L 7 R 552/22 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 22 R 591/18 ZV zuvor S 24 R 591/18 ZV zuvor S 33 R 591/18 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 552/22 ZV
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 9/23 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Nach Ausschöpfung aller im konkreten Einzelfall gebotenen Ermittlungen kommt in Konstellationen der Glaubhaftmachung des Zuflusses von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes des einzelnen Beschäftigten in Betracht. Dies gilt nur für die Zeit von Juli 1968 bis Dezember 1982 und damit für die Planjahre von 1968 bis 1982.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes

 

  1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. November 2022 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Feststellungs- und Teilablehnungsbescheid vom 17. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1976 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Jahr:             

1976

159,72 Mark

1977

154,26 Mark

1978

161,62 Mark

1979

164,17 Mark

1980

166,67 Mark

1981

166,67 Mark

1982

147,22 Mark

1983

160,99 Mark

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu einem Viertel.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines von der Beklagten dem Grunde nach bereits eröffneten Überprüfungsverfahrens und im Berufungsverfahren nur noch – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1976 bis 1990 (Zuflussjahre) in Form von Jahresendprämien festzustellen.

 

Der 1952 geborene Kläger ist, nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1970 bis August 1974 absolvierten Hochschulstudiums in der Fachstudienrichtung "Sozialistische Betriebswirtschaft / Bauindustrie" an der Technischen Universität (TU) B...., seit 15. Mai 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieurökonom" zu führen. Mit Urkunde der TU B.... vom 4. Oktober 1974 wurde ihm der akademische Grad "Diplomingenieurökonom" verliehen. Er war vom 16. September 1974 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Ökonom für Plan- und Wirtschaftskontrolle sowie Leiter für Ökonomie im volkseigenen Betrieb (VEB) Bau- und Montagekombinat (BMK) Kohle und Energie Kombinatsbetrieb Industriebau A.... beschäftigt. Er erhielt zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) keine Versorgungszusage und war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Den am 21. April 2005 vom Kläger gestellten Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 25. April 2005 mit der Begründung ab, eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft sei nicht entstanden, weil der Kläger als Leiter für Ökonomie nicht im unmittelbaren Produktionsprozess eingegliedert gewesen sei. Den hiergegen vom Kläger am 17. Mai 2005 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit (bestandskräftig gewordenem) Widerspruchsbescheid vom 3. August 2005 als unbegründet zurück.

 

Am 2. Oktober 2017 (Eingang bei der Beklagten am 4. Oktober 2017) beantragte der Kläger erneut die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften, begehrte die Feststellung fingierter Zusatzversorgungsanwartschaften sowie entsprechender Entgelte, inklusive der Feststellung von Jahresendprämien sowie einer zusätzlichen Einmalzahlung in Höhe von 1.150,00 Mark im Jahr 1983. Seinen Antragsunterlagen fügte er insbesondere seine Arbeits- und Änderungsverträge, seinen Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung, weitere arbeitsvertragliche Unterlagen, eine Erklärung zu den gewährten Jahresendprämien (inklusive einer Liste mit Zeugennamen) sowie eine selbst gefertigte abstrakte Verdienstübersicht mit Vertragsunterlagen bei.

 

Die Beklagte wertete und behandelte den erneuten Überführungsantrag als Überprüfungsantrag und errechnete – mangels Vorliegens einer Entgeltbescheinigung – aus den vom Kläger vorgelegten arbeitsvertraglichen Unterlagen fiktive Arbeitsentgelte.

 

Mit Bescheid vom 17. Januar 2018 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 16. September 1974 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen jeweils erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der fiktiven Berechnung aus den arbeitsvertraglichen Unterlagen des Klägers, fest. Die Feststellung der begehrten Jahresendprämien sowie der Einmalzahlung in Höhe von 1.150,00 Mark im Jahr 1983 lehnte sie hingegen mit der Begründung ab, der Zufluss der begehrten Entgelte sei nicht nachgewiesen worden. Den bisherigen Bescheid (vom 25. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2005) hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2018 (Eingang bei der Beklagten am 5. Februar 2018) Widerspruch ein, begehrte weiterhin die Anerkennung von Jahresendprämien sowie der Einmalzahlung im Jahr 1983 wegen einer Sondervertretung und legte schriftliche Erklärungen der Zeugen Y.... vom 17. Januar 2018 und X.... vom 2. Februar 2018 in Bezug auf die begehrte Sondervergütung für das Jahr 1983 sowie eine eigene, nachträglich erstellte, Übersicht zu seinen Jahresendprämien vor.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form der Vertretungsvergütung für das Jahr 1983 sowie in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen. Allgemeine Zeugenerklärungen seien nicht ausreichend.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 20. April 2018 Klage zum Sozialgericht Dresden (im Verfahren S 33 R 591/18 ZV, später: S 24 R 591/18 ZV) und begehrte die Berücksichtigung von Jahresendprämien für den Zeitraum vom 16. September 1974 bis 30. Juni 1990, später nur noch für den Zeitraum von Februar 1975 bis Juni 1990, der Einmalzahlung in Höhe von 1.150,00 Mark für das Jahr 1983 wegen einer Sondervertretung sowie – erstmals – von Vergütungen für eine Dozententätigkeit in Höhe von 456,00 Mark im Jahr 1977 und in Höhe von 684,00 Mark im Jahr 1978. Zur Glaubhaftmachung legte er – im Laufe des Verfahrens – seine (bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegte) eigene, nachträglich erstellte, Übersicht zu seinen Jahresendprämien sowie schriftliche Erklärungen der Zeugen Y.... vom 12. August 2021, W.... vom 14. August 2021, V.... vom 19. August 2021 (jeweils zu Jahresendprämien), U.... vom 19. Mai 2022, T.... vom 21. Mai 2022, S.... vom 8. Juli 2022 und R.... vom 11. Juli 2022 (jeweils zu den Dozentenhonoraren) vor.

