L 9 U 911/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 2091/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 911/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein Unfall, den eine Person nach Beendigung der Probearbeit auf dem Weg zu ihrem auf dem Betriebsgelände abgestellten Fahrzeug erleidet, ist unversichert, wenn dieser weder in Erfüllung einer Pflicht aus einem Beschäftigungsverhältnis stand noch eine dem Unternehmen zu dienen bestimmte Handlungstendenz bestand.
2. Ein Versicherungsschutz während der Probearbeit als Wie-Beschäftigter scheidet aus, wenn keine Arbeiten verrichtet bzw. Leistungen bewirkt werden, die der potentielle Arbeitgeber seinen Kunden schuldet.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Treppensturzes als Arbeitsunfall.

Die 1960 geborene Klägerin ist nach einer Tätigkeit als Prokuristin und Chefsekretärin in einem Casinobetrieb arbeitslos geworden. Auf Vermittlung und Veranlassung der Agentur für Arbeit arbeitete sie zunächst von Montag, 11.03.2019 bis Mittwoch, 13.03.2019 in einem Architekturbüro, dem Bauatelier W1 in R1, zur Probe. Die Probearbeit ist nach den Angaben der Klägerin im Wesentlichen auf ihre Veranlassung hin um zwei Tage, den Donnerstag und Freitag derselben Woche, verlängert worden. Der Inhaber des Architekturbüros W1 und die Klägerin waren übereingekommen, sich nach Beendigung der Probearbeit am Freitag (15.03.2019) um 17 Uhr zur Klärung von Details und zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrages zu treffen. Weil sich der Inhaber verspätete, wollte die Klägerin die Zeit nutzen und ihren Einkaufskorb in ihren PKW verbringen. Sie stürzte auf dem Weg zum Parkplatz auf der Außentreppe des Gebäudes, die genutzt werden muss, um die Büroräume zu erreichen.

Nach dem Durchgangsarztbericht von K1 vom 15.03.2019 zog sich die Klägerin hierbei eine distale Radiusfraktur rechts, eine distale Ulnafraktur rechts, eine offene Nasenbeinfraktur und einen großen Hautdefekt an der oberen Lippe zu. Die Brüche wurden im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthaltes im O1 operativ versorgt. Arbeitsunfähigkeit bestand nach Aktenlage vom 15.03.2019 bis 01.05.2019.

Die Agentur für Arbeit F1 teilte auf Anfrage mit, es habe sich um eine genehmigte Probearbeit bis einschließlich 13.03.2019 gehandelt. Der Unfall habe sich daher nicht innerhalb der von der Agentur für Arbeit genehmigten Maßnahme ereignet.

Die einleitend bearbeitende Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft gab den Vorgang an die Verwaltungsberufsgenossenschaft (im Folgenden: die Beklagte) zuständigkeitshalber ab.

Mit Bescheid vom 03.07.2019 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 15.03.2019 als Arbeitsunfall ab, weil die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört habe. Die Klägerin habe in keinem Arbeitsverhältnis gestanden, da sie lediglich eine Probearbeit verrichtet habe. Erfolge eine Probearbeit als Teil einer Bewerbung im Rahmen der Arbeitsplatzsuche zur Feststellung der persönlichen und fachlichen Eignung, bestehe kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die Arbeitsplatzsuche begründe keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern stelle eine private, eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar. Eine von der Agentur für Arbeit genehmigte Probearbeit habe nur bis einschließlich 13.09.2019 vorgelegen. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe die Klägerin nicht mehr mit Genehmigung der Agentur für Arbeit eine Probearbeit ausgeübt. Private Interessen im Rahmen der Bewerbung hätten im Vordergrund gestanden. Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII lägen nicht vor, weil die Handlungstendenz des „Probearbeiters“ im Wesentlichen allein darauf gerichtet sei, die eigene persönliche und fachliche Eignung unter Beweis zu stellen, um einen Arbeitsvertrag zu erhalten.

