L 21 AS 1051/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 60 AS 5574/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 AS 1051/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AS 248/22 BH
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 6.5.2019 werden zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren in diesem Verfahren – wie in zahlreichen anderen Verfahren ebenfalls – insbesondere die positive Bewilligung aller ihrer seit dem 1.1.2005 gestellten SGB II-Leistungsanträge.

Die Klägerin ist 1959 geboren. Sie wohnt mit dem Kläger und ihrem 2000 geborenen Sohn in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Die Bedarfsgemeinschaft bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), wobei es eine Unterbrechung aufgrund Vermögens durch eine Erbschaft gab. Der Kläger gehörte nicht während des gesamten Zeitraums zur Bedarfsgemeinschaft. Er ist 1953 geboren. Aufgrund einer Bewilligung vom 11.3.2010 erhält er seit dem 1.6.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und aufstockend Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Seit dem 1.10.2018 bezieht er eine Altersrente.

 Am 16.11.2016 wurde von den Klägern bei dem Sozialgericht Dortmund ein Schriftsatz eingereicht, überschrieben mit „Eilsache neu, in Sachen Untätigkeit“. Dort hieß es wörtlich: „Ich hatte Sie ja schon mehrfach darum gebeten, die Frau I. zum Bearbeiten aller unserer Anträge, die wir gestellt haben, zu verurteilen.“ Weiter hieß es: „Wir beantragen hiermit Klage wegen Untätigkeit.“ Unterschrieben war der Schriftsatz lediglich mit den Nachnamen „N.“. Das Sozialgericht führte dies als Klage unter dem Aktenzeichen S 30 AS 5574/16, aufgrund eines mehrfachen Kammerwechsels später unter dem Aktenzeichen S 60 AS 5574/16. Im Rahmen der weiteren Schriftsätze wiesen die Kläger darauf hin, dass es ein Verfahren bei „Richterin X.“ gegeben habe, in welchem im Oktober bzw. November 2009 eine mündliche Verhandlung hätte stattfinden sollen. Dort sei es nach Vortrag der Kläger um den Zeitraum 1.1.2005 bis Oktober bzw. November 2009 gegangen. Ein Mitarbeiter des Beklagten habe der Richterin versprochen, alles, was die Kläger in dieser Zeit dort beantragt hätten, positiv zu entscheiden. Daraufhin hätten die Kläger dieses Verfahren für erledigt erklärt. Diese Zusage sei bis heute nicht eingehalten. Gleiches sei bei Gerichtsterminen in den Jahren 2011, 2012 und 2013 geschehen, dort habe der Beklagte jeweils versprochen, alles bis dahin positiv zu entscheiden.

Am 7.12.2017 reichten die Kläger bei dem Sozialgericht Dortmund ein weiteres Schreiben ein. Dort hieß es, dass die Heizungsanlage zzgl. Pufferspeicher sofort benötigt werde. „Herr Richter B.“ habe im Januar 2017 erklärt, die Anträge sollten „auf Basis des Bescheides von Januar 2012 beurteilt werden“. Es werde auch auf die „Versprechen des Herrn E. in 2009/2011/2012/2013 beim SG Dortmund“ verwiesen. Dies sei – so hieß es durch die Kläger– eine „neue Klage wegen Untätigkeit“. Dieses Verfahren wurde von dem Sozialgericht Dortmund unter dem Aktenzeichen S 30 AS 6018/17, später S 60 6018/17 geführt. Dort erklärten die Kläger, es ginge darum, dass seit 2009 bis 2015 gerichtliche Verfahren für sie mit einer positiven Zusage beendet worden seien, sie daraufhin die gerichtlichen Verfahren für erledigt erklärt hätten und anschließend der Beklagte dem nicht nachkommen würde.

