S 18 KA 133/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 18 KA 133/22
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 18/23
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Umsetzung der bis zum 31.12.2022 gültigen TSVG-Neupatientenregelung (§ 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 5 SGB V) im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

2. Bei der Ermittlung von Praxisbesonderheiten ist hinsichtlich der Auszahlungsquote auf das Quartal, für das die Sonderregelung gefordert wird, abzustellen.
 


Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Honorarbescheides für das Quartal I/2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2022 verurteilt, über den Honoraranspruch der Klägerin im Quartal I/2020 neu zu entscheiden und dabei bei der Ermittlung der Praxisbesonderheiten für die Auszahlungsquote nicht auf das vorjährige Aufsatzquartal, sondern auf das Quartal, für das die Sonderregelung gefordert wird, abzustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 75 % und die Beklagte zu 25 % zu tragen.
 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars für das Quartal I/20 und hierbei über eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens (RLV) sowie die Festsetzung im Honorarbescheid.

Die Klägerin ist seit 29.06.2004 als Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen, sie ist seit dem 02.01.2005 in Einzelpraxis tätig und betreibt ein Schlaflabor.

In der Vergangenheit beantragte sie bereits für die Quartale I/14 bis IV/14 eine Sonderregelung aufgrund von Praxisbesonderheiten und legte gegen die entsprechenden Bescheide Rechtsmittel ein.

Ebenso beantragte sie am 07.01.2020 eine Erhöhung des RLV-Fallwertes für die Quartale I/20 bis IV/20 aufgrund von Praxisbesonderheiten. Nach Ziff. 4.10 des HVM könne der Vorstand der KV Hessen im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen, was insbes. für Praxisbesonderheiten gelte. Sie überschreite den RLV-Fallwert der Ärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin um mehr als 20 %. Auch betrage die Honoraranforderung für Leistungen der schlafbezogenen Atmungsstörungen mehr als 20 % der Honoraranforderung im RLV. Die Leistungen der schlafbezogenen Atmungsstörungen würden dem Kapitel 30.9 EMB und mithin einem arztübergreifenden Kapitel des EBM entstammen. Da für diese Leistungen auch eine besondere Praxisausstattung notwendig sei, seien die Voraussetzung einer Fallwerterhöhung gegeben. Sie rechne sowohl die GOP 30900 als auch die GOP 30901 EBM ab. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die GOPs 30900 und 30901 EBM bei der Ermittlung der Fallwerterhöhung nicht getrennt zu betrachten seien, da sie dem gleichen Unterkapitel des EBM entstammen würden, sodass ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden GOPs bestünde.

Mit Bescheid vom 21.08.2020 gab die Beklagte dem Antrag der Klägerin insoweit statt, als dass für das Quartal I/20 der RLV-Fallwert unter Berücksichtigung der Auszahlungsquote des Vorjahresquartals um den Betrag von 131,28 € erhöht wurde. Dem weitergehenden Antrag für das Quartal I/20 gab sie hingegen nicht statt. Zur Begründung führte sie aus, dass die Prüfung des klägerischen Antrages ergeben hätte, dass ihr arztindividueller Fallwert den RLV-Fachgruppenfallwert aus dem aktuellen Quartal IV/19 um mehr als 20 % überschreite. Die weiteren Voraussetzungen sehe sie bei der geltend gemachten Leistung nach der GOP 30901 EBM als erfüllt an. Anders sei dies bei der geltend gemachten Leistung nach der GOP 30900 EBM, da die Leistung nicht mehr als 20 % der anerkannten RLV-Anforderung ausmache. 

Die Klägerin legte gegen den Bescheid Widerspruch ein.

Die Beklagte setzte das Honorar der Klägerin für das Quartal I/20 anschließend wie folgt fest:
 

Quartal    I/20
Honorarbescheid v. 27.07.2020
Honorar gesamt in € 260.616,32
Honoraranforderung PK + EK in € 265.317,46
Fallzahl PK + EK 800
Bruttohonorar PK + EK in € 265.317,46
Regelleistungsvolumen in € 164.329,36
Abzug EHV-Umlage  -11.161,28
Abzug Bereinigungsbetrag TSVG  -87.050,13

   
Mit Datum vom 05.10.2020 übersandte die Beklagte die Honorarunterlagen für das Quartal I/20.

Die Klägerin legte gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/20 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf die derzeit anhängigen Verfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht, Az. L 4 KA 36/19, betreffend der Ermittlung der Fallwerterhöhung auf Grund von Praxisbesonderheiten.