 

Das Sozialgericht Dresden hat die Klage – nach Einholung von schriftlichen Zeugenauskünften von Q.... vom 30. Juni 2021 und von P.... vom 9. Juli 2021 (jeweils zu Jahresendprämien) – mit Gerichtsbescheid vom 15. November 2022 (im Verfahren S 22 R 591/18 ZV) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dozentenhonorare und Jahresendprämien seien kein zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt, da es sich zu DDR-Zeiten um steuerfreie Lohnbestandteile gehandelt habe. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde nicht gefolgt.

 

Gegen den am 18. November 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Dezember 2022 Berufung eingelegt, mit der er nur noch sein Begehren nach Feststellung von Jahresendprämien für die Jahre 1976 bis 1990 (Zuflussjahre) in einer jeweils konkret bezifferten Höhe weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor: Er habe, unter Auswertung seiner persönlichen Gehaltsentwicklung, eine Aufstellung erarbeitet und eine entsprechende Berechnung seiner Jahresendprämien vorgenommen, da die Jahresendprämien ein 13. Monatsgehalt dargestellt hätten. Das Sozialgericht sei auf diese Aufstellung, die er bereits im Jahr 2018 bei der Beklagten vorgelegt habe, nicht eingegangen.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. November 2022 sowie den Feststellungs- und Teilablehnungsbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 abzuändern und Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1976 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten, wie folgt, festzustellen:

im Jahr 1976:

800,00 Mark

im Jahr 1977:

870,00 Mark

im Jahr 1978:

900,00 Mark

im Jahr 1979:

1.140,00 Mark

im Jahr 1980:

1.070,00 Mark

im Jahr 1981:

1.230,00 Mark

im Jahr 1982:

1.230,00 Mark

im Jahr 1983:

1.230,00 Mark

im Jahr 1984:

1.230,00 Mark

im Jahr 1985:

1.230,00 Mark

im Jahr 1986:

1.230,00 Mark

im Jahr 1987:

1.230,00 Mark

im Jahr 1988:

1.400,00 Mark

im Jahr 1989:

1.430,00 Mark

im Jahr 1990:

1.710,00 Mark

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und führt ergänzend aus: Die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Dresden sei im Ergebnis (Tenor) richtig. Die Begründung, mit der die Vorinstanz allerdings zu ihrem Urteil gekommen sei, stehe in Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Sie werde von der Beklagten nicht mitgetragen. Aber auch dann, wenn man den Sachverhalt nach Maßgabe der BSG-Rechtsprechung bewerte, sei der Anspruch des Klägers aus den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Erwägungen abzulehnen. Dem insoweit beweisbelasteten Kläger sei es nicht gelungen, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass ihm in jedem einzelnen Kalenderjahr des Anspruchszeitraums überhaupt Jahresendprämien zugeflossen seien und wie hoch die Zahlbeträge tatsächlich gewesen seien. Entgegen der – wohl wissend unrichtigen – Behauptung der Klägerseite sei die Jahresendprämie in der DDR kein 13. Gehalt gewesen. In der DDR konnten die Werktätigen nur unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitsentgelts erhalten. Sie seien im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft gewesen und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Die Jahresendprämie sei ferner nicht pauschal nach 100 Prozent eines monatlichen Bruttodurchschnittsgehalts bemessen worden, sondern ihre Höhe sei von der Erfüllung individuell vereinbarter Arbeitsziele und vom Betriebsergebnis (Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben) abhängig gewesen.

 

Das Gericht hat arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger beigezogen.

 

Mit Schriftsätzen vom 17. Mai 2023 (Beklagte) sowie vom 22. Mai 2023 (Kläger) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, ihm in den Jahren 1976 bis 1983 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 17. Januar 2018 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Unbegründet hingegen ist die Berufung des Klägers soweit er höhere Jahresendprämien, als tenoriert, für die Zuflussjahre 1976 bis 1983 sowie Jahresendprämien auch für die Zuflussjahre 1984 bis 1990 begehrt.

