L 7 AS 952/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 46 AS 4647/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 952/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 122/22 B
Datum
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.05.2021 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt 1/10 der außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, das der Klage gegen eine endgültige Leistungsfestsetzung und Erstattungsforderung für Januar bis Dezember 2009 stattgegeben hat.

 

Der 1944 geborene Kläger und die 1959 geborene Klägerin sind miteinander verheiratet. Sie leben seit Jahrzehnten von staatlichen Transferleistungen. Von Januar 2005 bis zu seiner Verrentung (nebst aufstockenden SGB XII-Leistungen) hat der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen. Die Klägerin bezieht seit 2005 fortlaufend SGB II-Leistungen.

 

Im Rahmen ihres ersten SGB II-Leistungsantrags gab der Kläger am 03.09.2004 an, die Klägerin und er seien seit den 1990er Jahren erwerbslos und verfügten über kein Vermögen „das den Wert von 4.850 Euro je Person (also bei Partnern insgesamt 9.700 Euro) übersteigt“. Die Kläger wurden u.a. darüber belehrt, dass als Vermögen auch „bebaute oder unbebaute Grundstücke, Hausbesitz (z.B. ein Ein- oder Mehrfamilienhaus), Eigentumswohnung, sonstige Immobilien“ gehören. Sie gaben an, unter der Anschrift F.-Straße 1, U. zur „Miete“ zu wohnen. Vermieter sei der Zeuge D. R., der leibliche Sohn des Klägers. Es sei eine Gesamtmiete von 368,34 € (297 € Grundmiete, 35,34 € Betriebskosten, 36 € Heizkosten) vereinbart. Der Beklagte bewilligte den Klägern auf dieser Basis Leistungen ab Januar 2005. Im Rahmen ihrer regelmäßigen Fortzahlungsanträge haben die Kläger in Bezug auf ihre Einkommens-, Miet- und Vermögensverhältnisse keine wesentlichen Änderungen angegeben.

 

Am 05.04.2007 wurde über das Vermögen des Klägers beim Amtsgericht Wuppertal (145 IK 426/07) das Insolvenzverfahren eröffnet.

 

Mit Fortzahlungsantrag vom 20.11.2008 beantragten die Kläger die Gewährung von Leistungen ab dem 01.01.2009. Die Kläger gaben wiederum an, in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seien „keine Änderungen“ eingetreten.

 

Mit vorläufigem Bescheid vom 24.11.2008 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für Januar bis Juni 2009 iHv monatlich 964,34 € (je Partner 482,17 €). Die Leistungsbewilligung erfolgte ohne Berücksichtigung von Heizkosten vorläufig, weil seinerzeit die Höhe der monatlichen Heizkosten unklar war. Die Kläger wurden mit gesondertem Schreiben vom 24.11.2008 aufgefordert, ihre Heizkostenabrechnung 2007 vorzulegen. Der Kläger hat am 22.12.2008 mitgeteilt, dass er unter dem Rechnungsnamen seiner Mutter, J. R., Gasflaschen kaufe, weil sie selbst keine Gasflaschen hätten. Er legte eine Aufstellung zur „Kunden-Nr.: 01, R. J. E.-Straße 1, U.“ (Wohnung der Mutter des Klägers bis Ende 2007) hinsichtlich der Anschaffung von Gasflaschen im Jahr 2007 über insgesamt 1.228,69 € vor. Im Dezember 2008 erhielt der Beklagte einen Betrag iHv 43,46 € von der H. Energie & Wasser AG für die Kläger zurückgebucht. Diesen Betrag wies der Beklagte im Januar 2009 unter der BG-Nummer der Kläger erneut an die H. Energie & Wasser AG an.

 

Unter dem 14.01.2009 wurden die Kläger aufgefordert, ihre Gasrechnung für das Jahr 2008 vorzulegen. Trotz Erinnerung reagierten die Kläger hierauf nicht. Am 24.07.2009 legten sie sodann eine Rechnung über eine Gaslieferung vom 02.07.2009 über 949,62 € für die gesamte Hofschaft F.-Straße 1 vor. Sie beantragten die Kostenübernahme der „Hälfte des Betrages“.

 

Am 28.05.2009 beantragten die Kläger unter Hinweis auf einen voraussichtlichen Rentenbezug des Klägers ab August 2009 die Fortzahlung der Leistungen ab Juli 2009. Mit vorläufigen, nicht durch Widerspruch angefochtenen Bescheiden vom 03.06.2019 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für Juli 2009 iHv 707,18 € (je Partner 353,59 €). Die Bewilligung erfolgte im Hinblick auf den unklaren Beginn und die Höhe der Rente sowie einer möglichen Aussteuerung in den SGB XII-Leistungsbezug vorläufig und mit Blick auf die Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers am 23.07.2009 befristet bis zum 22.07.2009. Der Beklagte zahlte an die Kläger, den Energieversorger bzw. den Sohn der Kläger als Vermieter insgesamt 707,18 €.

 

Mit Bescheid vom 22.07.2009 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger ab dem 01.08.2009 eine Regelaltersrente iHv monatlich 261,54 €.

 

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11.08.2009 bewilligte der Beklagte den Klägern endgültig einen Betrag von 553,95 € für den teilweisen Ausgleich der Gasrechnung vom 02.07.2009.

 

Mit Bescheid vom 12.08.2009 bewilligte der Beklagte ausschließlich der Klägerin Leistungen für August bis Oktober 2009 iHv monatlich 509,67 €. Die Leistungen erfolgten vorläufig bis zur Klärung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin. Leistungen für den Kläger ab August 2009 waren bereits mit bestandskräftigem Bescheid abgelehnt worden.

 

Am 25.09.2009 beantragte die Klägerin ohne Angabe von Änderungen die Leistungsfortzahlung ab November 2009. Mit vorläufigem Bescheid vom 28.09.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin u.a. Leistungen für November bis Dezember 2009 iHv monatlich 509,67 €.

 

Im Dezember 2012 erhielt der Beklagte vom Finanzamt Remscheid die Mitteilung, dass der Kläger in den Jahren 2006 bis 2009 unversteuerte Einnahmen aus der Vermarktung erotischer Digitalinhalte iHv rund 115.000 €, davon 22.214 € im Jahr 2009, erzielt habe. Die Kläger wurden hierzu angehört und teilten am 14.01.2013 mit, dass sie keine Einnahmen erzielt hätten; es liege eine Verwechselung mit dem Sohn des Klägers vor. Von Seiten des Finanzamtes wurden die Einlassungen des Klägers als Schutzbehauptungen bewertet, weil der Sohn der Kläger ein eigenes bekanntes Gewerbe ausgeübt habe. Die ermittelten Gewerbeeinkünfte der Kläger seien offiziell über das Konto der Mutter des Klägers geflossen, die weit über 90 Jahre und in der höchsten Stufe pflegebedürftig gewesen sei. Es sei von einer „Strohfraueigenschaft“ der Mutter des Klägers auszugehen. Dies zumal der Kläger über das Gewerbekonto seiner Mutter verfügungsberechtigt sei (vgl. Telefonvermerk des Beklagten vom 20.06.2013).

