L 8 BA 373/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 BA 2472/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 BA 373/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Bei der Prüfung, ob von einem Arbeitgeber durch Entgeltumwandlung gewährte Zusatzleistungen in Gestalt von Internetpauschalen, Kindergartenzuschüssen, Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte sowie Restaurantgutscheinen beitragspflichtiges Arbeitseinkommen gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV iVm § 1 § 1 Abs. 1 S. 1 SvEV darstellen, ist auf die arbeitsvertraglich geregelten Entgeltmodalitäten abzustellen. Insofern kommt es nicht auf die davor geltenden Vergütungsmodalitäten an, sondern es sind ausschließlich die im Zeitpunkt des Zuflusses der zu prüfenden Leistungen geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen zu prüfen (vgl. BFH, Urteil vom 01.08.2019 – VI R 32/18 –, juris Rdnr. 20 ff.).
2. Vom Arbeitgeber durch Entgeltumwandlung unter Freiwilligkeitsvorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für die Zukunft gewährte Zusatzleistungen stellen dann kein beitragspflichtiges Einkommen dar, wenn es sich bei den freiwilligen Zusatzleistungen um von der Grundvergütung rechtlich getrennte Leistungen und nicht um Surrogate derselben handelt. Dies ist dann der Fall, wenn die durch die Entgeltumwandlung verminderte Grundvergütung auch bei Wegfall der Zusatzleistung weiterhin gilt und daher in einem solchen Fall nicht automatisch wieder Anspruch auf die Grundvergütung in der ursprünglichen Höhe besteht. Da allein die rechtliche Abtrennbarkeit und Eigenständigkeit maßgeblich ist, ist die Ausweisung der Verminderung der Grundvergütung als Lohnverzicht in den Gehaltsabrechnungen kein maßgebliches Kriterium. Wesentlich ist vielmehr, dass die Höhe und das Fortbestehen der Verringerung der Grundvergütung rechtlich getrennt und unabhängig vom Bestand der freiwilligen Leistungen vereinbart wurden.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.01.2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 23.241,14 € festgesetzt.



Tatbestand


Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung der Beklagten von sozialversicherungsrechtlichen Beiträgen und Umlagen i.H.v. insgesamt 23.241,14 €.

Die Klägerin ist eine auf die Herstellung sowie den Import und Export von Furnieren spezialisierte GmbH mit Firmensitz in K1. Die Beigeladenen zu 1) bis 21) sind bzw. waren bei ihr abhängig beschäftigt. Aus den Entgeltabrechnungen mit den Beigeladenen zu 1) bis 21) ergibt sich die Vereinbarung eines Gehalts-/Lohnverzichtes. Diesem lag jeweils eine Änderung zum Arbeitsvertrag zugrunde, in welcher die bisherige Vereinbarung über die monatliche steuerpflichtige Vergütung jeweils um einen näher bestimmten Betrag bezogen auf die vertraglich vereinbarte Grundvergütung, nicht aber auf im Einzelnen weiter aufgeführte Zusatzentgelte reduziert wurde. Ebenfalls schloss die Klägerin mit den Beigeladenen zu 1) bis 21) im September und Oktober 2015 jeweils eine „Vereinbarung über Zusatzleistungen“. Hierin ist unter anderem geregelt, dass die Klägerin freiwillig und ohne Begründung einer Rechtspflicht auf weitere Zahlungen in der Zukunft zu den Aufwendungen der Arbeitnehmer für die Internetnutzung einen jährlichen Betrag von maximal 600,00 € leistet. Weiterhin besteht danach die freiwillige, ohne Begründung einer Rechtspflicht auf weitere Zahlungen in der Zukunft gewährte Leistung der Klägerin für Aufwendungen für Fahrten Wohnung – Arbeit in Höhe von maximal 40,50 € im Kalendermonat. Weiterhin erklärte sich die Klägerin für die freiwillige Gewährung eines Zuschusses zur Kinderbetreuung im Monat mit maximal einem Betrag in Höhe von 338,00 € ohne Begründung einer Rechtspflicht auf weitere Zahlungen in der Zukunft bereit. In der Vereinbarung wurde auch unter anderem die Bereitstellung von Restaurantschecks jeweils im Wert von 6,10 € und monatlich im Gesamtwert von 91,50 € geregelt. Die konkrete Art der vereinbarten Zusatzleistungen war bei den Beigeladenen zu 1) bis 21) unterschiedlich.