 

Streitgegenständlich im Berufungsverfahren ist, ausweislich des konkreten Berufungsantrages und der konkreten Berufungsbegründung im Schriftsatz der Kläger-Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2023, lediglich die Feststellung von weiteren Arbeitsentgelten in Form von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1976 bis 1990. Weitere konkrete Anträge wurden nicht gestellt. Die weiteren – im Verwaltungs- und Klageverfahren noch verfolgten – Begehren wurden vom Kläger im Berufungsverfahren nicht aufrechterhalten, sodass dahinstehen kann, ob und inwieweit

  • das – bereits im Verwaltungsverfahren verfolgte – Begehren des Klägers nach Feststellung von weiterem Arbeitsentgelt in Form einer Einmalzahlung in Höhe von 1.150,00 Mark im Jahr 1983 wegen einer vom Kläger durchgeführten Sondervertretung vom Kläger im Klageverfahren bis zuletzt aufrechterhalten wurde oder vom Sozialgericht Dresden vergessen wurde zu bescheiden,
  • das – erstmals im Klageverfahren verfolgte – Begehren des Klägers nach Feststellung von weiterem Arbeitsentgelt in Form von Vergütungen für eine Dozententätigkeit in Höhe von 456,00 Mark im Jahr 1977 und in Höhe von 684,00 Mark im Jahr 1978 überhaupt streitgegenständlich gestellt werden konnte, nachdem die Beklagte hierüber noch gar keine (gerichtlich anfechtbare) Entscheidung getroffen hatte.

 

Der Feststellungs- und Teilablehnungsbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 (§ 95 SGG) ist (teilweise) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Deshalb waren der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. November 2022 sowie der Feststellungs- und Teilablehnungsbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1976 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe, wie tenoriert, festzustellen sind. Soweit der Kläger höhere, als die tenorierten, Entgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien sowie Jahresendprämien auch für die Zuflussjahre 1984 bis 1990 begehrt, war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 17. Januar 2018 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht teilweise nicht berücksichtigt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein „Anspruch“ auf Jahresendprämie, wenn

  • die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, 
  • der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und 
  • der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden, ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

 

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch für die Zuflussjahre 1976 bis 1990, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er zwar ebenfalls nicht nachgewiesen, zum Teil allerdings, und zwar für die Zuflussjahre 1976 bis 1983, in einer Mindesthöhe glaubhaft machen können; eine Schätzung – wie vom Kläger sinngemäß begehrt – hingegen ist nicht möglich (dazu nachfolgend unter 2.).

 

1.

Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch für die begehrten Zuflussjahre 1976 bis 1990, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

 

a)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte.

 

Die vom Kläger wiederholt vorgelegte Aufstellung, die er, unter Auswertung seiner persönlichen Gehaltsentwicklung, "erarbeitet" und mit der er eine entsprechende Berechnung seiner Jahresendprämien vorgenommen habe, stellt keinen Nachweis des Bezugs (und erst recht nicht der konkreten Höhe) seiner Jahresendprämien dar. Denn sie beruht weder auf tatsächlichen Bezugs- oder Gewährungsnachweisen, noch dokumentiert sie einen tatsächlichen, kontinuierlich, während der damaligen Bezugszeiten angefertigten Vorgang aus der historischen Vergangenheit, quasi in Form einer Aufschreibung wie in einem Haushaltsbuch.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB BMK Kohle und Energie Kombinatsbetrieb Industriebau A.... liegen auch nicht mehr vor, wie sich den Erklärungen des Klägers, insbesondere in seinem Schreiben vom 25. November 2017, entnehmen lässt.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV).

 

b)

Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall für die begehrten Zuflussjahre 1976 bis 1990, glaubhaft gemacht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie für die begehrten Zuflussjahre 1976 bis 1990, vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

 

aa)

Der Kläger war in den Jahren 1975 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB BMK Kohle und Energie Kombinatsbetrieb Industriebau A.... (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus den vorgelegten Arbeits- und Änderungsverträgen vom 5. September 1973, vom 16. September 1974 (Einstellungsmeldung), vom 16. Oktober 1974, vom 21. Juni 1976, vom 20. Mai 1977, vom 11. Mai 1978, vom 7. Dezember 1979, vom 10. Juni 1980, vom 1. August 1980, vom 1. Juni 1981, vom 3. Juni 1988, vom 24. August 1988, vom 1. November 1988 und vom 27. April 1990 sowie aus den Eintragungen in seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung ergibt.

 

bb)

Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet wurden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

 

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, „Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?“, rv [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

 

cc)

Ausgehend von den Auskünften der Zeugen Q...., Y...., W.... und V.... sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).

 

Zunächst ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich der schriftlichen Zeugenerklärung von P.... vom 9. Juli 2021 keinerlei Glaubhaftmachungswert im Hinblick auf den Zufluss von Jahresendprämien an den Kläger dem Grunde nach entnehmen lässt. Denn dieser führte aus, dass ihm nicht bekannt sei, ob an den Kläger Jahresendprämien ausgezahlt wurden.