Mit Schriftsatz vom 21.12.2020 begründete die anwaltlich vertretene Klägerin den Widerspruch genauer und bezog sich dabei auf die sog. „Neupatienten“-Regelung in § 87a Abs. 3 SGB V des am 11.05.2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). So hätte sie im Quartal I/20 insgesamt eine Honoraranforderung in Höhe von 257.311,55 € bei sog. „Neupatienten“ zu verzeichnen gehabt. Gemäß der Frequenzstatistik sei bei 297 Patienten eine Versichertenpauschale extrabudgetär vergütet worden. Nach Anwendung der Auszahlungsquote der Arztgruppe des Vorjahresquartals, die 85,982 % betrage, ergebe sich zunächst ein Bereinigungsbetrag in Höhe von 221.241,62 €. Da insgesamt Leistungen in Höhe von 321,75 € für den Leistungsbereich „Kosten- und Wegegelder“ angefordert worden seien, reduzierte sich der Bereinigungsbetrag um 45,10 €, sodass insgesamt ein Bereinigungsbetrag in Höhe von 220.818,87 € bestünde. In Ziff. 4.4.2.2. HVM sei geregelt, dass bei einer Überschreitung des arztindividuellen Bereinigungsvolumens über das zur Verfügung stehende RLV-/ QZV-Verteilungsvolumen ein anderer Honorarbereich des Arztes zur Finanzierung herangezogen werde. Die Obergrenze im RLV/QZV betrage für sie unter Berücksichtigung der Sonderregelung insgesamt 133.869,74 €. Durch die Bereinigung des TSVG werde die Obergrenze des RLV im Quartal I/20 auf 0,00 € reduziert, so dass die Honoraranforderung in Höhe von 164.329,36 € insgesamt zur unteren Quote vergütet werde. Weiterhin überschreite der Bereinigungsbetrag die Obergrenze im RLV um 87.050,13 €, sodass dieser Betrag insgesamt vom erwirtschafteten Honorar zum Abzug gebracht werde. Dieses Vorgehen entspreche zwar den Vorgaben des HVM, jedoch würden die Ziele des TSVG konterkariert. Mit dem TSVG hätten diejenigen Ärzte besser vergütet werden sollen, die die Versorgung der GKV verbessern würden. Für die Ausweitung des Leistungsangebotes – hier bezogen auf Neupatienten – hätte ein finanzieller Anreiz durch die extrabudgetäre Vergütung der Leistungen geschaffen werden sollen. Der HVM sei an dieser Stelle rechtswidrig und verstoße gegen höherrangiges Recht. Da die nunmehr extrabudgetär zu vergütenden Leistungen bereits in die MGV eingepreist gewesen seien, sei es verständlich, dass eine Bereinigung eingeführt worden sei. Die Bereinigung sei – zunächst – auf ein Jahr begrenzt, in der Konstellation der Neupatienten für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis 30.08.2020. Hier wäre es jedoch sachgerecht gewesen, die Bereinigung insgesamt an dem für die Fachärzte zur Verfügung stehenden Anteil der MGV durchzuführen. Die Vorgaben der KBV gemäß § 87b Abs. 4 SGB V der Honorarverteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung vom 04.08.2020 würden jedoch in Punkt 10 vorgeben, dass die Bereinigung auf Grund der Entbudgetierung gemäß § 87a Abs. 3 Satz 7 SGB V auf Arztebene so umzusetzen sei, dass von der Bereinigung ausschließlich diejenigen Ärzte betroffen seien, die die extrabudgetär gestellten Leistungen durchführen und abrechnen würden. Diese Vorgabe sei vor dem Hintergrund noch verständlich, dass von der Bereinigung Gruppen nicht belastet werden sollten, die von der sog. TSVG-Konstellationen gar keinen Gebrauch machen könnten, wie z.B. Laborärzte oder Pathologen. Eine arztindividuelle Bereinigung – und zudem noch im aktuellen Quartal, wie sie hier durchgeführt würde, werde aber von der KBV und auch vom Bewertungsausschuss nicht vorgegeben und sei auch im Übrigen von den Vorschriften des SGB V in der Fassung des TSVG nicht gedeckt. Der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 19.06.2019 stelle bei der Bestimmung der zu Grunde liegenden relevanten Leistungsmengen, der Auszahlungsquoten und bei der Ermittlung der Bereinigungsmengen auch auf die jeweilige Arztgruppe ab. Demzufolge erfolge z. B. in der KV Niedersachsen die Bereinigung arztgruppenbezogen. Die hier vorgenommene arztindividuelle Bereinigung im aktuellen Leistungsquartal konterkariere den gesetzgeberischen Willen, was sich an ihrem Fall mehr als deutlich zeige. Denn obgleich gestiegener Fallzahl im Quartal I/20 gegenüber dem Quartal I/19 und gekennzeichneter TSVG-Fallzahl von 297, liege ihre Auszahlung im Quartal II/20 57.898,39 € unter der Auszahlung im Quartal I/19, was die Umsetzung des TSVG ad absurdum führe. Darüber hinaus sei für das Quartal I/20 eine RLV-Fallzahl von 800 Fällen für die Ermittlung des RLV herangezogen worden. Da bei den sog. Neupatienten jedoch keine RLV-Leistungen erbracht würden, könnten diese Fälle nicht als RLV-Fälle herangezogen werden, denn diese würden eine extrabudgetäre Vergütung bedingen und könnten deshalb keinen RLV-relevanten Fall auslösen. Aus diesem Grund würde sich die RLV-Fallzahl auf 503 Fälle reduzieren.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2022 als unbegründet zurück. Die Rüge der Klägerin betreffend der Ermittlung der RLV-Fallzahl und mithin der Ermittlung der RLV-Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten im Hinblick auf die Behandlungsfälle von TSVG-Neupatienten greife nicht durch. Nach Ziff. 3.4.1 bzw. 4.4.1 HVM würden auch als TSVG gekennzeichnete Fälle als RLV relevant herangezogen, wenn sie ohne die Kennzeichnung TSVG einen RLV relevanten Arzt- bzw. Behandlungsfall ausgelöst hätten. Im Falle der Klägerin seien deshalb die TSVG-Neupatienten zu berücksichtigen gewesen, weshalb bei der Ermittlung der Fallwerterhöhung die korrekte Fallzahl von 800 zugrunde gelegt worden sei. Soweit die Bereinigung des ihr zugewiesenen RLV-Volumens aufgrund der Entbudgetierung der TSVG-Konstellation gerügt würde, sei festzustellen, dass diese nicht zu beanstanden sei. Bei allen TSVG-Konstellationen würden sämtliche Leistungen (mit Ausnahme der Leistungen des Kapitels 32) im Quartal extrabudgetär bezahlt. Die Bezugsgröße sei dabei der Arztgruppenfall, der zum 01.09.2019 in die Allgemeinen Bestimmungen Nr. 3.5 zum EBM aufgenommen worden sei. Er sei definiert in § 21 Abs. 1c BMV-Ä und umfasse die Behandlung desselben Versicherten durch dieselbe Arztgruppe einer Arztpraxis in demselben Kalendervierteljahr zu Lasten derselben Krankenkasse. Zu einer Arztgruppe würden diejenigen Ärzte gehören, denen im EBM ein Kapitel bzw. in Kapitel 13 ein Unterabschnitt zugeordnet sei. Allerdings hätte der Gesetzgeber auch eine Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) vorgegeben. Wenn nun Leistungen als Neuerung extrabudgetär bezahlt werden würden, so sei entscheidend, ob diese Leistungen bereits als budgetäre Leistungen in der MGV existiert hätten oder ob sie komplett neue Leistungen seien. Komplett neue extrabudgetäre Leistungen würden mit vollem EBM Wert bezahlt, ohne dass im MGV eine Bereinigung erfolge. Die Krankenkassen müssten und würden diese Leistungen also immer mit dem vollen €-Wert im EBM bezahlen, unabhängig von der abgerufenen Leistungsmenge. Bei extrabudgetären Leistungen, die bisher innerhalb der MGV budgetiert bezahlt worden seien, wie etwa die Leistungen der TSVG-Konstellationen, erfolge eine sog. „Bereinigung“ der MGV. Die „Logik“ hinter der Bereinigung sei die Argumentation, dass diese Leistung ja bereits durch die Vorabzahlung des MGV bezahlt worden sei, jetzt aber innerhalb des MGV nicht mehr erbracht werde, weil die Leistung eben extrabudgetär mit ihrem vollen EBM Wert vergütet werde. Die MGV werde deshalb um die Leistungen reduziert, die innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der jeweiligen TSVG-Konstellation abgerechnet würden. Hierzu würden die nach dem Inkrafttreten der Vergütungsregelungen des TSVG erbrachten und nach sachlich-rechnerischer Prüfung abgerechneten Leistungen (TSVG-Konstellationen) unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals bereinigt. Die Bereinigung erfolge nur mit dem budgetierten €-Wert dieser Leistungen, nicht mit dem vollen €-Wert. Das Budget werde also durch die Bereinigung reduziert, nicht jedoch zwangsläufig das Honorar. Auf jedem Fall werde die Differenzsumme zwischen budgetiertem Auszahlungswert und vollem EBM-Wert ausbezahlt. Die einzelnen Bereinigungsschritte seien in Teil C Nr. 4.4.2.2 des HVM geregelt und würden sich bei ihrer Praxis wie folgt darstellen:

  • Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann (vorhanden unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de).
     

Soweit die Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin einwende, dass in ihrem Fall durch die Bereinigung der MGV die Ziele des TSVG konterkariert würden, werde darauf hingewiesen, dass die Bereinigung der MGV aufgrund der TSVG-bedingten Änderung des § 83a Abs. 3 SGB V und des daraus resultierenden Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 vorgegeben sei und sie hiervon nicht einseitig abweichen könne. Insbes. könne aus dem regelwidrigen Verhalten einiger Kollegen der klägerischen Fachgruppe, die bewusst die Behandlungsfälle mit Neupatienten in der Abrechnung nicht gekennzeichnet hätten um der Bereinigung zu entgehen, kein Verzicht auf eine Bereinigung in Falle der Klägerin hergeleitet werden, da ein unrechtmäßiges Abrechnungsverhalten Einzelner keine neue Abrechnungsregelung zu begründen vermag. Zu Bedenken sei zudem, dass ein tatsächlicher Honoraranstieg für mehr Patienten und mehr Leistungen mit entsprechender Mehrvergütung – durch den Gesetzgeber so vorgegeben – für die genannten Fälle erst erfolgen könne, wenn keine Bereinigung des budgetierten Teils der Vergütung erfolgen würde. Die ersten bereinigungsrelevanten Quartale würden daher zunächst finanzielle Herausforderungen hinsichtlich der Vergütung für die weiterhin budgetierten regelhaften Behandlungen bringen. Abschließend dürfe nicht außer Betracht bleiben, dass sich die Honorarsumme trotz TSVG-Bereinigung immer noch auf rund 265.000 € belaufe.

