L 9 U 49/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 207/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 49/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 3/23 B
Datum
Kategorie
Urteil


I.    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Pflegegeld sowie einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII -) infolge einer festgestellten Berufskrankheit (BK) Nr. 4101 nach der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Die Klägerin ist die Witwe des 1924 geborenen und 2016 verstorbenen B. A. (im Folgenden: Versicherter), der von 1947 bis 1965 im Steinkohlebergbau tätig war.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Juli 1994 der Bergbau-BG, Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden einheitlich Beklagte), erkannte diese die Erkrankung des Versicherten als BK Nr. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung; Silikose) der Anlage 1 zur BKV an, lehnte einen Rentenanspruch mangels rentenberechtigender Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) jedoch ab. Hiergegen erhob der Versicherte Klage vor dem Sozialgericht Gießen. Im Klageverfahren legte er dabei einen Befundbericht des Dr. E. vom 22. Februar 1995 vor, in welchem dieser u. a. über eine durchgeführte Lungenfunktionsanalyse berichtete. Eine sichere obstruktive Ventilationsstörung liege bei dem Versicherten nicht vor. Nach Vorlage eines für ihn negativen internistischen Gutachtens des Prof. Dr. F. vom 11. Juli 1995 nahm der Versicherte die Klage sodann zurück.

Im Rahmen weiterer Überprüfungsverfahren lehnte die Beklagte jeweils mit bestandskräftigen Bescheiden vom 14. Oktober 1997, 28. März 2000 und 16. Juli 2004 einen Rentenanspruch des Versicherten aufgrund der anerkannten BK Nr. 4101 weiterhin ab. Nach dem Widerspruch des Versicherten gegen den letzten ablehnenden Bescheid vom 16. Juli 2004 war von der Beklagten dabei auch das Vorliegen der BK Nr. 4111 („chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren ((mg/cbm) x Jahre)“) geprüft worden. Die Beklagte hatte in diesem Zusammenhang zunächst eine Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes (TAD) zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 4111 eingeholt. In der Stellungnahme vom 5. August 2004 kam der Vertreter des TAD G. zu dem Ergebnis, dass sich bei dem Versicherten unter Zugrundelegung des differenzierten worst-case-Szenario für die berufliche Tätigkeit von 1947 bis 1965 eine Staubbelastungsdosis von 150,2 mg/FSJ ergebe und die beruflichen Voraussetzungen der BK Nr. 4111 damit mit Sicherheit gegeben seien. Die Beklagte holte daraufhin bei Dr. H. ein internistisch-pneumologisches Gutachten vom 22. Juli 2005 ein, welcher zu dem Ergebnis kam, dass eine BK Nr. 4111 aufgrund des von 1942 bis 1964 konkurrierend betriebenen Nikotinkonsums nicht eindeutig nachzuweisen und die MdE bezüglich der BK Nr. 4101 weiterhin nicht rentenberechtigend sei. Mit Bescheid vom 30. September 2005 lehnte die Beklagte daraufhin eine Rente infolge der BK Nr. 4101 erneut ab.

Im Jahr 2009 wurde von der Beklagten von Amts wegen eine Nachuntersuchung bezüglich der BK Nr. 4101 eingeleitet. In diesem Zusammenhang erstattete Dr. M. unter dem 1. März 2011 ein internistisch-pneumologisches Gutachten. Aufgrund der von ihm durchgeführten Begutachtung diagnostizierte Dr. M. neben der Silikose eine COPD sowie einen Verdacht auf pulmonale Hypertonie bei dem Versicherten. Diesbezüglich ging der Sachverständige von einer chronischen Bronchitis bei dem Versicherten aus. Klinisch wie auch funktionsanalytisch hätten sich schon erstmalig bei den Untersuchungen von Dr. E. (22. Februar 1995) Hinweise auf eine chronische Bronchitis und eine Lungenüberblähung gezeigt. Die gutachterliche Untersuchung des Klägers durch Prof. Dr. F. habe die anamnestischen Bezüge einer chronischen Bronchitis bestätigt. Prof. Dr. F. habe in seinem Gutachten zudem ein leichtgradiges Lungenemphysem beschrieben. Zum selben Befund sei auch Dr. H. gekommen. Auch habe er eine nicht obstruktive Bronchitis beschrieben. Aufgrund eigener Untersuchung des Versicherten ergäbe sich betreffend die Lungenfunktion unter Berücksichtigung des Alters und des Broca-Indexes und einer wohl altersbedingt wechselnden Mitarbeit des Versicherten in Ruhe am 14. Januar 2011 und am 18. Februar 2011 eine leichtgradige, peripher betonte Obstruktion mit deutlicher Überblähung und dadurch bedingter Pseudorestriktion. Eine eindeutige restriktive Ventilationsstörung habe bei normaler totaler Lungenkapazität direkt nicht gesehen werden können. Eine Broncholyse mit Salbutamol habe keine Veränderungen der obstruktiven Ventilationsparameter ergeben. Auch die Überblähungsparameter hätten sich nicht zurückgebildet. Nach fahrradergometrischer Belastung sei es nicht zu einer Verstärkung der Obstruktionsparameter gekommen. Mittels CO-Diffusionsmessung habe sich eine mäßiggradig eingeschränkte Diffusionskapazität gezeigt, die jedoch auf die Volumen-Einheit bezogen wieder normal sei. Das konstant erhöhte Residualvolumen müsse als Ausdruck einer fixierten Überblähung im Sinne eines Lungenemphysems gedeutet werden. Im Ruhe-EKG habe sich kein Hinweis auf eine Druckerhöhung im kleinen Kreislauf ergeben. Auffällig sei jedoch in Ruhe und unter Belastung (Ergo-Spiro-Oxymetrie) eine vorhandene, am Ende der Belastung sich verstärkende Extrasystolie. Unter Belastung sei es zu einem deutlichen Abfall der Sauerstoffwerte gekommen. Es habe sich somit eine belastungsbedingte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit gezeigt, wobei nicht entschieden werden könne, inwieweit es primär eine kardiale oder pulmonale Einschränkung gewesen sei. Die Funktionsstörungen könnten mit Wahrscheinlichkeit auf die Quarzstaub-Lungenerkrankung zurückgeführt werden. Ob die in Vorbefunden beschriebene leichtgradige pulmonale Hypertonie Folge der Silikose sei, könne aufgrund der durchgeführten Untersuchungen und der vorliegenden Befunde nicht entschieden werden. Diese Frage könne nur durch eine Rechtsherzkatheteruntersuchung entschieden werden, auf die jedoch wegen des Alters und der fehlenden Duldungspflicht dieser Untersuchung verzichtet worden sei.

Dr. M. schätzte sodann die MdE bei dem Versicherten vom 22. Februar 1995 (Untersuchung durch Dr. E.) bis zum Tag vor der Untersuchung bei Dr. H. (11. November 2004) auf 20 v. H. sowie ab diesem Datum auf 30 v. H. ein, da Dr. H. eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität festgestellt habe, die mit Wahrscheinlichkeit auf die feinstaubinduzierte Lungenerkrankung zurückzuführen sei. Ab dem Untersuchungstag bei ihm am 18. Februar 2011 liege eine MdE von 40 v. H. vor, da aufgrund der durchgeführten Belastungsuntersuchung nunmehr auch von einer latenten respiratorischen Partialinsuffizienz auszugehen sei. Im Gutachten äußerte Dr. M. des Weiteren, dass bei dem Kläger auch eine BK Nr. 4111 vorliege, die sich mit der BK Nr. 4101 überlappe.

Mit einer Stellungnahme vom 24. März 2011 wandte sich der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. gegen das Gutachten des Dr. M. und führte aus, dass nach den gemessenen Werten das Leistungsvermögen des Versicherten durchaus altersgemäß befriedigend gewesen sei und es zudem Hinweise auf eine Herzinsuffizienz gebe. In der Gesamtschau der Befunde könne von einer leistungsmindernden Atemfunktionsstörung durch Folgen der langjährigen leichtgradigen Silikose nicht ausgegangen werden.

Dr. M. gab hierzu unter dem 13. April 2011 eine ergänzende Stellungnahme ab, wonach die gemessenen Werte eine belastungsinduzierte respiratorische Partialinsuffizienz bewiesen. Hierzu legte der Beratungsarzt Dr. L. eine weitere Stellungnahme vom 24. Mai 2011 vor.

Am 20. Oktober 2011 fand sodann eine weitere gutachtliche Untersuchung des Versicherten bei Dr. M. statt, in der geklärt werden sollte, ob rezidivierende Lungenembolien stattgefunden hätten, die differentialdiagnostisch eine Erklärung der von Dr. M. anlässlich seines Gutachtens vom 1. März 2011 gefundenen respiratorischen Partialinsuffizienz unter Belastung sein könnten. Der Sachverständige teilte hierzu in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Oktober 2011 nach Untersuchung des Versicherten mit, dass ein Angio-CT zur Klärung rezidivierender Lungenembolien aus medizinischen Gründen nicht möglich sei. Eine erneute lungenfunktionsanalytische Untersuchung habe keine entscheidenden Veränderungen zu den letzten Untersuchungen gezeigt. Weiterhin zeigten sich Hinweise auf eine obstruktive Ventilationsstörung mit Überblähung. Rezidivierende Lungenembolien halte er zur Erklärung der latenten respiratorischen Partialinsuffizienz nicht für wahrscheinlich, sondern weiterhin die Silikose primär hierfür verantwortlich.

Aufgrund einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. L. vom 8. November 2011 holte die Beklagte dann bei Prof. Dr. P. eine Stellungnahme zu dem Gutachten sowie den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. M. ein. Prof. Dr. P. empfahl in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 8. Dezember 2011 eine Wiederholung der Ergo-Spiro-Oxymetrie, mit der die Beklagte daraufhin wiederum Dr. M. beauftragte. Diesbezüglich teilte Dr. M. in einer Stellungnahme vom 28. Februar 2012 mit, dass sich aus der am Vortag erneut durchgeführten Untersuchung keine neuen Anhaltspunkte ergäben, die eine Änderung der vorbefundlichen Bewertung bedingten. Unter einer geringeren Belastung habe sich bei in Ruhe ausreichenden O2-Werten unter Belastung eine signifikante Reduktion der O2-Spannung ergeben, wobei nach Ende der Belastung der Ausgangswert noch nicht vollständig erreicht worden sei.