 

Der Beklagte hörte die Kläger wegen dieser Erkenntnisse mit zwei Schreiben vom 10.07.2013 zu einer beabsichtigten Rücknahme der Bewilligungsbescheide und Erstattung aller Leistungen für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.07.2009 (Kläger) bzw. bis 31.12.2009 (Klägerin) an. Am 19.07.2013 hat der Kläger beim Beklagten vorgesprochen und angegeben, seine Mutter habe 1988 den F im K. erworben. Um später Erbschaftssteuer zu sparen, sei das Eigentum oder „Besitz“ direkt auf den Namen ihres Enkels eingetragen worden. Im Laufe der Jahre habe er, der Kläger, den F. umgebaut und modernisiert. Die Einnahmen aus dem Gewerbe seiner Mutter seien in voller Höhe in die Modernisierungsarbeiten geflossen. Er erklärte, dass er keine Einnahmen aus dem Gewerbe seiner Mutter oder aus Vermietung und Verpachtung der Gebäude erzielt habe. Alle Einnahmen seien seinem Sohn zugeflossen, mit dem er mittlerweile zerstritten sei. Er strebe einen Rechtsstreit an, um die Gelder der Klägerin und seiner Mutter zurückzuerhalten. Im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung gab der Kläger am 18.09.2013 bei der Polizei an, dass die gegenständlichen Einkünfte in 2006 bis 2009 von seiner Mutter erzielt und von ihr für Baumaßnahmen des F. verwendet worden seien. Der F. sollte dieser und ihm als Altersruhesitz dienen. Er und seine Frau wohnten auf dem Gebäude „mietfrei“. Er bereite gegen seinen Sohn eine Klage über einen Betrag von 907.000 € vor.

 

Mit Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.07.2014 (14 Cs-20 Js 1175/13-90/14) wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung zu 90 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt. Der Kläger habe über das von seiner Mutter angemeldete Gewerbe Einkünfte erzielt und diese nicht versteuert. Die gegen die Verurteilung gerichtete Berufung (Landgericht Wuppertal Urteil vom 22.12.2014 – 26 Ns – 20 Js 1175/13 - 12/14 -) und die anschließende Revision des Klägers blieben erfolglos. Auf die strafgerichtlichen Urteile wird der Einzelheiten wegen Bezug genommen.

 

Im Jahr 2016 starb die Mutter des Klägers. Der Kläger wurde aufgrund Erbvertrages seiner Eltern Alleinerbe seiner Mutter.

 

Mit zwei Bescheiden vom 19.07.2017 setzte der Beklagte gemäß „§ 41a SGB II bzw. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3“ SGB III die vorläufigen Leistungen für Januar bis Dezember 2009 endgültig fest und forderte von dem Kläger für Januar bis Juli 2009 gemäß „§ 41a Abs. 6 S. 3 SGB II“ insgesamt 3.680,89 € und von der Klägerin für Januar bis Dezember 2009 insgesamt 6.070,45 € zurück. Den Bescheiden waren jeweils Berechnungsbögen „der Überzahlung der Bedarfsgemeinschaften“ beigefügt. In diesen Berechnungsbögen wurden die Leistungsbedarfe der beiden Kläger individuell dargelegt und den unterstellten Einkommensanteilen gegenübergestellt. In der Bedarfsberechnung wurden auch „einmalige Leistungen“ aufgeführt, bei denen es sich um 43,46 € handelt, die der Beklagte im Januar 2009 an die H. Energie & Wasser AG überwiesen hatte und der mit Bescheid vom 11.08.2009 als einmalige Heizbeihilfe ohne Vorläufigkeitsvorbehalt bewilligte Betrag von 553,95 €. Für Juli 2009 ging der Beklagte statt der tatsächlich vorläufig bewilligten und zur Auszahlung gelangten Beträge von je 353,59 € von einer vorläufigen Bewilligung iHv von 766,14 € für den Kläger und 766,15 € für die Klägerin aus. Der Beklagte unterstellte ausweislich der Berechnungsbögen in den Monaten Januar bis Juli 2009 ein bedarfsdeckendes Erwerbseinkommen der Kläger, setzte die Leistungen auf je 0 € endgültig fest und forderte für diese Monate die gesamten Leistungen zurück. In den Monaten August 2009 bis Dezember 2009 setzte der Beklagte die Leistungen der Klägerin mit monatlich 31,76 € endgültig fest und forderte lediglich einen Teilbetrag iHv monatlich 477,91 € zurück, weil das Erwerbseinkommen – wegen des vorrangigen Bedarfs des Klägers – in diesen Monaten nicht bedarfsdeckend gewesen sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheide vom 19.07.2017 nebst Berechnungsbögen Bezug genommen.

 

Hiergegen legten die Kläger mit zwei anwaltlichen Schreiben vom 27.07.2017 Widerspruch ein. Die Berechnungen seien nicht nachvollziehbar. Die Bescheide seien bereits deswegen rechtswidrig, weil der Berechnungsbogen zum Bescheid beide Kläger betreffe und nicht individuell die jeweiligen Kläger. Das unterstellte Erwerbseinkommen sei aus der Berechnung zu nehmen. Das Einkommen aus Internetdienstleistungen sei der Mutter des Klägers zugeflossen und damit nicht den Klägern zuzurechnen. Außerdem fehlten jegliche Feststellungen zur Höhe und zum Zufluss des unterstellten Einkommens. Durch die fehlerhafte Bewertung der Steuerfahndung und des Strafgerichts ergebe sich nichts anderes. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin mehr zurückzahlen solle als der Kläger, obwohl letzterer das Gewerbe ausgeübt haben solle und nicht feststehe, ob sie von der unterstellten Steuerhinterziehung des Klägers profitiert habe. Schließlich seien die Festsetzungsfristen abgelaufen. Es werde die Einrede der Verjährung erhoben.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2017 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger als unbegründet zurück. Laut Mitteilung des Finanzamtes für Steuerstrafsachen habe der Kläger im Jahr 2009 Erlöse aus Internetdienstleistungen iHv insgesamt 22.214 € erzielt, mithin nach § 3 Abs. 4 Alg II-V monatsdurchschnittlich 1.851,16 €, was freibetragsbereinigt monatliche Einkünfte von 1.571,16 € ergebe. Hinzu komme eine Altersrente des Klägers ab August 2009 iHv monatlich 261,54 €. Nachweise zu den Betriebsausgaben habe der Kläger nicht eingereicht. Unter Berücksichtigung des unstreitigen Bedarfs der Kläger im Jahr 2009 seien diese nicht hilfebedürftig gewesen, sodass sämtliche Leistungen auf 0 € hätten festgesetzt und zurückgefordert werden müssen. Zugunsten der Klägerin verbleibe es aber bei den mit den Bescheiden vom 19.07.2017 festgesetzten Beträgen in den Monaten August bis Dezember 2009. Gemäß § 80 Abs. 2 SGB II in der ab dem 01.08.2016 geltenden Fassung sei für die endgültige Leistungsfestsetzung § 41a SGB II in der seit dem 01.08.2016 geltenden Fassung sowohl für die endgültige Leistungsfestsetzung als auch die Erstattung anzuwenden. Dem Widerspruchsbescheid waren insgesamt fünf Berechnungsbögen beigefügt, auf die der Einzelheiten insbesondere der Berechnung wegen Bezug genommen wird.

 

Am 29.11.2017 haben die Kläger Klage bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und ihr Vorbringen wiederholt und vertieft. Das Strafurteil sei unzutreffend. Sie hätten im Jahr 2009 keine Erwerbseinkünfte erzielt. Jedenfalls die Klägerin habe von der steuerrechtlichen Angelegenheit nichts gewusst und die streitgegenständlichen Leistungen gutgläubig verbraucht.

 

Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

 

die Bescheide vom 19.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2017 aufzuheben.

