L 2 BA 38/21

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 28 R 609/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 BA 38/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, stellt dies dann ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar, wenn im Übrigen der Sachverhalt dem Grenzbereich zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit zuzurechnen ist.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Juli 2021 aufgehoben.

 

Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 wird aufgehoben.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus beiden Rechtszügen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

Die klagende Stadt begehrt unter Aufhebung des ihre Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils eine Korrektur des Beitragsnacherhebungsbescheides des beklagten Rentenversicherungsträgers, mit dem dieser auf der Grundlage einer nach § 28p SGB IV durchgeführten Betriebsprüfung Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 13.795,78 € (einschließlich 2.914 € Säumniszuschläge) nacherhoben hat.

 

Die Klägerin ist örtliche Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe und erbringt dementsprechend bei Bedarfslagen Hilfen zur Erziehung für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige gemäß §§ 27, 41 SGB VIII (sog. sozialpädagogische Familienhilfe). Diese werden durch sog. Erziehungshelfer (auch Familienhelfer genannt) erbracht.

 

Für die Erbringung entsprechender Leistungen setzte die Klägerin neben weiteren Kräften im Zeitraum von November 2011 bis August 2013 die Beigeladene zu 1. und im Zeitraum Juli 2011 bis Dezember 2013 den Beigeladenen zu 2. ein. Die 1963 geborene Beigeladene zu 1. hat die Fachschule für Sozialpädagogik besucht und ist staatliche anerkannte Erzieherin, der 1972 geborene Beigeladene zu 2. ist Diplom-Sozialpädagoge (vgl. auch die Lebensläufe Bl. 246 f. und 250 ff. GA).

 

Ende 2011 hatte die Klägerin mit der Beigeladenen zu 1. (vgl. wegen der Einzelheiten Bl. 64 ff. GA) und im August 2011 mit dem Beigeladenen zu 2. (vgl. wegen der Einzelheiten Bl. 16 ff. GA) jeweils schriftliche (von der Klägerin vorformulierte) Vereinbarungen über die Erbringung von Jugendhilfeleistungen auf der Grundlage noch zu erstellender Hilfepläne gemäß § 36 SGB VIII geschlossen. Danach sollten diese Beigeladenen jeweils monatlich die für die gesondert vergebenen Betreuungsfälle erbrachten sog. Nettofachleistungsstunden nachweisen, wobei in diese „Betreuungsausfälle“ durch von Seiten des zu Betreuenden nicht eingehaltene Termine eingestellt werden konnten.

 

Als Entgelt für jede Nettobetreuungsstunde war jeweils ein Betrag von 48 € je Stunde vereinbart. Dieser war nach den vertraglichen Vereinbarungen wie folgt ermittelt worden (vgl. Bl. 18, 66 VV): Bezogen auf eine Vollzeitkraft mit 39 Wochenstunden hatte die Klägerin nach Abzug der Sonntage, Samstage und Wochenfeiertage sowie von jährlich weiteren 44,50 Tagen für „allgemeine Minderzeiten wie Krankheit, Urlaub, Mutterschutz und Wehrübungen“ 207,50 effektive Arbeitstage, entsprechend jährlich 1.618,50 effektive Arbeitsstunden ermittelt. Davon hatte sie 15 %, entsprechend 245,45 Stunden im Jahr bezogen auf eine Vollzeittätigkeit, für sog. Rüst- und Erholungszeiten sowie für einzelfallübergreifende Tätigkeiten, in Abzug gebracht. Auf dieser Basis verblieben im Jahr 1.373,05 Stunden für einzelfallbezogene Tätigkeiten.

 

Ausgehend von Gesamtpersonalkosten (unter Einschluss der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung) im Jahr für eine in Vollzeit tätige sozialpädagogische Fachkraft in Höhe von seinerzeit 55.558,84 € (entsprechend 40,46 € für jede der vorstehend angeführten 1.373 Einzelbetreuungsstunden im Jahr) und pauschal mit 18,5 % (mithin bei einer Vollzeitkraft 10.278,39 € im Jahr, entsprechend 7,49 € für jede der vorstehend angeführten 1.373 Einzelbetreuungsstunden im Jahr) veranschlagter Sachkosten (insbesondere Fahrtkosten sowie Kosten für Fortbildung und Supervision) ergab sich im Rahmen dieser Berechnungen der Klägerin im Ergebnis der vereinbarte Stundensatz von 48 €.

 

Soweit das Jugendamt einen entsprechenden erzieherischen Unterstützungsbedarf bei einem zu betreuenden jungen Menschen annahm, nahm es mit dem in Betracht kommenden Erziehungshelfer zunächst telefonisch Kontakt auf. Soweit auf seiner Seite entsprechende freie Kapazitäten vorhanden waren, gab es zunächst erste Kontakte (der Beigeladene zu 2. hat in diesem Zusammenhang den Begriff „Schnuppertermine“ gebraucht) mit der betroffenen Familie, um abzuklären, ob ein Einsatz des Helfers in der Familie förderlich sein würde. Bejahendenfalls wurde im Zusammenwirken des Erziehungshelfers und der betroffenen Familie ein Hilfeplan als Grundlage für die Betreuung ausgearbeitet und an das klägerische Jugendamt zur Prüfung und Genehmigung weitergeleitet (vgl. auch die Erläuterungen der Beigeladenen zu 1. und 2. im Erörterungstermin am 13. Februar 2023).