Am 24. April 2012 wurde bei dem Versicherten sodann ein HR-CT des Thorax durchgeführt. Im Befundbericht vom gleichen Tag führte Dr. S. aus, dass Zeichen einer Silikose nicht erkennbar seien, bei dem Versicherten vielmehr Bronchiektasen links deutlicher als rechts bestünden. Die Beklagte holte anschließend bei Prof. Dr. N., Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, eine gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage zu den eingeholten Befunden und Gutachten ein.

Unter dem 16. Juli 2012 führte Prof. Dr. N. in Auswertung der von Dr. M. erhobenen Messdaten der Ganzkörperplethysmographie, Spirometrie, Diffusionsmessung, Blutgasanalyse, und der Spiroergometrie zusammenfassend aus, dass im Rahmen der Begutachtung bei Dr. M. weder eine Ventilationsstörung mit gutachterlich ausreichender Sicherheit festgestellt worden sei noch sei die körperliche Leistungsfähigkeit des Versicherten alterskorrigiert signifikant eingeschränkt gewesen. Dr. M. habe bei seinen Untersuchungen die ATS-Kriterien der Lungenfunktionsprüfung nur teilweise eingehalten. Der Versicherte habe bei der Spiroergometrie die Belastung bis 83 Watt toleriert, so dass bei dem Alter des damals 86-jährigen sicher von einer altersüberdurchschnittlichen Belastbarkeit ausgegangen werden könne. Die Beurteilung des Dr. M. mit einer belastungsbedingten Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit könne insbesondere deshalb nicht nachvollzogen werden, weil der Versicherte zum Zeitpunkt des Abbruchs weder kardial noch respiratorisch ausbelastet gewesen sei. Die von Dr. M. vorgebrachte Argumentationskette, wonach eine Silikose-bedingte Belastungshypoxämie eine MdE von 40 v. H. begründe, sei insofern nicht schlüssig. Es sei vielmehr festzustellen, dass eine Silikose, welche weder zu einer relevanten Ventilationsstörung noch zu einer Diffusionsstörung geführt habe, medizinisch betrachtet weder eine Belastungshypoxämie noch eine pulmonale Hypertonie begründen könne. Soweit Dr. M. in diesem Zusammenhang auf ein EKG von Prof. Dr. R. (Bericht vom 11. Februar 2008) verwiesen habe, in dem eine pulmonale Hypertonie festgestellt worden sei, werde dort allerdings auch eine beginnende diastolische Relaxationsstörung und eine Hypertrophie des Ventrikelseptums auf 12 mm berichtet, so dass eine pulmonale Hypertonie in diesem Zusammenhang mit höchster Wahrscheinlichkeit auf eine diastolische Funktionsstörung des linken Ventrikels bei hypertensiver Herzerkrankung und Wandhypertrophie des linken Ventrikels zurückzuführen sei. Letztere begründe auch zwanglos die unter Belastung beschriebene geringgradige Hypoxämie. An der gutachterlichen Beurteilung des Dr. M. bestünden daher begründete Zweifel. Denn in Bezug auf die unzweifelhaft vorliegende Silikose bei dem Versicherten seien keine dazu passenden Lungenfunktionseinschränkungen dokumentiert. Auch unter Berücksichtigung der Silikose-Leitlinien aus dem Jahr 2008 seien die Voraussetzungen für eine MdE bei dem Versicherten nicht erfüllt, weil die dort dargestellten Kriterien auf den Versicherten nicht zuträfen. Die der BK Nr. 4101 zuzuordnende MdE sei insgesamt mit 10 v. H. ab der Begutachtung des Versicherten bei Dr. M. am 14. Januar 2011 einzuschätzen.

Dr. M. nahm zur gutachtlichen Stellungnahme des Prof. Dr. N. unter dem 30. Juli 2012 Stellung. Hierin verwies er darauf, dass es lungenfunktionsanalytische Vergleichswerte für die Altersgruppe des Versicherten nicht gebe, dass bei dem Versicherten gleichwohl eine langjährige chronische Bronchitis bestehe und dass es eine Vermutung sei, die pulmonale Hypertonie auf eine diastolische Funktionsstörung des linken Ventrikels zurückzuführen. Es sei bei dem Versicherten bei den durchgeführten Belastungen zweimal zu einer Sauerstoffreduktion gekommen, so dass zweifelsfrei von einer respiratorischen Partialinsuffizienz unter Belastung zu sprechen sei. Auf die CT des Thorax sei Prof. Dr. N. gar nicht eingegangen. Hier sei ein Emphysem zu sehen, wobei die Untersuchung eingeschränkt gewesen sei durch die zwischenzeitlich erfolgte Implantation eines Herzschrittmachers mit entsprechenden Störphänomenen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich beim Versicherten die BK Nr. 4101 und die BK Nr. 4111 überlappten, wobei die Silikose in der Regel für fibrotische Veränderungen im Sinne einer Restriktion verantwortlich sei, während die chronische Bronchitis mit Emphysem bei Bergarbeitern mehr die obstruktive Funktionsbeschränkung begünstige. Für die Bildung der MdE und damit für die Höhe einer Rente seien daher sowohl die Funktionseinschränkungen zu berücksichtigen, die als typische Folge der Fibrosierung anzusehen seien, als auch jene, die sich aus dem komplexen Krankheitsbild bei chronischer obstruktiver Bronchitis und Emphysem herausbilden könnten.

Mit Bescheid vom 20. August 2012 lehnte die Beklagte sodann gegenüber dem Versicherten einen Anspruch auf Rente infolge der BK Nr. 4101 weiterhin ab. Zur Begründung führte sie aus, dass sie dem Gutachten des Dr. M. sowie seinen ergänzenden Stellungnahmen nicht folgen könne. Vielmehr schließe sie sich den gutachtlichen Äußerungen des Prof. Dr. N. an.

Gegen den Bescheid legte der Versicherte vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2012 zurückwies.

Hiergegen hat der Versicherte, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 10. Dezember 2012 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, welche unter dem Aktenzeichen S 23 U 207/12 geführt wurde.

Mit einem Schriftsatz vom 19. Februar 2014 beantragte die Klägervertreterin unter Bezugnahme auf die festgestellte BK Nr. 4101 sodann die Gewährung eines Pflegegeldes nach dem SGB VII. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2014 ab. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass die Silikose bisher keine leistungsberechtigenden Folgen habe, so dass eine eventuell vorliegende Hilflosigkeit des Klägers nicht auf die BK Nr. 4101 zurückzuführen sei. Den vom Versicherten dagegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2014 mit gleichlautender Begründung zurück.

Hiergegen hat der Versicherte, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 14. Juli 2014 ebenfalls Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, welche zunächst unter dem Aktenzeichen S 23 U 90/14 geführt und sodann durch Beschluss des Sozialgerichts vom 25. August 2014 ausgesetzt worden ist.

Das Sozialgericht hat im Verfahren S 23 U 207/12 von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. T. In seinem Gutachten vom 27. August 2014 hat sich Prof. Dr. T. den Begutachtungen und Stellungnahmen von Prof. Dr. F. vom 11. Juli 1995, Dr. H. vom 11. November 2004 sowie Prof. Dr. N. vom 16. Juli 2012 betreffend die Einschätzung des medizinisch-funktionellen Anteils der MdE der BK Nr. 4101 angeschlossen und die MdE auf unter 20 v. H. eingeschätzt. Bei seiner gutachtlichen Untersuchung des Klägers sei aufgrund des hohen Alters des Klägers von 90 Jahren und bei Vorliegen multipler konkurrierender Erkrankungen eine Belastungsuntersuchung nicht durchführbar gewesen. Auch die Durchführung der Lungenfunktionsanalyse habe sich schwierig gestaltet, da der Versicherte während der Untersuchung mehrfach eingeschlafen sei. In Ruhe sei weder eine Diffusions- noch eine Gasaustauschstörung festgestellt worden. Es habe sich eine mitarbeitsbedingte Einschränkung der Vitalkapazität und des Atemgrenzwertes ergeben. Die lungenfunktionsanalytisch gemessene Überblähung habe CT-morphologisch kein Korrelat. Es sei kein Emphysem nachgewiesen. Daher sei dieser lungenfunktionsanalytische Befund auf eine mangelnde Ausatmung mit eingeschränkter Vitalkapazität zurückzuführen. Die Flussminderung in den kleinen Atemwegen könne auf einen ehemaligen Rauchkonsum mit kumulativ 22 Packungsjahren zurückgeführt werden. Eine auf die silikotischen Granulome zurückführbare funktionelle Einschränkung sei bei regelrechter Diffusionskapazität und regelrechter Blutgasanalyse nicht nachweisbar. Der erhöhte pulmonale Druck werde als Folge der chronischen (Links-)Herzinsuffizienz angesehen.

In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20. April 2015 hat sich der Sachverständige T. sodann dahingehend geäußert, dass ihm bei der Beurteilung im Gutachten vom 27. August 2014 die Staubbelastungsdosis von kumulativ 150,2 mg Feinstaubjahren entgangen sei. Diese sei bei einer 18-jährigen Tätigkeit unter Tage ausreichend, um eine Flussminderung der kleinen Atemwege zu verursachen. Die berufliche Feinstaubexposition stelle somit eine wesentliche Teilursächlichkeit für die Flussminderung der kleinen Atemwege dar, so dass sich eine wesentliche Änderung in der Kausalzusammenhangs-beurteilung ergebe. Da arbeitstechnisch die Voraussetzungen der BK Nr. 4111 mit Sicherheit gegeben seien, sei eine BK Nr. 4111 wahrscheinlich zu machen. Dies gründe sich auch auf die Angabe, dass eine chronische Bronchitis seit mindestens 1995 bestehe. Es sei daher von einer rentenberechtigenden MdE hinsichtlich der BK Nr. 4111 auszugehen. Schwierig gestalte sich aber die Einschätzung der MdE bei Vorliegen sowohl der BK Nr. 4101 als auch der BK Nr. 4111. Im Falle des Versicherten sei die Diffusionskapazität regelrecht gewesen und auch eine Gasaustauschstörung habe nicht nachgewiesen werden können. CT-morphologisch habe kein zentrilobuläres Emphysem und auch keine zentrale obstruktive Ventilationsstörung bestanden. Daher seien Rückwirkungen der Silikose auf das Herz nicht zu erwarten. Aufgrund dessen sei der medizinisch-funktionelle Anteil der MdE bezüglich der BK Nr. 4101 weiterhin auf unter 20 v. H. einzuschätzen.