 

Der Zeuge Q...., der den Kläger aus der jahrzehntelangen Zusammenarbeit im VEB BMK Kohle und Energie Kombinatsbetrieb Industriebau A.... in verschiedenen Funktionen kannte, gab in seiner schriftlichen Auskunft vom 30. Juni 2021 hingegen an, dass der VEB BMK Kohle und Energie Kombinatsbetrieb Industriebau A.... jährlich Jahresendprämien an den Kläger auszahlte. Die Auszahlung erfolgte in bar, jeweils im Februar bzw. März des Folgejahres für das entsprechende Planjahr und gegen Übergabe von Dankesschreiben bzw. Dankesurkunden; zwei solcher Dankesurkunden über die an den Zeugen ausgereichten Jahresendprämien vom 25. Februar 1969 und vom 22. Februar 1990 fügte der Zeuge anbei. Eine unterbliebene Auszahlung an den Kläger wäre ihm bekannt geworden, da diese Fälle auf schwerwiegenden Gründen, wie Verbrechen, basierten. Kürzungen gegenüber dem Kläger sind dem Zeugen ebenfalls nicht bekannt. Als ökonomischer Leiter des Produktionsbereichs Spezialproduktion war der Kläger persönlich für die Auszahlung der Jahresendprämien an die 150 bis 200 Beschäftigten des Produktionsbereichs verantwortlich und erhielt daher auch selbst die Jahresendprämien. Die Jahresendprämien wurden vom Betrieb in jedem Jahr in der Höhe eines für alle Beschäftigten einheitlichen Prozentsatzes vom Bruttomonatsverdienst gezahlt. Dieser Prozentsatz wurde von der Betriebsleitung je nach der finanziellen Lage des Betriebes ermittelt und von der Lohnbuchhaltung je Beschäftigten errechnet.

 

Der Zeuge Y...., der den Kläger seit 1977 aus der betrieblichen Zusammenarbeit kannte, gab in seiner schriftlichen Erklärung vom 12. August 2021 an, dass der Kläger immer die jährlichen Jahresendprämien vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Die Jahresendprämien für das Vorjahr wurden im Februar des Folgejahres gezahlt. Das Lohnbüro errechnete den Betrag je Mitarbeiter auf Basis des Lohnes und eines betriebseinheitlichen Prozentsatzes. Der Betrag wurde in bar mit einer Urkunde der Gewerkschaft ausgezahlt. Eine Nichtauszahlung der Jahresendprämien an den Kläger fand nicht statt, weil die Verweigerung oder Minderung an sehr hohe Kriterien gebunden war. Gründe der Minderung waren Kriminalität, Diebstahl oder unentschuldigtes Fehlen. So etwas hätte aber sofort die Entfernung des Klägers aus seiner Funktion als Leiter zur Folge gehabt. Eine Minderung wäre ebenfalls bekannt geworden, da der Zeuge in der Bauleitung tätig war. Der Kläger selbst nahm mit einer Mitarbeiterin der Ökonomie in der Zentralkasse des Betriebes den Gesamtbetrag der Jahresendprämien in Empfang, brachte ihn in die Kasse der Oberbereichsleitung und fuhr anschließend das Geld vorgetütet mit den Urkunden auf die Baustellen der Tiefbauabteilung.

 

Die Zeugin W...., die den Kläger seit 1976 aus der unmittelbaren betrieblichen Zusammenarbeit in der Abteilung Ökonomie des Betriebes kannte, gab in ihrer schriftlichen Erklärung vom 14. August 2021 ebenfalls an, dass der Kläger stets die jährlichen Jahresendprämien vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Die Jahresendprämien wurden für das Vorjahr immer im Februar des Folgejahres ausgezahlt. Das Lohnbüro errechnete den Betrag je Mitarbeiter auf Basis des Lohnes und eines betriebseinheitlichen Prozentsatzes. Der Betrag wurde in bar mit einer Urkunde der Gewerkschaft ausgezahlt. Die Erarbeitung der Prämiensummen erfolgte im Bereich der Hauptbuchhaltung im Lohnbüro. Kürzungen oder der Ausschluss von Jahresendprämienzahlungen waren stets an hohe Kriterien geknüpft, wie Kriminalvergehen, Diebstahl, mehrere Fehltage oder andere schwere Vergehen. Schon eines dieser Vergehen hätte für den Kläger die sofortige Entlassung als Leiter für Ökonomie zu Folge gehabt. Eine Minderung gegenüber dem Kläger wäre ganz sicher bekannt geworden, da das Lohnbüro zum Hauptbuchhalterbereich gehörte, in dem die Zeugin tätig war. Derartige Vorfälle gab es beim Kläger nicht.

 

Die Zeugin V...., die den Kläger seit 1984 aus der betrieblichen Zusammenarbeit kannte, gab in ihrer schriftlichen Erklärung vom 19. August 2021 ebenfalls an, dass der Kläger stets die jährlichen Jahresendprämien vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Die Jahresendprämien wurden für das Vorjahr immer im Februar des Folgejahres ausgezahlt. Im Lohnbüro wurde der Betrag je Mitarbeiter auf Basis der Lohngruppen und eines betriebseinheitlichen Prozentsatzes für den gesamten Betrieb errechnet. Der Betrag wurde in bar mit einer Urkunde ausgezahlt. Minderungen, Kürzungen oder gar der Ausschluss von Jahresendprämienzahlungen waren an hohe Bedingungen geknüpft. Bei Haftstrafen, Diebstahl, mehreren Fehltagen oder schweren Vergehen konnte die volle Auszahlung verweigert oder vermindert werden. Schon eines dieser Vergehen hätte für den Kläger die sofortige Entlassung als Leiter für Ökonomie zu Folge gehabt. So etwas wäre nicht nur in der Bereichsleitung, sondern im gesamten Betrieb bekannt geworden. Derartige Vorfälle gab es beim Kläger nicht.