 

In diesem Hilfeplan (vgl. beispielhaft etwa Bl. 82 ff. VV) wurde auf der Grundlage der dort im Einzelnen beschriebenen erzieherischen Probleme umrissen, welche pädagogischen Ziele mit der angestrebten Betreuung erreicht werden sollten. Auf der Basis dieses Hilfeplans bewilligte dann das klägerische Jugendamt bejahendenfalls die Betreuung unter Vorgabe einer durchschnittlichen wöchentlichen Betreuungsstundenzahl bzw. eines entsprechenden (vom Erziehungshelfer dann zu konkretisierenden) zeitlichen Rahmens für entsprechende Betreuungsleistungen (vgl. beispielhaft die von der Beklagten zu den Verwaltungsvorgängen genommenen Bewilligungsbescheide vom 1. Juli 2011, Bl. 13 VV: Bewilligung einer Familienhilfe mit höchstens 1 – 2 Wochenstunden bei einem wöchentlichen Kontakt und vom 31. Oktober 2012, Bl. 27 VV: Bewilligung einer Familienhilfe mit 2 – 4 Wochenstunden bei 2 Kontakten im Monat). Bei Bedarf wurde der Hilfeplan im Rahmen der sog. Hilfeplanfortschreibung insbesondere hinsichtlich des erzieherischen Betreuungsbedarfs angepasst.

 

Die konkrete Ausgestaltung der nach Zeitaufwand mit dem erläuterten Stundensatz von 48 € im Rahmen der jeweiligen Bewilligung abgerechneten Betreuungsleistungen oblag den beigeladenen Erziehungshelfern.

 

Bei entsprechendem Anlass – etwa wenn ein Hilfebedarf in einer Familie sowohl bei einem Jungen wie auch bei einem Mädchen auftrat – beauftragte das Jugendamt der Klägerin auch zwei Betreuer, im Regelfall einen männlichen Erziehungshelfer und eine weibliche Erziehungshelferin, mit der gemeinsamen Unterstützung der Familie. In diesen Fällen einer sog. Tandembetreuung oblag die Koordination der beidseitigen Unterstützungsbeiträge der eigenverantwortlichen Abstimmung unter den beauftragten beiden Erziehungshelfern.

 

Im Einzelnen erbrachte die Klägerin an die Beigeladenen zu 1. bis 2. folgende Entgeltzahlungen:

 

a) an die Beigeladene zu 1:

 

im November/Dezember 2011             994,50 €

im Jahr 2012                                      12.240,- €

Januar bis August 2013                       7.560,- €.

 

b) an den Beigeladenen zu 2:

 

im 2. Halbjahr 2011                           1.695,75 €

im Jahr 2012                                      3.024,- €

im Jahr 2013                                      4.248,- €.

 

Ausgehend von abhängigen und der Versicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnissen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. und 2. setzte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum November 2011 bis August 2013 Beiträge zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung sowie Umlagen U2 in einer Gesamthöhe von 8.358,24 € zuzüglich 2.260 € Säumniszuschläge fest. Für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. wurden (ausgehend von einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) Beiträge bzw. Beitragsanteile nach den Vorgaben der §§ 172 SGB VI, 249b SGB V zur beigeladenen Minijobzentrale für den Zeitraum Juli 2011 bis Dezember 2013 (einschließlich Umlagen U2) in einer Gesamthöhe 2.523,54 € zuzüglich 654 € Säumniszuschläge festgesetzt.

 

Mit ihrer am 30. Juni 2016 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie lediglich Auftraggeber der Betreuungsleistungen gewesen sei, welche von den beigeladenen Erziehungshelfern im Rahmen rechtlich selbständiger Tätigkeiten erbracht worden seien.

 

Als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe stehe sie zwar in der Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für den Bereich der Familienhilfe, insbesondere müsse sie bei Bedarf auch die ihr durch das SGB VIII zugewiesenen hoheitlichen Befugnisse sachgerecht wahrnehmen können. Dies bedinge auch, dass für jede der entsprechenden Unterstützung bedürfenden Familien im Jugendamt eine fallführende Fachkraft zuständig sei. Dessen ungeachtet seien aber den Familienhelfern keine Weisungen im Sinne eines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts erteilt worden. Diese seien natürlich an die Vorgaben des jeweiligen Hilfeplans gebunden gewesen. Ansonsten hätten diese vielmehr gerade eigenverantwortlich über die Organisation und Ausgestaltung der Hilfeleistungen entschieden.

 

Mit Urteil vom 30. Juli 2021, der Klägerin zugestellt am 9. August 2021, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Einzelnen dargelegt, dass aus seiner Sicht von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen sei. Für eine abhängige Beschäftigung spreche insbesondere, dass die Klägerin die vertraglichen Vereinbarungen vorformuliert habe. Die Beigeladenen zu 1. und 2. hätten die vereinbarten Stundensätze „nicht frei ausgehandelt“, sondern „schlicht akzeptiert“. Für abhängige Beschäftigungsverhältnisse spreche auch der Umstand, dass zur Vorbereitung der Gespräche für eine ggfs. erforderliche Fortschreibung der Hilfepläne schriftliche Berichte hätten vorliegen müssen. Ohne den diesbezüglich von der Klägerin vorgegebenen Rahmen sei eine Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII nicht denkbar.

