangenen Widerspruchsbescheiden. Am 26. März 2020 haben der Kläger und die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Klage beim SG erhoben. Zur Begründung der Klage haben sie ihre Auffassung zum Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen für Alleinerziehende wiederholt (jetzt: L 4 AS 53/21).

 

Mit Bescheid vom 17. Mai 2020 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für den Zeitraum von Juni 2020 bis Mai 2021. Am 20. Juli 2020 stellten der Kläger und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einen Überprüfungsantrag für den vorgenannten Leistungszeitraum und erklärten, es sei der Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 2020 ab. Der Bescheid sei nicht zu beanstanden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2020 zurück. Am 19. August 2020 hat (nur) der Kläger Klage beim SG erhoben (jetzt: L 4 AS 55/21).

 

Nach erneuter Beschäftigungsaufnahme des Klägers hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17. Mai 2020 ab September 2020 auf und gewährte mit Bescheid vom 20. August 2020 vorläufige Leistungen für den Zeitraum von September 2020 bis Februar 2021. Es werde zunächst ein Nettoeinkommen von 1.137,50 €/Mt. zugrunde gelegt. Dagegen legten die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Widerspruch ein und machten den Zuschlag für Alleinerziehende geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2020 wies der Beklagte den Widerspruch für den Kläger als unbegründet zurück und verwarf ihn für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft als unzulässig. Dagegen richtet sich die vom Kläger am 2. Oktober 2020 unter Wiederholung der bisherigen Begründung erhobene Klage (jetzt: L 4 AS 57/21).

 

In den Klageverfahren haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Urteilen vom 2. Dezember 2020 hat das SG die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Tatbestand des § 21 Abs. 3 SGB II habe drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten, um den Leistungsanspruch auszulösen. Als räumliche Bedingung müsse ein Zusammenleben mit dem minderjährigen Kind erfolgen. Als materielle Bedingung müsse der Antragsteller das Kind allein versorgen. Schließlich müsse er als immaterielle Bedingung das Kind allein pflegen und erziehen. Durch den Mehrbedarfstatbestand solle der höhere Aufwand eines Alleinerziehenden, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, ausgeglichen werden. Eine alleinige Sorge liege nur vor, wenn bei der Pflege und Erziehung des Kindes kein anderer, nicht der andere Elternteil, ein Partner oder eine andere Person den Antragsteller nachhaltig unterstütze. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse im konkreten Einzelfall. Wenn vorgebracht werde, ein im Haushalt lebender Partner beteilige sich nicht an der Erziehung und Pflege des nicht leiblichen Kindes, sei dies denkbar, bedürfe aber eines Belegs. Zumindest müssten die Voraussetzungen des Anspruchs durch eine substantiierte Tatsachenschilderung glaubhaft gemacht werden. Hier habe der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren konkret überprüfbare Tatsachen vorgetragen, die seinen Anspruch stützen könnten. Der Vortrag, die leibliche Mutter des Sohns E. lebe nicht in der Bedarfsgemeinschaft des Klägers, reiche nicht aus. Die Behauptung, seine Ehefrau sei mit der Erziehung von E. nicht befasst, sei aufgrund der tatsächlichen Wohnverhältnisse zu bezweifeln. Die vierköpfige Bedarfsgemeinschaft lebe in einer Dreizimmerwohnung. Die beiden minderjährigen Kinder in der Bedarfsgemeinschaft seien mit einem Abstand von weniger als sieben Monaten geboren worden und durchliefen ihre kindliche Entwicklung weitgehend parallel bzw. zeitnah aufeinanderfolgend. Es widerspreche der Lebenserfahrung, wenn der Kläger in dieser familiären Konstellation erkläre, er sei allein zuständig sei für die Pflege und Erziehung von E.. Es sei naheliegend und wahrscheinlich, dass sich beide Partner um die jetzt zweijährigen Jungen kümmerten.