Nahezu gleichlautend trugen die Kläger in beiden Verfahren vor. Schriftsätze, aus denen sich das ergebe, könnten nicht vorgelegt werden. Allerdings – so die Kläger – müssten sich die Verfahrensakten ermitteln und beiziehen lassen. Die Kläger nahmen an, dass sich in den Akten Vermerke finden würden, die ihre Auffassung bestätigen würden. Zu den Zusagen, welcher der Beklagte gemacht habe, gehöre unter anderem: Die Gewährung von 12.000 € pro Jahr für die Beschaffung von Heizöl – zum Teil geben die Kläger auch 14.000 € oder 12.000-14.000 l Heizöl an; die Übernahme der Kosten für eine neue Heizungsanlage einschließlich eines neuen Pufferspeichers, welcher zum Teil als gesonderter Gegenstand geltend gemacht wird; die Auszahlung einer Rentennachzahlung in Höhe von ca. 4100 €; die Übernahme von Schornsteinfegerkosten i.H.v. 245 €; die Übernahme diverser Kosten für die Wartung und Ersatzteile für die Heizung und weiterer Schornsteinfegerkosten; Kosten für den Strom für den Betrieb der Heizungsanlage; ein Jugendzimmer für den Sohn. Im Laufe der Verfahren begehrten die Kläger darüber hinaus unter anderem: Die Bewilligung von SGB II-Leistungen seit dem 1.1.2005 für drei Personen, die Übernahme der Gemeindeabgaben, Schornsteinfegerkosten und Reparaturen an der Heizung seit dem 1.1.2005 bis März 2013, die Übernahme der tatsächlichen Heizkosten und Stromkosten in voller Höhe seit dem 1.1.2005 bis März 2013, die Nachzahlung der Leistungen aus den Jahren 2005 bis 2008, die positive Bewilligung ihres Antrages auf Gründung einer Ich-AG aus Mai 2006, Schadensersatz aufgrund einer Untätigkeit des Beklagten i.H.v. 480.000 € und zusätzlich 230.000 € Schmerzensgeld pro Person, die Übernahme der Kosten für ein neues Balkongeländer sowie der Anbringung einer Fluchttreppe außen am Haus, die Übernahme von Kosten für den Umbau des Garagendach zum Anschluss an den städtischen Mischwasserkanal i.H.v. 5000 €.

Am 26.9.2018 fand vor dem Sozialgericht ein Erörterungstermin unter anderem in den beiden genannten Verfahren statt. Die Beteiligten haben in diesem Termin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung gegeben.

Mit Urteilen vom 6.5.2019 hat das Sozialgericht die beiden Klagen abgewiesen. Die Klagen seien unzulässig, da das Klagebegehren nicht hinreichend bezeichnet sei. Dem Klagebegehren, den Beklagten zu verurteilen, sämtliche Anträge seit dem 1.1.2005 positiv zu bescheiden, lasse sich weder eine konkrete Verwaltungsentscheidung des Beklagten noch eine konkrete Leistung entnehmen, die begehrt werde. Eine entsprechende Zusicherung des Beklagten, sämtliche Anträge positiv zu bescheiden, sei nicht aktenkundig. Die Kläger hätten im Rahmen der Untätigkeitsklage nicht benannt, welchen Antrag sie wann gestellt hätten, dessen Bescheidung noch ausstehe.

Gegen die den Klägern am 7.6.2019 zugestellten Urteile haben diese am 12.6.2019 bei dem Sozialgericht Dortmund Berufung eingelegt. Bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wurde das Verfahren S 60 AS 5574/16 unter dem Aktenzeichen L 21 AS 1051/19 geführt, das Verfahren S 60 AS 6018/17 unter dem Aktenzeichen L 21 AS 1049/19.

Zur Begründung berufen sie sich wiederum darauf, dass ein für Herbst 2009 avisierter Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht Dortmund deshalb nicht zustande gekommen sei, weil zuvor die Zusage durch den Beklagten erfolgt sei, dass sämtliche Anträge positiv beschieden würden. Diese Zusage sei in einem gerichtlichen Protokoll aus November 2011 noch einmal wiederholt worden. Daraufhin seien im Vertrauen auf die Zusagen entsprechende Klagen durch sie zurückgenommen worden.