 

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Das Sozialgericht hat den Kläger in einem Termin zur Erörterung und Beweisaufnahme informatorisch angehört und D. R. und den Steuerberater O. G. als Zeugen vernommen. Der Kläger hat sich dahingehend geäußert, dass das Erotikgewerbe von seiner Mutter und seinem Sohn betrieben worden sei. Er selbst habe nur unentgeltlich geholfen. Das gesamte Geld sei in den F. geflossen. Das Geld für den Hof hätten die Mutter des Klägers und die Klägerin beigesteuert. Es seien später weitere Grundstücksteile dazu gekauft und mittels zweier Darlehen über insgesamt 200.000 € bewirtschaftet worden. Die monatlichen Kreditraten von 1.500 € seien über die Gewerbeeinnahmen und Mieteinkünfte bestritten worden. Auf ihn sei in Abteilung 3 eine Grundschuld über 500.000 € eingetragen. Der vom Zeugen D. R. von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundene Zeuge G. hat ausgesagt, dass er nur für die Mutter und den Sohn des Klägers tätig gewesen sei. J. R. sei für ihn aber keine Ansprechpartnerin gewesen; er könne sich nicht erinnern, ob er sie persönlich kennengelernt habe. Er habe alles mit dem Kläger (ohne Beauftragung von J. R. und auch ohne Vollmacht) besprochen. Zu der Entstehung des Gewerbes von J. R. könne er nichts sagen; zu dieser Zeit sei er nicht beauftragt gewesen. Die Einkünfte aus den Erotikonlineplattformen seien auf das Gewerbekonto geflossen. Wer verfügungsberechtigt gewesen sei und Geld tatsächlich abgehoben habe, könne er nicht sagen. Er könne auch zu der Verwendung dieser Gelder nichts sagen. Nach dem Zukauf von Grundstücken F.-Straße in 2007 durch den Sohn des Klägers seien Mieten für mehrere Wohneinheiten eingenommen worden. Der Sohn des Klägers hat ausgesagt, dass er mit dem Kläger um das Jahr 2000 herum ein Erotikgewerbe angefangen habe. Der frühere Steuerberater habe empfohlen, das Gewerbe zu trennen, damit die Gewinne steuerlich aufgeteilt werden. J. R. sei dann „auf dem Papier“ Gewerbetreibende geworden, weil der Name des Klägers „kaputt“ gewesen sei. J. R. sei pflegebedürftig und „nichtswissend“ gewesen. Mit dem auf ihren Namen gemeldeten Gewerbe habe sie „weniger als gar nichts“ zu tun gehabt. Der Kläger sei ihr Universalbetreuer gewesen und habe Zugriff auf deren Rente, Pflegegeld und sonstige Einnahmen gehabt. Der Kläger sei ferner in Erotikclubs gefahren und habe dort Sachen verkauft. Die Erotikvideoaufnahmen, die unter Rechnung des Gewerbes von J. R. liefen, seien von der Klägerin bzw. ihrer Schwester produziert worden. Die Einnahmen aus diesem Gewerbe seien nicht für die Instandhaltung der Liegenschaft F.-Straße oder für J. R. verwendet worden. Die Sicherungsgrundschuld über 500.000 € für den Kläger habe irgendwas mit den Sponsoren des Klägers, P. und N. I., zu tun. Er wisse aber nicht, ob da Gelder geflossen seien; es werde irgendwas mit einem Autohandel „gekungelt“. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 27.06.2019 Bezug genommen.

 

In der Folgezeit hat das Sozialgericht u.a. eine schriftliche Aussage des Zeugen D. L. vom 13.07.2020 eingeholt, der geäußert hat, dass die Kläger bis 2007 regelmäßig Erotikwäsche in seinem Nachtclub veräußert hätten mit Tageseinnahmen von bis zu 1.000 €. Teilweise hätten sie auch mit Gebrauchtwagen gehandelt.

 

Mit rechtskräftigen Urteil vom 19.08.2020 (2 K 2104/19 E) hat das Finanzgericht Düsseldorf die Klage des Klägers vom 02.08.2019 auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2019 zurückgewiesen. Dem vorausgegangen war eine mündliche Verhandlung, in der die Zeugen D. R. und O. G. vernommen wurden. Der Zeuge G. hat u.a. angegeben, nur mit dem Kläger und dessen Sohn zu tun gehabt zu haben. J. R. habe er nie kennengelernt. Die Kläger haben die vom Finanzamt für die Jahre 2006 – 2009 zugrunde gelegten Beträge der Höhe nach unstreitig gestellt. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19.08.2020 wird Bezug genommen (Blatt 225 ff. FG-GA). In seinem Urteil hat das Finanzgericht folgende Feststellungen getroffen, die der Senat sich zu eigen macht:

Anfang der 2000er Jahre wurde von dem Zeugen R., dem Sohn des Klägers, ein Gewerbetrieb „Interneterotikdienstleistungen“ gegründet. Dieser richtete Erotikseiten im Internet ein, auf denen zunächst nur Fotos von wenig bekleideten Damen, später auch Darbietungen der Darstellerinnen in Showrooms gezeigt wurden. Die Darstellerinnen übten ihre Tätigkeit in der Regel bei sich zu Hause mit einer Webcam aus. Die erforderliche Hard- und Softwareausstattung sowie die Einbindung erfolgten durch die Unterstützung eines Computerdienstleisters. Die Vermarktung sowie die Abrechnung wurden von verschiedenen Internetplattformen als Drittanbieter vorgenommen. Nach Berechnung der anteiligen Umsätze überwies die jeweilige Internetplattform den entsprechenden Betrag auf ein Konto des Zeugen R..

 

Nachdem sich das Gewerbe des Zeugen R. positiv entwickelt hatte, wurde auf Anraten seines damaligen Steuerberaters zur steuerlichen Optimierung eine Aufteilung des Gewerbebetriebs vorgenommen. Die Aufteilung erfolgte, indem der Zeuge R. für einen Teil der Internetplattformen weiterhin Betreiber blieb. Hinsichtlich des übrigen Teils der Internetplattformen wurde das streitgegenständliche Gewerbe „Interneterotikdienstleistungen“ am 02.04.2001 auf J. R. angemeldet, der zu diesem Zeitpunkt über 80jähigen Mutter des Klägers.

 

J. R.  lebte zunächst in einer eigenen Wohnung in U.. Im Jahr 2008 zog sie auf das Grundstück des Klägers, F.-Straße 1 in S.. Dort lebten neben den Klägern auch der Zeuge R. und dessen in 2011 verstorbene Ehefrau, A. R..

Der Kläger nahm nach der Anmeldung des Gewerbes auf J. R. verschiedene Aufgaben im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb „Interneterotikdienstleistungen“ wahr. So führte er Verhandlungen mit Hard- und Softwareunternehmen, beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Erstellung eines Mustervertrags für neue Darstellerinnen, gab Zeitungsinserate zur Ansprache neuer Darstellerinnen auf, brachte Buchführungsunterlagen in die Steuerberatungskanzlei des Zeugen G. und nahm betriebsbedingte Zahlungsverfügungen über die Konten der J. R. (Deutsche Bank Nr. 02 und 03) vor. Letzteres war ihm aufgrund von Kontovollmachten (seit Eröffnung des jeweiligen Kontos im Jahr 1986 bzw. 2001 bis zur Auflösung des jeweiligen Kontos im November 2009) möglich.