Vom 03.05.2018 bis 26.10.2018 führte die Beklagte bei der Klägerin hinsichtlich des Zeitraums vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 eine Betriebsprüfung durch. Für die Zeit ab 01.01.2015 berechnete die Beklagte eine Nachforderung von Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie zu entrichtenden Umlagen in Höhe von insgesamt 23.241,14 €.

Die Beklagte sah die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 21) als sozialrechtlich unbeachtlich an und berechnete die Beitrags- und Umlageforderung auf dieser Basis. Hierzu hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2018 an und informierte über die beabsichtigte Nachforderung in Höhe von 23.871,49 €.

Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte mit Schreiben vom 19.11.2018 mit, dass die Leistungen mit Zusätzlichkeitserfordernis und unter arbeitsvertraglich wirksamem Freiwilligkeitsvorbehalt geleistet worden seien. Auch sei ein Teil der zum Ansatz gebrachten Beträge rechnerisch nicht zutreffend.

Mit Bescheid vom 12.12.2018 machte die Beklagte eine Nachforderung in Höhe von 23.241,14 € für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 gegenüber der Klägerin geltend. Die Klägerin habe im Rahmen der Entgeltoptimierung Kindergartenzuschüsse, Internetpauschalen, Kosten für Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte und Restaurantgutscheine gewährt, welche Arbeitsentgelt darstellen würden. Hierbei gelte das Zusätzlichkeitserfordernis. Die Sozialversicherungspflicht folge aus der Lohnumwandlung des geschuldeten Arbeitsentgeltes. Unter Vorbehalt stelle die Beklagte bezüglich der Lohnarten Sachbezug/Warengutschein bis zur 44-EUR-Freigrenze und Werbeflächen aktuell analog zu den Entscheidungen des Bayrischen LSG vom 19.03.2013 (L 14 R 586/14) und LSG Baden-Württemberg vom 10.05.2016 (L 11 R 4048/15) noch keine Beitragspflicht fest. Das zu erwartende Urteil des BSG unter dem Aktenzeichen B 12 R 80/17 B und B 12 R 21/18 R sei jedoch unmittelbar nach der Rechtskraft auszuwerten.