Unter dem 17.09.2019 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und nahm auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.08.2019 (B 2 U 1/18 R) Bezug und beantragte die „Übernahme“. Mit Schreiben vom 07.10.2019 wies die Beklagte auf den Ablauf der Widerspruchsfrist, die Möglichkeit eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie auf einen Antrag auf Überprüfung des bisherigen Bescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hin. Den unter Geltendmachung von Wiedereinsetzungsgründen zunächst erhobenen Widerspruch nahm der Bevollmächtigte der Klägerin unter dem 05.12.2019 wieder zurück.

Die BKK Wirtschaft und Finanzen, die in mehreren Schreiben die Auffassung vertrat, der Unfall sei als Arbeitsunfall anzuerkennen und die Beklagte habe Erstattungsansprüche zu erfüllen, legte eine E-Mail des W2, Inhaber des Bauateliers W1, vom 14.10.2019 vor, in der es heißt, dass die Zeiten der Probearbeit über die Agentur für Arbeit am 12. und 13. März auf Wunsch der Klägerin um den Donnerstag 14.03.2019 und Freitag 15.03.2019 verlängert worden seien, weil sie sich an den ersten beiden Tagen aufgrund des vielfältigen Aufgabengebiets noch keinen umfassenden Eindruck habe verschaffen können. An dem Freitagnachmittag habe dann aufgrund des guten Eindruckes, den die Klägerin hinterlassen habe, der Arbeitsvertrag und das anstehende Arbeitsverhältnis besprochen werden sollen. Weil er sich aufgrund eines Termins verspätet habe, habe die Klägerin kurz auf ihn warten müssen. In dieser Zeit habe sie zu ihrem Auto wollen und sei dabei die Treppe hinuntergestürzt.

Im Rahmen des Verfahrens auf Überprüfung der Ablehnung mit Bescheid vom 03.07.2019 gemäß § 44 SGB X führte der Bevollmächtigte der Klägerin (Schriftsatz vom 12.12.2019) aus, dass sich die Klägerin am 15.03.2019 auf dem Gelände bzw. im Bau des künftigen Arbeitgebers, des Bauateliers W1 in R2, befunden habe. Der Arbeitgeber habe die Klägerin gebeten, an diesem Tag nochmals zur Arbeit zu kommen, an diesem Tag habe der eigentliche Arbeitsvertrag unterschrieben werden sollen. Der Inhaber W1 habe die Klägerin gebeten, noch etwas zu warten, da er noch einen Termin bei einer anderen Firma wahrzunehmen hatte. So lange habe die Klägerin ihren Einkaufskorb in ihr Auto stellen wollen und sei zu diesem Zweck mit dem Korb in der Hand die Treppe im Haus des Arbeitgebers hinuntergelaufen. Es habe sich um eine ziemlich spitzwinklig zulaufende Treppe gehandelt, jedenfalls sei sie ganz normal mit dem Korb die Treppe hinuntergelaufen, bis sie auf einmal bemerkt habe, wie sie praktisch „den Boden unter den Füßen“ verloren habe und gestürzt sei. Sie habe wohl eine Stufe nicht richtig gesehen bzw. nicht richtig erwischt. All dies habe sich im Gebäude der Arbeitgeberfirma ereignet, die Klägerin habe nur die kurze Wartezeit, in welcher der Inhaber bei einer anderen Firma gewesen sei, überbrücken und noch ihren in diesem Moment überflüssigen Einkaufskorb versorgen wollen, um dann in das Gebäude zurückzukehren.

