L 3 AL 70/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 1 AL 235/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 70/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Urlaubsabgeltung führt in voller Höhe zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, auch wenn der höhere Urlaubsanspruch nicht nur an die Beschäftigungsdauer anknüpft, sondern der Erholungsbedarf auch besondere Erschwernisse erfasst, die mit der Erbringung der Arbeitsleistung unmittelbar verbunden sind.

I.     Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. März 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II.    Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

III.   Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Im Streit steht das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 6. Dezember 2015 bis zum 3. Januar 2016 nach einer Tätigkeit auf einem Kreuzfahrtschiff und nach gezahlter Urlaubsabgeltung.

 

Der 1984 geborene Kläger ist ausgebildeter Einzelhandelskaufmann. Seit Februar 2009 ist er regelmäßig auf Kreuzfahrtschiffen für die Y....  GmbH – X....  als Arbeitgeberin in einer Verkaufsstelle tätig. Nach den Fahrten kehrt der Kläger zu seinem Wohnort nach Deutschland zurück und bezieht in Deutschland Arbeitslosengeld.

 

Die Y....  GmbH hat ihren Sitz in Italien. Die Arbeitsverträge unterliegen dem italienischem Recht. Es werden Beiträge zur italienischen Sozialversicherung entrichtet. Die Y....  GmbH schloss am 26. Juni 2013 einen Tarifvertrag über „Beschäftigungsbedingungen für EU-Arbeitnehmer Guest Service (Gästeservice) auf AIDA-Schiffen“ ab, welcher unter § 12 regelt, dass der Urlaub in Kalendertagen je vollen Monat Seedienst ermittelt wird und der hinsichtlich des Urlaubsanspruchs auf die Gehaltsordnung des Arbeitgebers verweist.

 

Entsprechend war der Kläger vom 29. November 2013 bis zum 30. März 2014, vom 5. April 2014 bis zum 12. Juni 2014, vom 17. Juli 2014 bis zum 23. November 2014, vom 28. Januar 2015 bis zum 25. April 2015, vom 12. Mai 2015 bis zum 17. Juli 2015 und sodann vom 11. September 2015 bis zum 5. Dezember 2015 jeweils auf Kreuzfahrtschiffen der Y....  GmbH befristet versicherungspflichtig beschäftigt.

 

Der für die Zeit vom 11. September 2015 bis zum 5. Dezember 2015 befristete Arbeits- beziehungsweise Heuervertrag des Klägers weist einen monatlichen Grundlohn in Höhe von 2.536,00 EUR, eine monatliche Abfindung in Höhe von 188,00 EUR, eine monatliche Navigationsentschädigung in Höhe von 376,00 EUR, einen garantierten Mindestlohn in Höhe von 3.100,00 EUR und unter „PAID LEAVE DAYS Holidayentitlementdays 12.0“ aus. Zudem ist geregelt, dass der Monatslohn alle geleisteten Überstunden sowie die Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen und alle geldwerten Leistungen, wie sie in dem zwischen dem Reeder/Arbeitgeber und den italienischen Gewerkschaften unterzeichneten Tarifvertrag festgelegt sind, wie zum Beispiel Schifffahrtsentschädigung, Abfindung, Weihnachts- und Osterbonus und alle Verpflegungszulagen umfasst. Die letzte Entgeltabrechnung für Dezember 2015 weist unter 3201 bis 3203 die gezahlte Urlaubsabgeltung für 33,60 Tage aus.

 

Zum Urlaubsanspruch weist der befristete Arbeitsvertrag aus:

"Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Anzahl der Urlaubstage ist im Tarifvertrag festgelegt. Bei unbefristeten Arbeitsverträgen werden die Urlaubstage gemäß dem Rotationsplan gewährt und wenn sie bis zum Ende der Beschäftigung nicht vollständig verbraucht werden können, werden sie ausbezahlt. Bei befristeten Verträgen werden die Urlaubstage bei Vertragsende in jedem Fall ausgezahlt."

 

Der Kläger meldete sich bereits am 11. September 2015 bei der Beklagten persönlich arbeitssuchend und am 7. Dezember 2015 mit Wirkung zum 6. Dezember 2015 arbeitslos und beantragt die Zahlung von Arbeitslosengeld.

