S 16 R 366/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 366/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
  1. Weder das Verfahrensrecht noch das materielle Recht der gesetzlichen Rentenversicherung sehen ein Wahlrecht der Versicherten bei der Bestimmung eines Sachverständigen durch den Rentenversicherungsträger vor.
  2. Der Untersuchungsgrundsatz aus § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X weist dem Rentenversicherungsträger die Aufgabe zu, einen geeigneten Sachverständigen zu bestimmen, wenn er die Einholung eines Gutachtens für erforderlich hält. Die Beauftragung eigener Beratungsärzte anstelle externer Sachverständiger begegnet dabei keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken. Besondere Gründe des Einzelfalls können der Auswahl eines Sachverständigen Grenzen setzen.
  3. Die Weigerung eines Rentenantragstellers, sich einer gutachterlichen Untersuchung bei den vom Rentenversicherungsträger bestimmten Sachverständigen (hier: angestellte Beratungsärzte) zu unterziehen, kann vorbehaltlich besonderer Gründe für die Unzumutbarkeit der konkreten Untersuchung nach § 65 Abs. 1 SGB I eine Versagung der beantragten Rente wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 Abs. 1 SGB I rechtfertigen.

 

 

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger wendet sich gegen einen Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung.

 

Der 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten rentenversichert. Am 23.03.2021 beantragte er durch seinen Bevollmächtigten „formlos“ die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Schreiben vom 25.03.2021 übersandte die Beklagte Antragsvordrucke und bat darum, diese ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15.04.2021 teilte der Kläger mit, dass die Mitwirkung bei Begutachtungen durch den Ärztlichen Dienst der Beklagten verweigert werde. Am 21.04.2021 reichte der Kläger den Formularantrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom 15.06.2021 teilte der Kläger mit, dass der Beklagten keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zugesandt werde. Auch werde es keine Begutachtung mit bei der Beklagten angestellten Ärzten geben.

 

Mit Schreiben vom 05.07.2021 bat die Beklagte unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie die Folgen einer Verletzung von Mitwirkungspflichten um die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht. Mit Schriftsatz vom 22.07.2021 seines Bevollmächtigten reichte der Kläger eine Schweigepflichtentbindungserklärung ein, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es untersagt sei, den bei der Beklagten angestellten Ärzten medizinische Unterlagen weiterzuleiten und ein Gutachten nach Aktenlage einzuholen. Es sei ein frei niedergelassener Arzt mit der Begutachtung zu beauftragen und zwar dann, wenn seitens des Klägers Einverständnis mit dem benannten Gutachter bestehe. Versagungsbescheide seien rechtswidrig und gingen ins Leere. Der Kläger reichte bei der Beklagten verschiedene ärztliche Unterlagen ein. Die Beklagte holte bei den behandelnden Ärzten Befundberichte ein.

 

Der Ärztliche Dienst der Beklagten gelangte nach Auswertung der Unterlagen am 04.10.2021 zu der Einschätzung, dass eine Begutachtung auf sozialmedizinischer Basis „im Hause“ erforderlich sei.

Mit Schreiben vom 04.10.2021 wies die Beklagte darauf hin, dass unter den vom Kläger gestellten Bedingungen eine Prüfung und Entscheidung über seinen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht möglich sei. Über die Arbeitsabläufe und die Zuweisung bestimmter Aufgaben an bestimmte Personen entscheide die Beklagte in eigener Verantwortung. Hierzu gehöre auch die Einbeziehung von Ärzten, die im Dienst der Beklagten stünden. Über den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung könne u.a. nur entschieden werden, wenn feststehe, in welchem Umfang noch eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden könne. Hierzu sei der medizinische Sachverhalt durch Anforderung von medizinischen Unterlagen bei den behandelnden Ärzten und, sofern erforderlich, durch eine Begutachtung aufzuklären. Zunächst sei die Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den Klägerbevollmächtigten verweigert worden. Erst nach nochmaliger Erläuterung habe dieser die Erklärung am 22.07.2021 übersandt. Sodann seien Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Prof. Dr. H und Dr. M angefordert worden. Allein anhand der eingegangenen Berichte lasse sich keine Entscheidung nach Aktenlage treffen, zumal der Rentenantrag mit Beschwerden auf mehreren Fachgebieten begründet worden sei. Notwendig sei eine Begutachtung. Dies solle beim Ärztlichen Dienst der Beklagten in Freiburg erfolgen. Ein Arztwahlrecht komme dem Kläger nicht zu. Die pauschale Ablehnung einer Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der Beklagten basiere weder auf einem persönlichen noch auf einem örtlichen Grund. Diese stelle sich als Verletzung der Mitwirkungspflicht dar. Die Beklagte forderte den Kläger auf, gemäß § 62 SGB I sich einer ärztlichen bzw. psychologischen Untersuchung durch den Ärztlichen Dienst der Beklagten zu unterziehen. Unter Hinweis auf die Folgen bei fehlender Mitwirkung kündigte die Beklagte an, die Leistung nach § 66 SGB I zu versagen, wenn der Kläger nicht innerhalb von 4 Wochen eine entsprechende Antwort gebe.