(…)

Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal (nachfolgend: StraBu-Stelle) führte im Jahr 2011 (Einleitung des Strafverfahrens am 09.03.2011) u.a. gegen den Kläger Ermittlungen durch. Es kam zu dem Ergebnis, dass der streitgegenständliche Gewerbetrieb „Interneterotikdienstleistungen“ nicht von J. R., sondern vielmehr von dem Kläger betrieben worden sei, sodass ihm die Einnahmen zuzurechnen seien. Dieser Beurteilung lag die Auffassung zugrunde, dass J. R. wegen ihres Alters und damit einhergehender, behördlich festgestellter Erkrankungen und Behinderungen nicht in der Lage gewesen sei, einen Internetdienstleistungsbetrieb zu führen. J. R. habe auch keine Auskünfte zu dem Gewerbebetrieb erteilen können. Sie sei zwar – wie auch der Zeuge R. – während des Ermittlungsverfahrens gebeten worden, an Amtsstelle vorzusprechen. Anstelle von J. R. sei der Kläger ohne Vorlage einer Vollmacht erschienen und habe Auskünfte erteilt. Der ebenfalls befragte Zeuge R. habe mitgeteilt, dass der Interneterotikdienst von den Klägern gemeinschaftlich geführt worden sei, die vereinnahmten Gelder über die Konten der J. R. geschleust, aber letztlich von den Klägern vereinnahmt worden seien. Vom Internet, neuen Medien etc. habe J. R. nichts verstanden. Sie sei deshalb nicht in der Lage gewesen, einen entsprechenden Betrieb zu führen. Zudem stützte die StraBu-Stelle ihre Auffassung auf die Erkenntnis, dass beide Kläger aufgrund der Kontovollmachten (zugunsten der Klägerin jeweils vom 18.04.2008 bis zur Auflösung des jeweiligen Kontos im November 2009) über die Bankkonten der J. R. hätten verfügen können und tatsächlich auch verfügt hätten. Ferner ging die StraBu-Stelle davon aus, dass J. R. am 20.10.2009 den Klägern eine Generalvollmacht erteilt habe.

 

Nach einem Hinweis der StraBu-Stelle über die Ermittlungen erließ der Beklagte gegenüber den Klägern, die keine Steuererklärungen abgegeben hatten, am 02.12.2013 Einkommensteuerbescheide, in denen er die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO schätzte. Für den Kläger berücksichtigte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in folgender Höhe: (…)

 

2009

Einnahmen               22.214,38 €

Ausgaben                 11.301,19 €

Gewinn                     10.913,19 €

 

Der jeweilige Gewinn wurde anhand der Angaben der StaBu-Stelle als Saldo der von den Internetplattformen überwiesenen Umsätze abzüglich Aufwendungen und Steuern, die sämtlich über die beiden Bankkonten der J. R.  abgewickelt worden waren, berechnet. Ein Sicherheitszuschlag wurde nicht vorgenommen. Dagegen legten die Kläger am 17.12.2013 Einspruch ein. Wörtlich hieß es zu Beginn des Einspruchsschreibens: „Gegen die Einkommensbescheide vom 02.12.2013 für die Jahre 2006 bis 2009 lege ich, C. R. und gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 02.12.2013 für denselben Zeitraum legen wir, C. und Y. R. Einspruch ein.“ Zur Begründung trugen die Kläger vor, dass die Einkünfte nicht dem Kläger, sondern J. R. zuzurechnen seien. Sie habe das Gewerbe angemeldet und betrieben. Aufgrund ihres Alters und ihres gesundheitlichen Zustandes habe sie sich Hilfspersonen bedient. Eine Generalvollmacht sei dem Kläger erteilt worden, um J. R. rechtlich vertreten zu können. Die Einnahmen aus dem Betrieb seien J. R. zugeflossen. Sie habe Kosten und Steuern bezahlt. Sie sei zudem durchaus in der Lage gewesen, geschäftliche Entscheidungen zu treffen und Weisungen zu erteilen. Auch die Art der Tätigkeit spräche nicht gegen die Stellung der J. R. als Betriebsinhaberin, da sie selbst in den erotischen Internetgalerien nicht auftrete, sondern nur Fotos vermittle. Die erzielten Umsätze seien zudem für Zwecke der J. R. verwendet worden. Der Zeuge R. habe das Anwesen F.-Straße 1 mit Geldern aus der Veräußerung einer Immobilie in X. gekauft und einen Alterswohnsitz für J. R. durch Aus- und Neubau errichtet. Alle Einnahmen aus dem Gewerbe seien in diesen Alterswohnsitz geflossen. Der Kläger habe kraft seiner Vollmacht die Gelder abgehoben und damit Baumaterial gekauft sowie Handwerkerrechnungen bezahlt“

 

Mit Urteil vom 27.05.2021 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 19.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2017 aufgehoben. Soweit der Beklagte die endgültige Festsetzung und Erstattung auf § 41a SGB II gestützt habe, komme diese erst zum 01.08.2016 eingeführte Vorschrift als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht, weil der streitgegenständliche Bewilligungszeitraum zum Dezember 2009 und damit vor dem 01.08.2016 beendet gewesen sei. Jedoch seien die Bescheide nicht schon deswegen rechtswidrig, weil die Bescheide angesichts der gebundenen Verwaltungsakte jedenfalls auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung (aF) iVm § 328 SGB III gestützt werden könnten. Weil § 41a SGB II und § 328 SGB III auf dasselbe Ziel gerichtet seien, sei das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig. Allerdings seien die Bescheide nicht bestimmt genug, weil keine endgültige Festsetzung erfolgt sei. Zwar könne die endgültige Festsetzung und Erstattung in einem einheitlichen Bescheid erfolgen. Dies setze jedoch voraus, dass der Bescheid in seinem Verfügungssatz sowohl die endgültige Bewilligung (konkretisiert für den jeweiligen Monat und unter Angabe der konkreten Höhe der Bewilligung) als auch die Höhe der Erstattungsforderung regle. Hier sei eine endgültige Leistungsfestsetzung auf 0 € bzw. 31,76 € im Verfügungssatz nicht erfolgt.

 

Gegen das ihm am 07.06.2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 23.06.2021 Berufung eingelegt. Ermächtigungsgrundlage für die streitigen Bescheide sei jedoch nicht § 41a SGB II, sondern § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 SGB III. Die Bescheide vom 19.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2017 seien auch hinreichend bestimmt. Die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes erfordere, dass der Verfügungssatz des Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung des sich aus dem jeweiligen Sachverhalt ergebenden Regelungsgehalts in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Ein Verwaltungsakt sei daher nur dann unbestimmt, wenn sein Regelungsgehalt sich auch nicht durch Auslegung hinreichend deutlich ermitteln lasse, wobei zum Zwecke der Auslegung auf den Sachverhalt, die Begründung oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden könne. Den Bescheiden sei eindeutig zu entnehmen, dass der Leistungsanspruch für den Zeitraum Januar bis Dezember 2009 endgültig festgesetzt wurde. Zur Höhe der endgültigen Leistungsfestsetzung sei auf die beigefügten Berechnungsbögen Bezug genommen worden. Diesen sei zu entnehmen, dass in den Monaten Januar bis Juli 2009 kein Leistungsanspruch (0 €) und ab August 2009 für die Klägerin ein Anspruch iHv monatlich 31,76 € bestanden habe. Die Berechnung lasse sich für jeden Monat nachvollziehen. Dies ergebe sich auch eindeutig aus dem Widerspruchsbescheid vom 27.10.2017, der bei der Prüfung der Bestimmtheit heranzuziehen sei.

 

Auf Hinweis des Senats hat der Beklagte seine Berufung hinsichtlich des Klägers insoweit zurückgenommen, als eine Erstattungsforderung von mehr als 3.246,61 € geltend gemacht wurde und hinsichtlich der Klägerin insoweit, als eine Erstattung von mehr als 5.636,16 € geltend gemacht wurde.

 

Der Beklagte hat sodann beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts vom 27.05.2021 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

 

Die Kläger beantragen,

 

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

 

Sie verweisen auf das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend führen sie an, dass der Verfügungssatz keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, weil nicht klar werde, welchem Kläger, für welchen Zeitraum, was verbleiben solle.