 

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 4. Januar 2016, da die Arbeitsbescheinigung noch nicht vorliege, vorläufig Arbeitslosengeld ab dem 6. Dezember 2015 in Höhe von 43,04 EUR täglich auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 117,96 EUR (Lohnsteuerklasse I, 60 Prozent).

 

Entsprechend der Mitteilung des Klägers zur erneuten Beschäftigungsaufnahme ab dem 1. Februar 2016 hob die Beklagte die Bewilligung mit Bescheid vom 26. Januar 2016 ab dem 31. Januar 2016 auf.

 

Der Kläger legte mit Schreiben vom 23. Februar 2016 eine nach europäischem Sozialrecht ausgestellte Bescheinigung PD U1 vom 11. Januar 2016 vor, welche für das (gesamte) Jahr 2015 insgesamt 85,20 Tage abgegoltenen Urlaub ausweist.

 

Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung für den Zeitraum vom 6. Dezember 2015 bis zum 3. Januar 2016 in Höhe von 1.248,16 EUR an. Die Urlaubsabgeltung im Umfang von 85 Tagen führe zum Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld.

 

Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte die Beklagte dem Kläger endgültig Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 288 Kalendertage ab dem 6. Dezember 2015 bis zum 30. Januar 2016 und wies den täglichen Leistungsbetrag bis zum 3. Januar 2016 auf Grund der gezahlten Urlaubsabgeltung mit 0,00 EUR und sodann mit 43,04 EUR aus.

 

Mit Schreiben vom 15. März 2016 wies der Kläger auf seinen Heuervertrag hin und wandte sich gegen den Bescheid vom 29. Februar 2016 mit Widerspruch. Zwölf Tage pro Monat seien als bezahlte Freizeit für Sonnabende und Feiertage sowie Urlaubstage vereinbart, so dass das Ruhen fehlerhaft festgestellt worden sei.

 

Auf die Anfrage der Beklagten wies die italienische Sozialverwaltungsbehörde mit einer PD U1-Bescheinigung vom 5. September 2016 für die Zeit vom 11. September 2015 bis zum 5. Dezember 2015 insgesamt 33,60 Tage abgegoltenen Urlaub aus.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Bewilligung sei wegen der fehlenden Arbeitsbescheinigung zutreffend vorläufig erfolgt. Entsprechend der später geänderten PD U1 seien 33,60 Tage gerundet auf 34 Tage abgegoltenen Urlaub für die Beschäftigung vom 11. September 2015 bis 15. Dezember 2015 bescheinigt. Bei der Berechnung des Ruhenzeitraumes sei die sieben Tagewoche anzuwenden, sodass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 9. Januar 2016 ruhe. Da der endgültige Bescheid ein Ruhen nur bis zum 3. Januar 2016 ausweise und die Rücknahmevoraussetzungen nach § 45 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht vorliegen würden, verbleibe es bei diesem Zeitraum.

 

Der Kläger hat am 30. September 2016 Klage erhoben. Allenfalls 2,5 Tage pro Monat könnten als abgegoltenen Erholungsurlaub gewertet werden.

 

Mit Erstattungsbescheid vom 15. November 2016 hat die Beklagte vom Kläger die Erstattung des nach vorläufiger Bewilligung zu Unrecht für die Zeit vom 6. Dezember 2015 bis zum 3. Januar 2016 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.248,16 EUR verlangt.

 

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2017 den Erstattungsbescheid vom 15. November 2016 und den Widerspruch des Klägers vom 7. Dezember 2016 überreicht. Der Kläger hat die Änderung der Bewilligungsbescheide und die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 6. Dezember 2015 bis zum 3. Januar 2016 sowie die Aufhebung des Erstattungsbescheides beantragt. Die Beklagte hat, ohne der Klageerweiterung entgegen zu treten, Klageabweisung beantragt.