 

Gegen die ihm am 20. Januar 2021 zugestellten Urteile hat (nur) der Kläger am 22. Januar 2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, nach seiner Auffassung stehe ihm der Zuschlag für Alleinerziehende zu. Da die Mutter seines Sohns E. nicht mit in seiner Bedarfsgemeinschaft lebe, erziehe er ihn allein. Eine Hilfe Dritter bei der Betreuung sei unschädlich für den Anspruch auf den Mehrbedarf. Die Pflege und Erziehung von E. obliege zum überwiegenden Teil ihm. Er werde zwar von seiner Ehefrau unterstützt, jedoch sei die Verantwortlichkeit „absolut nicht gleichberechtigt verteilt“. Er hat auf die Rechtsprechung des BSG zum sog. Wechselmodell verwiesen (Urteile vom 12. November 2015, Az.: B 14 AS 23/14 R, und 11. Februar 2015, Az.: B 4 AS 26/14 R), die auf seinen Fall zu übertragen sei. Getrennte Elternteile hätten einen Anspruch auf den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende, wenn sie sich regelmäßig in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen bei der Pflege und Erziehung der Kinder abwechselten. Beteilige sich ein Elternteil weniger als die Hälfte der Gesamtzeit an der Pflege und Betreuung des Kindes, bleibe es beim vollen Anspruch des anderen Elternteils. Wenn also seine Ehefrau als „nicht leiblicher Elternteil“ im Haushalt des alleinerziehenden Elternteils lebe und nur unterstützend tätig werde, bestehe der Anspruch. Daher sei in Fällen einer „unvollständigen“ Familie, in der nur ein leibliches Elternteil für die Pflege und Erziehung des Kinds sorge, regelmäßig der Mehrbedarfszuschlag zu gewähren.

 

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

 

die Urteile des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. Dezember 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, seine entgegenstehenden Bescheide zu ändern und ihm höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende für die Zeiträume von Mai 2018 bis Februar 2019 (L 4 AS 49/21), März 2019 bis Februar 2020 (L 4 AS 47/21), Mai 2019 bis Oktober 2019 (L 4 AS 51/21), Dezember 2019 bis Mai 2020 (L 4 AS 53/21), Juni 2020 bis Mai 2021 (L 4 AS 55/21) und September 2020 bis Februar 2021 (L 4 AS 57/21) zu bewilligen.

 

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

 

die Berufungen zurückzuweisen.

 

Er verweist auf die nach seiner Ansicht zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

 

Mi Beschluss vom 9. September 2021 hat der Senat die Bewilligung von PKH für die Berufungsverfahren abgelehnt und insbesondere darauf hingewiesen, dass es an einer substantiierten Darlegung der konkreten Umstände im Einzelfall fehle. Diese sei notwendig, wenn der Alleinerziehende in einer neuen Partnerschaft lebe und geltend mache, der im Haushalt lebende Partner beteilige sich nicht an der Erziehung und Pflege des nichtleiblichen Kindes. Danach hat sich der Kläger nicht mehr zur Sache geäußert.

 

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2021 hat die Berichterstatterin die Beteiligten zu einer Beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

 

II.

 

Der Senat kann die Berufungen vorliegend durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG). Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden.

 

Die Berufungen sind zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 SGG). Der für eine zulassungsfreie Berufung notwendige Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 750 € (§ 144 Abs.1 Nr. 1 SGG) ist jeweils erreicht. Die begehrten Mehrbedarfsleistungen von mindestens 149,76 € (2018) monatlich überschreiten in den klageweise angegriffenen Zeiträumen von jeweils mindestens sechs Monaten die Beschwerdewertgrenze. Dem steht nicht entgegen, dass sich die streitgegenständlichen Zeiträume zum Teil überschneiden, sodass wegen doppelter Rechtshängigkeit drei Berufungen teilweise unzulässig sind. Denn maßgeblich ist für die Berechnung des Beschwerdewerts darauf abzustellen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und dieser mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013, Az.: B 13 R 437/12 B, juris RN 11; BSG, Beschluss vom 4. Juli 2011, Az.: B 14 AS 30/11 B, juris RN 4). Da der Kläger die Rechtsmittelverfahren mit den Anträgen aus den Klageverfahren in vollem Umfang weiterverfolgt (und keine zeitliche Anpassung vorgenommen hat), ist in jedem der Berufungsverfahren weiterhin zumindest ein Sechsmonatszeitraum streitig.

 

Die zulässigen Berufungen, die insgesamt den Zeitraum von Mai 2018 bis Mai 2021 betreffen, sind jedoch unbegründet. Das SG hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

 

Allerdings waren – entgegen den Ausführungen des SG – die Klagen, soweit mit ihnen höhere SGB II-Leistungen für Teilzeiträume doppelt eingeklagt worden waren, wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) unzulässig. Dies gilt für das Berufungsverfahren L 4 AS 51/21, das den Zeitraum von Mai bis Oktober 2019 betrifft. Denn dieser ist bereits im Verfahren L 4 AS 47/21 erfasst, in dem es um den Bewilligungsbescheid vom 18. März 2019 für den Zeitraum von März 2019 bis Februar 2020 geht. Diesen hatte der Beklagte nach Beschäftigungsaufnahme aufgehoben und durch eine vorläufige Leistungsbewilligung ersetzt.