Vor dem Hintergrund der ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. T. vom 20. April 2015 leitete die Beklagte parallel zum laufenden Klageverfahren ein Feststellungsverfahren betreffend die BK Nr. 4111 ein.

Der Kläger ist sodann 2016 verstorben. Seine Ehefrau, die jetzige Klägerin, hat die Verfahren fortgeführt.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2016 lehnte die Beklagte die Feststellung der BK Nr. 4111 sowie die Leistung von Hinterbliebenenleistungen gegenüber der jetzigen Klägerin ab. Die ablehnende Entscheidung stützte die Beklagte dabei auf ein von ihr bei Prof. Dr. Q. eingeholtes arbeitsmedizinisches Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage vom 11. März 2016. Prof. Dr. Q. war hierin zu dem Ergebnis gelangt, dass das Vorliegen einer chronischen Bronchitis seit mindestens 1995 gesichert sei, eine obstruktive Ventilationsstörung sich jedoch in den Messungen von 1995 bis 2012 nicht gezeigt habe und der sichere Nachweis auch in der Messung 2014 nicht erbracht worden sei. Ebenso wenig bestehe ein Lungenemphysem. Für die wiederholt gezeigte leichte Lungenüberblähung habe sich morphologisch im Jahr 2014 kein Korrelat im Sinne eines Emphysems gefunden. Eine Gasaustauschstörung sei nicht nachgewiesen und die Diffusionsmesswerte hätten normgerechte Werte gezeigt. Damit seien die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 4111 nicht erfüllt.

Der die BK. Nr. 4111 sowie die Hinterbliebenenleistungen betreffende Bescheid der Beklagten ist sodann nach Durchführung des Vorverfahrens Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main geworden, der unter dem Aktenzeichen S 23 U 151/16 geführt wurde.

In dem Klageverfahren S 23 U 151/16 hat das Sozialgericht bei Prof. Dr. T. von Amts wegen ein Gutachten nach Aktenlage vom 20. Dezember 2016 eingeholt. In diesem hat Prof. Dr. T. ausgeführt, dass eine umfassende lungenfunktionsanalytische Begutachtung bei Dr. H. am 11. November 2004 erfolgt sei. Hier sei eine obstruktive Ventilationsstörung mit Flussminderung der kleinen und großen Atemwege im Vollbeweis gesichert worden. Auch im weiteren Krankheitsverlauf sei eine periphere obstruktive Ventilationsstörung feststellbar gewesen. Die Parameter einer Lungenüberblähung seien lungenfunktions-analytisch eindeutig pathologisch. Als Folge hiervon habe auch eine beginnende Diffusionsstörung bestanden. Zwar sei es richtig, dass sich röntgenologisch inklusive CT kein Hinweis für ein Emphysem ergeben habe, hierbei sei jedoch zu bedenken, dass sich ausschließlich histologisch durch ein Mikroskop detektierbare Lungenemphyseme einer Bildgebung auch mittels hochauflösender CT-Untersuchung entziehen könnten. Zur Anerkennung einer BK Nr. 4111 sei jedoch der histologische oder radiologische Nachweis eines Lungenemphysems nicht erforderlich, vielmehr komme der lungenfunktionsanalytischen Untersuchung die entscheidende Bedeutung zu. Die BK Nr. 4111 liege spätestens seit dem Gutachten des Dr. H. vom 22. Juli 2005 vor. Trotz des Rauchkonsums des Versicherten von kumulativ etwa 22 Packungsjahren sei dabei die ermittelte Staubdosis von mehr als 150 Feinstaubjahren wesentlich teilursächlich für die Erkrankung, denn der Versicherte überschreite mit 150 Feinstaubjahren deutlich den unteren Grenzwert der Ermittlungsdosis für das Erkrankungsrisiko von Rauchern, der bei 100 Feinstaubjahren liege. Schwierig gestalte sich allerdings weiterhin die Einschätzung der MdE beim Vorliegen sowohl der BK Nr. 4101 als auch der BK Nr. 4111. Auf diesbezügliche Abgrenzungsschwierigkeiten habe bereits Dr. M. in seinem Gutachten vom 1. März 2011 hingewiesen. Da sich anlässlich seiner (des Sachverständigen T.) Begutachtung die Durchführung der Lungenfunktionsanalyse schwierig gestaltet habe, seien die Voruntersuchungen von Dr. M. und von Dr. H. der Einschätzung zugrunde zu legen. Er schließe sich dem gestaffelten MdE-Vorschlag des Dr. M. an. Vor dem Hintergrund der am 19. August 2014 feststellbaren Rechtsherzbelastung mit einem cor pulmonale, für die konkurrierende Ursachen nicht nachweisbar seien, sei der medizinisch-funktionelle Anteil der MdE ab diesem Zeitpunkt auf 50 v. H. einzuschätzen.

Die Beklagte hat im Verfahren S 23 U 151/16 hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. P. vom 7. Februar 2017 vorgelegt, in der sich dieser zu den Ausführungen des Prof. Dr. T. geäußert hat. Prof. Dr. P. verweist darin auf die Variabilität der Befunde bei dem Versicherten, insbesondere eine starke Schwankung der Einsekundenkapazität, welche zur Folge habe, dass weder die Spirometrie noch der Quotient RV%TLC verwendbar seien. Die gemessenen Schwankungen offenbarten eine unzureichende Atemtechnik des Versicherten. Aufgrund der Variabilität der Befunde sei er nicht davon überzeugt, dass bei dem Versicherten eine BK Nr. 4101 oder 4111 vorgelegen habe. Die Argumentation des Prof. Dr. T. (auch zur BK Nr. 4111) überzeuge ihn wegen Widersprüchlichkeiten nicht. Mit einer offensichtlichen Linksherzinsuffizienz, die zum Tode des Versicherten geführt habe, liege ein BK-unabhängiges Leiden vor, das dessen Beschwerden erklären könne. Die Anerkennung der BK Nr. 4111 sei ohnehin ausgeschlossen, wenn die Latenz zwischen Abkehr von der beruflichen Tätigkeit und dem Beginn von Brückensymptomen mehr als 20 Jahre betrage.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2017 ist Prof. Dr. T. der Einschätzung von Prof. Dr. P. entgegengetreten. Bei dem Versicherten sei durch verschiedene Gutachter ein Lungenemphysem funktionsanalytisch nachgewiesen worden. Zudem sei die genannte Latenzzeit vom Gesetzgeber im Rahmen der BK Nr. 4111 nicht festgelegt worden. Ein Lungenemphysem könne sich erst über Jahre hinweg entwickeln, so dass auch aus diesem Grund ein längerer Abstand zwischen Ausscheiden aus der belastenden Tätigkeit und Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der BK gegeben sein könne. Auch der Vollbeweis einer obstruktiven Bronchitis sei erbracht worden, nämlich durch die eingeschränkten MEF50-Werte, die eine Flussminderung belegten. Soweit der Versicherte im weiteren Verlauf unter einer Linksherzinsuffizienz gelitten habe, sei diese nicht auf die BK Nr. 4101 oder 4111 zurückzuführen.

