S 10 AS 1435/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 1435/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 697/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 68/23 BH
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 


T a t b e s t a n d:

Streitig ist die Höhe der Gewährung von Leistungen für die Verpflegung bzw. Entschädigung von privaten Umzugshelfern nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger erhält seit dem Jahre 2008 laufend Hilfe
zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)
durch das Landratsamt N.

Bereits in zahlreichen vorangegangenen Verfahren wurde festgestellt -
zuletzt am 23.07.2015 für den Zeitraum vom 01.03.2011 - 31.08.2014 durch
das Bayerische Landessozialgericht L 11 AS 713/14 -, dass der Kläger keinen
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, da er aufgrund einer
psychischen Störung nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II ist.

Am 11.09.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 19.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2015 wurde der Antrag abgewiesen.

Hierzu ist eine Klage beim Sozialgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen S 10 AS 652/15 anhängig.


Mit Antrag vom 17.02.2017 beantragte der Kläger wiederum beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 28.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2017 abgelehnt, wogegen eine Klage beim Sozialgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen S 10 AS 1065/17 anhängig ist.


Bereits am 13.02.2017 beantragte der Kläger für einen Umzug in eine neue Wohnung in X. unter anderem die Erstattung der Kosten für 3 private Helfer für die Umzugsarbeiten.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.07.2017 übernahm der Beklagte
die Kosten für die Verköstigung der drei Helfer in Höhe von 121,75€.

Hierbei wurden entsprechend den Angaben des Klägers davon ausgegangen, dass die Helfer wie folgt im Einsatz waren:
- 4 Tage > 2 Personen mit je 5 Stunden = 38,96€
- 3 Tage > 3 Personen mit je 6 Stunden = 43,83€
- 2 Tage > 4 Personen mit je 6 Stunden = 38,96€

Eine Kostenübernahme für die Bezahlung der Arbeitsstunden der Helfer von insgesamt 150 Stunden sei jedoch nicht möglich.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 15.08.2017 Widerspruch eingelegt. Er fordere für jeden Helfer die Kosten für eine Entlohnung von 8,50€ pro geleistete Stunde entsprechend dem Mindestlohn.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2017 zurückgewiesen.
 
Dagegen wurde am 20.12.2017 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2017 abzuändern und dem Kläger die Umzugshelferpauschale in beantragter Höhe zu gewähren.


Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

 

Zur Klärung der Frage, ob der Kläger erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und damit leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, hat das Gericht im Verfahren S 10 AS 652/15 ein Gutachten eingeholt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, sowie auf die beigezogene Akte im Verfahren S 10 AS 652/15 und das Gutachten von Dr. O. vom 05.11.2020 verwiesen.

Dieser führt in seinem Gutachten aus, sich beim Kläger eher mäßige
Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates fänden. Aus den vorliegenden
ärztlichen Unterlagen ergäben sich hinsichtlich der psychischen
Leistungsfähigkeit keine wesentlichen Änderungen für die Zeit ab dem
01.09.2014. Der Kläger sei 11 Monate in fachpsychiatrischer Behandlung nach
der Versichertenauskunft wegen einer Erkrankung aus dem Bereich der
Affektiven Störungen bzw. der Neurotischen, Belastungs- und somatoformen
Störungen gewesen. Aus den beigezogenen Unterlagen werde erkennbar, das
beim Kläger als primäre relevante Gesundheitsstörung weiterhin eine deutliche
psychische Beeinträchtigung und Minderbelastbarkeit bestehe. Der Kläger sei
auch weiterhin, insbesondere ab dem 01.09.2014 wegen dieser
Gesundheitsstörung auf absehbare Zeit außerstande unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich
erwerbsfähig zu sein. Gegenüber dem vom gerichtlichen Sachverständigen im
Verfahren S 13 AS 150/09 am 23.06.2010 erstellten Gutachten vom 23.06.2010,
in welchem festgestellt wurde, dass der Kläger auf absehbare Zeit außerstande
sei unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens
3 Stunden täglich erwerbsfähig zu sein, ist keine Verbesserung im
Gesundheitszustand des Klägers ab dem 01.09.2014 eingetreten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Nachdem der vorliegende Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Beteiligten wurden dazu gehört.