 

Auf die Aufforderung des Senats, den Mietvertrag mit dem Sohn des Klägers im Original vorzulegen, haben die Kläger geäußert, dass mit diesem kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei. Der Senat hat hiernach mit Verfügungen vom 11.11.2021 und 02.12.2021 auf den hiervon abweichenden Vortrag der Kläger im Verwaltungsverfahren hingewiesen und die Kläger angehalten, sollten sie an ihrem Standpunkt festhalten, es sei kein Mietvertrag abgeschlossen, die Hauslasten für Januar bis Dezember 2009 konkret darzulegen, weil dann nicht auf Basis des Mietvertrags (und der zusätzlich geltend gemachten Heizkosten) abgerechnet werden könne. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung haben die Kläger Gelegenheit erhalten, bis zum 03.01.2022 zu den konkreten Unterkunfts- und Heizkosten in 2009 vorzutragen. Die Kläger wurden mit vom Berichterstatter namentlich unterzeichneter Verfügung vom 02.12.2021, den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 13.12.2021zugestellt, darauf hingewiesen, dass Eingaben und Beweisanträge nach Ablauf des 03.01.2022 nur noch nach Maßgabe der §§ 153 Abs. 1, 106a SGG berücksichtigt werden könnten. Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger unter dem 20.12.2021 mitgeteilt, er könne keine Gewähr dafür bieten, dass die Informationen des Klägers von ihm richtig verstanden worden seien. In einem Erörterungstermin vom 17.02.2022 und in dem Verhandlungstermin vom 31.03.2022 haben die Kläger daran festgehalten, mit dem Sohn des Klägers keinen Mietvertrag abgeschlossen zu haben. Die Zahlung von monatlich 332,34 € habe der Rückführung eines Darlehens der Klägerin iHv 70.000 DM für die F.-Straße 1a gedient. Auf dieser Basis seien die Kosten der Unterkunft festgesetzt worden.

 

Der Senat hat Gewerbekontoauszüge der verstorbenen J. R. sowie die Gerichtsakte S 46 AS 2977/17 vom Sozialgericht Düsseldorf beigezogen. Außerdem hat der Senat die Gerichtsakten des LG Wuppertal (4 O 16/15), OLG Düsseldorf (I-24 U 19/16) und BGH (V ZR 285/17) hinsichtlich der zivilrechtlichen Auseinandersetzung des Klägers mit D. R. beigezogen. In diesen Verfahren hat der Kläger geltend gemacht, er habe seinen Sohn D. R. lediglich treuhänderisch als Eigentümer der Liegenschaften F.-Straße in das Grundbuch eintragen lassen. Er habe mittels finanzieller Zuwendungen seiner Mutter und der Klägerin die Grundstücke F.-Straße 1988, 1990 und 2007 finanziert und über die Jahre durch Eigenarbeiten und Investitionen massiv bis zu einem Gesamtvermögen von über 1 Mio. Euro aufgewertet. Zur Absicherung dieser Treuhandvereinbarung habe er sich von seinem Sohn eine unwiderrufliche Generalvollmacht ausstellen lassen. Zuletzt mit rechtskräftigem Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.11.2019 (I-24 U 19/16) wurde der Kläger verurteilt, die Berichtigung des Grundbuchs in grundbuchmäßiger Form zu bewilligen. Dabei ist das OLG davon ausgegangen, dass die Grundstücke F.-Straße im Eigentum des Zeugen D. R. stehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogenen zivilgerichtlichen Prozessakten verwiesen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der strafrechtlichen Gerichtsakten des AG Wuppertal (14 Cs-20 Js 1175/13-90/14), des LG Wuppertal (–26 Ns–20 Js 1175/13-12/14-), der Gerichtsakte des SG Düsseldorf S 46 AS 2977/17, der zivilgerichtlichen Prozessakten des BGH (V ZR 285/17), des OLG Düsseldorf (I-24 U 19/16) und des LG U. (4 O 16/15) sowie der finanzgerichtlichen Klageakte des FG Düsseldorf (2 K 2104/19 E), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist nach erfolgter Teilberufungsrücknahme begründet.

 

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die endgültige Leistungsfestsetzungs- und Erstattungsbescheide vom 19.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2017 (§ 95 SGG) in vollem Umfang aufgehoben.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 19.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2017 durch die der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar bis Dezember 2009 endgültig festgesetzt und die Kläger zur Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen iHv zuletzt (3.246,61 € + 5.636,16 € =) 8.882,77 € verpflichtet hat. Mit ihrer Klage hiergegen und dem sinngemäßen Vorbringen, ihnen stünden höhere endgültige Leistungen zu, beanspruchen die Kläger eine Korrektur der Entscheidungen des Beklagten über die abschließend festzustellenden und die zu erstattenden vorläufigen Leistungen. Demgemäß richtet sich das Klageziel neben der Änderung der Bescheide darauf, den Beklagten zu verpflichten auszusprechen, dass ihnen abschließend höhere Leistungen zustehen, als mit den Bescheiden vom 19.07.2017 festgesetzt wurden. Für eine isolierte Anfechtung der abschließenden Leistungsbescheide mit dem Ziel, die vorläufig bewilligten Leistungen weiter behalten zu dürfen, fehlt dagegen – was das Sozialgericht und die anwaltlich vertretenen Kläger verkannt haben – das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beklagte die eingeleitete abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs für den streitbefangenen Zeitraum durch Verwaltungsakt abzuschließen hat und daher die Aufhebung der abschließenden Festsetzungen allein den Rechtsstreit nicht dauerhaft beenden könnte (BSG Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 39/17 R mwN). Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 und 2, 56 SGG), wenn – wie vorliegend – das Klagebegehren nicht auf weitere Zahlungen über die vorläufig erbrachten Leistungen hinaus zielt (BSG Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 41/20 R).

 

Die angefochtenen Bescheide sind lediglich insoweit rechtswidrig, als der Beklagte hinsichtlich des Klägers eine Erstattung von mehr als 3.246,61 € und hinsichtlich der Klägerin eine Erstattung von mehr als 5.636,16 € forderte. Der Beklagte hat diesem Umstand auf Hinweis des Senats durch Teilberufungsrücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2022 Rechnung getragen. Im Übrigen sind sowohl die endgültigen Leistungsfestsetzungen als auch die darauf beruhenden Erstattungsforderungen rechtmäßig. Die angefochtenen Bescheide beschweren die Kläger insoweit nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

 

Rechtsgrundlage der abschließenden Leistungs- und Erstattungsbescheide für die Bewilligungszeiträume von Januar bis Dezember 2009 ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 2, 3 Satz 2 SGB III. Auf vor dem 01.08.2016 beendete Bewilligungszeiträume findet § 41a Abs. 3 SGB II – auch unter Berücksichtigung von § 80 Abs. 2 SGB II in der seit dem 01.08.2016 geltenden Fassung – keine Anwendung (vgl. BSG Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 39/17 R). Dem steht nicht entgegen, dass nach § 41a Abs. 5 Satz 1 iVm § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II vorläufig bewilligte Leistungen für vor dem 01.08.2016 beendete Bewilligungszeiträume als abschließend festgesetzt gelten, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach dem 01.08.2016 eine abschließende Entscheidung ergeht, denn vorliegend erfolgten die endgültigen Leistungsfestsetzungen am 19.07.2017, mithin vor Ablauf der genannten Jahresfrist. Eine die Fiktionswirkung des § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II vernichtende abschließende Entscheidung ist nach Wortlaut, Systematik und Regelungszweck bereits mit der Bekanntgabe der streitbefangenen Leistungsbescheide ergangen, ohne dass es darauf ankommt, ob sie unverändert in Bestandskraft erwachsen oder im gerichtlichen Verfahren geändert werden (BSG Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 39/17 R; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 41a Rn. 63). Zwar hat der Beklagte in Verkennung dieser Umstände seine endgültigen Festsetzungsbescheide vom 19.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsescheides vom 27.10.2017 auf § 41a SGB II gestützt, jedoch konnte vorliegend – worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – die Ermächtigungsgrundlage ausgetauscht werden. Stützt eine Behörde ihre Entscheidung auf eine falsche Rechtsgrundlage, sind aber für den Erlass des Verwaltungsakts die Voraussetzungen der zutreffenden Rechtsgrundlage erfüllt und wird dasselbe Ziel verfolgt, handelt es sich bei gebundenen Verwaltungsakten – wie vorliegend (vgl. § 328 Abs. 2 und 3 SGB III) – lediglich um eine unzutreffende Begründung, weswegen das „Auswechseln“ dieser Rechtsgrundlagen durch das Gericht grundsätzlich zulässig ist (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des BSG zuletzt: BSG Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 33/20 R, juris, Rn. 16 mwN). Der Beklagte selbst hat zudem mit seinem Berufungsschriftsatz die endgültige Leistungsfestsetzung und Erstattung ausdrücklich auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 2, 3 Satz 2 SGB III gestützt.