Der Bevollmächtigte der Klägerin legte mit Schreiben vom 10.01.2019 Widerspruch ein. Die Klägerin habe mit einem Teil der Belegschaft in die Zukunft gerichtete Neufassungen der Vergütungsvereinbarungen geschlossen. In deren Rahmen verzichteten die Arbeitnehmer unbedingt und unwiderruflich auf einen Teil ihrer bisher vereinbarten Vergütung und sie hätten keine rechtliche Möglichkeit, die vor Vertragsnovation gewährte Vergütung nach deren Novation einseitig erneut zu begehren. Diese Änderungen seien arbeitsrechtlich wirksam, und auch tarifvertragliche Regelungen stünden nicht entgegen. Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 19.09.2012 (VI R 54/11uncl IV R 56/11) sei das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" dergestalt auszulegen, dass es sich insoweit um Lohn handeln müsse, auf den der Arbeitnehmer keinen arbeitsrechtlichen Anspruch habe. Danach sei das Tatbestandsmerkmal ,,zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" dann erfüllt, wenn die o. g. Leistungen arbeitsrechtlich freiwillig gewährt würden. Dies sei vorliegend der Fall. Weder aus dem Vertragstext, noch aus betrieblicher Übung heraus könnten die Arbeitnehmer einen arbeitsrechtlich einklagbaren Anspruch auf Gewährung der Zuschüsse ableiten. Da die Finanzverwaltung dieser Rechtsprechung jedoch nicht folge (vgl. BMF-Schreiben vom 22.5.2013, BStBI 2013, 1, 728), seien mittlerweile unter den Az. VI R 21/17 und VI R 40/17 zwei Verfahren zur neuerlichen Klärung dieser Rechtsfrage beim BFH anhängig. Gem. § 33 Abs. 2 S. 2 Abgabenordnung (AO) hätten finanzrechtliche Einspruchsverfahren insoweit zu ruhen. Es werde ein entsprechendes Vorgehen im hiesigen Verfahren angeregt. Die Mahlzeitengestellung durch die Restaurantgutscheine sei nicht als Lohnbestandtell vereinbart worden. Im Krankheits- bzw. Urlaubsfalle erhielten die Mitarbeiter für die betreffenden Tage keine Restaurantschecks und hätten auch keinen Anspruch auf einen höheren Barlohn. Gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) könne der Arbeitgeber die Lohnsteuer daher mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben. Die Mahlzeitengestellungen seien somit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei eine Absenkung des bisherigen, aufgrund bestehender Arbeitsverträge zustehenden Bruttolohns
zugunsten diverser Sachzuwendungen erfolgt. Eine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung komme für die aus einer Entgeltumwandlung resultierenden Arbeitgeberleistungen nicht in Betracht. Es sei die restriktivere Auslegung der Finanzverwaltung, welche den Urteilen des BFH vom 19.09.2012 (VI R 54/11 und VI R 55/11) nicht folge, zu beachten, wonach das für bestimmte steuerrechtliche Tatbestände notwendige Zusätzlichkeitserfordernis nicht durch Entgeltumwandlungen erfüllt werde, sondern einer arbeits- oder dienstrechtlichen Grundlage hinsichtlich des Anspruchs auf eine zweckbestimmte Leistung bedürfe. Es komme somit keine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 bzw. 14 SvEV für die aus einer Entgeltumwandlung resultierende Arbeitgeberleistung in Betracht. Dies gelte für die Leistungen zur Kinderbetreuung, für die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von PCs einschließlich Zubehör und Internetzugang, für die Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung sowie für die Wegstreckenzuschüsse. Entsprechend hätten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge für diese Sachverhalte nachgefordert werden müssen. Die Ausgabe von Restaurantschecks durch den Arbeitgeber, die von einer Gaststätte oder vergleichbaren Annahmestelle bei der Abgabe einer Mahlzeit in Zahlung genommen würden, sei zwar steuer- und sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn, er sei aber statt mit dem tatsächlichen Wert der Restaurantgutscheine nur mit dem Sachbezugswert für ein Mittag- oder Abendessen anzusetzen. Eine Pauschalbesteuerung des Sachbezugswerts mit 25 % sei grundsätzlich zulässig, allerdings nicht, wenn die Restaurantgutscheine als Lohnbestandteil vereinbart worden seien. Im Falle der Pauschalversteuerung handele es sich nicht um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung. Vorliegend seien die Restaurantgutscheine jedoch als Lohnbestandteil vereinbart worden. Deshalb sei eine Pauschalbesteuerung nicht zulässig; entsprechend müssten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge nachgefordert werden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat am 26.08.2019 unter dem Aktenzeichen S 3 BA 2834/19 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Es sei sowohl das steuerrechtliche als auch das sozialrechtliche Zusätzlichkeitserfordernis erfüllt. Abzustellen sei auf den Leistungszeitpunkt und nicht auf einen in der Vergangenheit geschuldeten Arbeitslohn. Das steuerliche Zuflussprinzip sei maßgeblich. Zudem habe die am 01.08.2019 ergangene Entscheidung des BFH (VI R 32/18) klargestellt, dass ein Vergleich mit dem zuvor geschuldeten Bruttoarbeitslohn daher nicht gezogen werden könne. Die steuerlichen Regelungen würden gerade zur Privilegierung der zweckgebundenen Zuschüsse dienen, sodass dies auch sozialversicherungsrechtliche Geltung beanspruche.