 

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. März 2017 den Erstattungsbescheid vom 15. November 2016 aufgehoben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 29. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2016 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 6. September 2015 bis zum 3. Januar 2016 zu gewähren. Zwar sei zutreffend zunächst vorläufig bewilligt worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ruhe der Anspruch jedoch nicht. Nach dem Wortlaut des § 157 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Urlaubsabgeltung erforderlich. Dieser liege hinsichtlich der in der PD U1 bescheinigten Tage nicht vor, da es dem Kläger ausweislich des Arbeitsvertrages während der Vertragslaufzeit nicht möglich gewesen sei, Urlaub zu nehmen. Zumindest könne nur der tatsächliche Erholungsurlaub und nicht der anteilige Freizeitausgleich zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen.

 

Die Beklagte hat gegen das ihr am 5. Mai 2017 zugestellte Urteil am 26. Mai 2017 Berufung eingelegt. Die Urlaubstage seien für das maßgebende Arbeitsverhältnis zutreffend bescheinigt, da vertraglich ein Urlaubsanspruch von 12 Tagen je voller Monat Seedienst vereinbart worden sei. Dass der Urlaub während der Vertragsdauer nicht habe genommen werden können, führe entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes nicht dazu, dass es sich nicht um eine Urlaubsabgeltung handele. Die Beklagte hat der bereits erstinstanzlich hinsichtlich des Erstattungsbescheides erfolgten Klageerweiterung ausdrücklich zugestimmt.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Urlaub müsse nach deutschem Recht grundsätzlich im bestehenden Arbeitsverhältnis genommen werden. Dies sei objektiv nicht möglich gewesen. Der Urlaub sei daher nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern wegen der Besonderheit des Vertrages abgegolten worden. Im Arbeitszeit- und Urlaubsrecht sei der klassische Fall einer 5-Tage-Woche mit 40 Stunden pro Woche geregelt. Bei Seeleuten seien die Verhältnisse jedoch gänzlich anders, da diese auch am Wochenende arbeiten würden. Die Urlaubsabgeltung enthalte daher auch einen Anteil für den Freizeitausgleich. Der reine Urlaubsanspruch habe nur im Umfang von 4,18 Tage bestanden. Seeleute mit klassischen Arbeitnehmern gleichzustellen, verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

 

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2020 den Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger hat unter dem Aktenzeichen S 26 AL 18/21 Klage vor dem Sozialgericht erhoben, welche ruht.

 

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten für die Zeit vom 6. Dezember 2015 bis zum 3. Januar 2016 keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld und hat den für diese Zeit vorläufig ausgezahlten Betrag in Höhe von 1.248,16 EUR zu erstatten.

 

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der vorinstanzlichen Entscheidung der endgültige Festsetzungsbescheid vom 29. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2016 und der Erstattungsbescheid vom 15. November 2016 in der Gestalt vom Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2020, mit denen die Beklagte das dem Kläger bestandskräftig mit Bescheid vom 4. Januar 2016 vorläufig bewilligte Arbeitslosengeld (vgl. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III) nach Vorlage der PD U1-Bescheinigung endgültig bewilligt, für die Zeit vom 6. Dezember 2015 bis zum 3. Januar 2016 den Leistungsbetrag aufgrund der erhaltenen Urlaubsabgeltung auf 0,00 EUR festgesetzt und das für diesen Zeitraum aufgrund der vorläufigen Bewilligung ausgezahlte Arbeitslosengeld erstattet verlangt hat.

 

Offenbleiben kann, ob der (isoliert) erst im laufenden Klageverfahren ergangene Erstattungsbescheid bereits nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist (gleichfalls offengelassen: BSG, Urteil vom 3. September 2020 - B 14 AS 55/19 R - SozR 4-4200 § 9 Nr. 17 = juris Rdnr. 13), denn die Beklagte hat der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klageerweiterung nicht widersprochen und hat sich mit dem Antrag auf Klageabweisung auf die abgeänderte Klage eingelassen (vgl. § 99 Abs. 2 SGG). Zudem hat sie zweitinstanzlich ausdrücklich der Klageerweiterung zugestimmt.

 

Der vorläufige Bewilligungsbescheid hat sich gemäß § 39 Abs. 2 SGB X durch die endgültige Leistungsentscheidung erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 RNJW 2017, 2493 ff. = juris Rdnr. 9, m. w. N.). Unerheblich ist, dass die Beklagte den endgültigen Festsetzungsbescheid als Änderungsbescheid gemäß § 48 SGB X bezeichnet hat, denn durch die Begründung („Die Bewilligung ist abschließend.“) steht ohne Zweifel fest, dass eine endgültige Festsetzung erfolgen sollte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2017 – B 14 AS 36/16 R – SozR 4-1500 § 86 Nr. 3 = juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 94 = juris Rdnr. 9).