Die Beklagte hat daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 15. Dezember 2017 vorgelegt. Dieser führt aus, dass bei dem Versicherten weder eine chronisch obstruktive Bronchitis noch ein Lungenemphysem vorgelegen habe. Es bedeute eine nicht akzeptable Überstrapazierung der Untersuchungsmethode „Lungenfunktion“, wenn bei bekannt unzureichender Kooperation des Versicherten der Vollbeweis der Erkrankung aus einer oder mehreren Lungenfunktionsbefunden abgeleitet werde. Denn es habe bei dem Versicherten insgesamt eine erhebliche Limitierung der Verwertbarkeit der Lungenfunktion vorgelegen (fortgeschrittenes Alter, Komorbidität), so dass verlässliche Aussagen mit dieser Untersuchungsmethode nicht hätten gewonnen werden können. Bereits 1995 - zu welchem Zeitpunkt der Versicherte bereits das 70. Lebensjahr vollendet gehabt habe - werde in dem Arztbericht des Dr. E. explizit festgehalten, dass sich die Messung der Lungenfunktion schwierig gestaltet habe. Der Patient sei teilweise nicht in der Lage gewesen, die Spirometriemanöver exakt auszuführen. Es habe sich teilweise eine exspiratorische Pressatmung mit entsprechender Verminderung der 1-Sekundenkapazität gezeigt, auch sei keine optimale maximale Inspiration erzielbar gewesen. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass sich die Kooperation des Versicherten im Laufe der letzten 20 Jahre verbessert habe, eher sei das Gegenteil anzunehmen. Bis auf die Messung der Lungenfunktion aus dem Jahr 2004 mit Prüfung der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität genüge keine der durchgeführten Messungen den Qualitätsanforderungen (starke Schwankungen der Messwerte einzelner Parameter, keine Reproduzierbarkeit von Auffälligkeiten, Flussvolumenkurven ohne ausreichende Mitarbeit bzw. mit inakzeptablen Schwankungen der Messwerte). Hinzu komme, dass sämtliche der in Rede stehenden Messwerte auf die Sollwerte der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) bezogen worden seien, welche aber nur für ein Lebensalter bis maximal 70 Jahre Gültigkeit habe. Jenseits des 70. Lebensjahres gebe es für einige Lungenfunktionsparameter der Spirometrie seit 2012 neue Sollwerte. Allerdings sei im Fall des Versicherten die Beurteilung insbesondere der bodyplethysmografisch gemessenen Parameter nach wie vor anhand der EGKS erfolgt, für die es aber ab dem 70. Lebensjahr gar keine Sollwerte gebe. Dies bedeute, dass selbst bei zuverlässiger Messung der Lungenfunktion jenseits des 70. Lebensjahres für wesentliche bodyplethysmografische Parameter, insbesondere solche, die das Lungenemphysem beträfen, keine sichere Aussage getroffen werden könne. Aus den beim Versicherten gemessenen, ohnehin nicht verlässlichen spirometrischen Parametern könne die Diagnose einer obstruktiven Ventilationsstörung nicht gewonnen werden. Aus den Daten der Bodyplethysmografie könne abgeleitet werden, dass bei dem Versicherten eine wechselhaft ausgeprägte, reversible, obstruktive Ventilationsstörung bestanden haben könnte bei einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität. Derartige Befunden fänden sich vorrangig bei Personen mit Asthma, könnten jedoch auch im Rahmen einer Linksherzinsuffizienz (vorliegend) oder auch in fortgeschrittenem Lebensalter ohne zwingend pathologisches Korrelat auftreten. Eine dauerhafte, irreversible, obstruktive Ventilationsstörung, die den Tatbestand der BK Nr. 4111 erfülle, liege damit nicht im Vollbeweis vor. Dies führe dazu, dass die im Vollbeweis gesicherte und unstreitig vorliegende Silikose nicht mit einer MdE einhergehe, da keine dauerhafte obstruktive Ventilationsstörung und keine pulmonale Gasaustauschstörung gesichert sei, und dass der Tatbestand der BK Nr. 4111 mangels einer vollbeweislich gesicherten dauerhaft vorhandenen obstruktiven Ventilationsstörung im Sinne einer COPD nicht erfüllt sei. Was die Diagnose Lungenemphysem anbetreffe, so sei diese weder radiologisch noch durch die Lungenfunktionsprüfungen, noch durch die Bodyplethysmografie nachweisbar, da in der Gesamtschau der von 2004 bis 2014 gemessenen Werte ein Normalbefund mit gelegentlich dokumentierter Lungenüberblähung vorliege. Die in den Jahren 2004 und 2011 durchgeführten Spiroergometrien ließen eine kardiale Limitierung der körperlichen Belastbarkeit erkennen, Hinweise auf eine pulmonale Limitierung der körperlichen Belastbarkeit (insbesondere durch eine obstruktive Ventilationsstörung) ließen sich nicht erkennen. Zudem sei neben der beschriebenen Sollwertproblematik zu bemerken, dass die Messwerte bei dem Versicherten nicht reproduzierbar und aufgrund mangelnder Mitarbeit auch nicht repräsentativ für die tatsächlichen Verhältnisse gewesen seien. Der angegebene Tabakkonsum sei bei der gesamten Diskussion irrelevant, da es vorliegend nicht um eine Abgrenzung von Kausalitäten gehe. Prof. Dr. P. sei bezüglich der Beurteilung der Begutachtung durch Prof. Dr. T. insgesamt zuzustimmen.

Nach Wiederaufruf des ausgesetzten Verfahrens S 23 U 90/14 unter dem Aktenzeichen S 8 U 9/19 ist dieses sodann durch Beschluss des Sozialgerichts vom 15. Januar 2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Rechtsstreit S 23 U 207/12 verbunden worden.

Mit Urteil vom 1. Februar 2019 wies das Sozialgericht im Verfahren S 23 U 151/16 die Klage der Klägerin sodann ab. Die Klägerin legte hiergegen vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten Berufung zum Hessischen Landessozialgericht ein, welches das Verfahren zuletzt unter dem Aktenzeichen L 9 U 50/19 führte.

Ebenfalls mit Urteil vom 1. Februar 2019 hat das Sozialgericht die Klagen im Verfahren S 23 U 207/12 abgewiesen. Die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach § 56 SGB VII infolge der bei ihrem Ehemann festgestellten BK Nr. 4101, denn dessen MdE sei nicht rentenberechtigend gewesen. Darüber hinaus habe sie auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld nach § 44 SGB VII, denn die Hilflosigkeit des Versicherten sei nicht BK-bedingt.

Das Gericht schließe sich hinsichtlich der MdE der BK Nr. 4101 aus eigener Überzeugung dem Gutachten des Prof. Dr. T. vom 27. August 2014 sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2015 an, der sich wiederum den Sachverständigengutachten des Prof. Dr. F., des Dr. H. sowie des Prof. Dr. N. angeschlossen habe.

Prof. Dr. T. habe anhand seiner, auf dieser Diagnostik basierenden Untersuchungen zum Gutachten vom 27. August 2014 bei dem Versicherten weder eine Diffusions- noch eine Gasaustauschstörung festgestellt, sondern eine mitarbeitsbedingte Einschränkung der Vitalkapazität und des Atemgrenzwertes. Die lungenfunktionsanalytisch gemessene Überblähung habe CT-morphologisch kein Korrelat gehabt. Es seien somit kein Lungenemphysem und auch keine zentrale obstruktive Ventilationsstörung nachgewiesen. Den erhöhten pulmonalen Druck habe der Sachverständige daher auch nicht als Rückwirkung der Silikose auf das Herz (cor pulmonale), sondern als BK-unabhängige Folge der chronischen (Links-)Herzinsuffizienz angesehen. Auf dieser Grundlage ergebe sich - wie von Prof. Dr. T. eingeschätzt - weiterhin eine nicht rentenberechtigende MdE von unter 20 v. H.

Soweit der Sachverständige T. in seiner gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 20. Dezember 2016 im Klageverfahren S 23 U 151/16 die bestehende Aktenlage dahingehend ausgewertet habe, dass bei dem Versicherten - entgegen seinem vorherigen Gutachten vom 27. August 2014 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2015 - eine obstruktive Ventilationsstörung, eine Lungenüberblähung sowie eine beginnende Diffusionsstörung bestanden habe und ein Lungenemphysems lungenfunktionsanalytisch nachgewiesen sei, könne das Gericht dies nicht nachvollziehen. Zur Begründung habe Prof. Dr. T. angeführt, dass wegen der schwierigen Gestaltung der bei ihm durchgeführten Lungenfunktionsanalyse nicht diese Messwerte, sondern die Messwerte der Voruntersuchungen von Dr. M. und von Dr. H. zugrunde zu legen seien.

Allerdings habe Dr. M. bei seinen Untersuchungen vom 14. Januar 2011 und vom 18. Februar 2011 nur eine leichtgradige, peripher betonte Obstruktion bei normaler Diffusionskapazität gesehen und in der Krankengeschichte habe sich auch keine obstruktive Ventilationsstörung gefunden, womit die von Dr. M. gestellte Diagnose einer chronischen obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD) nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht vollbeweislich nachgewiesen sei.

Dr. M. habe zudem offen gelassen, inwieweit der in der Ergo-Spiro-Oxymetrie zutage getretenen belastungsbedingten Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit eine primär kardiale (mithin nicht BK-relevante) oder pulmonale Einschränkung zugrunde liege. Dr. H. habe außerdem bei seiner Untersuchung des Versicherten am 11. November 2004 lungenfunktionsanalytisch keine fixierte Obstruktion festgestellt. Auch sei die Belastungsuntersuchung beendet worden, weil der Versicherte die Belastungsgrenze erreicht habe und nicht, weil Dyspnoe oder Erschöpfung ihn zum Abbruch gezwungen hätten.

Die Stellungnahme des Prof. Dr. T. vom 20. Dezember 2016 könne damit seine vorherigen, anlässlich des Gutachtens vom 27. August 2014 erhobenen, Befunde und deren Bewertung nicht in Zweifel ziehen, zumal diese sich auf einer Linie bewegten mit den Feststellungen der Sachverständigen F., H. und N. Auch Prof. Dr. Q. habe in seinem Gutachten vom 11. März 2016 unter Auswertung des Akteninhalts bestätigt, dass bei dem Versicherten keine obstruktive Ventilationsstörung und kein Lungenemphysem nachgewiesen sei, was er mit der Auswertung weiterer Messungen aus dem Jahr 2014 untermauert habe. Daher könne Prof. Dr. T. weder in seinem nunmehrigen Anschluss an die MdE-Staffelung des Dr. M. gefolgt werden, noch in seiner eigenen weiteren MdE-Erhöhung um 10 v. H. auf 50 v. H., begründet mit der anlässlich seines Gutachtens vom 27. August 2014 festgestellten Rechtsherzbelastung mit einem cor pulmonale, das er - entgegen seinem vorherigen Gutachten - nunmehr ohne Begründung der Silikose zugeordnet habe.

Auch das Gutachten des Dr. M. vom 11. März 2011 sowie seine ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen hätten das Gericht nicht davon überzeugen können, dass die MdE des Versicherten in Bezug auf die BK Nr. 4101 rentenberechtigend sei. Hinzu komme, dass Dr. M. fachlich unstatthaft die Tatbestandsvoraussetzungen der BK Nr. 4101 und der BK Nr. 4111 miteinander vermischt und sodann in der Sache eine integrative MdE gebildet habe, obwohl insoweit eine Abgrenzung erforderlich sei.

Da infolge der BK Nr. 4101 somit keine rentenberechtigende MdE bei dem Versicherten bestanden habe, sei die Klage auf Rentengewährung abzuweisen gewesen.

