L 4 P 132/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 153/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 132/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bei einem an Mukoviszidose erkrankten Kind kann die Beaufsichtigung und das Anhalten zur (hochkalorischen) Nahrungsaufnahme im Modul 4 und im Modul 5 berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit eines Anhaltens zum Essen bringt Einschränkungen der Selbstständigkeit zum Ausdruck, soweit krankheitsbedingt das natürliche Hungergefühl den Pflegebedürftigen nicht hinreichend zur Nahrungsaufnahme motiviert und daher nicht als Maßstab für den Umfang der Nahrungsaufnahme herangezogen werden kann. Insoweit ist eine Kumulation (= Hilfebedarf beim Essen und beim Einhalten einer Diät) möglich, wenn - wie hier - keine Deckungsgleichheit vorliegt.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch ein Anspruch des Klägers auf Pflegegeld nach Pflegegrad 3 für seine Tochter im Zeitraum 1. Juli 2019 bis 31. Juli 2021 streitig.

Der Kläger ist bei der Beklagten privat pflegeversichert nach dem Pflegetarif PVN. Dem Pflegeversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die private Pflegeversicherung (MB/PVV, Zusatzvereinbarungen und Tarifbedingungen) zu Grunde. Der Versicherungsschutz umfasst auch Leistungen für seine 2014 geborene Tochter L1 (im Folgenden: L.S.), die an Mukoviszidose (Fibrosis cystica), einer exokrinen Pankreasinsuffizienz, Urtikaria, ekzematösen Hautveränderungen, einer Labiensynechie und rezidivierenden Angst- und Panikattacken (bei Atemnot) leidet. Der Kläger erhielt für seine Tochter von der Beklagten seit dem 1. Februar 2017 befristet bis zum 20. Juni 2019 Leistungen nach dem Pflegegrad 3.

Nach Ablauf der zeitlichen Befristung veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der L.S. durch die M1 GmbH. In seinem Gutachten vom 1. Juli 2019 nach Begutachtung in häuslicher Umgebung ermittelte der Arzt B1 unter Berücksichtigung der pflegebegründenden Diagnosen zystische Fibrose, nicht näher bezeichnet, exokrine Pankreasinsuffizienz, Urtikaria, ekzematöse Hautveränderungen, Inkontinenz und Panikattacken einen pflegerelevanten Hilfebedarf von insgesamt 35,00 gewichteten Punkten. In den Modulen 1 und 2 bestehe kein relevanter Hilfebedarf. Im Modul 3 sei aufgrund täglich auftretender Ängste ein Hilfebedarf von drei Einzelpunkten und 11,25 gewichteten Punkten festzustellen. Im Modul 4 sei zu berücksichtigen, dass das mundgerechte Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken überwiegend unselbstständig und das Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls überwiegend selbstständig möglich sei; hieraus ergäben sich aber keine Einzel- und keine gewichteten Punkte. Im Modul 5 bestehe ein täglicher Hilfebedarf bei der Medikation, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen und Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, einmal monatlich ein Hilfebedarf bei Arztbesuchen und wöchentlich beim Besuch anderer medizinischer und therapeutischer Einrichtungen (bis zu drei Stunden), was sechs Einzelpunkte und 20,00 gewichtete Punkte ergebe. Im Modul 6 sei zu berücksichtigen, dass die Gestaltung des Tagesablaufs und die Anpassung an Veränderungen nur überwiegend selbstständig und das Ruhen und Schlafen überwiegend unselbstständig möglich seien, weshalb ein Einzelpunkt und 3,75 gewichtete Punkte zu berücksichtigen seien. Ausgehend von 35,00 gewichteten Punkten sei der Pflegegrad 2 festzustellen. Gegenüber der Vorbegutachtung sei L.S. beim Bewältigen von Treppen selbstständig geworden, weshalb sie im Bereich der Mobilität (Modul 1) als selbstständig zu bewerten sei. Auch wenn sie wegen Widerwillens zur Nahrungsaufnahme motiviert werden müsse, sei im Modul 4 die Nahrungsaufnahme als selbstständig anzusehen. Ein zusätzlicher krankheitsbedingter hygienischer Aufwand könne nur im Modul 5 bewertet werden.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei L.S. Pflegebedürftigkeit nach Pflegegrad 2 vorliege und er ab dem 1. August 2019 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 316,00 € erhalte. Das noch offene Pflegegeld für die Monate Mai bis Juli 2019 werde nacherstattet. Die Leistungszusage werde bis zum 31. Juli 2021 befristet.

Der Einstufung seiner Tochter in den Pflegegrad 2 widersprach der Kläger mit Schreiben vom 11. August 2019. In dem Gutachten der M1 GmbH fehlten einige pflegerelevante Aspekte oder seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Im Bereich der Mobilität sei zu berücksichtigen, dass das Treppensteigen nur überwiegend selbstständig möglich sei. Zwar bestehe keine Beeinträchtigung seitens des motorischen Bewegungsablaufs, L.S. sei aber sehr schnell außer Atem, steige die Treppenstufen oft nur langsam, wo es möglich sei mit Festhalten, und sei sehr schnell überanstrengt. Im Modul 2 sei zu berücksichtigen, dass das Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben und das Mitteilen elementarer Bedürfnisse nur größtenteils vorhanden sei. Im Modul 3 sei zusätzlich eine häufig auftretende nächtliche Unruhe zu berücksichtigen. Selten komme es auch zum Beschädigen von Gegenständen und physisch aggressivem Verhalten gegenüber anderen Personen. Täglich komme es zu Abwehr pflegerischer Maßnahmen. Insbesondere im Modul 4 sei ein weitergehender Hilfebedarf zu berücksichtigen. Bei Verrichtungen der Körperpflege sei L.S. im Bereich des Kopfes und des Intimbereichs überwiegend unselbstständig, beim Duschen und Baden, einschließlich Waschen der Haare komplett unselbstständig. Mahlzeiten gestalteten sich immens zeitaufwändig und zögen sich oft über 1,5-2 Stunden hin, da L.S. unaufhörlich zur Nahrungsaufnahme motiviert werden müsse. Dabei handele es sich nicht um ein kleinkindtypisches Verhalten, sondern um ein krankheitstypisches Symptom bei Mukoviszidose. Auch an das Trinken müsse L.S. immer wieder erinnert werden. Es bestehe ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf in Verbindung mit mangelndem Durstgefühl. Das Benutzen der Toilette sei überwiegend unselbstständig. Es bestehe ein verstärkter Hygienebedarf mit Übernahme der Intimpflege. Im Modul 5 sei eine zweimal tägliche Bereitstellung des Inhalationsgerätes zu berücksichtigen. Im Modul 6 seien weitere Einschränkungen beim Sich-Beschäftigen, der Interaktion mit Personen im direkten Kontakt und der Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfeldes zu berücksichtigen, was L.S. nur überwiegend selbstständig möglich sei. Der angenommene Pflegebedarf von 28 Wochenstunden sei bei weitem nicht ausreichend, durchschnittlich seien etwa 47 Stunden pro Woche anzunehmen.