 

2. Der endgültige Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 29. Februar 2016 ist rechtmäßig. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ruht aufgrund der gezahlten Urlaubsabgeltung nach § 157 Abs. 2 SGB III.

 

a) Der Kläger erfüllt unstreitig am 6. Dezember 2015 die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld Bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1, §§ 137 ff. SGB III). Er hatte sich am 11. September 2015 bei der Beklagten persönlich arbeitssuchend und am 7. Dezember 2015, einem Montag (vgl. § 141 Abs. 3 SGB III), mit Wirkung zum 6. Dezember 2015 arbeitslos gemeldet; zudem hatte er die Zahlung von Arbeitslosengeld beantragt. Er stand ab dem 6. Dezember 2015 in keinem Beschäftigungsverhältnis, bemühte sich, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv und subjektiv zur Verfügung. Der Kläger hat zudem als Grenzgänger unter Berücksichtigung der nach italienischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Beitragszeiten die Anwartschaftszeit (vgl. § 142 SGB III) erfüllt.

 

Die Rechtsgrundlagen für die Anerkennung der Versicherungs- und Beschäftigungszeiten finden sich in der zur sozialen Absicherung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erlassenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge sowie der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

 

Aus Artikel 61 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004 ergibt sich, dass grundsätzlich ausländische Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten (die keine Versicherungszeiten waren) und Zeiten selbständiger Erwerbstätigkeit (die keine Versicherungszeiten waren) zur Erfüllung der Anwartschaftszeiten im Sinne von § 142 SGB III und der Festsetzung der Anspruchsdauer nach § 147 SGB III für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu berücksichtigen sind.

 

Hinsichtlich der Leistungszuständigkeit geht die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 im Grundsatz vom Recht des Staates der letzten Beschäftigung aus (vgl. Artikel 61 Abs. 2 VO [EG] Nr. 883/2004 und Artikel 11 Abs. 2 Buchst. a VO [EG] Nr. 883/2004). Ausländische Versicherungs- und Beschäftigungszeiten können für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder zur Erhöhung der Anspruchsdauer somit grundsätzlich nur dann berücksichtigt werden, wenn zwischen der Auslandsbeschäftigung und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und Antragstellung in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 1975 – 20/75 [d'Amico] – Slg. 1975, 891 = SozR 6050 Artikel. 45 Nr. 1 = juris; EuGH, Urteil vom 23. November 1976 – 40/76 [Kermaschek] – Slg. 1991, 2543 = SozR 3-6050 A Artikel rt. 67 Nr. 1 = juris).

 

Ausnahmen von der Notwendigkeit einer "Vorbeschäftigung" sieht die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nur für sogenannte "echte" Grenzgänger, "unechte" Grenzgänger und Personen mit "Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehenden Arbeitsausfall" vor. Gemäß Artikel 65 Abs. 5 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 erhält der in Artikel 65 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 bezeichnete Arbeitslose Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung gegolten hätten.

 

Der Begriff des "unechten" Grenzgängers ist nicht legal definiert. Artikel 65 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Buchst. b der VO (EG) Nr. 883/2004 setzt jedoch die Figur des "unechten" Grenzgängers nach seiner Systematik voraus. Danach gehört zu den "unechten" Grenzgängern eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ihren Wohnort in einem Mitgliedstaat hatte und nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt oder selbstständig erwerbstätig war, ohne echter Grenzgänger gewesen zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 1977 – 76/76 [Di Paolo] – Slg 1977, 315 ff. = juris; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 11 RAr 141/90BSGE 68, 75 ff. = SozR 3-6050 Art 71 Nr. 2). Den Begriff des "Wohnorts" definiert Artikel 1 Buchst. j VO (EG) Nr. 883/2004 als den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person, in dem sich der gewöhnliche Mittelpunkt seiner Interessen befindet.