Gegen die zuvor genannten Bescheide hat die Klägerin am 11.05.2022 Klage am Sozialgericht Marburg erhoben. Sie trägt vor, sie habe im Quartal I/20 297 Neupatienten behandelt und dafür eine extrabudgetäre Vergütung erhalten. Die Zahl der Fälle, die von ihr innerhalb des RLV (ohne Berücksichtigung der Neupatienten) behandelt worden sei, betrage 503. Im entsprechenden Antragsverfahren sei ihr für die Ziffer 30901 EBM eine Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten auf 167,17 € gewährt worden. An dem Antrag, diese Praxisbesonderheit hinsichtlich der GOP 30900 EBM ebenfalls anzuerkennen, werde nicht weiter festgehalten, da das Hessische Landessozialgericht mit Urteil vom 24.11.2021 (L 4 KA 36/19) rechtskräftig festgestellt hätte, dass beide Leistungsbereiche getrennt voneinander zu beurteilen seien und die Ziffer 30900 keiner Praxisbesonderheit zugänglich sei. Mit ihrer Klage greife sie zum einem die Art und Weise der Umsetzung der Bereinigung durch die Beklagte sowie zum anderen die Ermittlung der Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten an.

Zur Ermittlung der Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten sei Folgendes auszuführen: Nach 3.4.1. des für das erste Quartal 2020 geltenden HVMs der Beklagten würden auch als TSVG gekennzeichnete Fälle als RLV-relevant herangezogen, wenn sie ohne die Kennzeichnung TSVG einen RLV-relevanten Arzt- bzw. Behandlungsfall ausgelöst hätten. Dadurch seien von der Beklagten 297 Fälle von Neupatienten berücksichtigt worden, wodurch sie auf eine RLV-Fallzahl von 800 komme. Für die Ermittlung der Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten werde jedoch ausschließlich die Honoraranforderung der LKAT 00 – und damit nur der Leistungsbereich, der dem RLV zugeordnet werde – herangezogen. Die Beklagte gehe hier nicht konsequent vor, denn nach Ansicht der Klägerin dürften die TSVG-Fälle, mithin auch die Neupatienten, bei der Ermittlung der RLV-relevanten Fallzahl nicht berücksichtigt werden. Die Neupatienten seien sog. TSVG-Fälle, die der extrabudgetären Vergütung unterliegen und gerade nicht in die Budgetierungsregelungen eines Regelleistungsvolumens fallen würden. Dies entspräche auch der Auffassung der KBV in den nach Inkrafttreten des TSVG veröffentlichten Details zu den neuen TSVG-Regelungen von September 2019 auf Seite 2 letzter Absatz. 

Zur Umsetzung der Bereinigung sei auszuführen, dass diese durch die Beklagte arztindividuell im jeweiligen Abrechnungsquartal erfolge. Da der von der Beklagten ausgerechnete Bereinigungsbetrag von insgesamt 220.919,87 € auch die nicht angepasste RLV-Obergrenze (vor Bereinigung) im RLV überschritten hätte, sei dieser Betrag vom insgesamt erwirtschafteten Honorar zum Abzug gebracht worden, weshalb sie nicht nur durch die Herabsetzung der Obergrenze im RLV / QZV durch die Bereinigung betroffen sei, sondern mit einem weiteren Honorarabzug in Höhe von 87.050,13 € darüber hinaus. Hinsichtlich der Gesamtbereinigungsproblematik berufe sich die Beklagte auf den Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 19.06.2019, wovon sie nicht einseitig abweichen könne. Die dort getroffenen Vorgaben würden in keinster Weise eine zwingende Umsetzungsvoraussetzung für die Bereinigungssystematik, wie sie von der Beklagten vorgenommen werde, darstellen. Gleiches gelte für die Vorgaben der KBV gemäß § 87b Abs. 4 SGB V vom 04.08.2020. In dem dortigen Punkt 10 sei zwar geregelt, dass die Bereinigung aufgrund der Entbudgetierung gemäß § 87a Abs. 3 Satz 7 SGB V auf Arztebene so umzusetzen sei, dass von der Bereinigung ausschließlich diejenigen Ärzte betroffen seien, die die extrabudgetär gestellten Leistungen durchführen und abrechnen würden. Dies bedeute jedoch nicht, dass eine quartalsgleiche arztindividuelle Bereinigung dergestalt durchgeführt werden müsse, dass bei der Ermittlung der RLV-Fallzahlung TSVG-Fälle mitberücksichtigt würden, dass eventuelle Praxisbesonderheiten auf diese nicht anerkannt würden und dass eine Bereinigung über die Herabsetzung der RLV-Obergrenze auf Null mit einem Abzug von über 80.000 € in weiteren Honorarbereichen erfolgen dürfe. Eine solche Bereinigungssystematik erfolge in keinem anderen KV-Bereich. Die Umsetzung der Vorgaben der KBV hätten – wie in Niedersachsen – auch dadurch gewährleistet werden können, dass arztgruppenspezifisch bereinigt werde. Die Intention des Gesetzgebers sei es gewesen, einen Anreiz für die vermehrte Öffnung der Praxen für Neupatienten zu setzen durch eine extrabudgetäre Vergütung, mit der eine Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung einhergegangen sei. Die Intention des Gesetzgebers sei es dabei gewesen, beim einzelnen Arzt einen finanziellen Benefit herbeizuführen, was sich bei ihr aber ins Gegenteil verkehrt hätte. Trotz gestiegener Fallzahl im Quartal I/20 um fast 300 Fälle mit einer TSVG-Konstellation von 297 Fällen liege die Auszahlung im Quartal I/20 57.898,39 € unter der Auszahlung im Quartal I/19. Dies zeige, dass die Umsetzung der Bereinigungssystematik durch die Beklagte den gesetzgeberischen Willen, der mit dem TSVG verbunden sei, konterkariere.