Die Kläger tragen zur Begründung der Berufung weiterhin vor, dass im Jahr 2011 in einem Termin vor dem Sozialgericht Dortmund und ebenso in November 2012 und März 2013 die Zusage gegeben worden sei bzw. es gerichtliche Verpflichtungen gegeben habe, die Anträge für sie positiv zu entscheiden, was nicht umgesetzt worden sei.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 6.5.2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen

  1. alle Anträge seit dem 1.1.2005 positiv zu bescheiden,
  2. SGB II-Leistungen seit dem 1.1.2005 für drei Personen zu bewilligen,
  3. die Gemeindeabgaben, Schornsteinfegerkosten und Reparaturen an der Heizung seit dem 1.1.2005 bis März 2013 zu übernehmen,
  4. die tatsächlichen Heizkosten und Stromkosten in voller Höhe seit dem 1.1.2005 bis März 2013 zu übernehmen,
  5. alle Leistungen aus den Jahren 2005 bis 2008 nachzuzahlen,
  6. ihren Antrag auf Gründung einer Ich-AG aus Mai 2006 positiv zu bescheiden,
  7. ihnen Schadensersatz aufgrund der Untätigkeit des Beklagten i.H.v. 480.000 € zu zahlen,
  8. und zusätzlich 230.000 € Schmerzensgeld pro Person,
  9. die Kosten für eine neue Heizungsanlage samt Pufferspeicher zu übernehmen,
  10. die Kosten für ein neues Balkongeländer zu tragen
  11. die Kosten für die Anbringung einer Fluchttreppe außen am Haus zu tragen,
  12. die Kosten für den Umbau des Garagendach zum Anschluss an den städtischen Mischwasserkanal i.H.v. 5000 € zu übernehmen,
  13. eine Rentennachzahlung in Höhe von ca. 4100 € an die Kläger auszukehren,
  14. die Kosten für die Anschaffung eines Jugendzimmers / Jugendbett zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist auf sein bisheriges Vorbringen.

Mit Beschluss vom 16.10.2019 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die Verfahren L 21 AS 1049/19 und L 21 AS 1051/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen L 21 AS 1051/19 verbunden.

Mit Schreiben vom 8.11.2019 hat der Senat die Kläger im Hinblick auf die geltend gemachte Untätigkeit aufgefordert, die Anträge bzw. Widersprüche, welche aus Sicht der Kläger nicht beschieden worden sein sollen, konkret, mit Datum und dem genauen Inhalt, zu benennen. Dies erfolgte durch die Kläger nicht.

Der Senat hat am 17.1.2020 einen umfangreichen Erörterungstermin durchgeführt. Dort hat der Kläger für die Kläger dargelegt, dass im Herbst 2009 ein Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht Dortmund hätte stattfinden sollen, in welchem es um alle Anträge seit 2005 gegangen wäre. Er habe daraufhin einen Anruf von der zuständigen Richterin bekommen. Diese habe erläutert, dass die Kläger das Verfahren für erledigt erklären sollten, weil der Beklagte zugesagt habe, alle Anträge positiv zu entscheiden. Darauf hätten sie schriftlich reagiert und mitgeteilt, dass sie das Verfahren für erledigt erklären würden, aber allein vor dem Hintergrund, dass von dem Beklagten die Zusage gegeben worden sei. Dieses Schreiben könnten die Kläger allerdings nicht vorlegen; sie könnten auch nicht sagen, um welches sozialgerichtliche Verfahren es sich gehandelt habe. Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass dies durch das Gericht ermittelt werden müsse und ermittelt werden könne. Eine Verpflichtung des Beklagten, 12.000 l Heizöl pro Jahr zu übernehmen ergäbe sich „aus einem Verfahren aus März 2013“.