 

Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere wurden die Kläger ordnungsgemäß iSv § 24 SGB X angehört. Dass der Beklagte die Kläger zu den Voraussetzungen einer  Rücknahme und Erstattung nach §§ 45, 50 SGB X und nicht zu einer auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 2, 3 Satz 2 SGB III gestützten endgültigen Festsetzung und Erstattung anhörte, begründet keinen Anhörungsmangel, weil in diesem Zusammenhang auf die materiell-rechtliche Rechtsansicht der handelnden Behörde abzustellen ist, mag sie auch falsch sein (BSG Urteile vom 29.11.2012 – B 14 AS 6/12 R und vom 11.11.2021 – B 14 AS 33/20 R).

 

Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Die Bescheide sind insbesondere – anders als das Sozialgericht meint – hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X (vgl. zur Bestimmtheit nach § 33 Abs. 1 SGB X als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung etwa BSG Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R). Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts – hier mithin die beigefügten Berechnungsbögen –, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. etwa BSG Urteil vom 25.10.2017 – B 14 AS 9/17 R).

 

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Bescheide vom 19.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2017 enthalten jedenfalls unter Berücksichtigung der ihnen beigefügten und ausdrücklich in Bezug genommenen Berechnungsbögen zur „Überzahlung der Bedarfsgemeinschaften“ hinreichend bestimmte Verfügungssätze sowohl betreffend die endgültige Festsetzung der Leistungen als auch hinsichtlich der zu erstattenden Beträge. Sie stellen die Leistungsbedarfe beider Kläger individuell und Monat für Monat den unterstellten Einkommensanteilen gegenüber. Die endgültige Leistungsfestsetzung ist jedenfalls den Berechnungsbögen ebenso eindeutig zu entnehmen wie der Betrag der individuell verlangten Erstattung. Die Kläger und das Sozialgericht verkennen zudem, dass die Bestimmtheit ohnehin durch den nachfolgenden Widerspruchsbescheid oder durch – auch formlos mögliche – spätere Verwaltungsakte bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung vor einer Tatsacheninstanz hergestellt werden kann (vgl. nur Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 33 SGB X <Stand: 01.12.2017>, Rn. 25). Hier führt der Widerspruchsbescheid (erneut) insbesondere die tatsächlichen Ansprüche Monat für Monat und für die Klägerin sowie den Kläger gesondert dar. Dies gilt auch für die sich individuell bei Gegenüberstellung von tatsächlichem (endgültig festgesetztem) Anspruch und erfolgter tatsächlicher Auszahlung ergebende Überzahlung. Darüber hinaus wird eingehend ausgeführt, dass und aus welchen Gründen eine endgültige Festsetzung möglich war und erfolgte.

 

Der Senat vermag demzufolge die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, es fehle an einem hinreichend bestimmten Verfügungssatz hinsichtlich der endgültigen Festsetzung, nicht nachzuvollziehen. Letzteres ist vorliegend ersichtlich der Fall. Die Bescheide vom 19.07.2017 führen explizit aus, es erfolge nunmehr eine endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs und verweist hinsichtlich der Berechnung in zulässiger Weise auf die beigefügten Berechnungsbögen.

 

Es liegen auch die Voraussetzungen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 2 SGB III für die endgültige Leistungsfestsetzung vor (siehe zur Maßgeblichkeit dieser Vorschrift bereits zuvor). War vom Grundsicherungsträger – wie hier – ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III zunächst nur vorläufig beschieden worden, hatte er die vorläufige Entscheidung auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern war (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 2 SGB III), oder eine abschließende Entscheidung zu treffen, wenn ein Leistungsanspruch in abweichender Höhe zuerkannt wurde (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 3 SGB III). Waren im Anschluss an den Bewilligungszeitraum – wie vorliegend – neue Umstände zu berücksichtigen, war daher nach der Rechtsprechung des BSG zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der den Berechtigten endgültig zustehenden Leistungen von Amts wegen eine das Verwaltungsverfahren auf den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung nach Maßgabe von § 328 Abs. 3 Satz 1 sowie ggf. Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen (BSG Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R).

 

Dem Beklagten war eine endgültige Festsetzung auch nicht aufgrund einer analogen Anwendung der Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X oder des § 48 Abs. 4 SGB X verwehrt. Im Anwendungsbereich des § 328 SGB III aF bestand mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum für eine solche analoge Anwendung (so auch Sächsisches LSG Urteil vom 10.12.2020 – L 3 AS 505/18  und Hessisches LSG Urteil vom 04.08.2021 – L 6 AS 268/19 jeweils mwN; vgl. auch Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, § 80 Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Rn. 31a).

 

Die endgültigen Festsetzungen der Leistungen der Kläger für die hier streitbefangenen Bewilligungszeiträume des Jahres 2009 durch den Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage hierfür sind in materiell-rechtlicher Hinsicht §§ 7, 19 ff. SGB II. Hiernach hat der Beklagte – mit Ausnahme der (anfänglich) endgültig bewilligten Heizkosten im Juli 2009 iHv insgesamt 553,95 (kopfteilig 276,95 € - Bewilligungsbescheid vom 11.08.2009) – die Leistungen für Januar bis Juli 2009 zu Recht endgültig auf Null festgesetzt. Auch die Leistungen für August bis Dezember 2009 der Klägerin hätten auf 0 € festgesetzt werden müssen. Zugunsten der Klägerin hat der Beklagte jedoch in diesen Monaten unter Beachtung des im Vorverfahren grundsätzlich geltenden Verböserungsverbots an der (zunächst fehlerhaft) errechneten monatlichen Leistungshöhe von 31,76 € festgehalten.

 