Mit Bescheid vom 26.02.2020 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 03.07.2019 ab. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei Erlass des Bescheides das Recht unrichtig angewandt oder insbesondere gegen materielle oder formelle Rechtsvorschriften verstoßen worden sei. Das Aufsuchen des Büros der Firma Bauatelier W1 am 15.03.2019 sei dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen, weil dieses im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages gestanden habe. Ein Arbeitsverhältnis sei noch nicht begründet gewesen. Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII seien nicht erfüllt, weil die Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht als „Wie-Beschäftigte“ tätig geworden sei. Denn der Unfall habe sich nicht während der Probearbeit ereignet, die zum Zeitpunkt des Unfalles bereits beendet gewesen sei. Vertragsverhandlungen zum Abschluss eines Arbeitsvertrages seien immer eigenwirtschaftlich und von den persönlichen Interessen des Bewerbers geprägt. Für diese bestehe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14a SGB VII scheide aus, weil eine von der Agentur für Arbeit genehmigte Probearbeit nur bis einschließlich 13.03.2019 vorgelegen habe und sich der Unfall danach ereignet habe.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, der damit begründet worden war, es müsse geklärt werden, ob auch der Tag der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages als weiterer Probearbeitstag bzw. Arbeitstag zu werten sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2020 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.06.2020 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und ergänzend ausgeführt, der Vertrag zwischen dem künftigen Arbeitgeber und ihr sei bereits beschlossene Sache gewesen und hätte nur noch unterzeichnet werden müssen. Es handele sich um eine Rechtsfrage, ob der Begriff „Probearbeitstag“ erweitert werden müsse auf den Tag der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages und ob dieser Tag bereits als faktischer Beginn des tatsächlichen Arbeitsverhältnisses anzusehen sei. Es habe sich bei der unfallbringenden Tätigkeit auch keinesfalls um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt. Unabhängig davon, ob die Klägerin ihren Einkaufskorb in ihr Auto habe bringen wollen oder nicht, wäre der Unfall passiert.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Im Termin der mündlichen Verhandlung hat das SG die Klägerin angehört (vgl. Niederschrift vom 22.10.2021) und mit Urteil vom 22.10.2021 unter Aufhebung des Bescheides vom 26.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2020 die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 03.07.2019 zurückzunehmen und das Ereignis vom 15.03.2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Versicherungsschutz ergebe sich zwar nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, weil der Abschluss des in Aussicht genommenen Arbeitsvertrages noch nicht erfolgt gewesen sei. Der Versicherungsschutz ergebe sich aus § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt. Nach den Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung sei die ursprünglich für lediglich drei Tage vereinbarte Probearbeit am Unfalltag zwar bereits beendet gewesen. Die Klägerin habe aber auf eigene Initiative und im Einverständnis mit dem Unternehmer die Probearbeit unverändert fortgesetzt. Gegenstand der Tätigkeit sei die Einarbeitung auf dem in Aussicht genommenen Arbeitsplatz gewesen unter Anleitung der bisherigen Stelleninhaberin. Hieraus, nämlich aus der Verkürzung der erforderlichen Einarbeitungszeit nach Abschluss des Arbeitsvertrags ergebe sich auch der wirtschaftliche Wert für das Unternehmen. Damit seien die Voraussetzungen für eine „Wie-Beschäftigung“ erfüllt. Zwar sei der Weg der Klägerin, um ihren Einkaufskorb in ihr privates Auto zu verbringen, als eigenwirtschaftlich und damit als grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz stehend zu werten. Anderes ergebe sich aber dann, wenn Umstände aus dem versicherten Risiko rechtlich wesentlich zum Unfall beigetragen hätten. So liege der Fall hier. Ausgangspunkt sei die Feststellung, dass es sich beim Begehen der Treppe um einen Weg im Betrieb handele. Nach den Schilderungen im Termin zur mündlichen Verhandlung handele es sich um eine Außentreppe, die den Zugang zu den im ersten Obergeschoss befindlichen Betriebsräumlichkeiten ermögliche. Im Erdgeschoss befänden sich Garagen. Weitere Unternehmen oder Stockwerke würden durch die Treppe nicht erschlossen. Die Treppe sei deshalb als betriebliche Einrichtung und das Begehen derselben als Weg innerhalb des Betriebs anzusehen. Zudem sei mit dem Begehen einer Treppe eine Gefahrerhöhung verbunden, die – dies zeige der Sturz – rechtlich wesentlich zu dem Unfall beigetragen habe.

