L 11 R 504/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 3036/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 504/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Für Beitragszeiten werden gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Abweichend ordnet § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderjahr an, dass als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrunde gelegt wird, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt ist (§ 69 Abs. 2 Nr. 2). Es besteht keine Rechtsgrundlage, stattdessen das später endgültig festgesetzte Durchschnittsentgelt für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und das Jahr davor zu berücksichtigen. Eine entsprechende Korrektur des Rentenbescheids nach §§ 44, 48 SGB X scheidet aus.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.02.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung der Altersrente im Rahmen eines Zugunstenverfahrens unter Berücksichtigung des Durchschnittsentgeltes nach der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2022 für das Kalenderjahr 2020 streitig.

Auf Antrag des 1957 geborenen Klägers (Bl. 25 der Verwaltungsakten in der Paginierung der im Klageverfahren vorgelegten elektronischen Verwaltungsakten <zukünftig Verwaltungsakten>) bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.06.2020 (Bescheid vom 02.06.2020, Bl. 98 ff. der Verwaltungsakten). Dabei berücksichtigte die Beklagte 56,1224 persönliche Entgeltpunkte, den Rentenartfaktor für die Altersrente von 1,0 sowie den aktuellen Rentenwert von 33,05 €. Sie legte u.a. für die Zeit vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2019 und vom 01.01.2020 bis zum 17.05.2020 Zeiten des Bezugs von Krankengeld sowie entsprechende beitragspflichtige Einnahmen (2019: 33.798,50 €; 2020: 13.175,00 €) und bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für diese Jahre die vorläufigen Durchschnittsentgelte nach § 70 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V.m. Anlage 1 (2019: 38.901,00 €; 2020: 40.551,00 €) zugrunde.

Am 28.02.2022 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 02.06.2020. In diesem Bescheid sei für das Kalenderjahr 2020 ein Durchschnittsentgelt in Höhe von 40.551,00 € zugrunde gelegt worden. Das Durchschnittsentgelt für das Jahr 2020 betrage nach der
Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2022 vom 30.11.2021 aber tatsächlich 39.167,00 €. Durch den verringerten Durchschnittsverdienst erhöhten sich die Entgeltpunkte für das Jahr 2020. Insoweit werde eine Neuberechnung ab Rentenantragstellung beantragt.

Mit Bescheid vom 13.10.2022 (Bl. 135 der Verwaltungsakten) lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Bescheid vom 02.06.2020 sei rechtmäßig. Damit sei dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.06.2020 in gesetzlicher Höhe gewährt worden. Für das Kalenderjahr vor Rentenbeginn (2020) sei bei der Rentenberechnung das vorläufige Durchschnittsentgelt in Höhe von 40.551,00 € zugrunde gelegt worden. Grundlage für die persönlichen Entgeltpunkte zur Ermittlung des Monatsbetrags der Rente seien u.a. Entgeltpunkte für Beitragszeiten (§ 66 SGB VI). Wie die Entgeltpunkte für Beitragszeiten zu ermitteln seien, bestimme § 70 SGB VI. § 70 Abs. 1 SGB VI sei bereits ab 01.01.1992 in Kraft getreten (Artikel 85 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung <Rentenreformgesetz 1992>). Danach würden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1 SGB VI) für dasselbe Kalenderjahr geteilt werde. Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI werde für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und das davor liegende Kalenderjahr als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrunde gelegt, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt sei. Bei der Berechnung der Rente seien die Durchschnittsentgelte des Jahres, in dem die Rente beginne, und des vorangegangenen Jahres noch nicht bekannt. Vor Inkrafttreten des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI habe sich die Ermittlung der Werteinheiten nach dem zuletzt bekannten Durchschnittentgelt gerichtet. Dies habe in der Vergangenheit zu einer Überhöhung der Werteinheiten für diese Zeiten geführt. Um realitätsnähere Bewertungen zu erreichen, sei daher ab 01.01.1992 die gesetzliche Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eingeführt worden. Eine Neuberechnung nach Bekanntwerden der Durchschnittentgelte sehe das Gesetz nicht vor.