Ebensowenig habe eine Hilflosigkeit im Sinne des § 44 SGB VII bei dem Versicherten bestanden. Da weder ein Lungenemphysem noch eine zentrale obstruktive Ventilationsstörung nachgewiesen seien, seien auch die geltend gemachten Herzschmerzen und der Luftmangel nicht BK-bedingt. Soweit Rückenbeschwerden und Blindheit als BK-bedingt geltend gemacht worden seien, sei ein medizinischer Zusammenhang mit der Nr. BK 4101 bzw. deren Folgen weder vorgetragen noch erkennbar.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 1. März 2019 zugestellte Urteil haben diese am 20. März 2019 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung beruft sich die Klägerin auf das Gutachten von Dr. M., der die MdE infolge der anerkannten BK Nr. 4101 auf zunächst 20 v. H. und sodann auf 30 v. H. und ab 18. Februar 2011 auf 40 v. H. geschätzt habe. Der Versicherte sei infolge des diagnostizierten Lungenemphysems atemlos gewesen und habe die Pflegestufe II anerkannt bekommen. Außerdem habe er unter einer chronischen Bronchitis und einem BK-bedingten cor pulmonale gelitten. Der Versicherte habe 18 Jahre untertage im Bergbau gearbeitet. Das Sozialgericht habe insoweit geltende Kausalitätsnormen unbeachtet gelassen, da eine wesentliche Mitverursachung der Beschwerden durch die beruflichen Bedingungen völlig ausreichend sei.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich wörtlich,

unter Abänderung/Aufhebung des am 01.03.2019 zugestellten Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main, S 23 U 207/12, vom 01.02.2019, wird nach den Anträgen aus der I. Instanz erkannt, d.h. auf die Verurteilung der Beklagten, der Klägerin die Lebzeitenleistungen zu gewähren, und zwar insbesondere die Gewährung von Pflegegeld und Verletztenrente aus Anlass der festgestellten BK 4101.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat im Verfahren L 9 U 50/19 ein arbeitsmedizinisches und internistisch-pneumologisches Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. J. eingeholt. In seinem Gutachten vom 16. Dezember 2021 kommt Prof. Dr. J. zu dem Ergebnis, dass die im Fall des Versicherten errechnete kumulative Dosis von 150 Feinstaubjahre in aller Regel mit einer anhaltenden bronchitischen Symptomatik verbunden sei, d. h. mit chronischem Hustenreiz und vermehrtem Auswurf, welche häufig Exazerbationen aufweisen würden. Dies entspreche auch der klinischen Erfahrung des Unterzeichners, der im Zeitraum von 1990-2000 weit über 1000 ehemalige Bergleute anamnestiziert und klinisch sowie lungenfunktionsanalytisch untersucht habe. Da eine solche Symptomatik quasi unter ehemaligen Bergleuten normal sei und in der Regel zunächst nicht mit höhergradigen Beschwerden verbunden sei, werde hierüber meist auch nicht geklagt. Insofern sei auch im Fall des Versicherten von dem Vorliegen einer chronischen Bronchitis, die ärztlicherseits 1995 als schon einige Jahre bestehend erwähnt werde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszugehen. Diesbezüglich werde auf die anamnestischen Angaben sowie die frühesten ärztlichen Dokumentationen (Gutachten von Prof. Dr. F. und Untersuchung von Dr. E.) verwiesen.

Die Wiedergabe der Lungenfunktionswerte im zeitlichen Verlauf zeige, dass die Vitalkapazität Schwankungen aufweise, wobei ab dem 22. März 1995 durchweg grenzwertig niedrige bzw. verminderte Werte gemessen worden seien. Bereits in den ersten vorliegenden Lungenfunktionsmessungen 1995 hätten bei beklagten Atembeschwerden eine erhebliche Verminderung von Vitalkapazität (VC) und FEV1 bei erhöhtem RV/TLC-Verhältnis (58 %, Referenzwert 35 %) und auffallenden Diskrepanzen zwischen bodyplethysmografischen und mittels Fremdgas bestimmten Lungenvolumina sowie verzögerte Expirationskurven vorgelegen. Diese Veränderungen hätten eine Lungenblähung angezeigt, welche auf eine Einengung der peripheren Atemwege im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung zurückgegangen sei, auch wenn bei dadurch bedingter gleichartiger Reduktion von Vitalkapazität und FEV1 formal FEV1NC noch im Normbereich gelegen habe. Seit 2011 lägen die für die Funktionserfassung der peripheren Atemwege wichtigen Fluss-Volumen-Kurven vor. Diese zeigten korrespondierend zu den Vorbefunden durchgängig Einschränkungen ebenfalls im Sinne einer peripheren obstruktiven Ventilationsstörung mit Erhöhungen des RV Body, der FRC Body sowie großteils auch der Atemwegswiderstände. Die erhöhten Atemwegswiderstände belegten eine vorwiegend die großen Atemwege betreffende Verengung im Sinne einer obstruktiven Ventilationsstörung. Die gleichzeitig festgestellten Verminderungen der Vitalkapazität und der FEV1 bei formal meist im Referenzbereich liegender TLC Body und verminderter TLC Fremdgas sprächen ebenfalls für eine obstruktive Ventilationsstörung mit Lungenblähung. Entgegen der Annahme des beratenden Arztes der Beklagten liege bei dieser Konstellation eine obstruktive Ventilationsstörung vor, auch wenn das Verhältnis von FEV1/FVC noch im Referenzbereich liege. Die vorgelegene Lungenblähung stelle zumindest zu einem wesentlichen Teil eine Folge der obstruktiven Ventilationsstörung dar. Ursächlich könne teilweise auch ein geringgradig ausgeprägtes, radiologisch noch nicht feststellbares Lungenemphysem infrage kommen. Die klinisch nicht mögliche quantitative Erfassung des Anteils der Lungenblähung und des Anteils des zweifelsohne als nachrangig einzustufenden Lungenemphysems sei im vorliegenden Fall nicht relevant, da beide Störungen sowohl bei der BK Nr. 4111 als auch bei der BK Nr. 4101 vorkämen und hinsichtlich der MdE jeweils zu berücksichtigen seien.

Dass das Ausmaß der eine obstruktive Ventilationsstörung anzeigenden Parametereinschränkungen unter anderem in Abhängigkeit von durch die früheren Schadstoffexpositionen begünstigten Atemwegsinfekten, Expositionen gegenüber inhalativen Reizstoffen, Medikation und dergleichen variiere, sei für alle obstruktiven Atemwegserkrankungen, auch die BK Nr. 4101 und BK Nr. 4111 typisch, und spreche keineswegs gegen deren Vorliegen. Den Ausführungen des Dr. K. sei zu widersprechen. Im Hinblick auf die monierten Limitationen infolge der nicht optimalen Atemmanöver in den Lungenfunktionsuntersuchungen, die von den Untersuchern im Januar und Februar 2011 sowie im August 2014 bei dem geschwächten ca. 90-jährigen Versicherten erwähnt und von ihm nach Einsichtnahme der Lungenfunktionsregistrierungen bestätigt würden, sei auf die vorgegebenen Kriterien der Akzeptabilität und Reproduzierbarkeit maßgebender Fachgesellschaften zu verweisen. Der Versicherte habe ganz offensichtlich aufgrund seines reduzierten Gesundheitszustandes und Alters nicht mehr ausatmen können als in den Atemkurven wiedergegeben sei. In einer solchen Situation seien die bestmöglich registrierten Atemkurven entgegen den Ausführungen des Dr. K. als akzeptabel einzustufen und entsprechend zu bewerten. Zumindest ein Großteil der vorliegenden Lungenfunktionsmessungen sei als qualitativ ausreichend einzustufen und folglich hinsichtlich des Funktionszustandes des bronchopulmonalen Systems gutachterlich zu verwerten. Hinsichtlich der Messungen im Januar und Februar 2011 sowie am 19. August 2014, in denen eine wechselnde Mitarbeit bzw. wiederholtes Einschlafen während der Lungenfunktionsprüfung angeführt worden seien, sei eine kritische Bewertung der erhobenen Messparameter erforderlich. Infolge dieser mitarbeitsbedingten Limitierung in den Untersuchungen Anfang 2011 und in 2014 ergebe sich, dass die hier verzeichneten Verschlechterungen der spirometrischen Parameter nicht sicher bronchopulmonaler Genese seien, sondern zumindest zu einem erheblichen Teil auf den reduzierten Gesundheitszustand des Versicherten zurückzuführen seien. Abgesehen von den vorgenannten Untersuchungen hätten die Untersucher keine Einschränkung der Mitarbeit angeführt; dabei seien überwiegend ausreichend gute Atemkurven dokumentiert (wenn auch nicht entsprechend den Leitlinienanforderungen mit jeweils mehrfach dargestellten Messungen). Dies betreffe auch die Fluss-Volumen-Messungen, welche großteils von ausreichend guter Qualität und reproduziert seien, wenn auch überwiegend die geforderte Registrierung von mindestens 3 akzeptierten Atemmanövern nicht den Akten zu entnehmen sei.

Insgesamt ergebe sich folglich kein vernünftiger Zweifel an dem Vorliegen einer Obstruktion der peripheren Atemwege unter forcierter Atmung. Die erstmals am 11. Juli 1995 und ab 2004 regelmäßig erfolgten weitgehend mitarbeitsunabhängigen ganzkörpergrafischen Messungen zeigten seither erhöhte totale und/oder spezifische Atemwegswiderstände unter Ruhebedingungen und/oder unter körperlicher Belastung, also eine obstruktive Ventilationsstörung vorwiegend im Bereich der großen Atemwege.

Bezüglich der im Zeitraum 2004 bis 2014 vorliegenden und ab dem 14. Januar 2011 als im pathologischen Bereich liegend einzustufenden Diffusionskapazitätswerte sei anzuführen, dass bei einer obstruktiven Ventilationsstörung der erhobene Messwert fehlerbehaftet sein könne, da der obstruktionsbedingte verlängerte Gasverbleib in der Lunge mit einer vermehrten CO-Diffusion einhergehe. Das typischerweise wechselnde Ausmaß der obstruktiven Ventilationsstörung gehe infolgedessen auch mit Schwankungen der gemessenen Diffusionskapazität und auch des KCO einher. Von dieser Konstellation sei im vorliegenden Fall auszugehen, d. h. die formal teils leicht vermindert bzw. grenzwertig ausgewiesenen Messwerte unterschätzten wahrscheinlich die vorgelegene Diffusionseinschränkung. Insgesamt seien die als diskret vermindert einzustufenden Messwerte der Diffusionskapazität mit einem leichten Lungenemphysem vereinbar; aber auch mit den interstitiellen fibrotischen Veränderungen der Silikose. Bei dem seit mindestens 1990 an einer chronischen Bronchitis leidenden Versicherten bestehe zudem zweifelsohne seit dem 22. Februar 1995 eine obstruktive Ventilationsstörung im Bereich der kleinen Atemwege.