Gegen das der Beklagten am 15.03.2022 zugestellte Urteil hat diese am 25.03.2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, das SG habe unberücksichtigt gelassen, dass die Probearbeit bereits beendet gewesen sei, als sich der Unfall ereignet habe. Der Unfall habe sich weder bei einer arbeitsbezogenen Verrichtung noch im Rahmen von Vertragsverhandlungen, die ebenfalls eigenwirtschaftlich und damit unversichert wären, ereignet, sondern auf dem Weg vom Büro des Unternehmers zum Privatfahrzeug der Klägerin, um dort den privaten Einkaufskorb zu verstauen. Die Handlungstendenz im Unfallzeitpunkt sei allein darauf gerichtet gewesen, diesen in ihr Privatauto zu verbringen. Um den Versicherungsschutz begründen zu können, müsse im Unfallzeitpunkt und nicht Stunden oder auch nur Minuten zuvor eine fremdwirtschaftliche Tätigkeit erbracht werden. Im Übrigen habe die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Termin während der Probearbeit keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert für das Unternehmen verrichtet, sodass auch deshalb kein Versicherungsschutz gegeben sei. Soweit das SG auf einen Betriebsweg abstelle und von einer Gefahrenerhöhung durch eine genutzte Treppe, sei dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse gleichfalls nicht haltbar. Mangels versicherter Tätigkeit komme es auf diese Aspekte nicht an. Kennzeichnend für den Betriebsweg sei, dass dieser entweder in Ausübung der versicherten Tätigkeit oder im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt werde und nicht lediglich der versicherten Tätigkeit vorausgehe oder sich ihr anschließe. Ob das Begehen der Treppe zum Unfallzeitpunkt mit einer Gefahrenerhöhung verbunden war, könne damit ebenfalls dahingestellt bleiben. Entferne sich ein Beschäftigter zu einer privaten Zwecken dienenden Verrichtung von seinem Arbeitsplatz und verunglücke er dabei durch einen Betriebsvorgang oder eine betriebliche Gefahr, der er ohne die Unterbrechung nicht ausgesetzt gewesen wäre, bestehe kein innerer Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Der Beschäftigte stoße in diesem Fall erst durch seine private Tätigkeit auf die betriebliche Einrichtung und daraus möglicherweise resultierende Gefahren.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2021 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, es sei egal, ob sie beabsichtigt hatte, Akten oder Pläne des Architekturbüros über diese betriebliche Treppe zu befördern oder einen Einkaufskorb. Grundsätzlich sei das Begehen einer Treppe im Betrieb immer eine Gefahrerhöhung, die – dies zeige das leider äußerst ungünstige Ergebnis – wesentlich zum Unfall beigetragen habe, zumal ihr die Treppe ja auch (noch) nicht in ihrem Verlauf genau bekannt gewesen sei.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung der Beklagten ist auch in der Sache begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn die Klägerin wird durch die Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses vom 15.03.2019 als Arbeitsunfall nicht in ihren Rechten verletzt.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die zulässigerweise erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Anerkennung des Ereignisses vom 03.09.2018 als Arbeitsunfall im Wege des Zugunstenverfahrens, nachdem diese gemäß § 77 SGG zwischen den Beteiligten durch den nicht mit Rechtsmitteln angefochtenen Bescheid vom 03.07.2019 bindend abgelehnt wurde. Diese Klage ist entgegen der Auffassung des SG unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 03.07.2019 und auf Anerkennung des Ereignisses vom 15.03.2019 als Arbeitsunfall.

Begehrt die Klägerin – wie hier – die Zurücknahme eines sie belastenden Verwaltungsakts, ist Rechtsgrundlage § 44 SGB X. Denn danach ist ein Sozialleistungsträger verpflichtet, einen Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Feststellungen in Bezug auf einen Arbeitsunfall unterfallen indes gleichwohl § 44 Abs. 1 SGB X, obwohl sie nicht unmittelbar auf Sozialleistungen gerichtet sind (vgl. Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X [Stand: 23.02.2022], Rn. 64_1, m.w.N.).