 

Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie in den Zuflussjahren 1976 bis 1990 zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben der Zeugen Q...., Y...., W.... und V.... sind vor dem Hintergrund der beigezogenen arbeitsvertraglichen Unterlagen plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte:

 

Den Arbeitsänderungsverträgen ist zu entnehmen, dass der Kläger kontinuierliche Gehaltssteigerungen wegen seiner guten betrieblichen Arbeitsleistungen erreichte. Wiederholt wurden dem Kläger vom Betrieb Lohnerhöhungen in Anerkennung seiner guten Leistungen gewährt und in den Änderungsvereinbarungen ausgeführt, dass die Lohnerhöhungen entsprechend der bisherigen Entwicklung des Klägers vollzogen wurden.

 

In der Niederschrift vom 7. September 1977 über ein mit dem Kläger geführtes betriebliches Kadergespräch wird ausgeführt, dass sich der Kläger gut in sein Aufgabengebiet einarbeitete und als Nachwuchskader vorgesehen wurde. Der Betrieb schloss in der Folge dieses Kadergesprächs mit dem Kläger am 15. September 1977 einen Förderungsvertrag ab, mit dem seine Entwicklung bis 1980 zum Leiter für Ökonomie eines Produktionsbereiches festgelegt worden war.

 

In der Niederschrift vom 28. Juli 1978 über ein mit dem Kläger geführtes betriebliches Kadergespräch wird unter anderem ausgeführt, dass der Kläger

  • den betrieblichen Anforderungen gerecht wurde,
  • sich für die Durchsetzung von gesetzlichen Bestimmungen und betrieblichen Weisungen aktiv einsetzte,
  • anerkennenswerte Initiativen an den Tag legte, die bereits Erfolge zeigten,
  • die Baukasse sowie Inventuren ordnungsgemäß führte,
  • Bereitschaft zeigte, noch nicht übertragene Aufgaben zusätzlich wahrzunehmen und
  • bereit war, sein fachliches und politisches Wissen zu erweitern.

 

In der Niederschrift vom 27. November 1979 über ein mit dem Kläger geführtes betriebliches Kadergespräch wird unter anderem ausgeführt, dass der Kläger sich im Kollektiv gut einarbeitete und auch Sonderaufgaben mit Erfolg löste.

 

In einem betrieblichen Schreiben aus dem Jahr 1980 an die Ehefrau des Klägers wird unter anderem ausgeführt, dass der Kläger

  • als Leitungskader im Betrieb stets vorbildliche Arbeit leistete,
  • hohe Einsatzbereitschaft zeigte, die oftmals die Zurückstellung privater Angelegenheiten erforderlich machte.

 

In der Niederschrift vom 29. Dezember 1981 über ein mit dem Kläger geführtes betriebliches Kadergespräch wird unter anderem ausgeführt, dass der Kläger die fachlichen und politischen Voraussetzungen für einen Leiter Ökonomie in einem Produktionsbereich besaß und seiner Verantwortung für die Durchsetzung von gesetzlichen Bestimmungen in der Finanzökonomie ordentlich nachkam.

 

In der betrieblichen Leistungseinschätzung vom 22. Februar 1985 wird unter anderem ausgeführt, dass der Kläger

  • alle anfallenden Aufgaben im Bereich Ökonomie beherrschte und auf diesem Gebiet eine wertvolle Unterstützung des Produktionsbereichsleiters darstellte,
  • auch in seiner zusätzlichen Funktion als Bauleiter für Industrieproduktion eine umfangreiche und zuverlässige Arbeit leistete,
  • überobligatorische Anstrengungen für den Betrieb an den Tag legte.

 

Zusammenfassend wird dem Kläger damit insgesamt bescheinigt, dass er die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen.

 

2.

Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1975 bis 1989) in den Zuflussjahren 1976 bis 1990 zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter a), jedoch für die Zuflussjahre 1976 bis 1983 zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter b). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf – entgegen der früheren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts – allerdings nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter c).

 

a)

Die dem Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1975 bis 1989) in den Jahren 1976 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

 

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte.

 

Die vom Kläger wiederholt vorgelegte Aufstellung, die er, unter Auswertung seiner persönlichen Gehaltsentwicklung, "erarbeitet" und mit der er eine entsprechende Berechnung seiner Jahresendprämien vorgenommen habe, stellt keinen Nachweis des Bezugs und erst recht nicht der konkreten Höhe seiner Jahresendprämien dar. Denn sie beruht weder auf tatsächlichen Bezugs- oder Gewährungsnachweisen, noch dokumentiert sie einen tatsächlichen, kontinuierlich, während der damaligen Bezugszeiten angefertigten Vorgang aus der historischen Vergangenheit, quasi in Form einer Aufschreibung wie in einem Haushaltsbuch.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im VEB BMK Kohle und Energie Kombinatsbetrieb Industriebau A.... liegen auch nicht mehr vor, wie sich den Erklärungen des Klägers, insbesondere in seinem Schreiben vom 25. November 2017, sowie der Zeugen entnehmen lässt.