Die Klägerin beantragt,
den Honorarbescheid für das Quartal I/2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2022 betreffend die arztbezogene Bereinigung aufgrund der Vorgaben im Terminservice- und Versorgungsgesetz aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Honoraranspruch der Klägerin und insbesondere die Festsetzung des RLV-Volumens unter Berücksichtigung der RLV-Fallzahl und des RLV-Fallwertes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die RLV-Fallzahl der Klägerin in Höhe von 800 Fällen sei korrekt entsprechend der Vorgaben des HVM ermittelt worden. Aufgrund der Regelung im Abschnitt II, Teil B, Ziffer 4.4.1 HVM sei keine Reduzierung um die sog. Neupatienten in Höhe von 297 Fällen vorzunehmen. Die Rügen der Klägerin hinsichtlich der Umsetzung der TSVG-Bereinigung würden ebenfalls nicht durchgreifen. Die Vorgaben des Bewertungsausschusses in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019, zuletzt geändert durch Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 444. Sitzung, zu § 87a Abs. 5 Satz 7 SGB V zur Bereinigung der MGV nach § 87a Abs. 3 Satz 7 und 8 seien durch sie in Abschnitt II., Teil C, Ziffer 4 HVM umgesetzt worden. Danach seien die ab Inkrafttreten der Vergütungsregelungen des TSVG erbrachten und nach sachlich-rechnerischer Prüfung abgerechneten Leistungen gemäß § 87a Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 bis 6 SGB V (TSVG-Konstellationen) unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquote des jeweiligen Vorjahresquartals bereinigt worden. Durch die Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquote werde sichergestellt, dass die Bereinigung nur mit dem budgetierten €-Wert dieser Leistung erfolge. Dabei müsse sie nicht zwingend eine arztgruppenspezifische Bereinigung vornehmen, denn die arztseitige Bereinigung führe im Ergebnis dazu, dass die vom Arzt selbst angeforderten und extrabudgetär zu vergütenden Leistungen auch entsprechend aus seiner MGV herausgenommen würden. Hinsichtlich des Begehrens der Klägerin einer Ermittlung der Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten für die kardiorespiratorische Polysomnographie (GOP 30901 EBM) unter Zugrundelegung der bereinigten Fallzahl und ohne Anwendung der Auszahlungsquote aus dem Vorjahresquartal, hätte eine Vergleichsberechnung ergeben, dass dann ein Fallwert in Höhe von 156,92 € bzw. eines RLV-Budgets in Höhe von rund 125.000 € zuerkannt werden könne. Dies würde jedoch eine Schlechterstellung der Klägerin darstellen, da ihr im Antragsbescheid vom 21.08.2020 bereits ein RLV-Fallwert in Höhe von 167,17 € bzw. ein RLV-Budget in Höhe von rund 133.000 € zugestanden worden sei. Nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Gründen die Klägerin der Auffassung sei, dass eine arztgruppenspezifische Bereinigung den Grundsätzen der KBV Genüge getan hätte und das mildeste Mittel gewesen und der Intention des Gesetzgebers am nächsten gekommen wäre. Im Übrigen verweise sie auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden, insbes. dem Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

I. Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und Var. 3 SGG erhobene Klage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

II. Die Klage ist daneben teilweise begründet.

Der Honorarbescheid für das Quartal I/20 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2022 ist hinsichtlich der Ermittlung der Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (unter 1.). Dies führt dazu, dass ein Anspruch auf Neubescheidung über den Honoraranspruch für das Quartal I/20 gegenüber der Beklagten besteht. Soweit die Klägerin jedoch die Art und Weise der Umsetzung der Bereinigung nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz im Rahmen des Honorarverteilungsmaßstabs beanstandet, hat die Klage keinen Erfolg (unter 2.).
Rechtsgrundlage für den Honoraranspruch der Klägerin ist § 87b Abs. 1 Satz 2 SGB V i. V. m. dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten.