Die Beklagte hat in der Klageerwiderung angeführt, dass sie die angegriffenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig halte. Sie hat sich hierfür maßgeblich auf das Urteil des BSG vom 23.02.2021 – B 12 R 21/18 R – und auf den Nichtanwendungserlass bezüglich des von der Klägerseite zitierten BFH-Urteils gestützt.

Mit Beschluss vom 04.02.2020 hat das SG gem. § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Die Klägerin hat das Verfahren mit Schreiben vom 18.08.2020 wieder angerufen. Das Verfahren wurde seither unter dem Aktenzeichen S 3 BA 2472/20 fortgeführt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.09.2020 das zum Urteil des BFH vom 01.08.2019 - VI R 32/18 - ergangene Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 05.02.2020 vorgelegt, wonach im Sinne des Einkommenssteuergesetzes Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht würden, wenn
1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
3. die Verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht werde.
Somit verbleibe die Beklagte bei ihrer im angefochtenen Bescheid bzw. im Widerspruchsbescheid dargelegten Rechtsauffassung.

Mit Beschluss vom 29.10.2020 hat das Gericht die Arbeitnehmer der Klägerin (Beigeladene zu 1) bis 21) sowie die zuständigen Sozialversicherungsträger (Beigeladene zu 22) bis 32) beigeladen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 30.10.2020 vorgetragen, dass die Rechtsansicht des BMF in einem identisch gelagerten Rechtsstreit mit Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 14.09.2020 (3 K 229/17) explizit verworfen worden sei. Zudem hat er einen Aufsatz des RiBFH a. D. T1 in der Ausgabe 3/2020 der Zeitschrift „Der Betrieb“ zur Rechtsprechung zum Zusätzlichkeitserfordernis vorgelegt. Es werde um eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gebeten.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 26.11.2020 angeführt, dass das Schreiben des BMF vom 05.02.2020 nach wie vor maßgeblich sei, daran ändere auch das Urteil des FG Nürnberg vom 14.09.2020 nichts. Mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG bestehe Einverständnis.