Die Beklagte holte ein Zweitgutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch die M1 GmbH ein. Herr A1 gelangte in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2019 nach einem Hausbesuch ebenfalls zu einem pflegerischen Hilfebedarf von 35,00 gewichteten Punkten. Trotz eingeschränkter pulmonaler Belastbarkeit könne L.S. Treppen ohne Hilfe begehen. Die darüber hinaus durch die Eltern geltend gemachten Aspekte seien im Wesentlichen als altersentsprechender Unterstützungsbedarf anzusehen.

Zur Begründung der am 14. Januar 2020 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, dass insbesondere die Bewertung des Moduls 4 mit 0 Punkten unzutreffend sei. Da das Verdauungssystem bei an Mukoviszidose Erkrankten betroffen sei, litten die Betroffenen – wie auch L.S. – an einer Einschränkung des Verdauungstrakts. Dies habe zur Folge, dass L.S. den teilweisen Defekt des Verdauungssystems durch eine erhöhte Kalorienzufuhr ausgleichen müsse. Dies wiederum führe dazu, dass eine hohe Kalorienzufuhr erfolgen müsse, die weit über das Sättigungsgefühl hinausgehe. Im Vergleich zu gesunden Kindern sei der Bedarf an Kalorienzufuhr um 150% erhöht. Gerade aufgrund des jungen Alters der L.S. stelle dies eine erhebliche Belastung dar. Jede Nahrungsaufnahme müsse überwacht, L.S. ständig zur Nahrungsaufnahme angehalten werden. Es komme hier nicht auf die Einhaltung einer Diät an, sondern insbesondere darauf, dass von der Pflegeperson überwacht werden müsse, dass die bereitgestellte Nahrung überhaupt verzehrt werde.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines pflegefachlichen Gutachtens bei A2. Die Gutachterin stellte in ihrem Gutachten vom 3. Juli 2020 nach Begutachtung der L.S. im häuslichen Umfeld einen Gesamthilfebedarf von 58,75 gewichteten Punkten und weiterhin die Voraussetzungen für den Pflegegrad 3 fest. Die Module 1, 2, 5 und 6 bewertete sie entsprechend der Vorgutachten. Abweichende Bewertungen ergäben sich in den Modulen 3 und 4. Im Modul 3 sei das Abwehrverhalten des Kindes gegenüber therapeutischen Maßnahmen nicht als entwicklungsbedingt zu begründen. Ein gesundes, normal entwickeltes gleichaltriges Kind habe keine therapeutischen Maßnahmen durchzuführen und müsse diese weder annehmen noch ablehnen. Die tägliche Abwehr sei mit 5 Punkten zu bewerten, so dass sich die gewichtete Punktzahl im Modul 3 auf 15,00 Punkte erhöhe. Im Modul 4 sei nach den Richtlinien die Begleitung der Nahrungsaufnahme unabhängig vom Einhalten einer Diät zu werten. Insoweit liege ein Fehler in den Vorgutachten vor. Das Einhalten der Diät umfasse das Zusammenstellen der Nahrungsbestandteile entsprechend der ärztlichen Vorschriften, das Ausrechnen von Mengen, die Einsichtsfähigkeit der Person zur Einhaltung der Vorschriften, nicht die Durchführung der Nahrungsaufnahme. Es seien daher im Modul 4 acht Einzelpunkte mehr und insgesamt 20,00 gewichtete Punkte zu vergeben. Zu berücksichtigen sei außerdem ein Hilfebedarf beim Zähneputzen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und wandte gegen das Gutachten von A2 im Wesentlichen ein, deren Einschätzung zum Mehrbedarf bei der Nahrungsaufnahme sei unzutreffend. Die Gutachterin bestätige im Grundsatz, dass L.S. sich bei der Nahrungsaufnahme durchaus altersentsprechend verhalte. Eine Überwachung der Nahrungsaufnahme sei ausschließlich aufgrund der einzuhaltenden Diät erforderlich und daher beim Hilfebedarf unter „Einhalten einer Diät“ zu berücksichtigen. Die außerdem erfolgte Vergabe eines weiteren Punktes für einen Hilfebedarf beim Zähneputzen sei nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 10. November 2021 verurteilte das SG die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen, dem Kläger ab dem 1. Juli 2019 befristet bis zum 31. Juli 2021 Leistungen nach dem Pflegegrad 3 in Form von Pflegegeld für L.S. zu zahlen. Der Kläger habe für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 31. Juli 2021 Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld nach dem Pflegegrad 3 für seine Tochter. A2 sei im Ergebnis überzeugend zu der Auffassung gelangt, dass bei L.S. die Voraussetzungen des Pflegegrades 3 erfüllt seien. Die durch die Gutachterin festgestellten grundpflegerischen Bedarfe ließen sich anhand der erhobenen Befunde und dargestellten Körperfunktionsstörungen nachvollziehen. Insbesondere sei der im Modul 4 durch die Gutachterin angenommene Hilfebedarf zu berücksichtigen. L.S. benötige demnach eine ständige Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr. Dabei sei zu berücksichtigen, inwieweit die Notwendigkeit der ausreichenden Nahrungsaufnahme (auch ohne Hungergefühl oder Appetit) erkannt und die empfohlene Menge tatsächlich gegessen werde. Da L.S. ständig zur Nahrungsaufnahme motiviert und diese lenkend begleitet werden müsse, sei die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich. Diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit den aktuellen Begutachtungs-Richtlinien (KF 4.4.8), in denen ausdrücklich vorgesehen sei, dass auch zu berücksichtigen sei, inwieweit die Notwendigkeit der ausreichenden Nahrungsaufnahme (auch ohne Hungergefühl oder Appetit) erkannt und die empfohlene, gewohnte Menge tatsächlich gegessen werde. Die Berücksichtigung eines Punktes für einen Hilfebedarf beim Zähneputzen durch die Sachverständige habe keine Auswirkungen auf den Pflegegrad. Die Leistungen seien entsprechend der Befristung der Leistungszusage der Beklagten vom 1. Juli 2019 bis zum 31. Juli 2021 zu befristen. Die von der Beklagten vorgenommene Befristung sei im Hinblick auf das Alter der L.S. nachvollziehbar. Denn der Hilfebedarf könne sich durch Entwicklungsschritte und Veränderungen der Bewertungsmaßstäbe verändern.