Nach dem ab April 2018 geltenden Honorarverteilungsmaßstab aufgrund des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 01.12.2018 (HVM 2018), geändert durch Ergänzungen des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) gemäß § 87b Abs. 1 Satz 2 SGB durch die Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 30.03.2019, 18.05.2019, 24./25.08.2019, 19.10.2019, 07.03.2020, 27.06.2020 und 31.10.2020 erfolgt die Vergütung der Ärzte auf der Basis der gemäß § 87a Abs. 2 Satz 5 SGB V zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen regionalen Euro-Gebührenordnung. Es werden Regelleistungsvolumina (RLV) und qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) gebildet, was auch für die Fachgruppe der Klägerin gilt. Dieser HVM wurde im Grundsatz fortgeführt und galt auch in den streitbefangenen Quartalen.

Nach Ziff. 4.4 HVM werden die Regelleistungsvolumen quartalsbezogen für das jeweilige Abrechnungsquartal je Arzt ermittelt.

Das ermittelte arztbezogene RLV wird gemäß Ziff. 4.5.1 HVM für jeden über 150 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe hinausgehenden RLV-Fall des aktuellen Quartals wie folgt gemindert:
a) um 25 % für RLV-Fälle über 150 % bis 170 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe,
b) um 50 % für RLV-Fälle über 170 % bis 200 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe,
c) um 75 % für RLV-Fälle über 200 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe.
Nach Ziff. 4.10 HVM kann der Vorstand der KV Hessen im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahren ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV). Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entscheidet darüber hinaus im Einzelfall.

Der Vorstand der Beklagten hat in seiner Sitzung am 18.04.2016 für die Quartale ab I/16 zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten die folgende Vorgehensweise beschlossen:
1. Prüfung, ob der arztindividuelle RLV-Fallwert den arztgruppenspezifischen RLV-Fallwert um mehr als 20 % überschreitet.
2. weitergehende Prüfung, ob ein besonderer Versorgungsauftrag vorliegt. Diese Voraussetzung kann in der Regel als erfüllt angesehen werden, wenn die Leistung den arztgruppenübergreifenden speziellen Kapiteln zugeordnet ist.
Kein besonderer Versorgungsauftrag liegt demnach vor, wenn die Leistung
-    als Kernleistung für die Fachgruppe anzusehen ist, d.h. wenn die Leistung vom überwiegenden Teil (> 50 %) der Ärzte einer Fachgruppe erbracht wird.
-    dem Facharztkapitel (arztgruppenspezifische Kapitel) des Arztes zugeordnet ist.
-    den arztgruppenübergreifenden allgemeinen Kapiteln zugeordnet ist. Hiervon abweichend kann eine Leistung im Einzelfall als Praxisbesonderheit anerkannt werden, wenn die Erbringung an besondere Voraussetzungen geknüpft ist (z.B. Genehmigung, besondere Ausstattung).
(…)
3. weitergehende Prüfung, ob die anerkennungsfähigen Leistungen/ Leistungsbereiche, die dem RLV unterliegen, mehr als 20 der anerkannten RLV-Anforderung ausmachen.“

Auf Grundlage dieser Regelung hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 21.08.2020 aufgrund von Praxisbesonderheiten für die Leistung nach GOP 30901 EBM eine Sonderregelung gewährt und den Fallwert um 131,28 € erhöht. 

An dem zusätzlichen Antrag auf Praxisbesonderheiten für die Leistung der GOP 30900 EBM, welcher sowohl im Bescheid vom 21.08.2020 als auch im Widerspruchsbescheid vom 27.04.2022 von der Beklagten abgelehnt wurde, hat die Klägerin im Klageverfahren nicht weiter festgehalten. Dieser Antrag ist infolgedessen nicht Klagegegenstand geworden.

1. Hinsichtlich der gewährten und zur Überprüfung gestellten Praxisbesonderheit für das Quartal I/20 greifen die Einwände der Klägerin nicht durch. 

Soweit sie vorträgt, ihrer Ansicht nach dürften die sog. TSVG-Fälle, mithin auch die Neupatienten, bei der Ermittlung der RLV-relevanten Fallzahl nicht berücksichtigt werden, so kann dem nicht gefolgt werden.

Grundsätzlich gilt bei der Überprüfung der den Honorarbescheiden zu Grunde liegenden HVM, dass die Beklagte bei der Ausformung der Regelungen ein Gestaltungsspielraum hat (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2004, B 6 KA 44/03 R, Rn. 63 Juris). Da die Beklagte bei der Honorarverteilung gleichzeitig an höherrangiges Recht gebunden ist, dürfen sich die getroffenen Regelungen nicht in Widerspruch zu verbindlichen Vergütungsvorgaben setzen (vgl. B 6 KA 44/03 R, Rn. 64 Juris). Von Seiten des Gerichtes erfolgt eine Überprüfung der HVM-Regelungen und Umsetzungen nur daraufhin, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben einhalten. Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich mithin darauf, ob der zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und die Vertragspartner den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d. h. die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe eingehalten haben (Freudenberg, in: JurisPK-SGB V, Stand: 31.10.2022, Rn. 76).