Mit Beschluss vom 11.03.2021 hat das Gericht die Beiladung der Beigeladenen zu 31) aufgehoben.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 06.05.2021 ausgeführt, dass die Finanzverwaltung - und mit ihr die Beklagte - abweichend von der Rechtsprechung zweier Bundesgerichte Zusätzlichkeit verneine, wenn eine zweckbestimmte Leistung durch Umwandlung des arbeitsrechtlich geschuldeten Arbeitslohns gewährt werde (R 3.33 Abs. 5 Satz 2 Altern. 2 LStR). Dabei verstehe sie ihre Formulierung "durch Umwandlung" als "im Anschluss an eine Umwandlung". Da Ansprüche, auf die wirksam verzichtet worden sei, nicht mehr bestünden und da nur solche Ansprüche umgewandelt werden könnten, die noch bestünden, beruhe die Auffassung der Verwaltung auf der Fiktion "geschuldet ist, was geschuldet war" (so auch BFH vom 1.8.2019 – VI R 32/18DStR 2019, 2247 Rdnr. 23). Auch wenn der Lohnformenwechsel schon länger zurückliege, werde so getan, als würden die Ansprüche, auf die verzichtet worden sei, noch immer bestehen und es könnten zweckgebundene Leistungen auf entfallene Ansprüche weiter angerechnet werden. Die Verwaltung leite mangelnde Zusätzlichkeit also aus einem fiktiven Sachverhalt ab. Im Nichtanwendungserlass (BMF vom 5.2.2020, DStR 2020, 292) bediene sich die Verwaltung darüber hinaus einer Rechtsfiktion, indem behauptet werde, Tariflöhne und tarifungebundene Löhne müssten nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gleichbehandelt werden, obwohl sie arbeitsrechtlich unterschiedliche Rechtsfolgen hätten. Zudem sei der Nichtanwendungserlass vom 05.02.2020 im Vorgriff auf eine Gesetzesänderung mit Wirkung zum 1.1.2020 ergangen (vgl. § 8 Abs. 4 EStG). Dies habe für den Streitfall jedoch keine Auswirkung, da nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Rückwirkungsverbot (vgl. BVerfG vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08) Gesetze, die höchstrichterlich geklärte Rechtsfragen im Ergebnis korrigierten, nicht rückwirkend erlassen werden könnten.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.06.2021 die Pressemitteilung zum Urteil des BSG vom 23.02.2021 (B 12 R 21/18 R) vorgelegt und hat mitgeteilt, dass sie sich durch dieses Urteil in ihrer Rechtsauffassung bestätigt sehe.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 25.10.2021 zum Urteil des BSG vom 23.02.2021 (B 12 R 21/18 R) mitgeteilt, dass dieses keine Auswirkungen auf den vorliegenden Sachverhalt habe. Bislang habe das BSG - wie auch der BFH - die Lohnverwendungsabrede vom arbeitsrechtlich zulässigen Lohnformenwechsel generell danach abgegrenzt, ob eine Anrechnung auf bestehende (und bereits verdiente) Lohnansprüche erfolgt sei, oder ob die für die Zukunft neu vereinbarte Lohnform gegenüber demjenigen Lohn, der nach einem diesbezüglichen Barlohnverzicht noch verblieben sei, zusätzlich erfolge. Nunmehr solle diese Abgrenzung nur noch gelten, wenn es um externe Versorgungsleistungen für das Alter gehe. Warum dies nicht für andere Zwecke auch gelte, werde nicht beantwortet. Stattdessen werde behauptet, dass Einnahmen, die lohnsteuerfrei seien, jedenfalls dann nicht i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt würden, wenn sie "als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung Bestandteil des Vergütungsanspruchs seien" (BSG aa0 Rdnr. 19). Dies sei deshalb absurd, weil dann steuerfreie Einnahmen sozialrechtlich nie zusätzlich wären, weil sie immer Lohncharakter hätten; andernfalls bedürfe es keiner Befreiung. Allerdings könnte man das BSG (rabulistisch) auch dahin interpretieren, dass es nur solche Gegenleistungen für Arbeit gemeint habe, auf die ein Anspruch bestehe, nicht aber solche, die freiwillig, also ohne Rechtspflicht gewährt würden. Danach würde Steuer- bzw. Beitragsfreiheit voraussetzen, dass die begünstigte Leistung nach Gutsherrenart, nämlich jederzeit entziehbar, gewährt sein müsse. Dies sei ebenfalls widersprüchlich.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 07.12.2021 angeführt, dass eine Gehaltsumwandlung sozialversicherungsrechtlich nur zulässig sei, wenn sie im Sinne eines Neuvertrages auf die Zukunft gerichtet sei (Novation). Es reiche nicht aus, die bestehenden vertraglichen Gehaltsabreden im Sinne einer steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Optimierung buchhalterisch umzuwidmen, um eine möglichst hohe Nettovergütung zu erzielen. Der Neuvertrag müsse für beide Seiten bindend und auf Dauer gerichtet sein. Regelungen, die die Gehaltsumwandlung mit einer auflösenden Bedingung oder Rückfallklausel in den ursprünglichen Vertragszustand vorsähen, stellten keine zulässige Gehaltsumwandlung dar. Regelungen, die ein einseitiges Rückkehrrecht des Arbeitnehmers in die vorherige Vereinbarung vorsähen, seien ebenfalls schädlich. Das BSG habe nunmehr zum beitragsrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis mit Urteil vom 23.02.2021 (B 12 R 21/18 R) zwischen einem für das Beitragsrecht der Sozialversicherung wirksamen Entgeltverzicht und dem beitragsrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis differenziert. Es habe zu dem entschiedenen Sachverhalt aus dem Jahr 2010 zwar den beitragsrechtlich wirksamen Entgeltverzicht bestätigt, jedoch die Zusätzlichkeit und damit die Beitragsfreiheit der anstelle des entfallenen Entgeltbestandteils gewährten Zuwendung in Form von steuerfrei behandelten Tankgutscheinen und Werbeflächenentgelten des Arbeitgebers ausgeschlossen. Diese seien nicht zusätzlich gewährt worden, da sie ein teilweises Surrogat für den Bruttolohnverzicht bildeten. Sie seien kausal mit den Beschäftigungen verknüpft und infolgedessen nicht als zusätzliche Einnahmen von der Zurechnung zum Arbeitsentgelt ausgenommen gewesen. Nicht anders stelle es sich vorliegend dar.