 

Der Zeitraum von Dezember 2019 bis Februar 2020 ist sowohl im Verfahren L 4 AS 47/21 als auch in L 4 AS 53/21 streitbefangen. Er gehörte ebenfalls zu der vorgenannten, später ersetzten Bewilligung vom 18. März 2019. Nach vorläufiger Leistungsbewilligung erfolgte mit Bescheid vom 27. Januar 2020 die gesondert angegriffene endgültige Festsetzung für die Zeit von Dezember 2019 bis Mai 2020.

 

Der Zeitraum von September 2020 bis Februar 2021 ist als Gegenstand des Verfahrens L 4 AS 55/21 rechtshängig, in dem es um den Bewilligungszeitraum von Juni 2020 bis Mai 2021 geht. Nach erneuter Beschäftigungsaufnahme wurde die Bewilligung ab September 2020 aufgehoben und durch eine vorläufige Leistungsgewährung ersetzt, die der Kläger in dem Verfahren L 4 AS 57/21 gesondert angegriffen hat.

 

Vorliegend hat der Beklagte jeweils nach Klageerhebung Bescheide erlassen, mit denen er die klageweise angegriffenen Verwaltungsentscheidungen für die streitigen Zeiträume geändert und ersetzt hat. Diese (neuen) Bescheide sind gemäß § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens und damit rechtshängig geworden. Das gesonderte Vorgehen gegen die Änderungsbescheide im Klageweg durch den Kläger hat zu einer doppelten Rechtshängigkeit geführt; die insoweit zeitlich später erhobenen Klagen sind von Anfang an unzulässig gewesen. Denn § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bestimmt, dass während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. Die Rechtshängigkeit entfaltet Sperrwirkung für ein zweites Verfahren über denselben Streitgegenstand, die – grundsätzlich – zur Unzulässigkeit der zweiten Klage führt (exemplarisch BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, juris RN 17). In Bezug auf die vorgenannten Zeiträume konnten daher die Berufungen bereits wegen der Unzulässigkeit der erhobenen Klagen keinen Erfolg haben.

 

Richtige Klageart ist den Verfahren L 4 AS 49/21 und L 4 AS 55/21 eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, juris). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des – die Überprüfung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide ablehnenden – Verwaltungsakte in der Gestalt der dazu erlassenen Widerspruchsbescheide. Die Verpflichtungsklage ist jeweils auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs im jeweils streitigen Zeitraum. In den übrigen Verfahren ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage die richtige Klageart.

 

Indes hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung weiterer SGB II-Leistungen durch die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in den streitgegenständlichen Zeiträumen.

 

Streitig sind (nur) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für die Unterkunftskosten, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, B 14 AS 42/13 R; BSG, Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 55/13 R, BSG, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 4/14 R, alle zitiert nach juris) und die der Beklagte bezogen auf einen Vierpersonenhaushalt anteilig bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 54/08 R, juris RN 11; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 4 AS 29/09 R, juris RN 11; BSG, Urteil vom 23. August 2012, B 4 AS 167/11 R, juris RN 12; BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 48/12 R, juris RN 9 ff) und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden.

 

Zutreffend hat das SG entschieden, dass dem Kläger im streitigen Zeitraum auch unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht. Der Kläger erfüllt zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 Satz 1 SGB II iVm § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Im streitigen Zeitraum ist vom Beklagten für den Kläger jeweils der zutreffende Regelbedarf bewilligt bzw. zugrunde gelegt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende war jedoch nicht zu berücksichtigen, weil nach dem Gesamtergebnis der Verfahren nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger seinen Sohn E. über die gesamte Dauer der hier streitbefangenen Zeiträume überwiegend allein betreut hat und seine Partnerin und spätere Ehefrau an der Erziehung und Pflege nicht in erheblichem Umfang mitgewirkt hat.

 

Der Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II besteht in Höhe von 36 % des nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelbedarfs u.a. für Personen, die mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben und allein für dessen Pflege und Erziehung sorgen.