Gegen das ihr am 12. Januar 2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Januar 2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen. Die Voraussetzungen des Pflegegrads 3 bei der Tochter des Klägers hätten entgegen den Ausführungen des SG nicht vorgelegen. Die Bewertung des Moduls 4 entspreche nicht den aktuellen Begutachtungs-Richtlinien. Nach den Begutachtungs-Richtlinien (Kapitel 5.5.5, KF 4.4.8) gehe es bei dem Kriterium „Essen" um die Fähigkeit, bereitgestellte und mundgerecht zubereitete Speisen zu essen. Dies beinhalte das Aufnehmen, Zum-Mund-Führen, gegebenenfalls Abbeißen, Kauen und Schlucken von mundgerecht zubereiteten Speisen, die üblicherweise mit den Fingern oder mit Gabel oder Löffel oder gegebenenfalls mit entsprechenden Hilfsmitteln gegessen werden. Das Einhalten von Diäten sei jedoch nicht beim Kriterium 4.4.8 (Essen) zu bewerten, sondern beim Kriterium 4.5.16. Nach den Begutachtungs-Richtlinien (Kapitel 5.5.5, KF 4.4.9) gehe es bei dem Kriterium „Trinken“ um die Fähigkeit, bereitstehende Getränke aufzunehmen, gegebenenfalls mit entsprechenden Hilfsmitteln. Die Tochter des Klägers sei, was die Aufnahme von Essen und Trinken angehe, altersentsprechend entwickelt, d.h. sie sei altersentsprechend in der Lage, bereitgestellte und mundgerecht zubereitete Speisen und Getränke selbstständig zum Mund zu führen und aufzunehmen. Nur die diätentsprechende Aufnahme von Nahrung und Getränken müsse überwacht werden. Dies sei jedoch ausschließlich im Kriterium 4.5.16 zu berücksichtigen. Dieses Kriterium sei sinnlos, wenn eine entsprechende Überwachung bereits im Kriterium 4.4.8 zu berücksichtigen wäre. Der entsprechende Hilfebedarf sei im Modul 4 daher nicht zu berücksichtigen, so dass die Voraussetzungen für den Pflegegrad 3 nicht erreicht würden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. November 2021 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

            die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die am 25. Januar 2022 gegen das ihm am 14. Dezember 2021 zugestellte Urteil erhobene Anschlussberufung hat der Kläger am 19. August 2022 zurückgenommen. Der Kläger hat im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Einschätzung von A2 und des SG hinsichtlich der Einordnung des Anhaltens zum Essen und Trinken in das Modul 4 sei richtig, insbesondere anhand der geltenden Gutachterrichtlinien erfolgt. Es komme hier nicht auf die Einhaltung einer Diät an, sondern insbesondere darauf, dass von der Pflegeperson überwacht werden müsse, dass die bereitgestellte Nahrung überhaupt verzehrt werde und die Einnahme der Kreon-Tabletten auf die aufgenommene Nahrung abgestimmt werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, inwieweit die Notwendigkeit der ausreichenden Nahrungsaufnahme (auch ohne Hungergefühl oder Appetit) erkannt und die empfohlene, gewohnte Menge tatsächlich gegessen werde, inwieweit die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme (auch ohne ausreichendes Durstgefühl) erkannt und die empfohlene oder gewohnte Menge tatsächlich getrunken werde. Auch die Notwendigkeit des Anhaltens zum Essen bringe Einschränkungen der Selbstständigkeit zum Ausdruck, soweit krankheitsbedingt das natürliche Hungergefühl den Pflegebedürftigen nicht hinreichend zur Nahrungsaufnahme motiviere und daher nicht als Maßstab für den Umfang der Nahrungsaufnahme herangezogen werden könne. Da der Gesetzgeber die Selbstständigkeit in Bezug auf den gesamten Vorgang des „Essens“ beurteilt sehen wolle, seien auch Defizite bei der sachgerechten Zusammenstellung der Mahlzeiten und der angemessenen quantitativen Bemessung der Nahrungsmenge im Sinne der Vermeidung einer Überernährung/Unterernährung relevant.