 

Nach dem Beschluss Nr. U2 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009 (zum Geltungsbereich des Artikels 65 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bei anderen Vollarbeitslosen als Grenzgängern, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen als des zuständigen Mitgliedstaats gewohnt haben) gilt Artikel 65 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 insbesondere für: Seeleute (vgl. Artikel 11 Abs. 4 VO [EG] Nr. 883/2004), Personen, die ihre Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausüben (vgl. Artikel 13 VO [EG] Nr. 883/2004) und Personen, für die eine Vereinbarung nach Artikel 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt.

 

Zwar hat der Kläger vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und Beantragung von Arbeitslosengeld keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt. Auch war er kein echter Grenzgänger im Sinne der Verordnung. Er fällt jedoch als bei einem italienischen Arbeitgeber Beschäftigter auf einem Kreuzfahrtschiff mit Wohnsitz in Deutschland unter den Beschluss Nr. U2 der Verwaltungskommission.

 

b) Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ruht gemäß § 157 Abs. 2 SGB III ab dem 6. Dezember 2015 entsprechend der endgültigen Bewilligung jedenfalls bis zum 3. Januar 2016. Er hätte bei zutreffender Bewilligung bis zum 9. Januar 2016 geruht, was vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich ist, so dass es auf die Frage, ob 33,60 bescheinigte Urlaubstage zu einem Ruhen im Umfang von 34 Tagen führen, nicht ankommt.

 

(1) Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld bestimmt § 157 Abs. 2 SGB III, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs ruht, wenn die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. Der Zeitraum des Ruhens beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses.

 

Es ist im Interesse der Versichertengemeinschaft nicht gerechtfertigt, wenn Arbeitnehmer im Anschluss an das Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt in Form der Urlaubsabgeltung erhalten und abweichend von § 157 Abs. 1 SGB III daneben die Lohnersatzleistung beziehen würden (vgl. BT-Drucks. 9/846 S. 44 zu Nr. 35a). Es tritt für die Dauer des abgegoltenen Urlaubs ein Ruhen des Anspruchs ein, weil mit der Arbeitgeberleistung dem Arbeitnehmer ermöglicht wird, den früher entgangenen Urlaub nachzuholen.

 

Die Urlaubsabgeltung ist ein reiner Geldanspruch und entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei noch bestehendem und noch nicht erfülltem Urlaubsanspruch unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis. Das Bundesarbeitsgericht hat die früher vertretene Surrogattheorie aufgegeben (vgl. BAG, Urteil vom 4. Mai 2010 – 9 AZR 183/09BAGE 134, 196 ff. = juris Rdnr. 21), was ohne Auswirkung auf den Ruhenstatbestand des § 157 Abs. 2 SGB III bleibt (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 4. Mai 2017 – L 9 AL 8/17 NZB – juris Rdnr. 22 f.). Der Urlaubsanspruch richtet sich in Deutschland nach dem Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz – BUrlG) oder nach den einschlägigen Tarifverträgen. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Woche, erhöht sich oder vermindert sich die Urlaubsdauer entsprechend (vgl. BAG, Urteil vom 20. Juni 2000 – 9 AZR 309/99 – juris Rdnr. 36). Der Urlaub ist in natura im laufenden Kalenderjahr, bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis spätestens 31. März des folgenden Kalenderjahres zu nehmen (vgl. § 7 Abs. 3 BUrlG).

 

Selbst wenn ein Rechtsanspruch auf die tatsächlich ausgezahlte Urlaubsabgeltung nicht bestanden hätte, würde die Zahlung zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1993 – 11 RAr 17/92 – juris Rdnr. 16; Valgolio, in Hauck/Noftz: SGB III [1/2021] § 157 Rdnr. 58).

 

(2) Nach dieser nationalen Regelung ruht der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ab dem 6. Dezember 2015 jedenfalls bis zum 3. Januar 2016, da er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 5. Dezember 2015    ausweislich der Entgeltabrechnung und der Bescheinigung PD U1 für 33,60 Tage Urlaubsabgeltung zu beanspruchen hatte und auch tatsächlich erhalten hat.