 

Der Kläger antwortete darauf nicht, sondern erhob am 25.10.2021 eine Untätigkeitsklage. Kurz darauf lehnte die Beklagte die Leistung mit Bescheid vom 12.11.2021 unter Verweis auf § 66 SGB I ab. Die Untätigkeitsklage wurde darauf rechtskräftig abgewiesen (SG Freiburg, Gerichtsbescheid vom 02.08.2022, Az. S 16 R 3213/21 und Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 29.11.2022, Az. L 11 R 2636/22). Der (vorliegend angefochtene) Versagungsbescheid vom 12.11.2021 sei eine Sachentscheidung im Sinne des § 88 SGG und mache die Untätigkeitsklage unzulässig.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2022 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 25.11.2021 gegen den Bescheid vom 12.11.2021 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie das Folgende aus:

 

Nach § 62 SGB I soll sich, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind. Die untersuchende Stelle bzw. den untersuchenden Arzt kann der Leistungsträger bestimmen. Der Anspruch auf freie Arztwahl durch den Versicherten gilt hier nicht, da es hierfür immer einer Spezialnorm im jeweiligen Sozialgesetzbuch bedürfe. So regele § 76 SGB V die freie Arztwahl Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung erweitere § 200 Abs. 2 SGB VII die Rechtstellung der Versicherten bei der Gutachterauswahl. Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung gebe es keine Norm, die einen Anspruch auf Auswahl eines bestimmten Gutachters begründe. § 20 Absatz 1 Satz 2 SGB X gebe der Behörde das Recht, Art und Umfang der Ermittlungen im Verwaltungsverfahren zu bestimmen, ohne an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein. Damit habe der Gesetzgeber hinreichend deutlich gemacht, dass er den Betroffenen einerseits von der Beibringungs- oder Darlegungslast befreien will, dass aber andererseits jegliche Festlegung der Art und Weise der Sachaufklärung durch den Betroffenen ausgeschlossen sein soll. Die Behörde sei grundsätzlich auch nicht gehalten, die Gründe für Art und Umfang der Ermittlungen darzulegen. Grenzen bei der Gutachterauswahl würden lediglich durch § 33 SGB I und § 65 Absatz 2 SGB I gesetzt. Danach seien bei der Ausgestaltung von Pflichten, also auch bei der Gutachterauswahl, die persönlichen und örtlichen Verhältnisse örtlichen Verhältnisse des Versicherten zu berücksichtigen. Nur wenn die persönlichen und örtlichen Verhältnisse eine besondere Gutachterauswahl erforderten, sollen dabei die Wünsche des Versicherten angemessen berücksichtigt werden. Die pauschale Ablehnung einer Begutachtung durch den ärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg basiere weder auf einem persönlichen noch auf einem örtlichen Grund. Als persönliche Gründe könnten z.B. Geschlecht, Religion oder sprachliche Fähigkeiten berücksichtigt werden. Gründe im Sinne von § 65 Absatz 2 SGB 1 seien auf die Anhörung hin nicht geltend gemacht worden. Ohne die Begutachtung könne nicht festgestellt werden, ob ein Anspruch auf die beantragte Rente bestehe. Da besondere Umstände weder ersichtlich seien noch geltend gemacht würden, sei auch im Rahmen des Ermessens keine andere Entscheidung als die Versagung nach § 66 Abs. 3 SGB I möglich. Im Übrigen sei das Ermessen auf Null reduziert, wenn eine erforderliche Begutachtung bei den vom Rentenversicherungsträger vorgeschlagenem Gutachter verweigert werde. Die beantragte Rente sei daher bis zur Nachholung der Mitwirkung zu versagen.

 

Am 09.02.2022 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben.