Die Nullfestsetzungen waren für Januar bis Juli 2009 geboten, weil die Kläger im streitgegenständlichen Leistungszeitraum nicht hilfebedürftig iS der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II waren. Als Bedarf waren bei den Klägern im streitigen Zeitraum neben den Regelbedarfen grundsätzlich allenfalls Kosten der Heizung zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II als Bedarf scheidet nach den Feststellungen des Senats von vornherein aus. Die Kläger haben selbst eingeräumt, dass sie dem Sohn des Klägers – entgegen ihren wahrheitswidrigen Angaben im Antragsverfahren – keine Miete (also keine Kaltmiete und Nebenkosten) schuldeten. Anhaltspunkte für das Bestehen eines wirksamen Mietverhältnisses liegen auch im Übrigen nicht vor. Die von den Klägern noch dazu nach Ablauf der Präklusionsfrist unsubstantiiert behauptete Verrechnung der Darlehensverbindlichkeiten aus dem Anschaffungsdarlehen der Klägerin für den F.-straße 1a mit den Unterkunftsbedarfen ist bereits nicht nachvollziehbar. Insoweit liegen aber jedenfalls keine berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft vor. Zum einen ist für ein Darlehen der Klägerin für die Anschaffung  F.-Straße 1a nichts ersichtlich, zumal die Kläger durchgehend jegliches Vermögen verneint hatten. Die Kläger haben einen entsprechenden Darlehensvertrag mit nachvollziehbaren Angaben zur Höhe des Darlehens und Rückzahlungs- und sonstigen Modalitäten auch nicht vorgelegt. Zum anderen können nur Zinsbelastungen (unter engen Voraussetzungen auch Tilgungsleistungen) für die Anschaffung einer selbst bewohnten Immobilie als Unterkunftskosten berücksichtigt werden (vgl. BSG Urteil vom 07.07.2011 – B 14 AS 79/10 R). Die Klägerin war aber zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin F.-Straße 1a, sodass eine Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen als Unterkunftsbedarf hier ausscheidet. Ob die Kläger tatsächlich Aufwendungen für Heizgas hatten, kann der Senat offenlassen. Die im Dezember 2008 vorgelegte Heizkostenzahlungsaufstellung betraf die Mutter des Klägers, eine andere Rechnungsanschrift (E.-Straße 1, U.) und zudem das Leistungsjahr 2007. Zwar haben die Kläger im Juli 2009 eine Gasrechnung iHv 949,62 € für das Objekt F.-Straße 1 vorgelegt, jedoch insoweit nur „die Hälfte des Betrages“ (= 474,81) für die eigene Bedarfsgemeinschaft beansprucht, die von dem Beklagten – außerhalb der vorläufigen Bewilligung – mit (abschließenden) Bescheid vom 11.08.2009 gesondert erbracht wurde. Insoweit ist eine (weitere) endgültige Leistungsfestsetzung weder erforderlich noch möglich. Andere Unterkunfts- und Heizbedarfe wurden von den Klägern – trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderung unter Hinweis auf §§ 153 Abs. 1, 106a SGG – weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung dargelegt. Solche sind auch sonst für den streitigen Zeitraum nicht ersichtlich.

 

Mangels Mehrbedarfen nach § 21 SGB II erschöpfte sich der Bedarf der Kläger daher in den Regelbedarfen für Partner von monatlich je 316 € für Januar bis Juni 2009, je 323 € für Juli 2009 und für die Klägerin iHv monatlich 323 € für August bis Dezember 2009.

 

Die Kläger waren zur Überzeugung des Senats durchweg in der Lage diese Bedarfe (schon) aus den Einkünften des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit zu decken. Als Einkommen des Klägers im streitigen Zeitraum sind neben dessen Altersrente – ab August 2009 – insoweit die von Finanzamt und Finanzgericht – ohne Sicherheitszuschlag – ermittelten Gewinne von mindestens (22.214,38 Einnahmen – 11.301,19 € <unterstellter> Ausgaben =) 10.913,19 € in 2009 (vgl. Einspruchsentscheidung des zuständigen Finanzamtes vom 27.06.2019), die der anwaltlich vertretene Kläger beim Finanzgericht der Höhe nach unstreitig stellte (vgl. Sitzungsniederschrift vom 19.08.2020) und die vom Senat anhand der eingeholten Gewerbekontoauszüge nachvollzogen werden konnten (vgl. die Zuflüsse der S1. AG, Z. AG, T. GmbH und B. GmbH [Internetslogan: „Online Payment in Adult Entertainment“]), zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich gemäß § 3 Abs. 4 Alg II-V (mindestsens) ein monatsdurchschnittliches (unbereinigtes) Einkommen von (10.913,19 € : 12 =) 909,43 €. Hiervon ist ein Freibetrag gemäß § 30 SGB II in der hier geltenden Fassung vom 01.01.2009 (heute modifiziert in § 11b SGB II geregelt) von insgesamt (100 € + [700 x 0,2] + [109,43 € x 0,1] =) 250,94 € in Abzug zu bringen, sodass ein bereinigtes Erwerbseinkommen von 658,49 € verbleibt. Allein dieses Erwerbseinkommen reichte aus, um im streitgegenständlichen Zeitraum den maximalen Monatsbedarf von (2 x 323 € =) 646 € zu decken, sodass es auf die ab August 2009 ausgezahlte Rente des Klägers von 261,54 € nicht mehr ankam. Ebenso konnte offenbleiben, ob die Kläger – wie sie im zivilrechtlichen Verfahren geltend gemacht haben – über beträchtliches Vermögen verfügten, das bereits im Jahr 2009 hätte realisiert werden können. Selbiges gilt für die Frage, ob den Klägern im streitigen Zeitraum Mieteinnahmen aus den Liegenschaften F.-Straße zuflossen.

 

Soweit die Kläger auch im hiesigen Verfahren glauben machen wollen, die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit seien solche der zwischenzeitlich verstorbenen Mutter des Klägers, sieht der Senat diese Behauptung als durch das Ergebnis der Beweisaufnahme und die übrigen Feststellungen als widerlegt an. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass der Kläger (und nicht dessen zwischenzeitlich verstorbene Mutter) die vom Finanzamt ermittelten Gewinne aus dem Internetgewerbe in 2009 erzielt hat. Angesichts des Lebensalters – im Jahr 2009 war die Mutter des Klägers bereits 95 Jahre alt –  und der Pflegebedürftigkeit der Mutter des Klägers sowie der von den Zeugen geschilderten Gesamtumstände (Vorsorge- und Kontovollmacht, ausschließliche Kommunikation des Klägers mit dem Steuerberater und sonstigen Geschäftspartnern, Nutzung der Gewinne) ist der Senat – wie schon die zuvor befassten Straf- und Finanzgerichte – davon überzeugt, dass die Mutter des Klägers ggf. ohne ihr Wissen nur als Strohfrau fungierte und der faktische Geschäftsinhaber des Gewerbes der Kläger war. Es ist zwischen den Beteiligten letztlich unstreitig, dass der Kläger und sein Sohn ursprünglich eine Erotikinternetdienstleistungsfirma gegründet hatten, die nur zum Zwecke des steuerrechtlichen Progressionsvorteils aufgegliedert wurde, weil "dieses Gewerbe sich sehr positiv entwickelte und die Gewinne sprudelten" (so die Klageschrift der Kläger beim Finanzgericht vom 02.08.2019). Die mittlerweile verstorbene Mutter des Klägers wurde nur als "Strohfrau" zwischengeschaltet, weil der Kläger seine Ex-Frau nicht an seinen Gewinnen beteilige wollte, bereits insolvent war (wobei erst 2014 die insolvenzrechtliche Restschuldbefreiung erfolgte) sowie die Kläger Grundsicherungsleistungen bezogen. Die Geschäfte wurden sowohl verwaltungsseitig (so die Aussagen des Steuerberaters G. und des Zeugen D. R.) wie operativ von den Klägern geführt, die „vor und hinter der Kamera“ die Filmaufnahmen entwickelten und die Erotikinhalte ins Internet stellten. So war die Klägerin unstreitig selbst als Aktmodell für das Erotikdienstleistungsgewerbe tätig. Es erscheint dem Senat abwegig, dass die Klägerin Akt- und Erotikaufnahmen von sich kostenpflichtig ins Internet stellt, um damit das Gewerbe ihrer betagten und pflegebedürftigen Schwiegermutter zu betreiben, ohne hiervon zu profitieren. Dass die Kläger die Gewinne aus dem Unternehmen für sich reklamieren, wird auch daran deutlich, dass sie seit 2013 über alle Instanzen hinweg mehrere zivilgerichtliche Auseinandersetzungen gegen den Sohn des Klägers um die Liegenschaften F.-straße führten, in die die Gewinne aus dem Erotikgewerbe angabegemäß flossen, obwohl die Mutter des Klägers bereits 2016 verstorben war. Daraus geht eindrücklich die wahre Motivation des Klägers hervor, der selbst behauptet hat, dass die Gewinne aus dem Unternehmen gänzlich „in das Haus geflossen seien“. Damit räumt der Kläger selbst ein, dass er auf „eigene Rechnung“ gehandelt hat, denn seine Mutter hat bis Anfang 2008 gar nicht in der F.-Straße, sondern in einer eigenen Wohnung (E.-Straße 1, U.) gelebt. Erst zum Ende ihres Lebens hat der Kläger seine damals 94-jährige Mutter in der F.-Straße aufgenommen und dabei Zugriff auf ihre Rente und das Pflegegeld gehabt. Dass die Kläger wahrscheinlich seit mindestens den 2000er Jahren schwarz im Erotikgewerbe tätig sind, geht auch aus der schriftlichen Aussage des Zeugen L. vom 13.07.2020 hervor. Anders wären auch die im zivilgerichtlichen Verfahren eingeräumten, erheblichen Investitionen der Kläger in die F.-Straße nicht möglich gewesen.