Das SG hat mit Schreiben vom 11.12.2021 einen Hinweis zur Rechtslage erteilt und auf den durch § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV postulierten Gleichlauf mit den Regelungen des Steuerrechts hingewiesen. Demnach sei es steuerrechtlich ohne Belang, dass den beigeladenen Arbeitnehmern vor dem Lohnverzicht ein höheres Gehalt zugestanden habe. Maßgeblich sei für die Beurteilung nur die gegenwärtige Lage. Hiernach erhielten die beigeladenen Arbeitnehmer einen verminderten Bruttolohn und zusätzlich sonstige Zuschläge (Internetzuschuss usw.). Nachdem der Gesetzgeber mit der Steuervergünstigung verwendungsgebundene Zwecke fördern wolle, sei nicht ersichtlich, weshalb diese zulässige Art der Nettolohnoptimierung sozialversicherungsrechtlich zu einem nachteiligen Ergebnis führen solle. Dem stehe insbesondere auch die Entscheidung des BSG vom 23.02.2021 (Az.: B 12 R 21/18 R) nicht entgegen. Die dort gegenständlichen Tankgutscheine seien wirtschaftlich anders zu beurteilen. Vielmehr stelle auch das BSG auf den gegenwärtigen Zeitpunkt nach Maßgabe des Zuflussprinzips ab. Es werde daher die Abgabe eines Anerkenntnisses angeregt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.12.2021 ausgeführt, dass das Zusätzlichkeitserfordernis im Steuerrecht grundsätzlich nicht durch Entgeltumwandlung erfüllt werden könne. Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung komme daher für die aus einer Entgeltumwandlung resultierende Arbeitgeberleistung nicht in Betracht.

Das SG hat mit Urteil vom 11.01.2022 ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG den Bescheid vom 12.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2019 aufgehoben. Die von der Klägerin gewährten Zusatzleistungen in Gestalt von Internetpauschalen, Kindergartenzuschüssen, Kosten für Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte sowie Restaurantgutscheine stellten Arbeitseinkommen i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV dar. § 1 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitsgebers als Arbeitsentgelt (SvEV) bestimme weiter, welche Arbeitgeberleistungen nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen und damit beitragsfrei seien. Die SvEV beruhe auf der Verordnungsermächtigung nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Für die in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 und 4a SvEV genannten Arbeitsentgelte gelte die Beitragsfreiheit nur, wenn diese „zusätzlich“ zu Löhnen und Gehältern gezahlt würden. Das Zusätzlichkeitserfordernis sei bei allen streitigen Leistungen erfüllt. Im Falle der Internetpauschale lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SvEV vor. Danach seien Einnahmen nach § 40 Abs. 2 des Einkommenssteuergesetzes nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Das Zusätzlichkeitserfordernis beziehe sich ausgehend von dem gesetzlich verankerten Grundsatz des Zuflussprinzips (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 und 4, § 38 Abs. 1 S. 2 und 3 EStG) auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung und mithin auf das, was vom Arbeitgeber gegenwärtig geschuldet werde. Nach diesem Verständnis sei ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel nicht begünstigungsschädlich für Steuertatbestände, die zu einer Steuerfreiheit bzw. einer Steuerpauschalierung führten. Wenn der Arbeitgeber den geschuldeten Bruttoarbeitslohn für die Zukunft durch Verzichtsvereinbarungen herabsetze, könne er diese Minderung durch Zusatzleistungen – wie den Internetzuschuss – steuerbegünstigt ausgleichen. Die Beklagte gehe von einer Fiktionswirkung in Form einer Schädlichkeit infolge der Barlohnumwandlung – durch den vereinbarten Verzicht sowie die gleichsam vereinbarten Zusatzleistungen – aus. Für diese Fiktionswirkung gebe es jedoch keine Anhaltspunkte im Gesetz. Vielmehr sei nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut nur maßgeblich was der Arbeitgeber schulde, und nicht etwas das, was er zuvor geschuldet habe (vgl. so auch BFH, Urteil vom 01.08.2019, Az.: VI R 32/18, juris). Das SG teile die Auffassung des Bundesfinanzhofs, dass ein solches Festhalten am zuvor geschuldeten – jedoch wirksam geänderten – Arbeitslohn kaum mit dem Grundsatz der arbeitsvertraglichen Privatautonomie vereinbar wäre.