 

Mit ihrer Berufung vom 31. August 2021 macht die Klägerin demgegenüber geltend, dass im vorliegenden Zusammenhang die überwiegenden Indizien für die Annahme rechtlich selbständiger Tätigkeiten sprechen würden. Nach den gesetzlichen Vorgaben dürfe sie durchaus auch rechtlich selbständige Erziehungshelfer heranziehen, sie müssen lediglich die ihr gesetzlich zugewiesene Gesamtverantwortung im Interesse des Kindeswohls wahrnehmen.

 

Ein darüber gehendes Weisungsrecht habe nicht bestanden. Namentlich seien die Beigeladenen zu 1. bis 2. auch nicht verpflichtet gewesen, an Gremiensitzungen teilzunehmen.

 

Die in den Bewilligungsbescheiden ausgewiesenen Betreuungszeitvorgaben seien auf der Basis der der Erarbeitung des Hilfeplans vorausgegangenen anfänglichen Gespräche zwischen den Erziehungshelfern und der zu betreuenden Familie und des auf dieser Basis abzusehenden Hilfebedarfs festgelegt worden. Soweit sich im Rahmen der Betreuung ein höherer Bedarf ergeben habe, habe der Familienhelfer natürlich auf eine entsprechende Änderung hinwirken können, entsprechende Vorschläge seien dann vom Jugendamt der Klägerin zu prüfen gewesen.

 

 

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Juli 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen,

            hilfsweise,

die Sache zu vertagen, um der Klägerin Gelegenheit zu einem vertiefenden Vortrag zu weiteren klärungsbedürftigen Punkten zu geben.

 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Auch wenn das BSG im Urteil vom 31. März 2017 (B 12 R 7/15 R –, BSGE 123, 50) vergleichbare Leistungen im Rahmen der Erziehungshilfe als rechtliche selbständige Tätigkeiten beurteilt habe, halte sie auch an den festgesetzten Säumniszuschlägen fest, da die Klägerin „um die Voraussetzungen über das Vorliegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen“ gewusst habe.

 

Der Senat hat durch seinen Vorsitzenden die Hauptbeteiligten und die Beigeladenen zu 1. und 2. im Erörterungstermin gehört. Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben insbesondere erläutert, dass ihnen nach unter Einbeziehung der zu betreuenden Familie erfolgten Aufstellung des Hilfeplans und dessen Genehmigung durch die Klägerin dessen Umsetzung in eigenverantwortlicher Tätigkeit oblegen habe (vgl. die Formulierung des Beigeladenen zu 1: „Ich habe in der Hinsicht sehr große Freiheiten, ich würde schon fast von ‚Narrenfreiheit‘ sprechen wollen. Das Jugendamt mischt sich in diesem Stadium in meine Tätigkeit gar nicht ein. Ich arbeite mit dem Kind zusammen. Gemeinsam prüfen wir, welche Maßnahmen in Betracht kommen, um den angestrebten Erfolg zu erreichen. Erst nach einiger Zeit, in der Praxis häufig nach sechs bis neun Monaten, gibt es dann wieder eine Besprechung mit dem Jugendamt, bei dem dann überprüft wird, ob die vorgesehenen Ziele erreicht worden sind, welche Defizite verblieben sind und inwieweit eine Anpassung des Planes gegebenenfalls erforderlich ist.“).

In Fällen einer drohenden von Seiten des Betreuers nicht abwendbaren Gefährdung des Kindeswohls habe natürlich die Verpflichtung bestanden, umgehend das Jugendamt zu verständigen, damit dieses die erforderlichen Maßnahmen einleiten könne.

Beide Beigeladenen haben bestätigt, dass sie zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Bürozeiten in den Räumlichkeiten der klagenden Stadt gehabt hätten. Abgesehen von den jeweiligen Einzelfall betreffenden Fallbesprechungen im Zuge der Aufstellung bzw. Fortschreibung des jeweiligen Hilfeplans hätten sie nicht an Besprechungen und Konferenzen oder Ähnliches teilnehmen müssen. In sonstige Aktivitäten der klagenden Stadt, wie etwa Veranstaltungen im Sinne eines Tages der offenen Tür, seien sie zum keinem Zeitpunkt eingebunden gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Die zur Überprüfung gestellten Bescheide erweisen sich als rechtswidrig, da im Ergebnis von einer Erbringung der Leistungen im Rahmen der Erziehungshilfe durch die beigeladenen Familienhelfer in den streitbetroffenen Zeiträumen im Rahmen rechtlich selbständiger Tätigkeiten auszugehen ist.

1. Die Beigeladenen zu 1. und 2. waren im Rahmen eines eigenen – die erbrachten Leistungen auch im eigenen Namen gegenüber der Klägerin als Kostenträgerin abrechnenden – selbständigen (Dienstleistungs‑)Unternehmens tätig. Damit ist kein Raum für die von Seiten der Beklagten vorgenommene Festsetzung von Beitragsforderungen und Umlagen für abhängige Beschäftigungsverhältnisse. Erst recht fehlt es an der erforderlichen Grundlage für die Festsetzung von Säumniszuschlägen.

Im streitbetroffenen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen (vgl. dazu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R –, BSGE 123, 50 mwN).

Das kann bei manchen Tätigkeiten dazu führen, dass sie in Abhängigkeit von den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (BSG, aaO, mwN).