 

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes (in Bezug auf den Kläger) konnten auch die Zeugen Q...., Y...., W.... und V.... nicht vorlegen.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV). Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an den Kläger in einem konkreten Betrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

 

b)

Die konkrete Höhe der an den Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1975 bis 1989) in den Jahren 1976 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge ist zwar ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter aa). Allerdings sind die für die Planjahre 1975 bis 1982 in den Zuflussjahren 1976 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämienbeträge zumindest zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

 

aa)

Den Angaben des Klägers sowie der Zeugen Q...., Y...., W.... und V.... kann lediglich entnommen werden, dass sich die Jahresendprämie am Monatsgehalt des jeweiligen Werktätigen orientierte und nach einem betrieblich vorgegebenen, allerdings jährlich differierenden, Prozentsatz richtete. Der Kläger konnte lediglich angeben, dass Basis der Berechnung der jeweils einzelnen individuellen Jahresendprämien das Monatsgehalt des jeweiligen Beschäftigten war und die Prämienbeträge auf der Grundlage der Planerfüllung und des Monatsgehalts nach einem betriebseinheitlichen Prozentsatz berechnet wurden. Die Zeugen Q...., Y...., W.... und V.... bestätigten dieses grundsätzliche Prozedere und führten jeweils konkret und nachvollziehbar aus, zu den Höhen der Jahresendprämienbeträge des Klägers keine konkreten Angaben tätigen zu können. Die individuelle Festlegung erfolgte durch die Betriebsleitung (in Abstimmung mit der Gewerkschaftsleitung), ausgerichtet nach dem Betriebsergebnis und nach einem einheitlichen betrieblichen Prozentsatz. Eine weitergehende Präzisierung erbrachten die Zeugenerklärungen nicht. Auch die – wiederholt betonten – einheitlichen betrieblichen, allerdings jährlich differierenden (weil am jeweiligen Betriebsergebnis ausgerichteten), Prozentsätze vermochten die Zeugen nicht zu benennen.

 

Soweit der Kläger wiederholt auf die von ihm (nachträglich) selbst erstellte Aufstellung verwies, die er, unter Auswertung seiner persönlichen Gehaltsentwicklung, "erarbeitet" und mit der er eine entsprechende Berechnung seiner Jahresendprämien vorgenommen habe, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Aufstellung kein Glaubhaftmachungswert beikommt. Zum einen ist bereits nicht nachvollziehbar, aus welchen konkreten betrieblichen Quellen, die von ihm behaupteten betrieblichen Jahresendprämienprozentsätze (100 Prozent im Jahr 1976; 90,5 Prozent in den Jahren 1977 und 1979; 96,5 Prozent im Jahr 1978; 93,5 Prozent im Jahr 1980; 93 Prozent in den Jahren 1981 und 1982, 97 Prozent im Jahr 1983; 94,6 Prozent im Jahr 1984; 94 Prozent im Jahr 1985; 93,7 Prozent im Jahr 1986; 89,5 Prozent im Jahr 1987; 82 Prozent in den Jahren 1988 und 1990; 81,8 Prozent im Jahr 1989) stammen, zumal diese auch von keinem einzigen Zeugen in dieser Form benannt worden sind. Und zum anderen entbehren diese Angaben jeglicher Tatsachenbasis, da weder dargelegt noch nachvollziehbar erläutert wird, aus welchen konkreten Kennziffern und Berechnungselementen sich diese (erst nachträglich "berechneten") Prozentsätze ergeben sollen. Die Glaubhaftmachung einer bestimmten Höhe ist mit solchen "in der Regel"-, "circa"-, "zwischen"-, "etwa"- oder "ungefähr"-Angaben sowie mit derartigen "Rückrechnungen" nicht verbunden, denn es handelt sich bei ihnen um eine reine Mutmaßung, die im Ergebnis auf eine – vom BSG inzwischen abschließend als nicht möglich dargelegte (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.) – Schätzung hinausläuft, die nicht zu Grunde gelegt werden kann. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten nämlich gerade weder von den Zeugen noch vom Kläger getätigt werden.

 

In der Gesamtbetrachtung sind die Angaben des Klägers sowie der Zeugen zur Höhe der an den Kläger geflossenen Jahresendprämienbeträge insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer "guten Möglichkeit" gerade der vom Kläger angegebenen Prozentangaben abzugeben geeignet ist.