Der frühere Berichterstatter des Senats hat am 18. August 2022 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt; wegen der durch den Kläger gemachten Angaben wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


1. Die nach §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §143 SGG statthaft und zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, da sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Gewährung von Pflegegeld nach dem Pflegegrad 3 im Zeitraum 1. Juli 2019 bis 31. Juli 2021 und damit für mehr als ein Jahr wendet (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, nachdem der Kläger die zunächst erhobene Anschlussberufung zurückgenommen hat, dessen Anspruch auf Pflegegeld für seine Tochter nach dem Pflegegrad 3 für den Zeitraum 1. Juli 2019 bis 31. Juli 2021.

Die gegen das insoweit zusprechende Urteil des SG gerichtete Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die Klage, die als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft ist, ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Sozialrechtsweg für die hier im Streit befindlichen Pflegeleistungen aus einer privaten Pflegeversicherung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG gegeben. Einer zusätzlichen Anfechtungsklage bedurfte es nicht. Die Beklagte ist als privates Versicherungsunternehmen nicht befugt, zur Regelung der zwischen ihr und ihren Versicherten bestehenden Rechtsverhältnisse Verwaltungsakte zu erlassen. Demgemäß hat die Beklagte die Ablehnung der Leistung in der begehrten Höhe auch nur durch eine schriftliche Mitteilung, nicht aber durch einen förmlichen Bescheid (Verwaltungsakt) ausgesprochen. Mangels Verwaltungsakts bedurfte es auch keines Vorverfahrens (§ 78 SGG) als Klagevoraussetzung. Es reicht vielmehr aus, dass die von dem Kläger beanspruchte Leistung zunächst bei der Beklagten geltend gemacht und von dieser endgültig abgelehnt worden ist, sodass Rechtsschutz nur noch durch Beschreitung des Klageweges gewährt werden kann (BSG,
Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R – juris, Rn. 15; Urteil vom 13. Mai 2004 B 3 P 7/03 R juris, Rn. 14).

a) Anspruchsgrundlage für die mit der Klage geltend gemachte Leistung ist § 192 Abs. 6 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag über eine private Pflegeversicherung und den diesen Vertrag zugrundeliegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB und MB/PPV). Maßgebend sind die im streitigen Zeitraum geltenden MB/PPV 2019, welche Leistungen der privaten Pflegeversicherung vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) gleichwertig sind (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 Nr. 1 SGB XI).

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Pflegeversicherung nach Tarif PVN. Der nach § 1 Abs. 2 MB/PPV erforderliche Pflegefall ist eingetreten. Die Tochter des Klägers ist bei diesem beitragsfrei mitversichert (§ 8 Abs. 2 MB/PPV, entsprechend § 25 SGB XI) und
auf Grund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen pflegebedürftig, weil sie für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens nach Maßgabe des § 1 Abs. 6 MB/PPV in erheblichem oder höherem Maße auf Dauer der Hilfe bedarf (§ 1 Abs. 2 MB/PPV, entsprechend § 14 Abs. 1 SGB XI). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

b) Der Kläger ist aktivlegitimiert; Leistungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag stehen allein ihm und nicht seiner Tochter als eigenes Recht zu. Dies ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag (§ 6 Abs. 5 Satz 2 MB/PVV) i.V.m. § 178a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 VVG (BSG, Urteile vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R – juris, Rn. 16; 13. März 2001 – B 3 P 10/00 R – juris, Rn. 20, vom 17. Mai 2000 – B 3 P 8/99 R – juris, Rn. 12, und vom 29. April 1999 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 17). Rechtsinhaber ist danach allein der Versicherungsnehmer, auch wenn es sich nicht um einen ihn selbst betreffenden Versicherungsfall handelt, sondern um den einer dritten Person, für die der Versicherungsnehmer die Leistungsverpflichtung übernommen hat. Aus dieser Aktivlegitimation folgt das prozessuale Recht des Klägers, den Anspruch zu Gunsten seiner Tochter in eigenem Namen geltend zu machen.

c) Der Kläger hat den nach § 6 Abs. 1 MB/PVV erforderlichen Antrag bereits im Jahr 2017 gestellt und seither Leistungen bezogen.
 
d) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 MB/PPV (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI) sind Personen dann pflegebedürftig, wenn sie gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten sind nach § 1 Abs. 3 MB/PPV (vgl. § 14 Abs. 2 SGB XI) die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes. Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
in Bezug auf: Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in den Bereichen der Haushaltsführung und der außerhäuslichen Aktivitäten werden nicht zusätzlich berücksichtigt, sondern fließen in die Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit ein, soweit sie in den oben genannten Bereichen abgebildet sind. Darüberhinausgehende Beeinträchtigungen in diesen beiden Bereichen wirken sich mithin nicht auf die Bestimmung des Pflegegrades aus (vgl. § 14 Abs. 3 SGB XI; zum Ganzen: Meßling, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 3. Aufl., Stand: 4. Januar 2023, § 14 Rn. 266 ff. m.w.N.). Sowohl die Auflistung der sechs Pflegebereiche als auch die zu deren Konkretisierung aufgeführten Pflegekriterien bilden einen abschließenden Katalog, der nicht um – vermeintlich fehlende – zusätzliche Kriterien oder gar Bereiche ergänzt werden kann (Meßling, a.a.O., § 14 Rn. 118). Inhaltlich erfahren die Pflegekriterien eine nähere Bestimmung durch die auf Grundlage des § 17 Abs. 1 SGB XI mit Wirkung vom 1. Januar 2017 vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen erlassenen Richtlinien zum Verfahren der Feststellung von Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) vom 15. April 2016, zuletzt geändert durch Beschluss vom 22. März 2021 (dort insbesondere Ziffern 4.8.3 und 4.9). Soweit sich diese untergesetzlichen Regelungen innerhalb des durch Gesetz und Verfassung vorgegebenen Rahmens halten, sind sie als Konkretisierung des Gesetzes zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten (Meßling, a.a.O., § 14 Rn. 87 m.w.N.; zum alten Recht vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8). Die BRi sind gemäß § 23 Abs. 6 Nr. 1 SGB XI auch bei privaten Pflegeversicherungen anzuwenden (Kalis, in: Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 192 Rn. 212).