Schon im rechtlichen Ausgangspunkt ist mit einer entsprechenden sozialrechtlichen Bewertung keine Aussage zu daran anknüpfenden sowohl hinsichtlich der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben als auch der mit diesen zu bewältigenden Interessenlagen ganz anders gelagerten arbeitsrechtlichen Fragen intendiert. Diese sind im Streitfall vielmehr von den dafür zuständigen Arbeitsgerichten zu beantworten. Insbesondere geben die erläuterten sozialrechtlichen Wertungen keine Auskunft zu der Frage, inwieweit arbeitsrechtlich eine entsprechende sich (nicht selten sogar sehr häufig) wiederholende Heranziehung derselben Arbeitskraft auf der Basis immer neuer Einzelaufträge als zulässig anzusehen ist und ggfs. einen Anspruch auf Begründung eines (dann erst recht die Sozialversicherungspflicht begründendes) Dauerarbeitsverhältnisses zu begründen vermag.

 

Es liegt im Interesse aller Beteiligten, also der Versicherten, der Auftraggeber und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht bzw. fehlender Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit schon zu Beginn der Tätigkeit (bzw. zum Zeitpunkt des Eintritts einer wesentlichen Veränderung, wie etwa zum Zeitpunkt eines Verlustes der bislang innegehabten Kapitalmehrheit bei einem Gesellschaftergeschäftsführer) zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann. Gerade dieses Postulat der Vorhersehbarkeit ist es, welches das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung prägt und namentlich von Wertungen etwa des – an ganz anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichteten – Arbeitsrechts unterscheidet (BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 28 mwN, seinerzeit bezogen auf das Gesellschaftsrecht).

 

Bei der Statuszuordnung ist dem Grundsatz der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände Genüge zu tun (BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 R 1/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 48, Rn. 28). Ein längerer Schwebezustand bis zur Klärung des Versicherungsstatus (für die Vergangenheit) verträgt sich außerdem nicht mit dem Bestreben, die Rückabwicklung erbrachter Leistungen (vgl. § 50 SGB X) zu vermeiden und versicherungs- sowie beitragsrechtlich relevante Statusfragen möglichst zeitnah zu klären (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 13).

 

Es liegt in der inneren Konsequenz dieses Postulats, dass die nach Möglichkeit bereits zu Beginn der Tätigkeit vorzunehmende Beurteilung der Versicherungspflichtigkeit in der Sache eine prognostische Einschätzung zum Ausdruck bringt. Insoweit bestehen strukturelle Parallelen zur Beurteilung der Geringfügigkeit einer Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV, bezüglich derer die Rechtsprechung des BSG ebenfalls eine Beurteilung auf der Grundlage einer Prognose bzw. einer vorausschauenden Schätzung fordert (BSG, U.v. 27. Juli 2011 – B 12 R 15/09 R –, SozR 4-2600 § 5 Nr 6, Rn. 16).

 

Auch wenn damit überzeugende Gründe für das erläuterte Postulat der Vorhersehbarkeit sprechen, wird die seine Heranziehung durch andere Auslegungsgrundsätze im Ergebnis nicht unerheblich eingeschränkt. Die Statusrechtsprechung des BSG stellt auch maßgeblich auf den Gesichtspunkt der „gelebten Praxis“ ab, welche sich jedoch vielfach erst im Nachhinein beurteilen lässt. Die Relevanz mündlicher Abreden soll insbesondere anhand der konkludenten Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in „ihrer gelebten Praxis“ vorzunehmen sein (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 1/21 R –, BSGE 133, 57-64, SozR 4-2400 § 7 Nr 60, Rn. 17). Das Vertragsverhältnis soll aus der „gelebten Beziehung“ zu erschließen sein (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 16, juris, wobei das BSG zugleich auch in dieser Entscheidung auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände abstellt). Bei Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung soll die „gelebte Praxis“ der formellen Vereinbarung grundsätzlich vorgehen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 41, Rn. 28).

 

Die genaue wechselseitige Abstimmung der erläuterten beiden Ansätze, also einerseits die statusrechtliche Beurteilung auf der Basis des Postulats der Vorhersehbarkeit und andererseits ihre Vornahme unter maßgeblicher Einbeziehung einer jedenfalls tendenziell erst rückschauend zu erfassenden „gelebten Praxis“, bedarf noch der Konkretisierung im Rahmen der Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere des § 7 SGB IV. Im Ausgangspunkt dürfte dem BSG jedenfalls dahingehend zuzustimmen sein, dass eine auf hinreichender Grundlage zutreffend erstellte Prognose solange rechtmäßig und verbindlich bleibt, bis für eine andere zukunftsbezogene Prognose ein erkennbarer Anlass besteht. Das gilt auch dann, wenn im Nachhinein ersichtlich wird, dass die Entwicklung schon vorher anders als prognostiziert verlaufen ist. Es wäre mit dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht vereinbar, bei Prüfungen für die Vergangenheit im Nachhinein bekannt gewordene Verhältnisse rückwirkend zu berücksichtigen, obwohl auf Grundlage eines verfahrensfehlerfrei herbeigeführten früheren Erkenntnisstands eine andere Prognose veranlasst und zutreffend war (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 21 mwN). Eine vergleichbare Zielrichtung verfolgt das BSG auch mit Ansätzen, wonach Umstände der Vertragsdurchführung nur dann in die Statusbeurteilung einzubeziehen sind, wenn diese als „verlässlich bedeutsam“ zu bewerten sind (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 28, Rn. 32). Entsprechend sollen nur „nachhaltige und vorhersehbare Rechtspositionen“ (vgl. zu diesem Kriterium: BSG, Urteil vom 1. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R –, BSGE 133, 245, Rn. 23) einzubeziehen sein.