Hieran ändere auch der mit Wirkung zum 29.12.2020 neu eingefügte § 8 Abs. 4 EStG nichts. Einerseits sei dieser zum maßgeblichen Zeitpunkt der Betriebsprüfung hinsichtlich des Zeitraums vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 noch nicht in Kraft gewesen. Andererseits lägen nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen der Norm auch in der aktuellen Fassung vor. Eine Herabsetzung nach § 8 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG liege unter Zugrundelegung des Zuflussprinzips nicht vor. Der Arbeitslohn umfasse nach einer einvernehmlichen und wirksamen Lohnumwandlung nur noch das, was der Arbeitgeber aufgrund des neuen Arbeitsvertrages schulde. Aus § 17 Abs. 1 S. 2 SGB IV ergebe sich eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der beitragsrechtlichen Betrachtung mit den Regelungen des Steuerrechts (vgl. auch §§ 15, 16 SGB IV). Die Internetpauschale stelle einen Zuschuss i.S.d. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG dar, sodass hierauf Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erhoben werde. Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV seien zum Arbeitsentgelt Einnahmen nach § 40 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes nicht hinzuzurechnen, weshalb Beiträge insoweit nicht anfielen. Dem stehe das Urteil des BSG vom 23.02.2021, Az.: B 12 R 21/18 R (juris) nicht entgegen. Das hier maßgebliche Zusätzlichkeitserfordernis habe in dieser Entscheidung nicht im Vordergrund gestanden. Dies zeige bereits der Umstand, dass sich das BSG nicht mit der deutlichen Entscheidung des BFH vom 01.08.2019, Az.: VI R 32/18 (juris) auseinandergesetzt habe.

Nach diesen Maßgaben seien auch die von der Klägerin gewährten Kindergartenzuschüsse von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV umfasst und würden zusätzlich von der Klägerin zum (nunmehr) geschuldeten Arbeitslohn erbracht. Die Kostenzuschüsse für die Fahrten Wohnung- Arbeitsstätte seien nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV i.V.m. § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) EStG ebenfalls nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Die Klägerin habe auch diese Zuschüsse freiwillig und zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet. Die Restaurantgutscheine stellten ebenfalls kein sozialpflichtiges Entgelt dar. Die Beitragsfreiheit ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV i.V.m. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12.01.2022 zugestellte Urteil am 10.02.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Beklagte verbleibe bei ihrer Auffassung, dass von der Zurechnung zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt nur echte zusätzliche Leistungen ausgenommen seien, auf die bisher kein Anspruch bestanden habe; Leistungen, welche (teilweise) an die Stelle des Vergütungsanspruchs stünden, seien dagegen Bestandteil dessen.