Die Beklagte ist vorliegend der hier sachlich zuständige Versicherungsträger, weil sich deren Zuständigkeit aus § 121 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der § 3 Abs. 1 Nr. 13 der Satzung der Beklagten vom 14.12.2011 in der Fassung des 11. Nachtrages vom 11.07.2019 ergibt (Versicherungsschutz für ein Architekturbüro), und hierfür kein anderer Unfallversicherungsträger zuständig ist. Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII, der eingreift, wenn Personen, die der Meldepflicht nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch unterliegen, einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachkommen, scheidet vorliegend aus, nachdem eine Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, das Bauatelier W1 im Rahmen einer Probearbeit aufzusuchen, sich lediglich auf die Zeit vom 11.03.2019 bis 13.03.2019 bezog. Die Klägerin macht auch nicht geltend, dass diese Probearbeit in Absprache mit der Agentur für Arbeit auf den Unfalltag verlängert worden ist. Vielmehr haben der potentielle Arbeitgeber und die Klägerin eine solche Verlängerung nach deren Einlassungen im Termin vor dem SG einvernehmlich vereinbart, obwohl diese Verlängerung aus Sicht des Arbeitgebers – so die Einlassungen – nicht erforderlich war. Der Aufenthalt der Klägerin auf dem Grundstück des Bauateliers W1 beruhte daher am 15.03.2019 nicht mehr auf einer Aufforderung der Bundesagentur, weshalb auch die Zuständigkeit der Unfallversicherung Bund und Bahn nicht gegeben ist (§ 125 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII). Versicherungsschutz ergibt sich auch nicht aus satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten (§ 3 SGB VII i.V.m. § 5 der Satzung), weil die Klägerin nicht zu den dort genannten Personengruppen gehört

Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind die §§ 2, 7 und 8 SGB VII. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist daher in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R -, juris, m.w.N.).

Es fehlt vorliegend an einem inneren Zusammenhang mit einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit, denn die Klägerin befand sich weder in Erfüllung einer Pflicht aus einem Beschäftigungsverhältnis auf dem Weg zu ihrem PKW noch lässt sich eine dem Unternehmen zu dienen bestimmte Handlungstendenz (vgl. Wolfgang Keller in: Hauck/Noftz SGB VII, § 8 Arbeitsunfall, Rn. 153a) feststellen. Eine konkrete Verrichtung ist in der gesetzlichen Unfallversicherung nur dann versichert, wenn sie subjektiv – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Handlungen, die keinen gesetzlichen oder freiwillig versicherten Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllen, können das Versichert-Sein einer Person und ihren Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht begründen (BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R -, juris). Ein solch innerer Zusammenhang bestand hier eindeutig nicht. Denn die Klägerin verfolgte in dem Moment, als sie den Weg über die Treppe zum Parkplatz nahm, auf dem sich ihr PKW befand, allein eigenwirtschaftliche Ziele. Objektiv übte sie keine Tätigkeit aus, die im Zusammenhang mit der zuvor ausgeübten Probearbeit oder einer beabsichtigten Aufnahme der Tätigkeit als Chefsekretärin des Inhabers eines Architekturbüros stand. Die Probearbeit war an diesem Tag bereits beendet. Die Klägerin befand sich allein auf dem Betriebsgrundstück, wie sie gegenüber dem SG angab, alle anderen Angestellten hatten sich bereits ins Wochenende verabschiedet, sie musste die Tür zum Büro angelehnt lassen, damit sie nach dem Aufsuchen ihres Pkw das Büro wieder betreten konnte. Eine Wiederaufnahme einer betriebsdienlichen Tätigkeit nach Beendigung des Gespräches war nicht beabsichtigt. Auch nach ihren Einlassungen stand das Ziel des gewählten Weges nicht in einem betrieblichen Zusammenhang, denn – wie sie im Termin vor dem SG angab – wählte sie den Weg über die Außentreppe, bei dem sich der Sturz ereignete, um den Einkaufskorb in ihr Kraftfahrzeug zu verbringen. Sie befand sich damit gerade nicht auf einem Betriebsweg. Ein Betriebsweg unterscheidet sich von einem Weg nach bzw. von dem Ort der Tätigkeit (Abs. 2 Nr. 1) dadurch, dass er in unmittelbar betriebs-dienlicher Handlungstendenz, bei Beschäftigten regelmäßig in Erfüllung einer Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zurückgelegt wird und dieser Tätigkeit nicht lediglich unmittelbar vorangeht oder sich ihr anschließt (Wolfgang Keller a.a.O., § 8 Arbeitsunfall, Rn. 32, m.w.N.). Es muss in diesem Zusammenhang nicht weiter ausgeführt werden, dass diese Handlungstendenz, die darauf gerichtet war, in der Mittagspause erworbene Lebensmittel im Auto zu verstauen bis ein beabsichtigtes Gespräch mit dem Firmeninhaber stattfinden kann, auch nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Aufgaben, die eine (zukünftige) Chefsekretärin des Firmeninhabers im Betriebsinteresse auszuführen hat, steht, und daher aus rein eigenwirtschaftlichem Interesse erfolgte.