Anhand dieser Maßstäbe ist die getroffene Regelung der Beklagten unter Ziff. 3.4.1. bzw. 4.4.1., wonach auch als TSVG gekennzeichnete Fälle als RLV relevant herangezogen werden, wenn sie ohne die Kennzeichnung TSVG einen RLV relevanten Arzt- bzw. Behandlungsfall ausgelöst hätten, nicht zu beanstanden, da eine zwingende Vorgabe dergestalt, dass die Neupatienten bei der Bestimmung der RLV-relevanten Fallzahl nicht zu berücksichtigen sind, sich dem höherrangigen Recht nicht entnehmen lässt.

Letztendlich zielen alle Einwände bzw. Beanstandungen der Klägerin auf die Umsetzung der Neupatientenregelung ab, da sowohl die Bestimmung der Praxisbesonderheiten als auch die Bereinigung des RLV im HVM unter Verweis auf die Zielsetzung des TSVG angegriffen wird.

Durch das TSVG wurde die extrabudgetäre Vergütung von sog. Neupatienten-Fällen angeordnet.

§ 87a Abs. 3 Satz 5 SGB V regelte hierzu im streitgegenständlichen Zeitraum folgendes: Von den Krankenkassen sind folgende Leistungen und Zuschläge außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten:
1. Leistungen im Rahmen der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, 
2. Zuschläge nach § 87 Absatz 2b Satz 3 sowie Absatz 2c Satz 3,
3. Leistungen im Behandlungsfall, die aufgrund der Vermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 1 und 3 erbracht werden, sofern es sich nicht um Fälle nach § 75 Absatz 1a Satz 8 handelt,
4. Leistungen im Behandlungsfall bei Weiterbehandlung eines Patienten durch einen an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer nach Vermittlung durch einen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer nach § 73 Absatz 1 Satz Nummer 2,
5. Leistungen im Behandlungsfall, die von Ärzten, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, gegenüber Patienten erbracht werden, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt werden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt wurden, und
6. Leistungen im Behandlungsfall, die im Rahmen von bis zu fünf offenen Sprechstunden je Kalenderwoche ohne vorherige Terminvereinbarung gemäß § 19a Absatz 1 Satz 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte erbracht werden; bei einem reduzierten Versorgungsauftrag ist die Vergütung außerhalb der Gesamtvergütung auf die jeweils anteilige Zeit offener Sprechstunden je Kalenderwoche gemäß § 19 Absatz 1 Satz 4 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte begrenzt.

Nach Satz 7 und 8 haben die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartner die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in den Vereinbarungen nach Absatz 3 Satz 1 um die in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen nachzuweisen sind, begrenzt auf ein Jahr zu bereinigen. Dabei haben sie die vom Bewertungsausschuss zu beschließenden Vorgaben nach Absatz 5 Satz 7 zu berücksichtigen.

Eine ausdrückliche Vorgabe zur Bestimmung der RLV-Fallzahl lässt sich der gesetzlichen Regelung nicht entnehmen. Dies gilt ebenfalls für die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 04.08.2020 gemäß § 87b Abs. 4 SGB V zur Honorarverteilung durch die Kassenärztlichen Vereinigung. Die dort in Teil F aufgeführten Vorgaben betreffen vor allem die Durchführung der Bereinigung. Die dabei unter Nr. 10 gemachte Vorgabe, dass durch die Bereinigung ausschließlich diejenigen Ärzte betroffen sein sollen, die die extrabudgetär gestellten Leistungen durchführen und abrechnen, führt nach Auffassung der Kammer jedoch dazu, dass bei der Bestimmung des RLV noch nicht die Neupatienten herausgerechnet werden können. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, würde eine solche frühzeitige Bereinigung dazu führen, dass die Ärzte benachteiligt würden, die keine TSVG-Fälle (sprich hier: Neupatienten) abrechnen, was wiederum den KBV-Vorgaben widersprechen würde. Die Vorgehensweise der Beklagten, jedem Arzt (mit oder ohne TSVG-Leistungen) zunächst den unbereinigten RLV-Fallwert und das RLV-Budget zuzuordnen, ist von dem ihr zustehenden Gestaltungsspielraum nach Auffassung der Kammer gedeckt.

Dennoch stellen sich die angegriffenen Bescheide bzgl. der Ermittlung der Fallwerterhöhung aufgrund von Praxisbesonderheiten als rechtswidrig dar, da die Beklagte sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite ermessensfehlerhaft auf das vorjährige Aufsatzquartal abgestellt hat. Dieser Fehler betrifft insbesondere die Bestimmung der Auszahlungsquote. Statt hier auf das vorjährige Aufsatzquartal abzustellen, hätte die Beklagte bei der Berechnung der Sonderregelung vielmehr auf das aktuelle Quartal (vorliegend das Quartal I/20) abstellen müssen.