Nach § 1 Abs. 6 MB/PPV (vgl. § 15 Abs. 1 SGB XI) erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt, wobei dieses in sechs Module, entsprechend den oben genannten Bereichen, gegliedert ist. Die Kriterien der einzelnen Module sind in Kategorien unterteilt, denen Einzelpunkte zugeordnet werden. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Die Einzelpunkte in den jeweiligen Modulen werden sodann addiert und einem jeweiligen Punktbereich zugeordnet, aus dem sich die gewichteten Punkte ergeben. Insgesamt wird für die Beurteilung des Pflegegrades die Mobilität mit 10 Prozent, die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, die Selbstversorgung mit 40 Prozent, die Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent und die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent gewichtet (§ 1 Abs. 5 MB/PPV; § 15 Abs. 2 Satz 8 SGB XI).


Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen: ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (§ 1 Abs. 6 MB/PPV; § 15 Abs. 3 Satz 4 SGB XI).

Bei Kindern wird nach § 1 Abs. 9 MB/PVV (§ 15 Abs. 6 SGB XI) der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Damit wird klargestellt, dass der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern, der jeweils vom Lebensalter der Betroffenen abhängt, unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand abzustellen ist (BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 3/97 R – juris, Rn. 30; BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 5/97 R – juris, Rn. 27; BSG, Urteil vom 26. November 1998 – B 3 P 20/97 R – juris, Rn. 24).

c) Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegegrad 3 für L.S. im Zeitraum 1. Juli 2019 bis 31. Juli 2021 vorliegen, da ein Hilfebedarf von 58,75 gewichteten Punkten erreicht wird.


aa) Bei L.S. bestehen die pflegebegründenden Diagnosen Mukoviszidose (Fibrosis cystica), exokrine Pankreasinsuffizienz, Urtikaria, ekzematöse Hautveränderungen, Labiensynechie und rezidivierende Angst- und Panikattacken. Dies entnimmt der Senat den Gutachten von B1 und Herrn A1, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. etwa BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R – juris, Rn. 19; BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51; zur Heranziehbarkeit als gerichtliche Entscheidungsgrundlage: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 13), und dem Gutachten der A2 vom 3. Juli 2020.

bb) Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Einstufung in einen Pflegegrad stützt sich der Senat insbesondere auf das Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen A2. Diese hat unter Berücksichtigung der ärztlich dokumentierten Gesundheitsstörungen und Befunde sowie der von ihr selbst bei der Begutachtung getroffenen Feststellungen die Funktionsbeeinträchtigungen und den daraus resultierenden Pflegebedarf schlüssig und nachvollziehbar dargestellt und überzeugend bewertet.

(1) Nachvollziehbar ergibt sich aus den oben festgestellten Gesundheitsstörungen im Modul 1 (Mobilität) kein relevanter Hilfebedarf. Wie A2 überzeugend und in Übereinstimmung mit den Vorgutachten darlegt, bestehen keine Einschränkungen der Mobilität, die Kopf- und Rumpfstabilität ist erhalten und es ist keine besondere Bedarfskonstellation festzustellen. A2 beschreibt die Bewegungsabläufe als altersgerecht entwickelt. L.S. konnte im Rahmen der Begutachtung sicher stehen und gehen, kletterte auf eine Sitzbank, konnte sich erheben und aus dem Liegen selbstständig aufstehen. Die durch die Eltern beschriebenen Einschränkungen beim Treppensteigen beziehen sich darauf, dass L.S. sich beim Treppensteigen sehr anstrengen muss, außer Atem kommt und schnell überanstrengt ist. Gegenüber dem Gutachter A1 bestätigte die Mutter allerdings, dass L.S. trotz der eingeschränkten pulmonalen Belastbarkeit Treppen ohne Hilfe begehen kann. Nach den BRi F 4.1 richtet sich die Einschätzung im Modul 1 auch ausschließlich danach, ob die Person in der Lage ist, ohne personelle Unterstützung eine Körperhaltung einzunehmen/zu wechseln und sich fortzubewegen. Zu beurteilen sind daher ausschließlich motorische Aspekte wie Körperkraft, Balance oder Bewegungskoordination. Einschränkungen in diesen Bereichen sind bei L.S. nach den übereinstimmenden Angaben der Gutachter nicht festzustellen.

(2) Im Modul 2 (kognitive Fähigkeiten) bestehen keine Einschränkungen, die einen relevanten Pflegebedarf begründen würden. Die Fähigkeiten der L.S. werden in allen Gutachten als altersgerecht beschrieben. Kognitive und kommunikative Beeinträchtigungen sind nicht festzustellen. Bei der Begutachtung durch
 A2 zeigte sich L.S. freundlich zugewandt und offen. Eine Kontaktaufnahme gelang unmittelbar. L.S. konnte sich altersgerecht äußern und war altersgerecht entwickelt.. A2 stellte eine bestehende Schulreife fest. Die durch A2 beschriebenen Einschränkungen in den kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten (örtliche und zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen sowie Verstehen von Sachverhalten und Informationen nur größtenteils vorhanden, Erkennen von Risiken und Gefahren in geringem Maße vorhanden) sind als altersgerecht anzusehen und begründen daher keinen relevanten Hilfebedarf.