 

Eine in diesem Sinne "alleinige Sorge für … Pflege und Erziehung" liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich ausschließlich dann vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, einem Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist danach, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt (vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009, B 4 AS 50/07 R, juris RN 19; BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 54/08 R, juris RN 15; BSG, Urteil vom 23. Februar 2012, B 4 AS 167/11 R, juris RN 15; BSG, Urteil vom 11. Februar 2015, B 4 AS 26/14 R, juris). Maßgeblich geht es um die besondere Bedarfssituation Alleinerziehender, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis – in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) – besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 3. März 2009, a.a.O., RN 15). Die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs. 3 SGB II enthält die gesetzgeberische Wertung, dass die für die Pflege und Erziehung allein zuständigen Elternteile typischerweise einem besonderen Aufwand ausgesetzt sind, der aus dem Regelbedarf allein nicht zu decken und deshalb durch den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung auszugleichen ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. Februar 2015, a.a.O., RN 16).

 

Der Senat geht – wie bereits das SG in den angegriffenen Urteilen – davon aus, dass im familiären Zusammenleben des Klägers mit seiner Ehefrau, dem gemeinsamen, im August 2018 geborenen Sohn C. und dem im Januar 2018 geborenen Sohn E. des Klägers die Partnerin des Klägers in erheblichem Umfang an der Erziehung und Pflege der Kinder – und damit gleichermaßen bei E. – mitgewirkt hat.

 

Nach seinem Sinn und Zweck geht § 21 Abs. 3 SGB II typisierend von einem regelmäßigen Mehrbedarf bei Alleinerziehenden aus, weshalb – nach den tatsächlichen Verhältnissen – eine regelmäßige und erhebliche Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes durch eine weitere Person einem Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende entgegenstehen kann (BSG, Urteil vom 23. August 2012, a.a.O., RN 17; ebenso: S. Knickrehm/Hahn in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 21 RN 32). Insbesondere, wenn der Alleinerziehende in einer neuen Partnerschaft lebt, sind die tatsächlichen Verhältnisse im konkreten Einzelfall festzustellen. Wird geltend gemacht, der im Haushalt lebende Partner beteilige sich nicht an der Erziehung und Pflege des nichtleiblichen Kindes, ist dies denkbar, bedarf jedoch einer substantiierten Darlegung und anschließenden Verifizierung der Behauptung. Bei der Führung eines gemeinsamen Haushalts sprechen die äußerlichen Anzeichen zunächst für eine Beteiligung des Partners an der Erziehung und Pflege des Kindes.

 

Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, in dem der Kläger, seine Ehefrau, sein Sohn E. sowie ein weiteres Kleinkind, der gemeinsame, nur sieben Monate jüngere gemeinsame Sohn in einer Dreizimmerwohnung als Familie zusammenleben. In der Bedarfsgemeinschaft wachsen zwei fast gleichaltrige Kinder auf, die ähnliche Bedürfnisse annähernd gleichzeitig bzw. wenig zeitversetzt haben. Konkrete Umstände, aus denen sich eine getrennte Betreuung der Kinder bzw. die alleinige Pflege und Erziehung von E. durch den Kläger ergeben, sind weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren vorgetragen worden. Der Vortrag im Klageverfahren, E. leibliche Mutter beteilige sich nicht an der Erziehung, gibt keinen Aufschluss über den Umfang der Beteiligung der Ehefrau bei der Sorge um E. im bestehenden Familienverband.

 

Auf die Notwendigkeit eines substantiierten Vorbringens zur konkreten familiären Situation, an dem des vorliegend mangelt, hatte bereits das SG in seinen Urteilen und hat der Senat im Beschluss in den Prozesskostenhilfeverfahren vom 9. September 2021 hingewiesen. Gleichwohl hat der Kläger auch danach keine Einzelheiten zum familiären Zusammenleben vorgetragen.

 

Angesichts der Führung eines gemeinsamen Haushalts, in dem zwei nahezu gleichaltrige Kleinkinder aufwachsen, ist davon auszugehen, dass sich der Kläger und seine Ehefrau gemeinsam um die im Haushalt lebenden Kinder gekümmert haben. Dadurch ist er bei der Erziehung von und der Sorge um E. durch seine Ehefrau im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblich entlastet worden, sodass er sich gerade nicht in einer für Alleinerziehende typischen Situation befand. Im Übrigen verweist der Senat nach eigener Prüfung des Vorbringens des Klägers auf die zutreffenden Ausführungen in den angegriffenen Urteilen des SG und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Schließlich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Der Beklagte hat die Regelleistungshöhe danach ausgehend vom gesetzlichen Regebedarf zutreffend berücksichtigt; hinsichtlich der Berechnungen im Übrigen sind Fehler nicht ersichtlich. Die Berufungen waren daher zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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