Der mit Schreiben vom 09.11.2020 beantragten Fristverlängerung zur Abgabe
einer Stellungnahme wegen einer beabsichtigten Beauftragung eines
Rechtsanwaltes war nicht nachzukommen. Der Kläger hatte mit dem vorliegenden Rechtstreit bereits zwei Rechtsanwälte befasst, die jeweils das Mandat niederlegten bzw. denen der Kläger das Mandat entzogen hat. Daher wurde der Kläger vom Gericht mit Schreiben vom 7.03.2019 aufgefordert, einen neuen - nunmehr dritten - Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten zu benennen. Der Kläger hatte mithin über ein Jahr Zeit sich einen Prozessbevollmächtigten zu suchen. Eine weitere Verzögerung des bereits seit 2017 anhängigen und nunmehr entscheidungsreifen Rechtsstreits ist damit nicht mehr vertretbar.

Die zulässige Klage ist unbegründet; sie war daher abzuweisen.

Dem Kläger stehen keine weiteren als die vom Beklagten erbrachten Leistungen in Höhe von 121,75€ für die Verköstigung der drei Umzugshelfer zu.

Der Bescheid vom 17.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2017 ist hinsichtlich der Ablehnung der Bezahlung von 150 Arbeitsstunden der Helfer in Höhe des Mindestlohn von 8,50€ pro Stunde nicht zu beanstanden.

Der Kläger ist nicht leistungsberechtigt nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Voraussetzung hierfür ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, dass der Kläger erwerbsfähig ist.

Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein.
Nach dem überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachten von Dr.  O. vom 05.11.2020 im Verfahren S 10 AS 652/15 ist der Kläger seit September 2014 nicht mehr in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Dieser Zustand besteht auf unabsehbare Zeit.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II für die streitgegenständliche Zeit ab Februar 2017 nicht vor.


Darüberhinaus war auch der Beigeladene nicht zur Übernahme der begehrten "Lohnkosten" für private Umzugshelfer nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu verurteilen.

Gemäß § 42a i.V.m. 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII können vom Beigeladenen grundsätzlich Umzugskosten übernommen werden. Gleichwohl sieht auch das SGB XII für den Kläger keine Gewährung von Umzugshelferkosten für die von den Helfern geleisteten 150 Arbeitsstunden mit einem Mindestlohn von 8,50€ pro Stunde vor.
Dazu ist festzustellen, dass der Kläger im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems gehalten ist, einen Umzug grundsätzlich selbst zu organisieren und durchzuführen.

Als notwendige Umzugskosten können daher insbesondere die Aufwendungen für einen erforderlichen Mietwagen, die Anmietung von Umzugskartons, die Kosten für Verpackungsmaterial und Sperrmüllentsorgung und die üblichen Kosten für die Versorgung mithelfender Familienangehöriger und Bekannter zu übernehmen sein.

Lediglich dann, wenn der Leistungsberechtigte den Umzug etwa wegen Alters, Behinderung, körperlicher Konstitution oder wegen der Betreuung von Kleinstkindern nicht selbst vornehmen oder durchführen kann, kann auch die Übernahme der Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug in angemessener Höhe angezeigt sein.

Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kläger der Durchführung seines Umzuges durch ein gewerbliches Unternehmen bedurft hätte. Somit hatte er seinen Umzug - wie auch geschehen - selbst privat zu organisieren.

Bei einem privat durchgeführten Umzug können jedoch für die herangezogenen Helfer lediglich die Kosten für deren Verköstigung in Ansatz gebracht werden. Es handelt sich dabei nicht etwa um die im Rahmen einer vertraglichen Verpflichtung zu erbringenden wirtschaftliche Gegenleistung für geleistete Arbeit, sondern eher um eine Art Anerkennung für die erbrachten Dienste in Form einer Verköstigung, wie sie unter Freunden und Bekannten üblich ist. Auch diese werden für ihre Unterstützung grundsätzlich nicht entlohnt (so auch BayLSG, Beschluss vom 21.12.2009 - L 11 AS 705/09 NZB; BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R).
So ist es auch in Kreisen mit mittleren und höheren Einkommensverhältnissen üblich, mit Hilfe von Freunden und Bekannten umzuziehen ohne dass diese dafür eine Bezahlung erwarten.

Der Beigeladene ist daher nicht zu verurteilen eine Entschädigung für angeblich 150 Stunden geleistete Arbeitstätigkeit für drei Helfer in Höhe von 8,50€ zu übernehmen.


Mithin war zu entscheiden, wie geschehen und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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