 

Ohnehin ist bei der Statusbeurteilung im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung (nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Teilaspekt der tatsächlichen Verhältnisse) auch eine aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringende „Rechtsmacht“ namentlich zur Erteilung von Weisungen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, BSGE 111, 257-268, SozR 4-2400 § 7 Nr 17, Rn. 32). Schon das Bestehen einer solchen Rechtsmacht wird vom BSG den „gelebten tatsächlichen Verhältnissen“ zugerechnet (BSG, U.v. 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 28, juris; U.v. 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R –, BSGE 120, 59, Rn. 26). Soweit eine Rechtsmacht zur Erteilung von Weisungen reicht, kommt es nicht darauf an, inwieweit die Auftraggeberin das ihr zustehende Weisungsrecht auch faktisch ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15, juris).

 

Auch im Übrigen darf sich eine Einbeziehung der „gelebten Beziehung“ nicht auf die tatsächlichen Abläufe beschränken. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG, U.v. 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, BSGE 119, 216, Rn. 30). Eine solche ist insbesondere mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, U.v. 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R –, Rn. 28, juris). Dieser rechtliche Ausgangspunkt ist auch dann maßgebend, wenn im Einzelfall der tatsächliche Ablauf im jeweils zu beurteilenden Zeitraum von „harmonischen Zeiten“ im vorstehend erläuterten Sinne geprägt war. Auch dann ist in die Statusbeurteilung im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung als ein maßgeblicher Gesichtspunkt die Frage einer Weisungsunterworfenheit im Falle eines Zerwürfnisses mit einzubeziehen.

 

Mit dem gebotenen Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht will das BSG zugleich erreichen, dass Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht jedenfalls nachhaltig erschwert werden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, BSGE 119, 216, Rn. 30).

 

Unter Berücksichtigung der getroffenen – und auch tatsächlich "gelebten" – schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. und 2. ist für die Frage der Versicherungspflicht jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestanden (vgl. ebenfalls BSG, aaO). Insbesondere hat die Klägerin mit den Beigeladenen zu 1. und 2. keine Rahmenvereinbarung geschlossen, mit denen diese vorab zur Übernahme einzelner Erziehungsbeistandschaften verpflichtet gewesen wären. Eine entsprechende Verpflichtung wurde vielmehr erst dann begründet, wenn sich der bzw. die betroffene Familienhelfer/in zur Übernahme der Betreuung im jeweiligen Einzelfall auf der Basis eines vom Jugendamt der Klägerin gebilligten Hilfeplans bereiterklärt hatte.

In der maßgeblichen Gesamtschau haben die Beigeladenen zu 1. und 2. in den streitbetroffenen Zeiträumen die einzelnen Einsätze als Erziehungsbeistand im Rahmen einer rechtlich selbständigen Tätigkeit und damit gerade nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung wahrgenommen.

Die rechtliche Struktur des Leistungserbringerrechts der Kinder- und Jugendhilfe weist die Gesamtverantwortung für die Erbringung namentlich von Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII und den besonderen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII dem Träger der Jugendhilfe zu. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die zur Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten nötigen Tätigkeiten - und damit auch die für die Klägerin erbrachten Leistungen der Beigeladenen zu 1. und 2. als Erziehungsbeistand - (rechtmäßig) nur in Beschäftigung ausgeübt werden können (BSG, Urteil vom 31. März 2017, aaO).

Insbesondere lässt nach den strukturellen Vorgaben des SGB VIII auch die Benennung der Beigeladenen zu 1. und 2. als Leistungserbringer in den an die jeweiligen Leistungsberechtigten gerichteten Bewilligungsbescheiden der Klägerin keine Rückschlüsse auf das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu (BSG, aaO).

Aus den Hilfeplänen bzw. aus deren Fortschreibung ergibt sich jeweils die aktuelle Situation in den Familien, ferner werden erreichte Ziele sowie neue, zusätzliche Ziele dargestellt und ergänzende Vereinbarungen dokumentiert. Konkrete Anweisungen zur Zielerreichung enthalten die Hilfepläne nicht. Die Arbeit an der Realisierung der im Hilfeplan vereinbarten Ziele war gerade die von den Beigeladenen zu 1. und 2. geschuldete Hauptleistungspflicht. Insofern erfolgte über den Hilfeplan lediglich eine Konkretisierung ihrer vertraglichen Verpflichtungen, nicht jedoch eine Weisung hinsichtlich der Art und Weise ihrer Erfüllung (BSG, U.v. 31. März 2017, aaO).

Auch die Auswahl, Ausgestaltung und Durchführung von Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung oblag in erster Linie den Beigeladenen zu 1. und 2.; lediglich ergänzend hatten sie im Interesse des Kindeswohls auch den gesetzlichen Vorgaben des § 8a SGB VIII Rechnung zu tragen und erforderlichenfalls das Jugendamt der Klägerin über entsprechende Kindesgefährdungen zu informieren. Auch unter dem Gesichtspunkt lässt sich kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung herleiten (BSG, U.v. 31. März 2017, aaO, Rn. 37).