 

(2.1) Die Bescheinigung PD U1 hat für die anderen Mitgliedstaaten Bindungswirkung (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2018 – C-356/15 [Kommission/Königreich Belgien] – ZESAR 2019, 225 ff. = juris Rdnr. 82 ff.; vgl. auch BSG, Urteil vom 17. März 2016 – B 11 AL 4/15 R – SozR 4-4300 § 143 Nr. 2 = juris Rdnr. 19). Zweifel über die Richtigkeit können von den Leistungsträgern und auch von den nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten nur im Wege des in der Verordnung (EG) 883/2004 und der Verordnung (EG) 987/2009 vorgesehenen Verfahrens korrigiert werden. Insofern bestimmt Art 5 Abs. 1 VO (EG) 987/2009, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellten Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich sind, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden. Falls die Gültigkeit des Dokuments oder die Richtigkeit des bescheinigten Sachverhalts zweifelhaft ist, wird in Konkretisierung der Verpflichtung das Verfahren des Dialogs und der Vermittlung zwischen den betroffenen Trägern beschrieben (vgl. BSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 – B 11 AL 20/17 R – SozR 4-6065 Art. 61 Nr. 1 = juris Rdnr. 26 m. w. N.).

 

Dieses Verfahren führte die Beklagte durch. Soweit zunächst Zweifel bestanden, räumte die Beklagte diese durch nochmalige Nachfrage aus. Die ursprünglich für das gesamte Jahr 2015 bescheinigten 85,20 Tage von gewährter Urlaubsgeltung wurden für das allein maßgebende letzte Arbeitsverhältnis auf 33,60 Tage Urlaubsabgeltung korrigiert.

 

(2.2) Zweifel, dass die korrigierte Bescheinigung den Anspruch auf Urlaubsabgeltung zutreffend ausweist, hat auch der Senat nicht. Weitere Ermittlungen sind nicht veranlasst.

 

Dem Kläger stand ausweislich des Arbeitsvertrages ein Urlaubsanspruch im Umfang von 12 Tagen im Monat zu. Dass sich die ausgewiesenen Urlaubstage auf den vollen Monat Seedienst beziehen, folgt aus § 12 des Tarifvertrages über Beschäftigungsbedingungen für EU-Arbeitnehmer Guest Service, dem sich der Arbeitgeber des Klägers unterworfen hat, und aus der tatsächlichen arbeitsvertraglichen Übung, die sich aus den vorliegenden Entgeltabrechnungen ergibt. Dieser hohe Urlaubsanspruch wurde monatlich bescheinigt und führt rechnerisch nachvollziehbar zu der für die Zeit vom 11. September 2015 bis zum 5. Dezember 2015 gewährten Urlaubsabgeltung im Umfang von 33,60 Tagen. Denn die Tätigkeit umfasst etwas weniger als drei Monate (sechs Tage weniger). Für volle drei Monate hätte sich ein Abgeltungsanspruch in Höhe von 36 Tagen ergeben. Die ausgewiesene 33,60 Tage berücksichtigen den Abschlag für die sechs Tage.

 

Der Arbeitgeber erbrachte die Urlaubsabgeltung auch „wegen der Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses. Denn der Abgeltungsanspruch bestand ausdrücklich nicht bereits während oder bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Er entstand erst mit und aufgrund der Beendigung des befristeten Vertrages. Auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Regelung war bei befristeten Verträgen keine Urlaubsgewährung entsprechend des Rotationsplans und keine Abgeltung während des bestehenden Arbeitsvertrages, wenn die Urlaubstage nicht vollständig bis zum Ende des Jahres verraucht werden konnten, vereinbart, sondern vielmehr ausdrücklich die Auszahlung der Urlaubstage bei Vertragsende. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung war damit an die Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages geknüpft.

 

(2.3) Dem Begehren des Klägers, die bescheinigten Tage rechnerisch in reine Urlaubstage und eine nachträgliche Zahlung für geleistete Dienste an Wochenenden und Feiertagen aufzuspalten, steht – unabhängig von der Bindungswirkung der PD U1-Bescheinigung und der fehlenden Verpflichtung der Beklagten, die vorliegend nach italienischem Arbeitsrecht zu beurteilende Rechtmäßigkeit arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Regelung zu überprüfen – vorliegend die tatsächlich getroffene arbeitsvertragliche Regelung (unten 2.3.1) und die tatsächlich bestehende Unmöglichkeit, danach den „reinen Urlaub“ rechnerisch zwingend einheitlich für vergleichbare Arbeitsverhältnisse zu ermitteln (unten 2.3.2), entgegen.