Der Senat hat am 7.10.2020 einen weiteren Erörterungstermin durchgeführt. Die Klägerin – die Eigentümerin der selbst bewohnten Immobilie – und der Beklagte verabredeten in diesem Erörterungstermin eine technische Begutachtung der Heizungsanlage / der Situation der Pufferspeicher. Diese fand am 4.11.2020 statt und es wurde am 16.11.2020 ein technischer Bericht erstellt. Es werde, sofern Tanks und Elektroinstallation noch in Ordnung seien, mindestens die Anschaffung eines neuen Ölbrenners und eines neuen Warmwasserspeichers empfohlen. Mit Aufforderung vom 17.11.2020 forderte der Beklagte die Kläger auf, drei Kostenvoranschläge entsprechend der fachtechnischen Stellungnahme bis zum 31.12.2020 von Handwerksbetrieben aus 50 km Umkreis einzureichen. Der Kläger wandte sich daraufhin an das Gericht und teilte mit, dass er zwei Öfen (einen Ölbrenner und einen Holzscheitbrenner plus Pufferspeicher) bereits im Jahr 2008 beantragt habe und eine positive Bewilligung wie auch die positive Bewilligung aller Anträge ab dem 1.1.2005 von dem Beklagten zugesagt sei. Kostenvoranschläge für eine neue Heizung aus einem Umkreis von 50 km könnten nicht eingereicht werden, solange der Beklagte nicht erkläre, dass er für die Fahrtkosten aufkomme. Zudem sei ein Pufferspeicher bereits mit Bescheid vom 13.1.2012 zugesagt worden. Er habe den Beklagten im Anschluss an den Termin aufgefordert, einen Betrag i.H.v. 16.500 € innerhalb von acht Tagen zu bezahlen, dies sei nicht erfolgt. Der Beklagte erließ, weil die geforderten Kostenvoranschläge nicht eingereicht wurden, am 6.1.2021 einen Versagungsbescheid. Im März 2021 reichten die Kläger bei dem Beklagten einen Schriftsatz ein, in dem sie ausführten, der Pufferspeicher koste ca. 17.000 €, der Holzofen ca 22.000 € und die Ölheizung 36.000 €. 20.000 € würden neue Öltanks kosten, 12.000 € ein Pufferspeicher für Warmwasser (gemeint wohl Trinkwasserspeicher) und 14.000 € die Elektroinstallation. Dies seien allerdings noch nicht sämtliche Kosten; die Kläger sind der Auffassung, dass sie keinen Heizungsbetrieb „nerven“ müssten, bevor der Beklagte nicht einen Betrag i.H.v. 70.000 € überwiesen habe. In Schreiben vom 31.12.2020 und 18.1.2021 stellen die Kläger die Behauptung auf, dass das Verhalten des Beklagten das Merkmal des „Mordes“ erfülle.

Mit Schreiben vom 24.11.2020 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er sich aufgrund der weiterhin vagen Angaben der Kläger nicht in der Lage sieht, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Er hat die Kläger aufgefordert, das Protokoll bzw. den Schriftsatz aus der Sitzung bzw. dem Verfahren beim Sozialgericht aus Herbst 2009 zu den Akten zu reichen, woraus sich ergeben soll, dass die Zusage erfolgt sei, alle Anträge seit 2005 positiv zu bescheiden. Ferner solle die von den Klägern in Bezug genommene Entscheidung von November 2012 und die Beschlüsse aus März 2013, auf welche sich die Kläger berufen würden, zu den Akten gereicht werden. Dazu setzte der Senat eine Frist bis zum 15.12.2020 und wies darauf hin, dass das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der genannten Frist vorgebracht würden, unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 153 Abs. 1 i.V.m. 106a Abs. 3 Satz 1 SGG zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden könne. Der Kläger reichte im folgenden wiederum Ausschnitte einzelner Protokolle und gerichtlicher Vergleiche ein, diese befanden sich sämtlich bereits in den Akten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässigen Berufungen der Kläger sind unbegründet. Die Klageanträge der Kläger sind unzulässig, das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

a) Zur Überzeugung des Senates sind die Klagen allerdings nicht in vollem Umfang wegen Unbestimmtheit unzulässig.

Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG muss die Klage den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. In der Regel ist daher der Verwaltungsakt zu bezeichnen, den das Gericht aufheben oder zu dem das Gericht verurteilen soll, bzw. die Feststellung, die das Gericht treffen soll oder die Leistung, die begehrt wird (B. I., in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/I. -Hrsg.-, SGG, 2020, § 92 Rn 8 mit zahlr. Nachw.). Dabei sind aber nicht allzu strenge Maßstäbe anzusetzen (sieh etwa BSG, 1.12.2016 – B 14 AS 183/16 B –, Rn. 5 ff.). Es muss aber jedenfalls der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, angegeben oder wenigstens umrissen sein. Es muss das Ziel der gerichtlichen Inanspruchnahme klarwerden; ausreichend ist wiederum, wenn das Klagebegehren im Wege der Auslegung für das Gericht ermittelbar ist (Völlmer, in: Schlegel/Voelzke -Hrsg.-, jurisPK-SGG, Stand: 13.8.2020, § 92 Rn. 28 f.). Dies ist, trotz aller Schwierigkeiten, nicht bei allen klägerischen Anträgen unmöglich.