 

Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte vollständig ihren Ermessensspielraum verkenne. Wieder liege hier ein Versagungsbescheid vor und materiell-rechtlich sei man kein Stück weiter. Das sei Absicht der Beklagten. Man brauche sich im Einzelnen mit dem Vorbringen der Beklagten nicht ernsthaft auseinander zu setzen. Der Kläger habe nicht unzureichend mitgewirkt. Er habe sich zu einer Untersuchung bei einem freien Gutachter, wie es auch bei anderen Rentenversicherungsträgern üblich sei, bereit erklärt. Nur die Beklagte sei dazu nicht in der Lage. Dieses Spielchen würden wir nicht mehr mitspielen hier. Die Mitwirkungspflicht des Klägers finde in § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I dort ihre Grenze, wo der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller die erforderlichen Kenntnisse beschaffen könne. Vorliegend gehe es jedoch nicht um Kenntnisse, sondern um Erkenntnisse. Kenntnis habe die Beklagte bereits durch Einholung von Befundberichten. Es sei also völlig unklar, was die Beklagte hier noch wolle. Sie weigere sich lediglich, daraus Erkenntnisse zu ziehen, z.B. indem sie ein Gutachten nach Aktenlage von ihrem Beratungsarzt einhole. Nicht mitgewirkt habe hier nur einer und das sei die Beklagte. Es gehe in Wahrheit nicht mehr um Kenntnisse, sondern Erkenntnisse.

 

 

Der Kläger beantragt,

 

den Bescheid vom 12.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2022 aufzuheben und die Angelegenheit im Rahmen des § 131 Abs. 5 SGG an die Beklagte zurückzuverweisen.

 

Die Beklagte beantragt unter Verweis auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und Widerspruchsbescheids,

 

          die Klage abzuweisen.

 

Zuletzt hat der Kläger persönlich mit einem auf den „04.05.2022“ datierten Schreiben an die Beklagte, das dort am 08.05.2023 eingegangen ist, erklärt, dass das Mandat mit (…) geendet habe und hat darum gebeten, die Prüfung des Rentenantrags vom 23.03.2021 fortzusetzen.

 

Das Gericht, dem die Beklagte dieses Schreiben zur Kenntnis gegeben hat, hat darauf sowohl den Kläger persönlich als auch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 25.05.2023 angefragt, ob die Bevollmächtigung im vorliegenden Klageverfahren angesichts jenes Schreibens fortbestehe. Darauf hat bis zuletzt lediglich der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 06.06.2023 geantwortet und den Fortbestand seiner Bevollmächtigung (sinngemäß) bejaht.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil die Angelegenheit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten hierzu mit Schreiben vom 16.02.2022 und 20.06.2023 angehört wurden.

 

Die als reine Anfechtungsklage statthafte Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid vom 12.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2022 ist rechtmäßig und den Kläger nicht in seinen Rechten.

 

Das Gericht schließt sich nach eigener Prüfung den im Widerspruchsbescheid vom 26.01.2022 ausgeführten Gründen an, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 136 Abs. 3 SGG verwiesen wird.

 

Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen.

 

Die nach § 66 Abs. 3 SGB I erforderliche besondere schriftliche Anhörung und Fristsetzung sind mit Schreiben vom 04.10.2021 erfolgt.

 

Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids leidet nicht an gerichtlich überprüfbaren Ermessensfehlern. Widersprüchlich erscheint zwar, dass im Widerspruchsbescheid einerseits von einer Ermessensreduktion auf Null die Rede ist, während andererseits ausgeführt wird, dass die Versagungsentscheidung auf einer pflichtgemäßen Ermessenausübung beruht. Dies begegnet jedoch keinen durchgreifenden Bedenken. Ob im vorliegenden Fall ausreichende Gründe für die Annahme einer Ermessensreduktion auf Null und damit eine gebundene Entscheidung vorliegen, kann dahinstehen. Soweit der Widerspruchsbescheid auf Seite 4 eine solche Ermessensreduktion stets dann zu postulieren scheint, wenn ein „Rentenbewerber“ eine vom Rententräger für erforderlich gehaltene Begutachtung durch den vom Rententräger vorgeschlagenen Gutachter verweigert, wäre dem jedenfalls entgegen zu halten, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob es Gründe gibt, die z.B. lediglich vorübergehend oder die sachgerecht sein könnten (z.B. örtliche Unzumutbarkeit, Zweifel an der fachlichen Qualifikation, religiöse Gründe oder eine Besorgnis der Befangenheit). Eine Verweigerung als solche ist daher sicherlich nicht geeignet, stets eine Ermessensreduktion auf Null zu begründen. Hiervon ging allerdings – bei vollständiger Lektüre des Widerspruchsbescheids – auch die Beklagte nicht aus. Denn sie hat sich mit dem Fehlen solcher ggf. relevanten Gründe eingehend auseinandergesetzt und im Ansatz zutreffend dargestellt, dass die angewandte Rechtsgrundlage § 66 Abs. 1 SGB X eine pflichtgemäße Ermessensausübung erfordert. Ein gerichtlich überprüfbarer Ermessenausfall liegt daher nicht vor.