 

(2.3.1) Die Höhe des vereinbarten Urlaubsanspruchs ist dem Umstand geschuldet, dass während der Heuer ohne Unterbrechung gearbeitet werden musste und sich daher ein größerer Erholungsbedarf ergab. Er entsprach den den Arbeitgeber des Klägers bindenden tarifvertraglichen Regelungen. Denn hinsichtlich der Anzahl der Urlaubstage verweist der Arbeitsvertrag unter „Urlaubsanspruch“ auf den Tarifvertrag. Der Tarifvertrag verweist insoweit auf die Gehaltsordnung des Arbeitgebers. Der Arbeitsvertrag regelt ausdrücklich einen Urlaubsanspruch von 12 Tagen je Monat Seedienst. Sowohl der Arbeitsvertrag als auch der Tarifvertrag weisen ausdrücklich aus, dass das Monatsfestgehalt alle Überstunden sowie die Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen (und weitere Leistungen entsprechend des Tarifvertrages) umfasst. Ein (herauszurechnender) Anspruch auf weitere Zahlungen wegen eines abzugeltenden Freizeitausgleichs bestand danach nicht und ergibt sich auch nicht aus sonstigen Regelungen des Arbeits- oder Tarifvertrages. Vereinbart war allein der höhere Urlaubsanspruch. Entsprechen hat auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 20. Oktober 2020 (Az. L 2 AL 29/19 – juris Rdnr. 32) entschieden, dass ohne vertragliche Grundlage der zum Ausgleich für die hohe Arbeitsleistung an jedem Wochentag gewährte Urlaubsanspruch von im konkreten Fall acht Tagen je Beschäftigungsmonat nicht teilweise in einen Freizeitausgleich umgedeutet werden kann.

 

Danach führt eine Urlaubsabgeltung in voller Höhe zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, auch wenn der höhere Urlaubsanspruch nicht nur an die Beschäftigungsdauer anknüpft, sondern der Erholungsbedarf auch besondere Erschwernisse erfasst, die mit der Erbringung der Arbeitsleistung unmittelbar verbunden sind (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. März 2019 – – info also 2020, 32 ff. = juris Rdnr. 36).

 

(2.3.2) Soweit die tatsächlich auf den Monat entfallenden Wochenenden und Feiertage vom vereinbarten Urlaubsanspruch nach dem Willen des Klägers abgezogen werden sollen und nur die verbleibende Zeit als „reiner Urlaub“ gewertet werden soll, würde dies dazu führen, dass kein „reiner“ Urlaub verbliebe, wenn bei identischem Sachverhalt der konkret vereinbarte Urlaubsanspruch – wie im Senat anhängigen Parallelverfahren - monatlich 8 bis 11 Tage umfassen würde. Denn allein 8 bis 9 Tage entfallen monatlich auf die Wochenenden. Bei dieser Überlegung wären noch nicht einmal die auf die Monate entfallenen teilweise bis zu zwei Feiertage berücksichtigt.

 

Die vom Kläger begehrte Auslegung würde daher zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer und zudem zum Unterschreiben des nach Artikel 7 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung bestehende Anspruch auf Mindestjahresurlaub führen.

 

(3) Einer Berechnung des Ruhenszeitraum unter Heranziehung der in der PD U1 bescheinigten vollen Urlaubsabgeltung stehen Artikel 62 VO (EG) 883/2004 und Artikel 5 VO (EG) 883/2004 nicht entgegen.

 

Es bestehen keine Zweifel, dass die nach italienischem Recht gewährte Urlaubsabgeltung mit den inländischen Leistungen nach Motivation und Funktion gleichzustellen ist.