(3) Im Modul 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) sind 10 Einzelpunkte und damit 15,00 gewichtete Punkte zu berücksichtigen. L.S. leidet an nächtlichen Panikattacken und Angstzuständen bei nächtlicher Atemnot. Gegenüber dem Gutachter A1 beschrieben die Eltern, dass L.S. jede Nacht mit Erstickungsängsten aufwacht und dann beruhigt werden muss. Ein Hilfebedarf aufgrund der nächtlichen Angstzustände ist nachvollziehbar und wird von allen Gutachtern anerkannt. Dies führt zu fünf Einzelpunkten. Darüber hinaus ist ein weiterer Hilfebedarf aufgrund des Abwehrverhaltens der L.S. gegenüber therapeutischen Maßnahmen zu berücksichtigen. L.S. verweigert, wie die Eltern insbesondere gegenüber den Gutachtern A1 und A2 beschrieben haben, immer wieder die Medikamenteneinnahme, die Inhalationen, die Atemübungen und das aktive Mitwirken bei der Physiotherapie. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung der A2 an, die – anders als der Gutachter A1, der das Abwehrverhalten als noch nicht einsichtsfähiges altersgerechtes kindliches Verhalten wertet, da bei L.S. keine psychische oder geistige Erkrankung besteht – das Abwehrverhalten nicht entwicklungsbedingt begründet. Wie A2 zutreffend darlegt, muss ein gesundes, normal entwickeltes gleichaltriges Kind keine therapeutischen Maßnahmen durchführen, diese also weder annehmen noch ablehnen. L.S. ist nach der Einschätzung der Gutachter grundsätzlich in der Lage, Sachverhalte und Informationen zu verstehen, sie war zum Zeitpunkt der Begutachtung durch A2 schulfähig, eine mentale Entwicklungslücke bestand zu keinem Zeitpunkt. Die tägliche Abwehr gegenüber therapeutischen Maßnahmen ist daher zur Überzeugung des Senats als Hilfebedarf mit fünf Einzelpunkten zu bewerten, so dass insgesamt im Modul 3 10 Einzelpunkte und 15,00 gewichtete Punkte zu berücksichtigen sind.

(4) Im Modul 4 (Selbstversorgung) ist festzustellen, dass L.S. das Waschen des vorderen Oberkörpers, die Körperpflege im Bereich des Kopfes, das Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, das An- und Auskleiden des Unterkörpers sowie das Benutzen einer Toilette überwiegend selbstständig möglich ist, das Waschen des Intimbereichs überwiegend unselbstständig. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen der A2. Wegen der übermäßigen und salzkonzentrierten Schweißproduktion war zum Zeitpunkt der Begutachtung weiterhin eine Unterstützung bei der Körperpflege erforderlich. Eine Unterstützung bei der Intimhygiene bestand aufgrund der Labiensynechie. Darüber hinaus ist, wie A2 darlegt, wegen einer auffälligen Verkürzung der Schneidezähne und einer gestörten Mineralisierung auf eine ausgesprochen gründliche Zahnpflege zu achten, die über das normale Maß hinausgeht. Während der Hilfebedarf im Bereich des Duschens und Badens sowie An- und Auskleidens nach den BRi bei der im streitbefangenen Zeitraum fünf bis sieben Jahre alten L.S. als altersentsprechend anzusehen waren und keine Einzelpunkte begründete, sind aufgrund des Hilfebedarfs beim Waschen des vorderen Oberkörpers   und des Intimbereichs  , der Körperpflege des Kopfes   und beim Benutzen der Toilette  bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs zwei Einzelpunkte und ab der Vollendung des sechsten Lebensjahres sechs Einzelpunkte zu berücksichtigen. Bei altersentsprechender Entwicklung (vgl. Tabelle „Altersentsprechender Selbstständigkeitsgrad“ BRi 5, Tabelle zu Modul 4) ist die Körperpflege im Bereich des Kopfes ab dem Alter von fünf Jahren, das Waschen des vorderen Oberkörpers, das Waschen des Intimbereichs sowie das Benutzen einer Toilette ab dem Alter von sechs Jahren selbstständig möglich. Unter Berücksichtigung der Tabelle zur Berechnungssystematik der Punkte bei Kindern unter elf Jahren im Vergleich zu altersentsprechend entwickelten Kindern (BRi 5) sind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres für die Körperpflege im Bereich des Kopfes und das Waschen des Intimbereichs jeweils ein Einzelpunkt zu berücksichtigen. Ab dem 6. Lebensjahres sind für das Waschen des vorderen Oberkörpers und die Körperpflege im Bereich des Kopfes jeweils ein Einzelpunkt, das Waschen des Intimbereichs und das Besuchen der Toilette (Punktwert doppelt) jeweils ein Einzelpunkt zu berücksichtigen.

Weitere sechs Einzelpunkte sind wegen des Hilfebedarfs beim Essen und weitere zwei Einzelpunkte wegen des Hilfebedarfs beim Trinken zu berücksichtigen. Der Senat folgt hinsichtlich des Hilfebedarfs beim Essen und Trinken der Einschätzung der 
A2. L.S. benötigt, wie der Kläger zuletzt im Rahmen des Erörterungstermins/der mündlichen Verhandlung ausführlich und glaubhaft dargelegt hat, eine ständige Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr. Die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson ist erforderlich, weil L.S. ständig zur Nahrungsaufnahme motiviert und diese lenkend begleitet werden muss. Essen und Trinken kann L.S. zwar selbstständig, sie muss aber dazu motiviert und erinnert werden. Auf eine ausreichende Nahrungsmenge ist nach den Ausführungen der A2 unbedingt zu beachten, da die zugeführte Nahrung wegen der Stoffwechselerkrankung der L.S. nicht regelrecht verarbeitet werden kann. Durch die Eltern wird hochkalorische Nahrung zubereitet und die Enzymdosierung entsprechend ausgerechnet und verabreicht. Zur Nahrungsaufnahme selbst benötigt L.S. zusätzliche Motivation, ständige Anleitung und Aufsicht. Auf eine zusätzliche Flüssigkeitszufuhr ist insbesondere wegen des vermehrten Schwitzens zu achten, das in der Vergangenheit nach den Angaben der Eltern zu Elektrolytentgleisungen geführt hat. Entgegen der Auffassung der Gutachter B1 und A1 ist aufgrund der erforderlichen Begleitung der Nahrungs- und Getränkeaufnahme ein Hilfebedarf im Modul 4 zu berücksichtigen. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung von A2 an, die entgegen der Auffassung der Beklagten durch die BRi gestützt wird.