aa) Die Klageanträge zu 1 bis 3 und 5 hält der Senat allerdings in Übereinstimmung mit der vom Sozialgericht dargelegten Auffassung für unzulässig. Soweit die Kläger die „positive Bewilligung aller seit dem 1.1.2005 gestellten Leistungsanträge“ verlangen ist dieses Klagebegehren auch nicht mittels Auslegung, sondern wäre allenfalls im Rahmen der Amtsermittlung zu konkretisieren. Dazu müssten sämtliche Gerichts- und Verwaltungsakten durchgesehen werden, was offensichtlich die Erwartung der Kläger an ein gerichtliches Verfahren ist, wenn sie mehrfach darauf hinweisen, die von ihnen angegebenen Schriftsätze und Zusagen müssten sich doch irgendwo finden lassen. Dies überschreitet allerdings die Grenzen der Amtsermittlung, denn zu Ermittlungen „ins Blaue hinein“ oder „aufs Geratewohl“ ist ein Gericht nicht verpflichtet (ständige Rechtsprechung, siehe dazu etwa BVerfG, 9.10.2017 – 2 BvR 1268/03 –, Rn. 19; BSG, 3.2.2021 – B 9 V 9/20 BH –, Rn. 8; 21.9.2000 – B 11 AL 7/00 R –, Rn. 23).

Entsprechendes gilt für die Anträge „Die Bewilligung von SGB II-Leistungen seit dem 1.1.2005 für drei Personen“, „Übernahme der Gemeindeabgaben, Schornsteinfegerkosten und Reparaturen an der Heizung seit dem 1.1.2005 bis März 2013“ sowie „Nachzahlung der Leistungen aus den Jahren 2005-2008“, denn nähere Angaben, wie etwa vollständige bzw. ansatzweise im Gesamten lesbare Antragsunterlagen oder Bescheide haben die Kläger – trotz Aufforderung durch den Senat – nicht vorgelegt, nicht einmal konkrete Daten genannt.

Diese Klageanträge genügen auch nach Einschätzung des Senates nicht den Anforderungen des § 92 SGG; das Sozialgericht hat die Anträge rechtmäßig als unzulässig abgewiesen.

bb) Die weiteren Anträge der Kläger sind jedenfalls so verfasst, dass der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, zumindest umrissen ist.

b) Diese Anträge bedürfen zunächst der Auslegung, sind aber auch nach einer solchen in vollem Umfang unzulässig.

aa) Die unvertretenen Kläger haben wörtlich „Untätigkeitsklage“ erhoben. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG). Im Übrigen ist das Gewollte, also das mit der Klage oder der Berufung verfolgte Prozessziel, bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (zum Gesamten BSG, 24.11.2020 – B 12 KR 37/20 B –, Rn. 12 mit zahlreichen Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung).

(1) In Betracht kommt zunächst eine Klage nach § 88 SGG, welche rechtssprachlich als Untätigkeitsklage bezeichnet wird. Dieser Anspruch ist auf die Vornahme eines Verwaltungsaktes gerichtet und würde einen Antrag der Kläger auf Vornahme eines Verwaltungsaktes oder einen Widerspruch voraussetzen, welcher nicht beschieden ist. Dazu haben die Kläger aber trotz der Aufforderung durch den Senat vom 8.11.2019 und Fristsetzung durch den Senat am 24.11.2020 nicht so konkret vorgetragen, dass eine Untätigkeit im Sinne des § 88 SGG festgestellt werden konnte. Soweit dem Vortrag der Kläger ein konkretes Begehren zu entnehmen war, hat der Beklagte darüber aber bereits entschieden. Über die Anträge „Übernahme der Kosten für ein neues Balkongeländer“ sowie „Anbringung einer Fluchttreppe außen am Haus“ ist durch den Beklagten mit Bescheid vom 13.1.2012 entschieden worden. Über den Antrag „Übernahme der Kosten für eine neue Heizungsanlage einschließlich eines neuen Pufferspeichers“ ist mit Bescheiden vom 13.1.2012, 17.11.2020 und 6.1.2021 entscheiden worden. Der Antrag „Übernahme von Kosten für den Umbau des Garagendach zum Anschluss an den städtischen Mischwasserkanal i.H.v. 5000 €“ ist beschieden; die Bescheide war Gegenstand des Verfahrens LSG Nordrhein-Westfalen L 21 AS 1050/19, welches für die Kläger ohne Erfolg endete. Der Streitgegenstand „Auszahlung einer Rentennachzahlung in Höhe von ca. 4100 €“ ist beschieden und war bereits Gegenstand der Verfahren SG Dortmund, S 40 AS 4241/11 sowie S 15 R 1486/13.