 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis grundsätzlich (zu den Ausnahmen nachfolgend unter bb) an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämien beurteilt werden kann und der vom Kläger und den Zeugen behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonats- oder Bruttojahreslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

 

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Eckhardt u.a., „Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR“ [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke, „Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie“, NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

 

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des DDR-AGB: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 und in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" [nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972] vom 24. Mai 1972 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 34, S. 379]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 598) in der Fassung der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" (nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 3. Februar 1986 (DDR-GBl. I 1986, Nr. 6, S. 50) zu treffen waren. Danach spielte zum Beispiel der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren "wesentliche Erhöhung" sowie die "Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

 

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder die Zeugen nachvollziehbare Angaben tätigen.

 

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa, weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

 

Auch der allgemeine Hinweis des Klägers und der Zeugen auf ein sog. 13. Monatsgehalt genügt den Kriterien der Glaubhaftmachung nicht, weil die Jahresendprämien – wie dargelegt – vom Betrieb leistungsbezogen und individuell festzulegen waren und nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen der DDR gerade nicht pauschaliert als 13. Monatsgehalt zu erbringen waren.

 

bb)

Allerdings kommt für die Zeiträume der Geltung

  • der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl. II 1969, Nr. 98, S. 626),
  • der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und
  • der Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 sowie in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973, mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden,

von Juli 1968 bis Dezember 1982 (also bis zum Inkrafttreten der Prämienfond-VO 1982 am 1. Januar 1983) eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.

 

Für diese Zeiträume legten

  • § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968,
  • § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und
  • § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972

nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung, dass die für "diese Werktätigen zu zahlende … Jahresendprämie … die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes" nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" heranzuziehen (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) und bestätigen – im Zeitraum ihrer Geltung – zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte (in zahlreichen anderen Verfahren) meint, bei dem in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften sowie des Sinnes und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. an einen "monatlichen Durchschnittsverdienst" aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den "durchschnittlichen Monatsverdienst" bzw. "monatlichen Durchschnittsverdienst" des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO 1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass "die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen" ein Drittel des, also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Der durchschnittliche Monatsverdienst bzw. der monatliche Durchschnittsverdienst – der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der "Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551, berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung" (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete – war stets eine individuelle und gerade keine generelle (etwa alle Beschäftigten in ihrer Gesamtheit erfassende) Bezugsgröße. Zutreffend ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämie nur dann bestanden hat, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür war, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart "Jahresendprämie" dem Grunde nach hatten, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte. Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss (sog. petitio principii).

 

Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen (bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO’en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs "sollen" in der vorbezeichneten Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht "justiziable" Mindestbeträge nicht vorgegeben waren, die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine "statische Fortschreibung" der zuletzt im Planjahr 1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.

 

Soweit sich die Beklagte (in zahlreichen anderen Verfahren) im Übrigen auf die Urteile des – seit 1. Juni 2021 nicht mehr für das Recht der Zusatzversorgung zuständigen – 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. April 2020 in den Verfahren L 4 R 703/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 60) und L 4 R 461/19 ZV (JURIS-Dokument, RdNr. 63) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat – trotz Überprüfung – keinen Anlass sieht, seine begründete und ausgewogene Rechtsauffassung aufzugeben oder abzuändern. Denn die von der Beklagten zitierten Urteile des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts setzen sich mit der eingehend begründeten Argumentation des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts nicht auseinander, sondern gehen lediglich vom Gegenteil aus und weisen noch dazu darauf hin, dass diese Rechtsfrage in den dort entschiedenen Fällen gerade nicht entscheidungstragend war (wörtlich heißt es dort: "unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Prämien-Verordnungen – wie vom 5. Senat des Sächsischen LSG und dem Sozialgericht angenommen – in den vorliegend streitigen Zuflussjahren von 1977 bis 1983 überhaupt als ausreichende Rechtsgrundlage für einen Rechtsanspruch auf Auszahlung von Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen in einer gesetzlich bestimmten Höhe herangezogen werden können, …"). Im Übrigen behandelt der erkennende Senat die Prämienverordnungen der DDR auch nicht – wie die Beklagte meint – "als Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Jahresendprämien an den einzelnen Werktätigen"; der Auszahlungsanspruch ergibt sich allein aus § 117 Abs. 1 DDR-AGB; insoweit besteht auch keinerlei Divergenz zur Rechtsansicht des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2019 im Verfahren L 1 RS 2/16 (JURIS-Dokument). Denn auch in diesem wird – neben dem lediglich fast zehnseitigem "Abschreiben" aus den Urteilen des 5. und 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts – nur angeführt, dass die Prämienverordnungen keinen konkreten individuellen Anspruch des einzelnen Beschäftigten vermitteln. Davon geht – nochmals – auch der erkennende Senat aus. Die Prämienverordnungen werden vom erkennenden Senat lediglich als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" (vgl. zu diesem Aspekt nochmals: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) für die Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen herangezogen, wenn und soweit dieser einzelne Werktätige im konkreten Verfahren aufgrund individueller Umstände glaubhaft gemacht hat, dass er im jeweils konkreten Jahresendprämienjahr die Anspruchsvoraussetzungen nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB konkret erfüllt hatte. Einen "Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämien aus den Prämienverordnungen" nimmt der erkennende Senat – entgegen der wiederholten Behauptungen der Beklagten – weder an, noch leitet er ihn hieraus ab. Die Prämienverordnungen dienen lediglich als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach. Aus diesen – bereits aufgezeigten – Gründen kann die Beklagte auch nicht mit ihrem Hinweis auf die Urteile des Landessozialgerichts Berlin/Brandenburg vom 10. März 2022 im Verfahren L 17 R 471/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 33 ff.) und vom 24. März 2022 im Verfahren L 17 R 360/19 (JURIS-Dokument, RdNr. 37 ff.) sowie auf das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 14. September 2022 im Verfahren L 3 R 332/19 durchdringen. Denn – wie bereits dargelegt – handelt es sich bei der vom erkennenden Senat angewandten Heranziehung der Prämienverordnungen (als Hilfsmittel der Glaubhaftmachung der Höhe bei Glaubhaftmachung der Bezugsvoraussetzungen dem Grunde nach) nicht um eine – wie vom Landessozialgericht Berlin/Brandenburg und vom Thüringer Landessozialgericht behauptete – "konservative Schätzung der Höhe der Jahresendprämie".