Nach BRi KF 4.4.8 beinhaltet „Essen“ grundsätzlich das Aufnehmen, Zum-Mund-Führen, gegebenenfalls Abbeißen, Kauen und Schlucken von mundgerecht zubereiteten Speisen, die üblicherweise mit den Fingern gegessen werden, zum Beispiel Brot, Kekse, Obst oder das Essen mit Gabel oder Löffel, gegebenenfalls mit speziellen Hilfsmitteln wie adaptiertem Besteck. Dies ist L.S. unstreitig unproblematisch möglich. Zu berücksichtigen ist nach BRi KF 4.4.8 aber auch, inwieweit die Notwendigkeit der ausreichenden Nahrungsaufnahme (auch ohne Hungergefühlt und Appetit) erkannt und die empfohlene, gewohnte Menge tatsächlich gegessen wird. Das Einhalten von Diäten ist hingegen im Modul 5 zu bewerten. Eine Diät ist nach Fußnote 11 BRi KF 4.5.16 definiert als angeordnete Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, in der sowohl die Art und Menge der Lebensmittel wie auch Art und Zeitpunkt der Aufnahme aus therapeutischen Gründen geregelt sind. Eine Diät wird als Teil der Behandlung oder Prävention einer Erkrankung oder klinischen Kondition eingesetzt, um bestimmte Substanzen in Nahrungsmitteln zu eliminieren, zu vermindern oder zu erhöhen. Beispiele für Diäten sind die glutenfreie oder laktosefreie Diät. L.S. muss im Hinblick auf die Mukoviszidose eine Diät einhalten. Dies folgt aus den Gutachten des Herrn A1 und der A2. Beide gehen in diesem Bereich von Unselbstständigkeit aus.