 

Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ist nicht ausgeschlossen. Bei einer Heuer nach deutschen Recht würde sich die Rechtsfrage aufgrund § 64 Abs. 1 Satz 1 des Seearbeitsgesetzes (SeeArbG) mit den gleichen Auswirkungen auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht stellen. Danach verlängert sich das Heuerverhältnis, wenn das Besatzungsmitglied bei Beendigung des Heuerverhältnisses noch nicht den ihm zustehenden Urlaub erhalten, um die Dauer des nicht gewährten Urlaubs, es sei denn, dass eine Verlängerung des Heuerverhältnisses infolge des Eingehens eines neuen Rechtsverhältnisses nicht möglich ist (Nummer 1) oder das Besatzungsmitglied aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage ist, den Urlaub während des Zeitraums der Verlängerung zu nehmen (Nummer 2).

 

Auch der Umstand, dass der Urlaub vom Kläger nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung aufgrund der Befristung des Arbeitsvertrages auf einen konkreten Seedienst „in jedem Fall ausgezahlt“ und somit wohl nicht in Natura genommen werden sollte, ändert daran nichts. Rein tatsächlich dürfte es während der konkret jeweils von den Befristungen erfassten Kreuzfahrten nicht möglich sein, Urlaub in Natura zu nehmen, da regelmäßig der Heimathafen erst am Ende angefahren wird und die Heuer nur einen kurzen Zeitraum erfasst, so dass dringende betriebliche Belange die konkrete Urlaubsregelung rechtfertigen. Auch nach § 24 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für die Deutsche Seeschifffahrt (MTV-See) ist der Urlaub spätestens nach 180 Tagen ununterbrochenen Seedienst zu gewähren (Regelungsgehalt entspricht § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG). Übertragen auf die befristeten Heuerverträge führt dies zu einem identischen Ergebnis führt.

 

Zudem hätte es dem Kläger freigestanden, auf die Gewährung des Urlaubs in Natura zu bestehen und gegebenenfalls zu klagen. Auch ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich war, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu schließen, auf Entfristung des Arbeitsvertrages zu klagen oder einen höheren monatlichen Grundlohn oder andere laufende Zuschläge für die Dienste an Wochenenden und Feiertagen und nach seiner Auffassung spiegelbildlich einen geringeren Urlaubsanspruch (wobei fraglich ist, ob dies dem erhöhten Erholungsbedürfnis gerecht werden würde) zu verhandeln. Entsprechend regelt auch der zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Verband Deutscher Reeder e.V. abgeschlossene Manteltarifvertrag für die Deutsche Seeschifffahrt (MTV-See) vom 11. März 2002, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 30. Dezember 2014, in § 23 Abs. 5 MTV-See, dass der Urlaubsanspruch für Beschäftigte, die an Bord Dienst leisten, pro Monat gestaffelt nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit 11,5 bis 13,5 Urlaubstage je Monat beträgt (bei Dienst an Land 2,3 bis 4 Urlaubstage), um dem höheren Erholungsbedarf Rechnung zu tragen.

 

Der Kläger war über Jahre beim gleichen Arbeitgeber – jeweils nur mit relativ kurzen Zeiten der Unterbrechung – beschäftigt. Bei Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages oder einer erfolgreichen Klage auf Entfristung wäre der Urlaub in den Zeiten zwischen den Seediensten gewährt worden. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte nicht bestanden. Der Kläger hat sich für die Befristung entschieden. Dies hatte in der Vergangenheit auch erkennbar den Vorteil, dass teilweise ohne ein Ruhen aufgrund der Urlaubsabgeltung festzustellen, und anders als bei den unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern Arbeitslosengeld zusätzlich zur gezahlten Urlaubsabgeltung gezahlt wurde.

 

Die Auslegung steht damit im Einklang mit den Zielen der Verordnung (EG) 883/2004, die in den Mitgliedstaaten bestehenden Systeme der sozialen Sicherheit zu koordinieren, um sicherzustellen, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann.

 

(3) Die Beklagte hat den Zeitraum des Ruhens zugunsten des Klägers allein vom 6. Dezember 2015 bis zum 3. Januar 2016 zutreffend festgestellt. Für diese Zeit hat der Kläger folglich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

 

3. Entsprechend ist auch der Erstattungsbescheid rechtmäßig (vgl. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Der Kläger hat das zu Unrecht vorläufig gezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 1.248,16 EUR (= 29 Tage x 43,04 EUR/Tag) zu erstatten.

 

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.

 

III. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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