Bei den Klageanträgen zu 7 und 8 handelt es sich um keine Anträge im Sinne des § 88 SGG, weil der Beklagte darüber nicht durch Verwaltungsakt entscheiden kann.

Die Klageanträge mussten bei einer Auslegung als Untätigkeitsklage nach § 88 SGG daher ohne Erfolg bleiben.

(2) Soweit die Kläger die Gewährung von SGB II-Leistungen begehren, wäre zutreffende Klageart die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) bzw. Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG). Als solche sind die Klageanträge aber ebenfalls unzulässig. In beiden Fällen ist eine Klage nur statthaft, sofern über das Leistungsbegehren durch einen Verwaltungsakt entschieden wurde, dessen Zweck- und Rechtmäßigkeit in einem Vorverfahren überprüft wurde und solange der Bescheid nicht bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden ist. Die Kläger selbst konnten belastende Verwaltungsakte in dem Verfahren weder benennen noch vorweisen. Der Senat konnte zu den Anträgen ermitteln, dass die Anträge „Übernahme der Kosten für ein neues Balkongeländer“, „Anschaffung Haustür“ sowie „Anbringung einer Fluchttreppe außen am Haus“ mit Bescheiden vom 13.1.2012 von dem Beklagten abgelehnt wurden; diese Bescheide sind bestandskräftig. Über den Antrag Übernahme der Kosten für eine neue Heizungsanlage einschließlich eines neuen Pufferspeichers“ ist mit Bescheiden vom 13.1.2012, 17.11.2020 und 6.1.2021 entschieden worden. Die von den Klägern geltend gemachten Schornsteinfegerkosten in Höhe von „ca. 245 €“ – genau 241,22 € – sind im Rahmen der laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt worden, ebenso die Berücksichtigung von Heizkosten und Stromkosten für den Betrieb der Heizung einschließlich Umwälzpumpen; die entsprechende Bewilligungsbescheide sind in diesem Verfahren unangegriffen geblieben.

bb) Zu den Anträgen „Jugendzimmer / Jugendbett“ für den inzwischen 21-jährigen Sohn der Kläger und „Gründung einer Ich-AG“ haben die Kläger nicht einmal Anknüpfungstatsachen genannt; die Klage blieb bereits deshalb ohne Erfolg.

cc) Die Anträge zu 12 und 13 waren bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren; die Ablehnung der Anträge ist rechtskräftig.

dd) Als weitere Auslegungsvariante kommt in Betracht, dass die Kläger Vollstreckung verlangen. Die Kläger tragen vor, der Beklagte selbst habe vor Gericht entsprechende Zusagen der positiven Bescheidung gegeben, dies aber nicht eingehalten. Nach § 199 Abs. 1 SGG wird aus gerichtlichen Entscheidungen, aus einstweiligen Anordnungen, aus Anerkenntnissen und gerichtlichen Vergleichen, sowie aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen und aus Vollstreckungsbescheiden vollstreckt. Solche Titel können die Kläger nicht vorweisen; auch bei einer Durchsicht einer großen Zahl beigezogener Verfahrensakten konnte der Senat solche Titel nicht auffinden. Anhaltspunkte, die über den Namen der Richter und die Jahreszahl hinausgingen, konnten die Kläger nicht geben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kläger allein zwischen „Herbst 2009“ und 2013 mehr als 25 Verfahren vor dem Sozialgericht Dortmund führten, reicht dies für eine Konkretisierung nicht. Zudem wäre der Senat für die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht zuständig.

ee) Die Kläger könnten mit dem Antrag der „Untätigkeit“ schließlich auf die Verwaltungsabläufe des Beklagten zielen. Das Verwaltungshandeln ist – außerhalb der Sonderfälle des § 88 SGG und des 17. Kapitels GVG – aber nicht Gegenstand eines sozialgerichtlichen Klageverfahrens.

c) Die Klagen waren daher bei jeder Auslegungsvariante unzulässig, die Berufungen waren zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3. Gründe, im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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