Soweit das SG den Versicherungsschutz daraus folgert, dass Umstände aus dem versicherten Risiko rechtlich wesentlich zum Unfall beigetragen haben, folgt der Senat dem nicht.

Es entspricht zwar ständiger BSG-Rechtsprechung, dass ein abhängig Beschäftigter ausnahmsweise auch bei eigenwirtschaftlichen Verrichtungen unter Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stehen kann, wenn sich im Wesentlichen wegen seiner versicherten Tätigkeit eine „besondere Betriebsgefahr“ oder anders formuliert eine „spezifische Gefahr der versicherten Tätigkeit“ (vgl. Mutschler, SGb 2011, 684, 685) verwirklichte. Versicherte erleiden danach unabhängig von der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung und der dabei zugrundeliegenden Handlungstendenz einen Arbeitsunfall, wenn der Unfall durch eine spezifische Gefahr verursacht wird, die der versicherten Tätigkeit aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu dieser Gefahr zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R -, juris, Rn. 24; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.05.2016 - L 6 U 836/16 -, Rn. 32, juris, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2023 - L 1 U 2032/22 -, Rn. 31, juris).

Die Annahme eines Versicherungsschutzes aus diesem Grund setzt zunächst aber das Vorliegen einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit voraus, die nur deshalb nicht für die Anerkennung als Arbeitsunfall herangezogen werden kann, weil ein grundsätzlich Versicherter im Zeitpunkt der konkreten Verletzungshandlung/des Unfallereignisses aufgrund eines fehlenden inneren Zusammenhangs mit dieser versicherten Tätigkeit (Pausen, Nahrungsaufnahme etc.) nicht unter Versicherungsschutz steht. Entgegen der Auffassung des SG fehlt es (auch) an einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit.

Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter liegt nicht vor. Dies setzte voraus, dass der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen nach dessen Weisungen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Es kommt dabei objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 31.03.2022 - B 2 U 13/20 R -, juris, Rn. 24, m.w.N.). Ausgehend hiervon lag eine entsprechende Eingliederung in den Betrieb nicht vor. Die Klägerin hatte im Termin vor dem SG bezogen auf die ersten drei Tage Probearbeiten angegeben, dass sie ihrer Vorgängerin zugeguckt habe. Diese habe ihr auch alles gezeigt. Sie habe Fragen gestellt und sich Notizen gemacht. Die Frage, ob sie irgendetwas mitgearbeitet habe, verneinte sie ausdrücklich und verwies darauf, dass es für sie viel Neues gab, sie mit dem Bausektor zuvor nichts zu tun gehabt habe, sich Notizen gemacht habe. Ihr seien zum Teil auch Dinge gezeigt worden, für die sie dann später gar nicht zuständig sein sollte. So habe sie beispielsweise den Bauzeichnern bei ihrer Arbeit zugesehen und habe auch die ganzen Unterlagen gezeigt bekommen, die hier täglich verarbeitet werden. Ferner wurden ihr die Bearbeitung von E-Mails und Anfragen gezeigt, die bearbeitet werden. Diese „Beschäftigung“ habe sich dann auch so am Donnerstag und Freitag fortgesetzt. Diese Einlassungen belegen, dass die Klägerin eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen des Architekturbüros und nach dessen Weisung auch am Donnerstag und Freitag, nach Ende der durch die Agentur für Arbeit vermittelten Probearbeit am Mittwoch, noch nicht zu erbringen hatte. Das Probearbeitsverhältnis hatte in der Woche des verabredeten „Probearbeitens“ nie das Stadium eines „Kennenlernens“ von Betrieb und Mitarbeitern sowie der vakant werdenden konkreten Tätigkeit als Chefsekretärin für den Fall, dass Einigung über die Vertragsmodalitäten erreicht werden kann, verlassen. Ein Arbeitsvertrag war noch nicht geschlossen, da die Modalitäten nicht abschließend geklärt waren und das für den Abend angedachte Gespräch diese erst klären sollte. Ganz offensichtlich befanden sich die Klägerin und das Unternehmen noch in einer unverbindlichen, vorvertraglichen Phase, auch wenn bereits am Mittwoch zumindest auf Seiten des Arbeitgebers – so dessen Einlassungen und die Angaben der Klägerin im Termin vor dem SG, ein – noch unkonkretes – Einstellungsangebot unterbreitet worden ist. Damit scheidet ein Versicherungsschutz als „Beschäftigte“ aus.