Die Kammer schließt sich dabei der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (HLSG) an, wonach aufgrund der Tatsache, dass die Sonderregelung wegen der aktuellen Sicherstellung der ärztlichen Versorgung gewährt wird, grundsätzlich auf das aktuelle Quartal abzustellen ist (vgl. HLSG, Urteil vom 30.11.2016, L 4 KA 69/14, Rn. 85 Juris; ebenso: HLSG, Urteil vom 20.02.2019, L 4 KA 31/15 und HLSG, Urteil vom 25.05.2022, L 4 KA 10/20 – beide nicht veröffentlicht). Wie das HLSG ebenfalls bereits wiederholt klargestellt hat, ist es für die Beklagte verwaltungstechnisch möglich und zumutbar, zur Berechnung das aktuelle Quartal heranzuziehen, während das Abstellen auf das jeweilige Aufsatzquartal zu einer einjährigen Anpassungsverzögerung führen würde, für die keine nachvollziehbaren Gründe bestehen (HLSG, L 4 KA 69/14, Rn. 85 Juris; bestätigt durch HLSG, L 4 KA 10/20).

Von daher wird die Beklagte bei einer Neubescheidung des Antrages auf Praxisbesonderheiten auf die aktuellen RLV-Werte abzustellen haben, was ebenso für die Ermittlung der Auszahlungsquote gilt. Im Hinblick auf die Auszahlungsquote wird die Beklagte ferner zu berücksichtigen haben, dass für den Fall, dass der arztindividuelle RLV-Fallwert als Höchstwert und Deckelung greift, dieser nicht mehr zusätzlich der Quotierung anhand der Auszahlungsquote unterliegt (vgl. HLSG, Urteil vom 25.05.2022, L 4 KA 10/20, Seite 27). Auch insoweit schließt sich die Kammer der HLSG-Rechtsprechung an, wonach sich aus dem Wortlaut des Vorstandsbeschlusses der Beklagten keine weitere Quotierung ableiten lässt (vgl. HLSG, Urteil vom 25.05.2022, L 4 KA 10/20, Seite 27 f.).

Die Klage ist in dem soeben dargestellten Umfang teilweise begründet.

2. Nicht durchzugreifen vermögen jedoch die Einwände der Klägerin gegen die Art und Weise der Umsetzung der Bereinigung. Die zur TSVG-Bereinigung im HVM in Ziff. 4.4.2.2 getroffenen Regelungen der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht und sind vom Gestaltungsspielraum der Beklagten gedeckt.

Konkret beanstandet die Klägerin hier die arztbezogene Bereinigung. Ihrer Auffassung nach sei stattdessen eine arztgruppenspezifische Bereinigung vorzunehmen. Die Notwendigkeit hierzu erschließt sich der Kammer nicht. Vielmehr weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine arztgruppenspezifische Bereinigung im Widerspruch zu den KBV-Vorgaben stehen würde, die in Teil F Nr. 10 bestimmt, dass die Bereinigung auf Arztebene so umzusetzen ist, dass von der Bereinigung ausschließlich diejenigen Ärzte betroffen sind, die die extrabudgetär gestellten Leistungen durchführen und abrechnen.

Eine anderweitige – zwingende – Verfahrensweise ergibt sich auch nicht aus den Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss vom 19.06.2019. Soweit dort auf die Arztgruppe abgestellt wird, betrifft dies die Bestimmung der Auszahlungsquote, nicht hingegen die Bereinigung.

Soweit die Klägerin im Übrigen vor allem auf den entstandenen Honorarverlust (insbes. im Rahmen der Bereinigung) abstellt, welcher ihrer Auffassung nach der gesetzgeberischen Intention der TSVG-Neupatientenregelung zuwiderlaufe, so ergibt sich hieraus ebenfalls kein Verstoß der HVM-Regelungen gegen höherrangiges Recht. Vielmehr ergibt sich der Honorarverlust der Klägerin maßgeblich aus einem atypischen Leistungsspektrum. Das Betreiben eines Schlaflabors ist eine unternehmerische Entscheidung der Klägerin. Besonderheiten oder Nachteile, die hierdurch eintreten, lassen nicht den Rückschluss zu, dass die Umsetzungsregelungen insgesamt rechtswidrig sind. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass für die Klägerin die Möglichkeit der Stellung von Härtefallanträgen besteht, um Nachteile auszugleichen. 

Die Klage war daher im überwiegenden Teil abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Insgesamt ergibt sich nur ein teilweises Obsiegen der Klägerin, sodass die Kosten anteilig auf die Beteiligten zu verteilen sind. Die Kammer erachtet eine Kostenverteilung von 75 % zu 25 % zu Lasten der Klägerin für angemessen, da sie mit ihren wesentlichen Einwänden unterliegt.

IV. Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
Saved