Im Hinblick auf die BK Nr. 4111 lägen sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen in Form einer chronisch obstruktiven Ventilationsstörung und einer chronisch obstruktiven Bronchitis vor. Ab Februar 1995 seien bei dem Versicherten durchgängig funktionelle Einschränkungen dokumentiert worden. Entgegen der Einschätzung des Beratungsarztes L. habe sich bei der Untersuchung von Dr. M. und Dr. H. eine Gasaustauschstörung bei dem Versicherten gezeigt. Der Beurteilung von Prof. Dr. P. sei entgegenzuhalten, dass bei dem Versicherten für die erhebliche Beschwerdesymptomatik keine andere vorherrschende Ursache als die 18-jährige hohe Schadstoffexposition unter Tage erkennbar sei. Zudem seien außer in einem Befund von 2014 und dem Leichenschaubericht keine eindeutigen Zeichen einer Linksherzinsuffizienz gegeben gewesen. Schließlich würden die von dem Beratungsarzt Dr. K. geforderten, dauerhaft nachgewiesenen Lungenfunktionseinschränkungen weder in der Definition noch in den Merkblättern und wissenschaftlichen Begründungen der Berufskrankheiten Nummern 4101 und 4111 gefordert. In der wissenschaftlichen Begründung zur BK Nr. 4111 werde nur eine „wenigstens zeitweise gemessene Erhöhung des zentralen oder peripheren Atemwegswiderstandes oder eine erhebliche Verminderung des in der ersten Sekunde exspirierten Atemvolumens“ gefordert. Dementsprechend sei der Tatbestand der BK Nr. 4111 bei dem Versicherten auch zweifelsohne erfüllt. Dr. K. habe die bei dem Versicherten seit 2004 erhobenen Befunde völlig außer Acht gelassen. Zwar sei es richtig, dass für den Altersbereich des Versicherten keine bodyplethysmografischen Referenzwerte vorlägen, der Atemwegswiderstand zeige jedoch im gesamten Erwachsenenalter keine nennenswerte Altenabhängigkeit, sodass im vorliegenden Fall keine relevante Unsicherheit bezüglich der Interpretation der gemessenen Atemwegswiderstände bestehe. Im Hinblick auf die ganzkörperplethysmografisch erfassten Parameter ITGV (FRC Body), TLC und RV sei anzuführen, dass die heutigen Lungenfunktionsrechner durchwegs die diesbezüglichen alterskorrigierten, nach wie vor favorisierten EGKS-Referenzwerte zugrunde legten, was auch in den vorliegenden Untersuchungen erfolgt sei; „bessere“ und aktuellere Referenzwerte lägen derzeit nicht voll umfänglich vor, sodass auch kein anderer Bezug für die Befundinterpretation sinnvoll erscheine.

In vivo sei ein geringgradig ausgeprägtes Lungenemphysem in der Regel nicht ausreichend zuverlässig zu sichern, Ausnahmen seien mittel- bis höhergradige Ausprägungen, die mittels CT objektiviert werden könnten. Im vorliegenden Fall, bei dem es nicht um ein mittel- oder höhergradiges Lungenemphysem gehe, seien die radiologischen und lungenfunktionsanalytischen Befunde mit einem gering ausgeprägten Lungenemphysem gut vereinbar; endgültig lasse sich eine solche Diagnose aber nur mittels Obduktion und histopathologischen Untersuchungen sichern bzw. ausschließen.

Hinsichtlich der von Dr. K. angeführten Qualitätskriterien der Spirometrie sei auf die von seinen Ausführungen zum Teil erheblich abweichenden Standardwerke der American Thoracic Society (Miller, Crapo et al. 2005, Miller, Hankinson et al. 2005b) sowie die Leitlinie zur Spirometrie der DGP (Criee, J. et al. 2015) zu verweisen. Hier sei darauf hinzuweisen, dass die erfassten Spirogramme nicht nur zu akzeptieren seien, wenn sie frei von Artefakten seien, einen guten Exspirationsbeginn besäßen und die Exspirationsdauer mindestens 6 Sekunden mit Plateau betrage, sondern auch dann, wenn z. B. infolge einer Erkrankung, eines sogenannten Spirometrie-Asthmas, allgemein körperlicher Schwäche oder auch altersbedingt trotz vorzeitiger Beendigung der Exspiration ein Plateau erreicht worden sei oder der Patient nicht weiter ausatmen könne oder solle.

Pathologische Veränderungen der peripheren Atemwege seien nicht reversibel und somit als fortbestehend einzustufen, auch wenn in späteren Messungen infolge eines deutlich reduzierter Allgemeinzustand und körperlicher Schwäche des Versicherten nicht mehr immer optimale Atemkurven hätten registriert werden können. Mehrere spirometrische Messungen mit nicht optimalen Atemkurven bei eingeschränkter Mitarbeit in den Jahren 2011 und 2014 seien zwar nur eingeschränkt beurteilbar, die dabei erhobenen Befunde stünden aber nicht im Widerspruch zu den vorgenannten und zu den akzeptierten Messungen, die eine periphere obstruktive Ventilationsstörung bewiesen und die funktionellen Voraussetzung einer BK Nr. 4111 erfüllten. Das ständige Vorliegen eines erhöhten Atemwegswiderstandes werde zudem wie bereits ausgeführt von der BK Nr. 4111 auch nicht gefordert.

Hinsichtlich der MdE sei über die Beschwerdesymptomatik und die vorliegende vorgenannte periphere und zentrale obstruktive und leichte restriktive Ventilationsstörung sowie diskrete Einschränkung der Diffusionskapazität hinaus auch die 2011 dokumentierte leichte Belastungshypoxämie sowie die 2004 festgestellte und mit den anamnestischen Angaben des Versicherten gegenüber Dr. H. übereinstimmende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität zu berücksichtigen. Jedoch sei die nicht als schwergradig einzustufende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität ein üblicher Befund bei einer obstruktiven Ventilationsstörung und der Versicherte habe in der ergometrischen Untersuchung am 18. Februar 2011 eine altersbezogen eher überdurchschnittliche Belastung (83 W) toleriert. Eine höhergradige restriktive Ventilationsstörung sei anhand der festgestellten wechselnd stark reduzierten Werte der Vitalkapazität und FEV1 nicht abzuleiten, zumal die Untersuchungen am 27. Februar 2012 und am 18. Februar 2011 nach vorausgegangenen stärkeren Erniedrigungen nur leichtere Referenzwertabweichungen zeigten. Wie ausgeführt, sei jedoch von einer leichtgradigen, auf die Silikose zurückzuführenden restriktiven Ventilationsstörung bei eingeschränkter Beurteilbarkeit der Totalkapazität auszugehen. Die dadurch bedingte und für beide Berufskrankheiten integrativ einzuschätzende MdE sei ab dem 22. Februar 1995 auf 20 % zu veranschlagen. Die am 11. November 2004 und in den späteren Lungenfunktionsuntersuchungen beschriebenen gesundheitlichen Verschlechterungen (Luftnot nach 2 Etagen, zum Teil erheblich eingeschränkte Lungenfunktionswerte) stünden insoweit in einem gewissen Widerspruch zu der in den ergometrischen Untersuchungen 2004, 2011 und 2012 dokumentierten guten körperlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten. Die angegebenen gesundheitlichen Verschlechterungen seien im Übrigen infolge der nicht immer optimalen Lungenfunktionsmessungen bei reduziertem allgemeinen Gesundheitszustand, hohem Alter und zuletzt bestandenen Herzinsuffizienzzeichen nur stark eingeschränkt hinsichtlich ihres BK-bedingten Anteils beurteilbar und insgesamt nicht ausreichend belegt.