Die Klägerin war am Unfalltag auch nicht als Wie-Beschäftigte gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII kraft Gesetzes versichert. Voraussetzung einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (st. Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteile vom 19.06.2018 - B 2 U 32/17 R - und vom 20.03.2018 - B 2 U 16/16 R -, beide juris). Die Ähnlichkeit mit einem Beschäftigtenverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB VII verlangt dabei aber nicht, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. § 7 SGB IV erfüllt sind. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass der Tätigwerdende von dem unterstützten Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängt. Ebenso wenig ist eine Eingliederung in das fremde Unternehmen erforderlich. Denn liegt eine solche Eingliederung vor, dürfte regelmäßig bereits eine Beschäftigung iSd § 2 I Nr. 1 SGB VII gegeben sein (Spellbrink/Bieresborn: Die Wie-Beschäftigung in der Gesetzlichen Unfallversicherung, NJW 2019, 3745, beck-online). Eine versicherte Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII setzt deshalb voraus, dass hinsichtlich der Handlung die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung anstatt der Merkmale einer unternehmerischen, selbstständigen Tätigkeit überwiegen und keine Sonderbeziehung besteht, die der wesentliche Grund für die Handlung war (vgl. BSG Urteil vom 16.03.2021 - B 2 U 3/19 R -, juris RdNr. 17). Dabei kann grundsätzlich auch eine nur geringfügige und kurze Tätigkeit einem Unternehmen dienen.
Der Senat verneint – entgegen der Auffassung des SG – aus den bereits oben dargestellten Gründen eine von der Klägerin während der Probearbeit verrichtete Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert. Sie stand während der Zeit der Probebeschäftigung nicht als sogenannte „Wie-Beschäftigte“ nach § 2 Abs. 2 SGB VII unter Versicherungsschutz. Bei Probearbeiten ist eine Wie-Beschäftigung etwa bejaht worden, wenn der Versicherte als Dritter (§ 267 Abs. 1 Satz 1 BGB) Leistungen bewirkt, die der potentielle Arbeitgeber seinen Kunden schuldet, und der Versicherte als "kostenloser" Mitarbeiter entsprechende Forderungen der Kunden nach § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen bringt (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2022 - B 2 U 13/20 R -, juris, Rn. 26 m.w.N.) oder bei einem Unfall während einer Mithilfe bei der Müllbeseitigung im Rahmen einer Probearbeit als Müllarbeiter (BSG, Urteil vom 20.08.2019 - B 2 U 1/18 R -, juris). Die Klägerin hat nach ihren Einlassungen gegenüber dem SG nicht tatsächlich mitgearbeitet, sondern sich lediglich Arbeitsabläufe, auch solche, die nicht zu ihrem potentiellen Aufgabengebiet gehören sollten, zeigen lassen. Die Klägerin war lediglich Hospitantin im Betrieb des Architekturbüros, um Einblick in den für sie weitgehend unbekannten Geschäftsbetrieb, wie selbst angegeben hat, zu nehmen und um entscheiden zu können, ob die konkrete Tätigkeit für sie auch tatsächlich in Betracht kommt. Ihr waren noch keine Aufgaben übertragen, die sie ggf. unter Anleitung abzuarbeiten hatte. Nur so lässt sich erklären, dass die Klägerin nach Ablauf der über die Agentur für Arbeit vermittelten Probearbeit hinaus, noch zwei weitere Anwesenheitstage im Betrieb mit dem potentiellen Arbeitgeber vereinbarte. Das Eigeninteresse des Unternehmens an einer geeigneten Personalauswahl, dem sicherlich ein gewisser Wert zukommt, genügt für die Annahme einer dem Unternehmen dienenden Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert insoweit aber nicht (BSG, Urteil vom 31.03.2022 – B 2 U 13/20 R –, juris, Rn. 27).