Dass der Beklagte in seiner Bedarfsberechnung fälschlicherweise auch „einmalige Leistungen“ aufgeführt hat, bei denen es sich u.a. um 43,46 € handelt, die der Beklagte im Januar 2009 an die H. Energie & Wasser AG überwies, nachdem dieser Betrag zuvor von dem Energieträger als Fehlüberweisung zurückgebucht worden war, ist angesichts der weiteren – bereits bedarfsdeckenden – Einkünfte, unschädlich.

 

Der Senat verkennt nicht, dass in der Bedarfsrechnung auch eine „einmalige Leistung“ von 553,95 €, die der Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2009 als einmalige Heizbeihilfe (ohne Vorläufigkeitsvorbehalt) bewilligt hat, zu finden ist. Da diese Leistungen bereits endgültig bewilligt wurden, kommt insofern eine Festsetzung und Erstattung nach § 40 SGB II iVm § 328 SGB III nicht in Betracht. Der Beklagte hätte hier allenfalls nach §§ 40 SGB II, 331 SGB III, 45 SGB X vorgehen können, was aber nicht geschehen ist. Für eine bedarfsübersteigende Einkommensanrechnung war diese Einkommensposition aber – wie bereits dargelegt – nicht relevant.

 

Nach alledem ergab sich eine endgültige Leistungsfestsetzung wie folgt:

 

Januar bis Juli 2009                                               je 0 €

August bis Dezember 2009                                  monatlich 31,76 € für die Klägerin (Verböserungsverbot)

 

Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass selbst bei Annahme der Unaufklärbarkeit der Einkommens- und Vermögenssituation der Kläger von deren fehlender Hilfebedürftigkeit auszugehen wäre. Die Nichtaufklärbarkeit der Einkommens- und Vermögenssituation geht nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Beweislast, die grundsätzlich auch im Rahmen der Feststellungen zur Hilfebedürftigkeit im Rahmen des SGB II Anwendung finden, zu Lasten der Leistungsberechtigten. Ist dem Leistungsempfänger die Beweislast für eine Tatsache aufzuerlegen, ist er bei Unaufklärbarkeit so zu behandeln, als ob das entsprechende Tatbestandsmerkmal durchgehend nicht vorgelegen hat, ohne dass für eine Überprüfung noch Raum bleibt (BSG Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn – wie vorliegend – die Unaufklärbarkeit auf mangelnder Mitwirkung sowie allein den Klägern möglicher schlüssiger Darlegung der Einkommens- und Vermögenssituation beruht und zudem situativ und bezogen auf die rechtlichen Rahmenbedingungen in unterschiedlichen Rechtsgebieten angepasst vorgetragen wird.

 

Der Erstattungsanspruch besteht gemäß § 40 Abs. 2 SGB II aF iVm § 328 Abs. 3 Satz 2, 1. HS SGB III in Höhe der Differenz zwischen vorläufiger und endgültiger Bewilligung. Diese beträgt für den Kläger für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 (6 x 482,17 € =) 2.893,02 € sowie für Juli 2009 weitere 353,59 €, insgesamt mithin 3.246,61 €, und für die Klägerin für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 (6 x 482,17 € =) 2.893,02 €, für Juli 2009 weitere 353,59 € sowie für den Zeitraum August bis Dezember 2009 (5 x 477,91 € =) 2.389,55 €.  insgesamt mithin 5.636,16 €.

 

Lediglich diese Erstattungsansprüche sind nach der Teilrücknahme der Berufung durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31.03.2022 noch streitig. Der Beklagte hat – wie ebenfalls bereits ausgeführt – insoweit dem Umstand Rechnung getragen, dass er bei der Berechnung der Erstattung für Januar 2009 eine vorläufige Bewilligung von je 503,90 € (statt tatsächlich je 482,17 €) und für Juli 2009 eine vorläufige Bewilligung iHv je 766,14 € (statt tatsächlich je 353,59 €) unterstellte. Zudem konnten die im Januar 2009 fehlgebuchten 43,46 € und die im Juli endgültig bewilligten Heizkosten von 553,90 € nicht berücksichtigt werden. Schließlich verkannte der Beklagte, dass im Juli 2009 nur Leistungen für die Zeit vom 01.07. bis 22.07.2009 iHv 707,18 € (je Person 353,59 €) und nicht 978,34 € (je Person 489,17 €) vorläufig bewilligt und ausgezahlt worden waren.

 

Die noch streitigen Erstattungsansprüche sind der Höhe nach weder rechtlich noch rechnerisch zu beanstanden. Insbesondere steht § 40 Abs. 9 SGB II in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung (aF, zuvor inhaltsgleich in § 40 Abs. 2 bzw. § 40 Abs. 4 SGB II geregelt) der Geltendmachung durch den Beklagten nicht entgegen. Zwar bestimmte diese Vorschrift, dass abweichend von § 50 SGB X 56 % der Kosten für Unterkunft in bestimmten Konstellationen nicht zu erstatten sind, jedoch fehlt es hier schon an einer Erstattung nach § 50 SGB X. Auf die Erstattung nach § 328 Abs. 3 SGB III war § 50 Abs. 2 SGB II aF weder direkt noch entsprechend anwendbar (BSG Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 169/11 R). Überdies ist § 40 Abs. 9 SGB II aF auf Erstattungsansprüche, die – wie vorliegend – nach dem 01.01.2017 erlassen werden, nicht anwendbar (vgl. Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 40 Rn. 284 <Stand: 15.03.2022>).

 

Die Erstattungsansprüche des Beklagten sind auch nicht verjährt. Derartige Forderungen verjähren gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III und § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB I und § 50 Abs. 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die endgültige Bewilligung unanfechtbar geworden ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 04.04.2017 – L 2 AS 1921/16). Vor einer endgültigen Festsetzung kommt daher eine Verjährung von Erstattungsansprüchen nach § 328 Abs. 3 SGB III nicht in Betracht (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 06.06.2019 – L 4 AS 272/17; vgl. auch Schaumberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 328 SGB III <Stand: 21.01.2019>, Rn. 129).

 

Die insolvenzrechtliche Restschuldbefreiung des Klägers nach § 286 InsO steht der Erstattungsforderung ebenfalls nicht entgegen. Die Restschuldbefreiung bezieht sich (lediglich) auf die Schulden, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon begründet waren (§ 38 InsO) und noch nicht getilgt sind. Das Insolvenzverfahren des Klägers wurde bereits am 05.04.2007 eröffnet, sodass die Erstattungsforderungen aus 2009 keine Insolvenzforderungen nach § 38 InsO, sondern sog. „Neuforderungen“ sind, die an der Restschuldbefreiung nicht teilnehmen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 15.05.2013 – L 11 KA 147/11; SG München Urteil vom 25.02.2014 – S 33 EG 54/12).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Revisionszulassungsgründe iSv § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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