 

Soweit der Klägerbevollmächtigte seine Rechtsauffassung damit begründet, dass der Kläger bereits alles seinerseits Erforderliche dazu beigetragen habe, dass die Beklagte ihre Ermittlungen abschließen und eine materiell-rechtliche Entscheidung zur Sache treffen könne, verkennt er nicht nur, dass § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid zutreffend ausführt, der Beklagten und nicht dem Kläger die Entscheidung darüber zuweist, welcher Art und welchen Umfangs die Ermittlungen sein müssen, um dem Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu genügen. Dass die Beklagte hierbei die Auffassung vertritt, dass über eine Lektüre der zuletzt erfolgreich beigezogenen Befundberichte hinaus auch eine Begutachtung – und dies nicht lediglich nach Aktenlage, sondern auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung – erforderlich ist, überschreitet offensichtlich nicht den von § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X gesetzten Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen, sondern ist im Gegenteil eine übliche Standardmaßnahme. Die von der Beklagten zur Begutachtung vorgesehenen Ärzte sind auch nicht offensichtlich ungeeignet, um die notwendigen medizinischen Feststellungen zu treffen, auf deren Grundlage die Beklagte sodann ihre materiell-rechtliche Entscheidung würde treffen können. Zudem sind auch keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, die eine Ablehnung der von der Beklagten vorgesehenen Gutachter als befangen (§ 17 SGB X) rechtfertigen könnten. Auch örtliche oder sonstige persönliche Gründe sind nicht ersichtlich oder geltend gemacht. Das von der Beklagten vorgesehen Vorgehen ist daher frei von Willkür und als solches nicht zu beanstanden.

 

Soweit der Kläger zwischen Kenntnissen (die bei der Beklagten schon hinlänglich vorlägen) und Erkenntnissen (zu denen der Kläger keine rechtlich erforderliche Mitwirkungshandlung mehr erbringen müsse) zu differenzieren können meint, verkennt er den grundlegenden Unterschied zwischen den Aufgaben und Möglichkeiten eines behandelnden Arztes einerseits und denen eines gutachterlich tätigen Arztes andererseits. Behandelnde Ärzte verfolgen einen kurativen Ansatz. Im Zentrum ihrer Arbeit steht der Aufbau und die Aufrechterhaltung eines vertrauensvollen Arzt-Patientenverhältnisses. Gutachter müssen umgekehrt eine größtmögliche Distanz zum Probanden wahren, damit die erforderliche Objektivität gewährleistet und nachvollziehbar ist. Von Behandlern verfasste Befundberichte, Auskünfte und Zeugenaussagen können den Versicherungsträgern und Sozialgerichten zwar oftmals wertvolle und manchmal auch für eine Sachentscheidung ausreichende medizinische Tatsachen vermitteln. Regelmäßig ist für eine angemessene Auswertung solcher medizinischen Informationen jedoch zunächst eine sachverständige Auswertung erforderlich, wie etwa durch ein Gutachten nach Aktenlage. Der Gegenstand eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung geht über dieses Ziel insoweit noch deutlich hinaus, als nicht nur vorvorhandene Anknüpfungstatsachen auszuwerten sind, sondern im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung auch neue Informationen (Eigen- und ggf. Fremdanamnese, somatische Befunde, psychische Befunde, ggf. Laborbefunde, ggf. testpsychologische Untersuchungen, ggf. Bildgebungen, sowie die äußeren Umstände der Begutachtung) erhoben, festgehalten, ausgewertet und mitgeteilt werden. Die vom Klägerbevollmächtigten vertretene Differenzierung überzeugt daher in keiner Weise.

 

Unschlüssig ist schließlich das Vorbringen des Klägers, dass die Beklagte sich die aus ihrer Sicht noch fehlenden Erkenntnisse aus einer Begutachtung nach Aktenlage durch Ärzte ihrer Wahl einschließlich der bei ihr beschäftigten Ärzte verschaffen könnte. Denn der Kläger hat einer Weiterleitung und erst recht einer Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte an bzw. durch die bei der Beklagten angestellten Ärzte ausdrücklich widersprochen (Schreiben vom 22.07.2021).

 

Für die zusätzlich beantragte Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG ist bei der Anfechtung eines Versagungsbescheids nach § 66 SGB I bereits grundsätzlich kein Raum und vorliegend wegen der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids auch keine Veranlassung.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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