Bei der Annahme einer Versicherung wegen der Verwirklichung einer „besonderen Betriebsgefahr“ handelt sich um eine Ausnahme vom grundsätzlichen Erfordernis einer betrieblichen Tätigkeit im Zeitpunkt des Versicherungsfalls (vgl. Mutschler, NZS 2014, S. 647 ff., 648). Der Versicherungsschutz auf dieser Grundlage ist durch den Sinn und Zweck der Unfallversicherung begründet, die Beschäftigten gegen die Gefahren des Betriebs zu versichern, denen sie wegen ihrer Beschäftigung dort ausgesetzt sind, und die Unternehmen von möglichen Schadensersatzansprüchen ihrer Beschäftigten freizustellen (BSG, 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R -, juris, Rn. 25f.). Der für die Annahme der Verwirklichung einer „besonderen Betriebsgefahr“ erforderliche Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem geprüft wird, ob eine sich verwirklichende Gefahr der Sphäre der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2023 - L 1 U 2032/22 -, Rn. 32, juris). Da jedoch die versicherte Tätigkeit Mitursache des Unfalls nur ist, wenn sie diesen wesentlich bedingt hat, kann bei einer privaten Zwecken dienenden Verrichtung nicht allein deshalb, weil eine Betriebseinrichtung oder ein Betriebsvorgang an dem Unfallgeschehen mit beteiligt waren, stets und ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles angenommen werden, die versicherte Tätigkeit sei eine Mitursache des Unfalls (BSG, Urteil vom 22.01.1976 - 2 RU 101/75 -, juris, Rn. 21). Es ist in der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich kein Raum für die Annahme eines sog. Betriebsbanns, nach dem der Versicherungsschutz im Falle der Einwirkung besonderer, einem Betrieb eigentümlicher Gefahren auch auf Tätigkeiten erstreckt wird, die sonst dem privaten Lebensbereich zugerechnet werden.

Es fehlt damit an Feststellungen des SG dazu, dass sich durch das Begehen der Treppe nicht nur lediglich eine alltägliche Gefahr verwirklicht hat, sondern eine spezifische Gefahr, die der versicherten Tätigkeit aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu dieser Gefahr zuzurechnen ist. Dabei dürfte nicht jede Treppe bereits als gefahrerhöhendes Moment gewertet werden können, wenn nicht Umstände des Einzelfalles (Nässe, Eis, ein Belag, der Stürze begünstigt, Lichtverhältnisse) hinzutreten, die hier nicht festgestellt und sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R, juris Rn. 19 ff.). Allein die Tatsache, dass es auf der Treppe zu einem Sturz gekommen ist, vermag den Senat nicht von einer spezifischen Gefahr überzeugen, auch wenn es sich insoweit um eine Außentreppe handelt, die nach Einlassungen der Klägerin aber nur acht bis zehn Stufen umfasste und „rechtwinklig“ verläuft. Entsprechende Umstände sind von der Klägerin nicht dargelegt worden, weshalb auch aus diesem Grund eine Anerkennung als Arbeitsunfall ausscheidet und die keine Verpflichtung der Beklagten besteht, den Bescheid vom 03.07.2019 zurückzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin mit dem von ihr geltend gemachten Begehren.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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