Ergebnisberichte, wie sie von den Beigeladenen zu 1. und 2. ohnehin erst nach längeren Zeitabläufen insbesondere im Zuge einer anstehenden Hilfeplanfortschreibung zu erstellen waren, stellen schon im Ausgangspunkt kein Spezifikum abhängiger Beschäftigung dar, sondern sind verbreitet auch eine Selbstverständlichkeit im Rahmen selbstständiger Dienstleistungen (BSG, U.v. 31. März 2017, aaO, Rn. 39). Entsprechendes gilt, soweit die Beigeladenen zu 1. und 2. bei einer kurzfristigen Absage eines zunächst vereinbarten Betreuungstermins durch den zu Betreuenden eine Ausfallentschädigung in Anspruch nehmen konnten (vgl. nur beispielsweise die gesetzliche Ausgestaltung eines entsprechenden Entschädigungsanspruchs insbesondere auch für selbständige Dolmetscher in § 9 Abs. 3 Satz 2 JVEG).

Umstände, die eine Eingliederung der Beigeladenen zu 1. und 2. in die Arbeitsorganisation der Klägerin nahelegen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Insbesondere hat dafür die Befragung der Beigeladenen keine Hinweise ergeben; auch die Beklagte hat diesbezüglich keine relevanten Umstände aufzuzeigen vermocht. Insoweit (und insbesondere auch hinsichtlich der maßgeblichen Honorarhöhe) unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt grundlegend von der Ausgestaltung des Einsatzes einer Familienhelferin bei einem anderen Träger der Jugendhilfe, welche der Senat in seiner Entscheidung vom 18. September 2020 (– L 2 BA 55/19 – BeckRS 2020, 50064; nachfolgend: BSG, B.v. 15. Juli 2021 – B 12 R
38/20 B –, juris) zu bewerten hatte. Insbesondere wurde von den Beigeladenen zu 1. und 2. außerhalb der bereits angesprochenen Besprechung mit den Mitarbeitern des Jugendamtes im Zuge der Aufstellung und Fortschreibung der einzelfallbezogenen Hilfepläne keine Teilnahme an Fachkonferenzen oder Gremiensitzungen erwartet. Außerhalb der im Einzelfall übernommenen von ihnen eigenverantwortlich auszugestaltenden Tätigkeiten im Rahmen der Familienhilfe oblagen ihnen keine Leistungen für die Klägerin.

Einseitig vorgegebene Vertragsbedingungen und Vergütungssätze finden sich im Wirtschaftsleben selbstverständlich auch bei der Heranziehung von Selbständigen insbesondere durch größere Unternehmen oder Behörden. Bei entsprechender Markt- und Verhandlungsmacht eines Auftraggebers ist die Vergabe von Dienstleistungen zu von ihm einseitig festgelegten Konditionen nicht unüblich. Andererseits kann ein freies Aushandeln der Vergütungshöhe auch bei der Anbahnung von Arbeitsverhältnissen vielfach (außerhalb des Geltungsbereichs von bindenden Entgelttarifverträgen oder anderer diesbezüglich eventuell bindender rechtlicher Vorgaben) erfolgen (BSG, aaO, Rn. 48).

Soweit die Beigeladenen zu 1. und 2. Supervisionsleistungen benötigten, oblag es nach den vertraglichen und gelebten Vereinbarungen ohnehin ihrer eigenen Verantwortung, sich auf eigene Kosten um entsprechende Leistungen zu bemühen.

Das Fehlen größerer Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien ist bei reinen Dienstleistungen wie den vorliegend zu beurteilenden Tätigkeiten im Rahmen der Familienhilfe kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden (BSG, U.v. 31. März 2017, aaO, Rn. 42). Auch dem Fehlen einer eigenen Betriebsstätte kommt eine für eine Beschäftigung und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechende indizielle Bedeutung in der Regel dann zu, wenn eine solche Betriebsstätte bei Tätigkeiten der fraglichen Art zu erwarten oder notwendig ist (BSG, aaO, Rn. 44); davon ist im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht auszugehen.

Bei der beschriebenen Ausgangslage spricht auch die Höhe des vereinbarten Stundenhonorars für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings handelt es sich auch bei der Honorarhöhe nur um eines von u.U. vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, weshalb weder an die Vergleichbarkeit der betrachteten Tätigkeiten noch an den Vergleich der hieraus jeweils erzielten Entgelte bzw. Honorare überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen (BSG, aaO, Rn. 50).

Dieser Ansatz kann natürlich nur Relevanz erlangen, wenn es in dem zu beurteilenden Einzelfall auf eine solche Indizwirkung ankommen kann, weil der Sachverhalt dem Grenzbereich zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit zuzurechnen ist. Sprechen hingegen die sonstigen Umstände ohnehin bereits überwiegend für eine abhängige Beschäftigung, dann kommt hingegen der weitere Ansatz des BSG zum Tragen, wonach sich der Auftraggeber in entsprechenden Fallgestaltungen nicht durch die Vereinbarung eines Zuschlages zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht gewissermaßen "freikaufen" könne (vgl. etwa BSG, U.v. 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, BSGE 128, 191; B.v. 15. Juli 2021 – B 12 R 38/20 B –, Rn. 5, juris).