 

Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben die erläuterten Regelungen damit für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre 1975 bis 1982 und damit für die Zuflussjahre 1976 bis 1983 Bedeutung, weil der Kläger in diesen Jahren den Zufluss von Jahresendprämien, und damit das Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen, dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat. Die Mindesthöhe ist auch konkret berechenbar, weil sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers, zwar nicht ausgehend von dem im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2018 enthaltenen, aber im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung bestätigten Entgelten hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der 1. Durchschnittsentgelt-VO in der Fassung der 2. Durchschnittsentgelt-VO richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), die ohnehin nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge, zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung eingetragenen Entgelte sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel.

 

Im vorliegenden konkreten Fall des Klägers, der keine Entgeltbescheinigung des früheren VEB-Arbeitgebers oder der Nachfolgeeinrichtung vorlegen konnte, ist allerdings deutlich darauf hinzuweisen, dass die "nicht nachgewiesenen" Arbeitsentgelte (der Beschäftigungsjahre 1975 bis 1982) im Feststellungsbescheid vom 17. Januar 2018 nicht die Grundlage einer Glaubhaftmachung nach § 6 Abs. 6 AAÜG sein können, weil die Glaubhaftmachung der Jahresendprämien den Nachweis des zu Grunde liegenden Bruttoarbeitsentgeltes erfordert. Die Bruttoarbeitsentgelte im Feststellungsbescheid vom 15. November 2022 wurden von der Beklagten fiktiv anhand von Arbeits- und Änderungsverträgen bestimmt und spiegeln damit das tatsächlichen Bruttoarbeitsentgelt nicht wieder. Aus diesem Grund kann lediglich an die – wesentlich niedrigeren – tatsächlich nachgewiesenen Arbeitsentgelte im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung anknüpft werden (vgl. dazu bereits ausdrücklich: Sächsisches LSG, Urteil vom 8. September 2022 - L 7 R 108/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 75; Sächsisches LSG, Urteil vom 8. September 2022 - L 7 R 144/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 92; Sächsisches LSG, Urteil vom 6. Oktober 2022 - L 7 R 139/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 91; Sächsisches LSG, Urteil vom 9. März 2023 - L 7 R 488/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 83; Sächsisches LSG, Urteil vom 6. April 2023 - L 7 R 486/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 100; Sächsisches LSG, Urteil vom 22. Mai 2023 - L 7 R 404/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 87).

 

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die in den Planjahren 1975 bis 1982 erwirtschafteten und in den Zuflussjahren 1976 bis 1983 ausgezahlten Jahresendprämien wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-An-spruchsjahr

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

JEP-Mindest-betrag (= 1/3)

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

1975

6.900,00 M

575,00 M

191,67 M

159,72 M

1976

1976

6.664,00 M

555,33 M

185,11 M

154,26 M

1977

1977

6.982,00 M

581,83 M

193,94 M

161,62 M

1978

1978

7.092,00 M

591,00 M

197,00 M

164,17 M

1979

1979

7.200,00 M

600,00 M

200,00 M

166,67 M

1980

1980

7.200,00 M

600,00 M

200,00 M

166,67 M

1981

1981

6.252,00 M

521,00 M

173,67 M

147,22 M

1982

1982

6.955,00 M

579,58 M

193,19 M

160,99 M

1983

   

c)

Weil der Kläger den Bezug (irgend-)einer Jahresendprämie für die Planjahre 1975 bis 1989 in den Zuflussjahren 1976 bis 1990 dem Grunde nach nur glaubhaft gemacht hat, deren Höhe aber weder nachweisen noch – über die Mindesthöhe hinaus konkret – glaubhaft machen konnte, kommt eine Schätzung der Höhe dieser Prämienbeträge nicht in Betracht (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).

 

3.

Die (in der Mindesthöhe in den Jahren 1976 bis 1983 glaubhaft gemachten) zugeflossenen Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt anteilig das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostengrundentscheidung war eine einheitliche Kostenquote für das gesamte Verfahren zu bilden.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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