Die Beklagte hat bezüglich des Gutachtens von Prof. Dr. J. im Verfahren L 9 U 50/19 eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vorgelegt. In der Stellungnahme vom 20. April 2022 führt Dr. K. aus, dass es zur Feststellung der BK Nr. 4111 einer vollbeweislichen Sicherung eines Lungenemphysems oder einer chronisch obstruktiven Bronchitis bedürfe. Ein Lungenemphysem habe bei dem Versicherten radiologisch nicht nachgewiesen werden können. Darüber hinaus hätten auch keine lungenfunktionellen Parameter gesichert werden können, die diese Diagnose nahelegten. Hinsichtlich der chronisch obstruktiven Bronchitis sei festzustellen, dass die aktenkundigen Lungenfunktionsprüfungen aufgrund des fortgeschrittenen Alters und relevanter erheblicher Komorbiditäten des Versicherten nicht in der Lage seien, den Vollbeweis für das Vorliegen einer solchen Erkrankung zu erbringen. Der Nachweis einer chronisch obstruktiven Bronchitis könne mittels spirometrischer Parameter oder bodyplethysmografischer Messwerte geführt werden, wobei die Bodyplethysmografie deutlich weniger mitarbeitsabhängig sei. Im Fall des Versicherten seien die spirometrischen Messparameter durch die ungewollt unzureichende Kooperation des Versicherten in ihrer Aussagekraft derart eingeschränkt, dass sie diagnostisch nicht verwertbar seien. Der Verweis von Prof. Dr. J. auf die besonderen Bedingungen bei älteren Menschen und unzureichender Mitarbeit (Kriterien von Miller und Hankinson) sei nur statthaft, wenn zu den jeweils durchgeführten Messzeitpunkten sämtliche übrigen Qualitätskriterien einer Spirometrie erfüllt gewesen wären, was vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen sei. So sei zum Beispiel keine mehrfache Registrierung von Spirometrien zum selben Zeitpunkt angefertigt bzw. explizit geprüft worden, dass die Abweichung mehrerer nacheinander registrierter Spirometrien sich innerhalb der gesetzten Grenzen bewegt hätten. Mit den qualitativ unzureichenden spirometrischen Messparametern sei es nicht möglich, das Vorliegen einer obstruktiven Ventilationsstörung eindeutig und reproduzierbar nachzuvollziehen. Dies sei jedoch notwendig, um den Tatbestand einer BK Nr. 4111 im Vollbeweis zu belegen. Hinsichtlich der Ausführungen von Prof. Dr. J., dass nach der wissenschaftlichen Begründung zur BK Nr. 4111 eine zeitweise Erhöhung des zentralen oder peripheren Atemwiderstandes genüge, sei auszuführen, dass ein zentraler oder peripherer Atemwiderstand im Rahmen einer gewöhnlichen Lungenfunktionsprüfung gar nicht registriert werde. Zudem beziehe sich der Begriff der chronisch obstruktiven Bronchitis nicht nur auf die Bronchitis, sondern auch auf die Obstruktion, womit eine dauerhafte Obstruktion als Grundlage der Diagnose impliziert werde. Der im Rahmen einer Bodyplethysmografie erhobene Wert sRtot sei am aussagekräftigsten für das Vorliegen einer obstruktiven Ventilationsstörung. Eine solche Diagnose können jedoch nur bei einer dauerhaften Erhöhung des Messwertes erfolgen. Bei dem Versicherten seien zwar mehrere Messungen mit erhöhten Werten für sRtot erfolgt, jedoch im Wechsel mit eindeutig normalen Messwerten für diesen Parameter, zuletzt etw bei der Messung 2011. Zu diesem Zeitpunkt habe bei dem Versicherten also sicher keine obstruktive Ventilationsstörung vorgelegen. Im Zeitraum 2004 bis 2014 seien dabei mehrfach normale Messwerte für sRtot erhoben worden. Bei der Messung im Jahr 2004 hätten die Werte für sRtot unter Belastung zudem eine sich in kurzer Zeit stark ändernde obstruktive Ventilationsstörung angezeigt, was typisch für ein Asthma sei und eine chronisch obstruktive Bronchitis nahezu ausschließe. Asthma unterfalle der BK Nr. 4111 jedoch nicht. Insgesamt könne daher weder den spirometrisch noch den bodyplethysmografisch erhobenen Messwerten ein Nachweis für das Vorliegen einer BK Nr. 4111 entnommen werden. Der Einschätzung von Prof. Dr. J. könne nicht gefolgt werden, da die im zeitlichen Verlauf mehrfach dokumentierten Lungenfunktionseinschränkungen in allererster Linie auf eine unzureichende Kooperation des Versicherten bei Durchführung der Spirometrien zurückzuführen sei. Die Aussagekranft der Spirometrien hänge insoweit ganz wesentlich von der Reproduzierbarkeit der Untersuchungen ab, die hier fehle. Zwar könne man dem Versicherten hinsichtlich der Kooperation nichts vorwerfen, dies könne aber umgekehrt auch nicht dazu führen, dass über die Limitierung der Messmethode hinwegzusehen sei. Hinsichtlich der teilweise als erhöht gemessenen Werte für sRtot sei auf den Wechsel mit normalen Messungen - teilweise innerhalb eines Tages - hinzuweisen, was nicht typisch für eine chronisch obstruktive Bronchitis sei, sondern eher für ein Asthma spreche.

Die Beteiligten haben sodann schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zu dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte sowie die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten aus dem Verfahren L 9 U 50/19 verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Der Senat kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 20. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2012 sowie vom 14. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das Sozialgericht hat die Klagen durch Urteil vom 1. Februar 2019 zu Recht abgewiesen.

Die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen sind unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente aus der festgestellten BK Nr. 4101 sowie die Gewährung von Pflegegeld im Wege der Sonderrechtsnachfolge nach ihrem 2016 verstorbenen Ehemann.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes - wie vorliegend - in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten war bezüglich der hier streitigen Renten- und Pflegegeldleistungen auch bereits ein Verwaltungsverfahren bei der Beklagten anhängig (§ 59 Satz 2 SGB I). Die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente aus der anerkannten BK Nr. 4101 sowie eines Pflegegeldes liegen jedoch nicht vor.

Die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen der bei dem Versicherten anerkannten BK Nr. 4101.

Unter Nr. 4101 ist in der Anlage 1 zur BKV die „Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)“ erfasst. Eine solche Silikose lag bei dem Versicherten unstreitig vor und die Beklagte hat das Vorliegen einer BK Nr. 4101 bei dem Versicherten mit Bescheid vom 12. Juli 1994 bindend anerkannt. Wegen der anerkannten BK stand dem Versicherten jedoch keine Rente nach dem SGB VII zu, diese hat die Beklagte mit dem hier streitigen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids zutreffend abgelehnt.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 SGB VII. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 haben Versicherte Anspruch auf Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge des Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (Abs. 3 der Vorschrift).

Die Bemessung des Grades der MdE wird vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 m. w. N.). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentN.liche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 s. o.). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 5. September 2006 s. o.; Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). 

Von diesem Maßstab ausgehend sind die sich aus der anerkannten BK Nr. 4101 bei dem Versicherten ergebenden Funktionseinschränkungen vorliegend nicht mit einer MdE von mindestens 20 v. H. zu bewerten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund einer Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen medizinischen Stellungnahmen und gutachterlichen Ausführungen, insbesondere aufgrund der gutachterlichen Einschätzungen des Dr. H., Prof. Dr. N., Prof. Dr. T. und Prof. Dr. Q.

Dr. H. kommt in seinem internistisch-pneumologisches Gutachten vom 22. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei dem Versicherten hinsichtlich der anerkannten BK Nr. 4101 aufgrund der erhobenen Befunde keine rentenberechtigende MdE vorliege. Die Blutgasanalyse habe insoweit normale Werte und keine Hinweise auf eine Diffusionsstörung ergeben. Die fahrradergometrische Belastung des Versicherten habe eine dem Alterssoll entsprechende körperliche Leistungsfähigkeit gezeigt, die Limitierung sei dabei vorrangig cardial bedingt gewesen, nicht pulmonal. Lungenfunktionsanalytisch konnte bei der Begutachtung zudem keine fixierte Obstruktion festgestellt werden, die zu Beginn der Untersuchung teilweise leicht erhöht gemessenen Werte u. a. für den Atemwiderstand waren nach Angabe des Gutachters unter Belastung komplett reversibel. Insgesamt kommt Dr. H. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Versicherte trotz subjektiv anderem Empfinden in seiner Belastbarkeit nicht eingeschränkt war.

Dr. M. ist sodann aufgrund eigener Untersuchung des Versicherten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Lungenfunktion des Versicherten unter Berücksichtigung seines Alters und des Broca-Indexes und einer wohl altersbedingt wechselnden Mitarbeit in Ruhe am 14. Januar 2011 und am 18. Februar 2011 eine leichtgradige, peripher betonte Obstruktion mit deutlicher Überblähung und dadurch bedingter Pseudorestriktion unterliege. Die Diffusionskapazität sei auf die Volumen-Einheit bezogen normal gewesen. Das konstant erhöhte Residualvolumen müsse als Ausdruck einer fixierten Überblähung im Sinne eines Lungenemphysems gedeutet werden. Unter Belastung sei es zu einem deutlichen Abfall der Sauerstoffwerte gekommen. Es habe sich somit eine belastungsbedingte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit gezeigt, wobei nicht entschieden werden könne, inwieweit es primär eine kardiale oder pulmonale Einschränkung gewesen sei. Dr. M. schätzte sodann die MdE bei dem Versicherten ab dem 22. Februar 1995 (Untersuchung durch Dr. E.) gestuft zunächst auf 20 v. H., später auf 30 v. H. und ab dem Untersuchungstag bei ihm am 18. Februar 2011 auf 40 v. H. ein.

Der Einschätzung des Dr. M. ist Prof. Dr. N. entgegengetreten. Dieser kommt in seiner gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 16. Juli 2012 unter Auswertung der von Dr. M. erhobenen Messdaten der Ganzkörperplethysmographie, Spirometrie, Diffusionsmessung, Blutgasanalyse, und der Spiroergometrie zu dem Ergebnis, dass bei dem Versicherten im Rahmen der Begutachtung bei Dr. M. weder eine Ventilationsstörung mit gutachterlich ausreichender Sicherheit festgestellt worden sei, noch die körperliche Leistungsfähigkeit des Versicherten alterskorrigiert signifikant eingeschränkt gewesen sei. Der Versicherte habe bei der Spiroergometrie die Belastung bis 83 Watt toleriert, so dass bei dem Alter des damals 86-Jährigen sicher von einer altersüberdurchschnittlichen Belastbarkeit ausgegangen werden könne. Der Versicherte sei zum Zeitpunkt des Abbruchs der Belastung weder kardial noch respiratorisch ausbelastet gewesen. In Bezug auf die unzweifelhaft vorliegende Silikose bei dem Versicherten seien keine dazu passenden Lungenfunktionseinschränkungen dokumentiert. Die der BK Nr. 4101 zuzuordnende MdE sei insgesamt mit 10 v. H. ab der Begutachtung des Versicherten bei Dr. M. am 14. Januar 2011 einzuschätzen.

In seinem sozialgerichtlichen Gutachten vom 27. August 2014 hat sich sodann Prof. Dr. T. den Begutachtungen und Stellungnahmen von Prof. Dr. F. vom 11. Juli 1995, Dr. H. vom 11. November 2004 sowie von Prof. Dr. N. vom 16. Juli 2012 hinsichtlich der Einschätzung des medizinisch-funktionellen Anteils der MdE der BK Nr. 4101 angeschlossen und die MdE auf unter 20 v. H. eingeschätzt. In Ruhe habe bei dem Versicherten im Rahmen der Untersuchung weder eine Diffusions- noch eine Gasaustauschstörung festgestellt werden können. Es habe sich eine mitarbeitsbedingte Einschränkung der Vitalkapazität und des Atemgrenzwertes ergeben. Die lungenfunktionsanalytisch gemessene Überblähung habe CT-morphologisch aber kein Korrelat. Es sei kein Emphysem nachgewiesen. Daher sei dieser lungenfunktionsanalytische Befund auf eine mangelnde Ausatmung mit eingeschränkter Vitalkapazität zurückzuführen. Eine auf die silikotischen Granulome zurückführbare funktionelle Einschränkung des Versicherten sei bei regelrechter Diffusionskapazität und regelrechter Blutgasanalyse nicht nachweisbar. Der erhöhte pulmonale Druck werde als Folge der chronischen (Links-) Herzinsuffizienz angesehen.

Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2015 hat Prof. Dr. T. den medizinisch-funktionelle Anteil der MdE bezüglich der BK Nr. 4101 weiterhin auf unter 20 v. H. eingeschätzen.

Prof. Dr. Q. kommt schließlich in seinem arbeitsmedizinischen Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage vom 11. März 2016 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass bei dem Versicherten zwar das Vorliegen einer chronischen Bronchitis seit mindestens 1995 gesichert sei, eine obstruktive Ventilationsstörung sich jedoch in den Messungen von 1995 bis 2012 nicht gezeigt habe und der sichere Nachweis auch in der Messung 2014 nicht erbracht worden sei. Ebenso wenig bestehe ein Lungenemphysem und für die wiederholt gezeigte leichte Lungenüberblähung habe sich morphologisch im Jahr 2014 kein Korrelat im Sinne eines Emphysems gefunden. Zudem sei eine Gasaustauschstörung bei dem Versicherten nicht nachgewiesen und die Diffusionsmesswerte hätten normgerechte Werte gezeigt.

Für den Senat steht aufgrund dieser fachärztlichen Einschätzungen fest, dass bei dem Versicherten infolge der anerkannten BK Nr. 4101 keine hinreichenden Einschränkungen der Lungenfunktion nachgewiesen werden konnten, die eine MdE von wenigstens 20 v. H. bedingt haben. Die durchgeführten lungenfunktionsanalytischen Untersuchungen bei dem Versicherten haben insoweit den dafür erforderlichen Nachweis nicht erbracht. Soweit insbesondere Dr. M. sowie später auch Prof. Dr. T. und Prof. Dr. J. diesbezüglich eine andere Auffassung vertreten, konnte der Senat sich hieran nicht anschließen.

Dr. M. hat insoweit bei dem Versicherten eine gestaffelte MdE ab der Untersuchung bei Dr. E. 1995 angenommen, woran sich Prof. Dr. T. in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 20. Dezember 2016 sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2017 angeschlossen hat. Sowohl Dr. M. als auch Prof. Dr. T. gehen dabei jedoch neben der anerkannten BK Nr. 4101 davon aus, dass bei dem Versicherten auch eine BK Nr. 4111 vorlag und bilden sodann - insoweit zutreffend (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1073) - eine integrative MdE für beide Berufskrankheiten, ohne hierbei zu differenzieren. Prof. Dr. T. hat jedoch in seinem Gutachten vom 27. August 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2015 explizit die MdE für die BK Nr. 4101 auf weniger als 20 v. H. eingeschätzt und diese Aussage in seinen späteren Äußerungen auch nicht widerrufen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2017 erklärt er dazu ausdrücklich, dass zwischen seinen Gutachten und Stellungnahmen keine Widersprüche bestünden, da das erste Gutachten (vom 27. August 2014) sich auf die BK Nr. 4101 bezogen habe, während das nachfolgende Gutachten (vom 20. Dezember 2016) sich auf die BK Nr. 4111 beziehe. Prof. Dr. J. wiederum veranschlagt für die integrative MdE beider von ihm bejahten Berufskrankheiten insgesamt 20 v. H. Darüber hinaus führt Prof. Dr. J. in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 16. Dezember 2021 selbst aus, dass die am 11. November 2004 und in den späteren Lungenfunktionsuntersuchungen beschriebenen gesundheitlichen Verschlechterungen (Luftnot nach 2 Etagen, zum Teil erheblich eingeschränkte Lungenfunktionswerte) in einem gewissen Widerspruch zu der in den ergometrischen Untersuchungen 2004, 2011 und 2012 dokumentierten guten körperlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten stünden. Die angegebenen gesundheitlichen Verschlechterungen seien im Übrigen infolge der nicht immer optimalen Lungenfunktionsmessungen bei reduziertem allgemeinen Gesundheitszustand, hohem Alter und zuletzt bestandenen Herzinsuffizienzzeichen nur stark eingeschränkt hinsichtlich ihres BK-bedingten Anteils beurteilbar und insgesamt nicht ausreichend belegt. Diese von Prof. Dr. J. gesehenen und auch von anderen Gutachtern bestätigten Widersprüchlichkeiten und Schwankungen in den erhobenen Messwerten sprechen jedoch gegen eine nachgewiesene Funktionseinschränkung der Lunge des Versicherten.

Es muss insoweit belegt sein, dass bei dem Versicherten Funktionseinschränkungen vorlagen, die mit einer MdE von mindestens 20 v. H. zu bewerten waren. Dieser Nachweis ist zur Überzeugung des Senats nicht erbracht. Denn der Einschätzung von Dr. M. sind mehrere Experten unter Auswertung der von Dr. M. erhobenen Befunde entgegengetreten. Die Ausführungen von Prof. Dr. N., aber auch von Prof. Dr. Q. und Prof. Dr. T. hält der Senat für überzeugend und schließt sich hieran vollumfänglich an.

Diesbezüglich kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass eine Vielzahl von behandelnden Ärzten und Gutachtern festgehalten haben, dass die Mitarbeit des Versicherten bei den Untersuchungen nicht optimal gewesen sei. Dies hat bereits Dr. E. im Jahr 1995 festgestellt und auch Dr. M. hat sich dahingehend in seinem Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen geäußert. Auch bei der Untersuchung bei Prof. Dr. T. konnte der Versicherte die geforderten Atemmanöver nicht oder jedenfalls nicht wie erforderlich durchführen und schlief während der Untersuchung mehrfach ein. Prof. Dr. P. hat diesbezüglich in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 7. Februar 2017 zu Recht darauf hingewiesen, dass aufgrund der belegten unzureichenden Atemtechnik die Untersuchungsergebnisse nicht verwertbar seien. Die unzureichende Mitarbeit bzw. Ausführung der erforderlichen Manöver während der Lungenfunktionsprüfungen haben bei dem Versicherten zu einer Variabilität der Befunde geführt, die eine Beurteilung der tatsächlichen körperlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht oder zumindest nur eingeschränkt möglich macht.

Dr. K. hat in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Dezember 2017 außerdem darauf hingewiesen, dass es für das Alter des Versicherten mit über 70 Jahren für die maßgeblichen Lungenfunktionstests keine Referenzwerte gebe. Auch Dr. M. und Prof. Dr. J. haben bestätigt, dass es keine lungenfunktionsanalytischen Vergleichswerte für die Altergruppe des Versicherten gibt. Ohne wissenschaftlich belegte Referenzwerte ist es jedoch nur eingeschränkt möglich, die bei dem Versicherten erhobenen Parameter ins Verhältnis zu gesunden Menschen desselben Alters setzen und eine Aussage darüber zu treffen, ob es sich bei den erhobenen Befunden überhaupt um pathologische Werte handelt. Es dürfte insoweit grundsätzlich unstreitig sein, dass die Lungenfunktion mit zunehmendem Alter nachlässt. Die festgestellten Werte des Versicherten können dementsprechend nicht ohne weiteres an den für unter 70-Jährige geltenden Parametern gemessen werden.

Hierauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da nach dem oben Gesagten, die erhobenen lungenfunktionsanalytischen Werte zum einen aufgrund der mitarbeitsbedingten Variabilität der Befunde (Schwankungen und Widersprüchlichkeiten aufgrund unzureichender Atemtechnik des Versicherten) eine Beurteilung der tatsächlichen körperlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten ohnehin nur eingeschränkt möglich ist. Zum anderen haben - wie ausgeführt - zahlreiche Gutachter eine Einschränkung der Lungenfunktion bei dem Versicherten ausdrücklich verneint.

Damit steht nicht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Versicherte infolge der anerkannten BK Nr. 4101 unter einer Einschränkung der Lungenfunktion gelitten hat, die eine MdE von wenigstens 20 v. H. bedingt hat. Die Beklagte hat somit die Gewährung einer Rente nach dem SGB VII gegenüber dem Versicherten mit Bescheid vom 20. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2012 zu Recht abgelehnt.

Ebenfalls zutreffend hat die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2014 gegenüber dem Versicherten die Gewährung eines Pflegegeldes nach dem SGB VII aufgrund der anerkannten BK Nr. 4101 abgelehnt.

Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB VII waren im Fall des Versicherten nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift wird Pflegegeld gezahlt, solange der Versicherte infolge des Versicherungsfalls so hilflos ist, dass er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Hilfe bedarf. Vorliegend war der Versicherte zur Überzeugung des Senats nicht hilflos im Sinne der Norm bzw. mögliche Einschränkungen beruhten jedenfalls nicht ursächlich auf der anerkannten BK.

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass der Versicherte aufgrund einer eingetretenen Blindheit und Atemlosigkeit auf ihre ständige Unterstützung angewiesen gewesen sei, fehlt es zum einen an einem Kausalzusammenhang zur anerkannten BK Nr. 4101 (Blindheit) und zum anderen an objektiven Belegen für die geklagten Einschränkungen. Denn es haben - wie bereits oben dargestellt - zahlreiche Gutachter bei dem Versicherten eine Einschränkung der Lungenfunktion sowie der körperlichen Belastbarkeit verneint. Eine Hilflosigkeit des Versicherten infolge der BK Nr. 4101 ist damit aus den oben genannten Gründen nicht bewiesen.

Die Berufung konnte somit insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenprivilegierung der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ergibt sich aus § 183 Satz 1 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
 

Rechtskraft
Aus
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