Die erläuterte im vorliegenden Fall heranzuziehende Indizwirkung setzt schon im Ansatz voraus, dass die Höhe des gezahlten Honorars tatsächlich entsprechend hoch ist und damit hinreichend zusätzlichen finanziellen Spielraum für eine eigenverantwortliche Vorsorge begründet. Diesbezüglich vermag jedoch der im Tatbestand erläuterte Berechnungsmodus der Beklagten im Sinne der effektiven Gewährleistung hinreichend großer zusätzlicher finanzieller Freiräume für eine eigenverantwortliche Vorsorge zu überzeugen. Insbesondere hat sich die Klägerin dabei an realitätsgerechten Einschätzung hinsichtlich der im Fall einer abhängigen Beschäftigung zu erwartenden Gehaltshöhe orientiert. Auch die Ausführungen der anderen Beteiligten und namentlich der Beigeladenen zu 1. und 2. bringen diesbezüglich keine Zweifel zum Ausdruck.

Die Klägerin hat in den mit den Beigeladenen zu 1. und 2. abgeschlossenen Verträgen (in deren jeweils in Bezug genommenen Anlage 1) explizit die Ermittlung des von ihr herangezogenen Nettofachleistungsstundensatzes erläutert (vgl. Bl. 18, 66 VV). Die entsprechenden Berechnungen der Klägerin sind damit Vertragsbestandteil geworden und dementsprechend auch bei der Vertragsauslegung angemessen zu berücksichtigen.

Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände sind einzubeziehen, um den wirklichen Willen der Parteien zu ermitteln, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden, geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderen Interpretation vor (BAG, Urteil vom 30. März 2022 – 10 AZR 419/19 –, Rn. 40, juris mwN).

Eine entsprechende Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen bringt im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die Klägerin mit ihrem eigenen zum Vertragsbestandteil gemachten Berechnungsmodus zugleich bindende Vorgaben für die Auslegung des maßgeblichen Begriffs der „Fachleistungsstunde“ zum Ausdruck gebracht hat. Die entsprechenden zum Vertragsbestandteil erklärten Berechnungen sollten nicht nur gegenüber eventuell nachfolgend prüfenden Sozialleistungsträgern, sondern zunächst maßgeblich auch gegenüber dem/r eingesetzten Familienhelfer/in als Vertragspartner/in verlässlich zum Ausdruck bringen, dass dessen/deren berechtigte Interessen an einer ausreichenden Berücksichtigung des finanziellen Aufwandes für eine nach den vertraglichen Vereinbarungen von ihm/ihr selbst zu gewährleistende soziale Absicherung mit den vereinbarten Entgeltsätzen adäquat und ausreichend berücksichtigt worden sind.

Bei dieser Ausgangslage versteht es sich unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessenlage im redlichen Geschäftsverkehr – und damit erst recht im Verhältnis zu einer beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaft – von selbst, dass eine Konkordanz hinsichtlich des Begriffsverständnisses einerseits in den zum Vertragsbestandteil erklärten Berechnungen zur Angemessenheit der vereinbarten Vergütungen und andererseits in der nachfolgenden Praxis zur Abrechnungen eben dieser Vergütung zu gewährleisten ist. Diese Berechnungen können ihrer einvernehmlich gewollten Zielsetzung nur dann gerecht werden, wenn die bei ihnen herangezogenen Begrifflichkeiten in der nachfolgenden Abrechnungspraxis im gleichen Sinne verstanden werden.

Auf dieser Basis bringen die zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. und 2. getroffenen vertraglichen Vereinbarungen einen klaren Inhalt des maßgeblichen Begriffs der „Fachleistungsstunde“ zum Ausdruck, welche jeweils mit dem vereinbarten Stundensatz von 48 € zu honorieren war. Nach den im vorliegenden Fall abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarungen beschränkt sich der für die Abrechnung der Leistungen der Familienhelfer maßgebliche Begriff der „Fachleistungsstunde“ gerade nicht auf die Zeiten eines unmittelbaren persönlichen Zusammentreffens zwischen Betreuer und dem betreuungsbedürftigen jungen Menschen (namentlich im Sinne einer sog. Face-to-Face-Kommunikation). Vielmehr umfasst dieser Begriff nach den vertraglichen Vereinbarungen die Gesamtheit des Zeitaufwandes des eingesetzten Betreuers für die einzelfallbezogene Betreuung des hilfebedürftigen jungen Menschens. Eingeschlossen sind insbesondere auch einzelfallbezogene Vorbereitungs- und Fahrtzeiten.

Die zum Vertragsbestandteil gewordenen Berechnungen der Klägerin beruhen entscheidend auf der Unterscheidung zwischen „einzelfallbezogenen Tätigkeiten“ und „einzelfallübergreifenden Tätigkeiten“. Bei den einzelfallbezogenen Tätigkeiten unterscheiden die Berechnungen hingegen nicht weiter zwischen einzelfallbezogenen Tätigkeiten mit einem unmittelbaren persönlichen Kontakt und sonstigen einzelfallbezogenen Tätigkeiten wie etwa Vorbereitungen oder notwendigen Fahrten zur jeweiligen Betreuung. Die Berechnungen der Klägerin machten bei dieser Ausgangslage nur dann Sinn, wenn der Begriff der Fachleistungsstunde sich auf die Gesamtheit der „einzelfallbezogenen Tätigkeiten“ des Betreuers beziehen sollte.