Gegen den Bescheid vom 13.10.2022 legte der Kläger am 19.10.2022 Widerspruch ein (Bl. 172 der Verwaltungsakten). Zur Begründung brachte er vor, dass sich aus dem Wortlaut des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ergebe, dass für das Jahr des Rentenbeginns und des davor liegenden Kalenderjahres das vorläufig bestimmte Entgelt zugrunde zu legen sei. Aus dem Wort vorläufig ergebe sich, dass eine endgültige Festlegung des Durchschnittsverdienstes noch zu erfolgen habe. Wenn sich - wie vorliegend durch Corona bedingt - das Durchschnittsentgelt zu Gunsten des Versicherten ändere, weil es niedriger werde, also höhere Entgeltpunkte in Frage kämen, sei der Bescheid im Sinne von § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rechtswidrig und ab Rentenbeginn aufzuheben. Im Übrigen ergebe sich aus § 88 SGB VI, dass bei zu hoch festgestellten Durchschnittsentgelten dem Versicherten die bisherigen Entgeltpunkte verblieben. Im Umkehrschluss ergebe sich dann, wenn das Durchschnittsentgelt niedriger werde, dass dem Versicherten die Entgeltpunkte aus dem tatsächlichen Verdienst gutzuschreiben seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2022 (Blatt 178 der Verwaltungsakten) wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.10.2022 unter Wiederholung der bisherigen Begründung als unbegründet zurück

Dagegen hat der Kläger am 13.12.2022 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat - nach Anhörung der Beteiligten - die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2023 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.06.2020 unter Berücksichtigung des tatsächlichen anstelle des vorläufigen Durchschnittentgelts für das Jahr 2020 unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 02.06.2020. Das SG hat auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 06.08.2003 (L 1 RA 48/01) hingewiesen.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 15.02.2023 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 16.02.2023 beim LSG Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ergebe sich, dass bei der Berechnung der Rente für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderjahr als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrundezulegen sei, der für dieses Kalenderjahr vorläufig bestimmt werde. Mit dem vorläufigen Durchschnittsentgelt werde ausgesagt, dass der Verdienst noch nicht endgültig, aber bis auf Weiteres so verlaufend gemeint sei. Regelmäßig decke sich der Durchschnittsverdienst mit dem später endgültig festgesetzten Durchschnittsverdienst, sodass eine Berichtigung der Rentenbescheide im Regelfall nicht in Frage komme. Bedingt durch die coronabedingten Ereignisse habe sich der Durchschnittsverdienst jedoch mit der Folge ermäßigt, dass sich die Entgeltpunkte aus dem erzielten Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis erhöht hätten. Diese neue tatsächliche und rechtliche Situation habe der Gesetzgeber bei der Fassung des § 70 Abs. 1 SGB VI nicht bedacht bzw. sei nicht vorhersehbar gewesen, sodass in Folge der geänderten Umstände § 70 Abs. 1 SGB VI neu zu bewerten und vom Gericht auszulegen sei. Daher sei der angegriffene Bescheid im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X rechtswidrig und aufzuheben. Wenn sich im Übrigen die vorläufigen Durchschnittsentgelte später tatsächlich erhöht hätten, sodass es dann zu weniger Entgeltpunkten gekommen wäre, würden einem Versicherten die höheren Entgeltpunkte verbleiben. Im Umkehrschluss müsse dann gelten, dass einem Versicherten, bei dem sich die vorläufigen Durchschnittentgelte tatsächlich erhöhten, die erhöhten Entgeltspunkte zustünden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.02.2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2022 zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheids vom 02.06.2020 die Altersrente ab 01.06.2020 mit erhöhten Entgeltpunkten neu festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf ihre Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt (Bl. 3 und 17 der Senatsakten).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und auch im Übrigen statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 13.10.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 0
9.12.2022 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte eine Abänderung des Bescheids vom 02.06.2020 und die Gewährung einer Altersrente ab 01.06.2020 mit erhöhten Entgeltpunkten für 2020 unter Berücksichtigung des endgültigen Durchschnittsentgelts in Höhe von 39,167,00 € anstatt des vorläufigen Durchschnittentgelts in Höhe von 40.551,00 € abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt eine höhere Altersrente allein unter Verweis darauf, dass die Berechnung der Entgeltpunkte für 2020 unter Berücksichtigung des endgültigen Durchschnittsentgelts in Höhe von 39,167,00 € anstatt des vorläufigen Durchschnittentgelts in Höhe von 40.551,00 € erfolgen soll.

3. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13.10.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides 09.12.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat eine Änderung des Bescheids vom 02.06.2020 und die Gewährung einer höheren Altersrente zu Recht abgelehnt.

a. Als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren kommt zunächst § 44 SGB X in Betracht. Danach ist ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs. 1 SGB X).

Der Altersrentenbescheid vom 02.06.2020 war bzgl. der hier allein streitigen Rentenhöhe bei seinem Erlass nicht rechtswidrig. Die Berechnung der Entgeltpunkte für das Jahr 2020, die der Kläger allein moniert, erfolgt rechtmäßig und nicht rechtswidrig.

Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gem. § 64 SGB VI, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Die Beklagte hat zutreffend den Rentenartfaktor von 1,0 für Renten wegen Alters (§ 67 Nr. 1 SGB VI), den seinerzeit maßgeblichen Rentenwert (§§ 65, 68 SGB VI) sowie die persönlichen Entgeltpunkte in Höhe von 56,1224 (§§ 66, 70 ff. SGB VI) der Berechnung des Monatsbetrags der Rente zugrunde gelegt. Insbesondere stellt sich die Bestimmung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Jahr 2020 (wie auch im Jahr 2019) als rechtmäßig dar.

Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderjahr wird nach § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrunde gelegt, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt ist. Da vorliegend das Kalenderjahr des Rentenbeginns das Jahr 2020 war, war bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für die Jahre 2019 und 2020 die jeweilige Bemessungsgrundlage (2019: 33.798,00 €; 2020: 13.175,00 €) durch das jeweilige vorläufige Durchschnittsentgelt nach § 70 Abs. 1 SGB VI i.V.m. Anlage 1 (2019: 38.901,00 €; 2020: 40.551,00 €) zu teilen. Für das Begehren des Klägers, stattdessen das endgültige Durchschnittsentgelt für 2020 in Höhe von 39.167,00 € zu berücksichtigten, besteht keine Rechtsgrundlage. Die Regelung des § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI normiert, dass grundsätzlich die individuelle Beitragsbemessungsgrundlage des einzelnen Versicherten, also sein für die Berechnung der Entgeltpunkte zugrundezulegendes Arbeitseinkommen oder seine beitragspflichtige Einnahme durch das Durchschnittsentgelt zu teilen ist. Dieses Durchschnittsentgelt ergibt sich aus der Anlage 1 zum SGB VI, das nach § 69 Abs. 2 SGB VI regelmäßig angepasst und durch entsprechende Rechtsverordnung bekannt gegeben wird. Danach hat die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zum Ende eines jeden Jahres 1. für das vergangene Kalenderjahr das auf volle Euro gerundete Durchschnittsentgelt in Anlage 1 entsprechend der Entwicklung der Bruttolöhne und gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), 2. für das folgende Kalenderjahr das auf volle Euro gerundete vorläufige Durchschnittsentgelt, das sich ergibt, wenn das Durchschnittsentgelt für das vergangene Kalenderjahr um das Doppelte des Vomhundertsatzes verändert wird, um den sich das Durchschnittsentgelt des vergangenen Kalenderjahres gegenüber dem Durchschnittsentgelt des vorvergangenen Kalenderjahres verändert hat, zu bestimmen. Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird abweichend vom Grundsatz des § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und das Kalenderjahr vor dem Rentenbeginn - zwingend - bestimmt, dass für die Berechnung der Entgeltpunkte anstatt dess Durchschnittsentgelts i.S.d. § 69 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI das vorläufige Durchschnittsentgelt i.S.d. § 69 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu berücksichtigen ist. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil nach der Regelung des § 69 Abs. 2 SGB VI für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und das Vorjahr noch gar kein Durchschnittsentgelt, sondern lediglich das vorläufige Durchschnittsentgelt bestimmt ist und bestimmt werden kann (vgl. Diel in Hauck/Noftz SGB VI, § 70 Rn. 39; BeckOGK/Körner, Stand 01.08.2019, SGB VI, § 70 Rn. 8). Mit der Regelung des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird sichergestellt, dass die Rentenversicherungsträger zeitnah die korrekte Rentenhöhe ermitteln können (Reinhardt/Silber, SGB VI, 5. Aufl. 2021, § 70, Rn. 6). Dass im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über den Überprüfungsantrag des Klägers betreffend den Rentenbescheid vom 02.06.2020 zwischenzeitlich das Durchschnittsentgelt für das Jahr 2020 auf 39.167,00 € festgesetzt worden ist (Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2022 <Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2022> vom 30.11.2021, BGBl. I, 5044), ändert nichts daran, dass nach der zwingenden Regelung des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des zur Überprüfung gestellten Bescheides vom 02.06.2020 das vorläufige Durchschnittsentgelt für das Jahr 2020 in Höhe von 40.551,00 € der Berechnung der Entgeltpunkte für das Jahr des Rentenbeginns 2020 zugrunde zu legen war. Eine nachträgliche Korrektur - auch im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X - scheidet aus (allgemeine Meinung; vgl. Bayerisches LSG 06.08.2003, 1 RA 48/01, juris; Diel in Hauck/Noftz SGB VI, § 70 Rn. 40; BeckOGK/Körner, Stand 01.08.2019, SGB VI, § 70 Rn. 9; Reinhardt/Silber, SGB VI, 5. Aufl. 2021, § 70 Rn. 6; Scharf in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 70 SGB VI <Stand 01.04.2021>, Rn. 80). Die Begründung des Klägers, dass durch „coronabedingte“ Besonderheiten eine Neubewertung der Rechtslage erforderlich sei, überzeugt nicht. Zunächst verkennt der Kläger den zwingenden Charakter der Norm des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Weiterhin ignoriert der Kläger, dass es sich um keine Besonderheit der Corona-Pandemie handelt, sondern in den Jahren 1993, 1994, 1995, 1997, 1998, 2000, 2003, 2004, 2005, 2009, 2010, 2013, 2014, 2016, 2017, 2020 und 2021 jeweils das vorläufige Durchschnittsentgelt höher als das endgültige Durchschnittsentgelt festgesetzt wurde.

b. Schließlich liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheids vom 02.06.2020 gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 Nr. 1 SGB X nicht vor. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Vorliegend ist weder in den tatsächlichen noch rechtlichen Verhältnissen gegenüber den Verhältnissen bei Erlass des Bescheids vom 02.06.2020 eine wesentliche Änderung eingetreten. Die tatsächlichen Verhältnisse haben sich im Vergleich zum Erlass des Bescheids vom 02.06.2020 nicht verändert. Auch die rechtlichen Verhältnisse sind unverändert geblieben. § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ordnet - nach wie vor - zwingend an, dass für das Kalenderjahr des Rentenbeginns (vorliegend 2020) und für das davor liegende Kalenderjahr (2019) als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrunde gelegt wird, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
Saved