Während das „Einhalten einer Diät“ das Zusammenstellen der Nahrungsmittelbestandteile entsprechend ärztlicher Vorschriften, das Ausrechnen von Mengen und die Einsichtsfähigkeit der Person zur Einhaltung der Vorschriften beinhaltet und - wie vorliegend auch geschehen - im Modul 5 zu berücksichtigen ist (vgl. BRi KF 4.4.8 unter Verweis auf BRi KF 4.5.16), ist unter dem Item „Essen“ die Durchführung der Nahrungsaufnahme als solche zu bewerten. Dies lässt sich auch den weiteren Erläuterungen der BRi KF 4.4.8 entnehmen. Demnach ist das Essen als überwiegend selbstständig anzusehen, wenn das Kind überwiegend selbstständig essen kann, aber punktuelle Anleitung benötigt, beispielsweise aufgefordert werden muss, mit dem Essen zu beginnen oder weiter zu essen. Eine überwiegende Unselbstständigkeit ist anzunehmen, wenn die Nahrung größtenteils gereicht werden muss oder die ständige Anwesenheit der Pflegeperson erforderlich ist, beispielsweise zum Anhalten, langsam zu essen beziehungsweise ausreichend zu kauen, unter anderem bei Aspirationsgefahr oder weil aufwendig zur Nahrungsaufnahme motiviert oder diese lenkend begleitet werden muss. Durch diese Erläuterungen wird deutlich, dass hinsichtlich des Hilfebedarfs beim Essen nicht nur die Fähigkeit, Nahrung aufzunehmen als solche zu berücksichtigen ist, sondern auch ein Hilfebedarf bei der Aufnahme einer ausreichenden Menge an Nahrung und zwar unabhängig davon, ob eine Diät eingehalten werden muss. Auch die Notwendigkeit eines Anhaltens zum Essen bringt Einschränkungen der Selbstständigkeit zum Ausdruck, soweit krankheitsbedingt das natürliche Hungergefühl den Pflegebedürftigen nicht hinreichend zur Nahrungsaufnahme motiviert und daher nicht als Maßstab für den Umfang der Nahrungsaufnahme herangezogen werden kann. Entsprechendes gilt, soweit dem Versicherten krankheits- und behinderungsbedingt die Einsichts- und/oder Motivationsfähigkeit zur ausreichenden Nahrungsaufnahme fehlt. Da der Gesetzgeber die Selbstständigkeit in Bezug auf den gesamten Vorgang des „Essens“ beurteilt sehen will, sind auch Defizite bei der sachgerechten Zusammenstellung der Mahlzeiten und der angemessenen quantitativen Bemessung der Nahrungsmenge relevant (vgl. Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, 65. Edition, Stand: 1. Juni 2022, § 14 Rn. 285 ff.). Bei dem Kriterium „Einhalten einer Diät“ geht es hingegen vorrangig um die Einsichtsfähigkeit einer Person zu Einhaltung von ärztlich angeordneten Diäten. Es geht nach BRi KF 4.5.16 nicht um die Vorbereitung oder Durchführung der Verhaltensvorschrift oder Diät. Ausschlaggebend für eine Wertung ist nach BRI KF 4.5.16, „ob die Person mental in der Lage ist, die Notwendigkeit zu erkennen und die Verhaltensvorschrift einzuhalten. Zu werten ist, wie häufig aufgrund des Nichtbeachtens ein direktes Eingreifen erforderlich ist, sofern dies nicht in anderen Modulen berücksichtigt wurde. Bei manchen Erkrankungen werden bestimmte Diäten oder Essvorschriften oder andere Verhaltensvorschriften von der Ärztin oder vom Arzt angeordnet. Dazu gehören auch die ärztlich angeordnete Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, in der sowohl die Art und Menge der Lebensmittel wie auch die Art und der Zeitpunkt der Aufnahme aus therapeutischen Gründen geregelt sind, zum Beispiel bei Stoffwechselstörungen (…). Verhaltensvorschriften zur gesunden Lebensführung im Sinne von zum Beispiel einer ausgewogenen Ernährung und ausreichenden Flüssigkeitsmenge (…) sind hier nicht zu berücksichtigen.“ Im Falle der L.S. kommt es nicht allein auf die Aufnahme besonderer, insbesondere kalorienhaltiger Nahrung, sondern gerade auch auf die Aufnahme einer bestimmten Menge an Nahrung an, so dass – wie A2 überzeugend darlegt –, ein Hilfebedarf sowohl beim Essen als auch beim Einhalten einer Diät besteht. Insoweit ist eine Kumulation (= Hilfebedarf beim Essen und beim Einhalten einer Diät) möglich, wenn - wie hier - keine Deckungsgleichheit (vgl.: „…sofern dies nicht in anderen Modulen berücksichtigt wurde“; BRi KF 4.5.16) vorliegt. Dies gilt auch für den Hilfebedarf beim Trinken. Unter „Trinken“ fällt nach BRi KF 4.4.9 nicht allein die Aufnahme bereitstehender Getränke, sondern auch inwieweit die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme (auch ohne ausreichendes Durstgefühl) erkannt und die empfohlene oder gewohnte Menge tatsächlich getrunken wird. Überwiegend selbstständig ist das Trinken dann, wenn die Person selbstständig trinken kann, wenn über das Bereitstellen hinaus ein Glas, eine Tasse unmittelbar in den Aktionsradius der Person positioniert oder sie ans Trinken erinnert wird. Unter Berücksichtigung der BRi hat A2 überzeugend einen Hilfebedarf von sechs Einzelpunkten beim Essen angenommen, das als überwiegend unselbstständig anzusehen ist, da L.S. aufwendig zur Nahrungsaufnahme motiviert werden muss. Hinsichtlich des Trinkens besteht ebenfalls ein Hilfebedarf. L.S. kann zwar selbstständig trinken, muss aber an das – ausreichende – Trinken erinnert werden, so dass sie insoweit lediglich als überwiegend selbstständig angesehen werden kann. Da das Trinken ab dem Alter von zwei Jahren bei altersgerechter Entwicklung selbstständig möglich ist, ergibt sich aufgrund der vorgegebenen Doppelwertung insoweit ein Hilfebedarf von zwei Einzelpunkten (vgl. Tabellen BRi 5). Insgesamt sind daher im Modul 4 14 Einzelpunkte und 20 gewichtete Punkte zu berücksichtigen. Dass bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres lediglich 10 Einzelpunkte zu berücksichtigen sind, wirkt sich im Ergebnis nicht aus, da nach § 1 Abs. 5
MB/PPV i.V.m. Anlage 2 zu § 15 SGB XI auch dann 20,00 gewichtete Punkte im Modul 4 anfielen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Voraussetzungen für den Pflegegrad 3 auch dann erfüllt wären, wenn kein Hilfebedarf beim Essen, sondern lediglich beim Trinken, das nicht aufgrund einer besonderen Diät, sondern wegen vermehrten Schwitzens erforderlich ist, berücksichtigt wird. In dem Fall wären bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres im Modul 4 vier Einzelpunkte (für Körperpflege im Bereich des Kopfes und Waschen des Intimbereichs jeweils ein Einzelpunkt, für Trinken zwei Einzelpunkte) und insgesamt 10,00 gewichtete Punkte und nach Vollendung des 6. Lebensjahres acht Einzelpunkte (jeweils ein Einzelpunkt für Waschen des vorderen Oberkörpers und Körperpflege im Bereich des Kopfes, jeweils zwei Einzelpunkte für Waschen des Intimbereichs, Besuch der Toilette und Trinken) und insgesamt 20,00 gewichtete Punkte zu berücksichtigen, was zu einem Gesamthilfebedarf von48,75 (bis zum Alter von sechs Jahren) bzw. 58,75 Punkten (ab dem Alter von sechs Jahren) führen würde. Auch dann wären die Voraussetzungen für den Pflegegrad 3 erfüllt.

(5) Im Modul 5 (Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen) sind nach der übereinstimmenden Einschätzung der Gutachter 20,00 gewichtete Punkte zu berücksichtigen. Es besteht zum einen ein täglicher Hilfebedarf bei der Medikation und der Inhalation. Als Therapiemaßnahme in der häuslichen Umgebung kommen zweimal täglich Abklopfen, dreimal täglich Atemtherapie und einmal täglich physikalische Übungen hinzu. Neben den Kinderarztbesuchen bei Bedarf nimmt L.S. einmal im Quartal Termine bei der Mukoviszidose-Ambulanz wahr. Hinzu kommt wöchentlich ein Termin zur physikalischen Therapie und einmal jährlich ein stationärer Aufenthalt von zwei Tagen für eine umfassende Untersuchung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass L.S. eine Diät einhalten muss. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der A2, die insoweit auch mit den Vorgutachtern übereinstimmt. Die durch die Eltern im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Anpassungen führen zu keiner Änderung, da in diesem Modul bereits die Maximalpunktzahl erreicht wird. Auch ohne die Einhaltung einer Diät wäre in diesem Modul bereits die Maximalpunktzahl erreicht.

(6) Im Modul 6 (Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) besteht eine altersabweichende Einschränkung der Selbstständigkeit allein beim Ruhen und Schlafen aufgrund der nächtlichen Wachphasen mit Interventionsbedarf bei Atemnot und Angstzuständen. Der Hilfebedarf ist mit einem Einzelpunkt und 3,75 gewichteten Punkten zu berücksichtigen. Dies entnimmt der Senat den auch insoweit übereinstimmenden Gutachten von B1, Herrn A1 und A2. Ein darüberhinausgehender Hilfebedarf ist nicht vorgetragen worden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
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