Hätte die Klägerin sich von einem engeren Begriff der Fachleistungsstunde etwa im Sinne einer Beschränkung auf sog. Face-to-Face-Zeiten leiten lassen, dann hätte sie ihre Berechnungen des Fachleistungsstundenhonorars um einen weiteren Berechnungsschritt ergänzen müssen, in dem sie zunächst von den „einzelfallbezogenen Tätigkeiten“ die sonstigen nicht mit Face-to-Face-Kontakten verbundenen Zeiten abgezogen hätte, so dass dann nur die mit einer Face-to-Face-Betreuung eingehender Zeiten in die Ermittlung des (dann folgerichtig deutlich höheren) Stundensatzes eingeflossen wäre. Von dieser Möglichkeit hat die fachkundige Klägerin aber gerade keinen Gebrauch gemacht. Damit hat sie klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Begriff der Fachleistungsstunde von ihr in dem nach dem Zusammenhang ihrer eigenen Berechnungen sachlich gebotenen weiten Verständnis, also bezogen auf die Gesamtheit des einzelfallbezogenen Betreuungszeitaufwandes unter Einschluss insbesondere von Vorbereitungs- und Fahrtzeiten, zu verstehen sein sollte. In diesem Sinne sind die getroffenen Vereinbarungen auch aus der Sicht der Beigeladenen zu 1. und 2. zutreffend verstanden worden.

Es ist auch nicht erkennbar, dass in der Betreuungs- und Abrechnungspraxis ein anderes Begriffsverständnis herangezogen worden sein könnte. Dafür ist insbesondere auch von Seiten der Beigeladenen zu 1. und 2. nichts vorgetragen worden. Noch weniger ist in diesem Zusammenhang eine „verlässlich bedeutsame“ Diskrepanz im Sinne der erläuterten Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 28, Rn. 32) zwischen dem im Vertrag vereinbarten Honorar und eventuellen der Klägerin zuzurechnenden abweichenden Abrechnungsmodalitäten zu erkennen. Auch die Beklagte hat dafür nichts Nachvollziehbares aufzuzeigen vermocht, vielmehr hat sie bezeichnenderweise selbst im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt, dass „die jeweilige Tätigkeit“ (also nach dem Zusammenhang: die gesamte jeweilige Tätigkeit) mit einem „festen Stundenlohn“ vergütet worden sei.

Die Berechnungen verdeutlichen zugleich, dass auch die anfallenden Fahrtkosten typisierend erfasst worden sind (als Bestandteil der mit 7,49 € je Stunde veranschlagten Sachkosten). Ohnehin sind die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsort bei abhängig Beschäftigten regelmäßig von diesen und nicht vom jeweiligen Arbeitgeber zu tragen. Dementsprechend ist nur ergänzend anzumerken, dass auch in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung des BSG an den Vergleich der wechselseitigen Entgelte bzw. Honorare keine „überspannten Anforderungen“ gestellt werden dürfen (BSG, U.v. 31. März 2017, aaO, Rn. 50).

2. Der Hilfsantrag der Beklagten, die Sache zu vertagen, um ihr Gelegenheit zu einem vertiefenden Vortrag zu „klärungsbedürftigen Punkten“ zu geben, hat keinen Erfolg. Es hat sich dem Senat schon nicht erschlossen, welchen konkreten Punkte die Beklagte in welcher Hinsicht „klären“ wollte, zumal die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Betriebsprüfung im Oktober 2014 durchgeführt worden ist. Ohnehin war die Beklagte bereits im Rahmen der Betriebsprüfung von Amts wegen zur Aufklärung des Sachverhalts mit der erforderlichen Gründlichkeit verpflichtet, wobei einer effektiven und zeitnahen Wahrnehmung dieser Pflicht besondere Bedeutung im Hinblick darauf zukommt, dass weiteres Zuwarten vielfach die Möglichkeiten verlässlicher Erkenntnisgewinnungen deutlich reduziert. Dies ist der Beklagten als Fachbehörde natürlich geläufig. Jedenfalls sind seit der damaligen Betriebsprüfung inzwischen rund 8,5 Jahre vergangen, damit stand der Beklagten ohnehin weitaus mehr als nur ausreichend Zeit zur Vornahme eventueller von ihrer Seite für angezeigt erachteter weiterer „Klärungen“ zur Verfügung.

Nur ergänzend ist bei dieser Ausgangslage darauf hinzuweisen, dass der Senat namentlich auch im Interesse der Sicherstellung einer ungeachtet der erheblichen Zeitabläufe möglichst verlässlichen Erkenntnisgrundlagen nur wenigen Wochen vor der mündlichen Verhandlung einen Erörterungstermin durchgeführt hat, an dem auch Vertreter des Jugendamtes der Klägerin und die Beigeladenen zu 1. und 2. teilgenommen haben. Mit diesem Termin ist zugleich auch der Beklagten noch einmal Gelegenheit zu Nachfragen zu aus ihrer Sicht ggfs. noch klärungsbedürftigen Punkten gegeben worden; intensivere Nachfragen der Beklagten waren allerdings im Rahmen dieser Erörterung nicht zu verzeichnen.

Auch vor diesem Hintergrund hat sich dem Senat nicht erschlossen, weshalb nach knapp siebenjähriger Dauer des gerichtlichen Verfahrens die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Vertagung beantragt hat. Ebenso wenig hat sich dem Senat ungeachtet entsprechender Nachfragen nachvollziehbar erschlossen, weshalb die Beklagte in der mündlichen Verhandlung rentenrechtliche Versicherungsverläufe von am vorliegenden Verfahren gar nicht beteiligten Mitarbeiterinnen des klägerischen Jugendamtes vorgelegt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
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