Bei einer Internetpauschale lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV nicht vor. Zwar seien Einnahmen nach § 40 Abs. 2 EStG nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen; jedoch seien die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Steuervergünstigungsnorm des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift könne der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetnutzung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zahlt. Zwar sehe das BMF das (einkommenssteuerrechtliche) Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn" auch dann als erfüllt an, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich einen Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung habe. Eine Gehaltsumwandlung sei aber auch nach Auffassung des BMF schädlich. Eine solche liege hier jedoch vor. Denn durch die Vertragsänderung solle gerade steuerpflichtiger Arbeitslohn in nicht steuerpflichtige Zuschüsse umgewandelt werden (so auch LSG Baden-Württemberg – L 11 R 4048/15). Davon abgesehen seien eine ggf. abweichende steuerrechtliche Behandlung durch das Finanzamt bzw. Entscheidungen der Finanzbehörden für die Sozialversicherungsträger nicht verbindlich (BSG 23.03.1998 – B 12 KR 17/97 R – SozR 3-2400 § 24 Nr. 15). Es entspreche dabei auch der gesetzgeberischen Intention (vgl. BT-Drucks. 7/4122 S. 32), dass sich die Regelungen weitgehend an die steuerrechtlichen Grundnormen über die Einnahmenermittlung annäherten, ohne deren Inhalt vollständig in das Sozialversicherungsrecht zu transformieren (vgl. insb. BT-Drucks. 7/4122 S. 33). Dadurch werde es ermöglicht, sozialrechtlich an sich unerwünschte Reflexe spezifisch steuerrechtlich motivierter Bestimmungsgrößen des der Abgabepflicht zu Grunde zu legenden Einkommens bei der Feststellung des Arbeitsentgelts auszuschließen (BT-Drucks. a.a.O.).

Die Kindergartenzuschüsse stellten teilweise Surrogate für den Bruttolohnverzicht und damit nicht abtrennbare, integrale Bestandteile der insgesamt vereinbarten neuen Vergütung dar. Dieser Zusammenhang sei gegeben, da der ursprüngliche Bruttolohn weiterhin relevant sei und auf seiner Basis künftige Gehaltsanpassungen oder Sonderzahlungen berechnet würden. Die Zuschüsse zu den Kinderbetreuungskosten seien daher nicht lohnsteuerfrei nach § 3 Nr. 33 EStG und damit beitragspflichtiger Arbeitslohn.

Bezüglich der Kosten für Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte sei aufgrund der Tatbestandswirkung der (zulässigen) steuerrechtlichen Behandlung für das Beitragsrecht der Sozialversicherung zum steuerrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis die restriktivere Auslegung der Finanzverwaltung zu beachten, wonach das für bestimmte steuerrechtliche Tatbestände notwendige Zusätzlichkeitserfordernis nicht durch Entgeltumwandlungen erfüllt werde, sondern einer arbeits- oder dienstrechtlichen Grundlage hinsichtlich des Anspruchs auf eine zweckbestimmte Leistung bedürfe. Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 bzw. 14 SvEV komme somit für die aus einer Entgeltumwandlung resultierende Arbeitgeberleistung nicht in Betracht.

Die ausgegebenen Restaurantgutscheine stellten nach Ansicht der Beklagten Sachbezüge dar, für die der maßgebende Sachbezugswert anzusetzen sei. Da die beigeladenen Arbeitnehmer nach den ergänzenden Vertragsvereinbarungen nur Anspruch auf Erhalt der Essenmarken, nicht jedoch auf ersatzweise Auszahlung des Gutscheinwertes gehabt hätten, lägen Sachbezüge vor (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2016), die der Beitragspflicht unterlägen.

Einnahmen, die nicht zusätzlich zu den Löhnen und Gehältern gewährt würden, wenn sie als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung Bestandteil des Vergütungsanspruches seien, stellten teilweise Surrogate für den Bruttolohnverzicht und damit nicht abtrennbare, integrale Bestandteile der insgesamt vereinbarten neuen Vergütung dar. Dieser Zusammenhang sei dann erfüllt, wenn der ursprüngliche Bruttolohn weiterhin relevant sei, weil auf seiner Basis künftige Gehaltsanpassungen und Sonderzahlungen berechnet und die Internetpauschale, Kindergartenzuschüsse, Kosten für Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte und Restaurantgutscheine als „neue Gehaltsanteile“ beurteilt würden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.01.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Klägerin hat zur Berufungserwiderung angeführt, dass zwar Steuer- und Sozialrecht zu einzelnen Rechtsfragen — z.B. zum Begriff des Arbeitslohns bzw. des Arbeitsentgelts — zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnten. Das sei aber dort nicht der Fall, wo für das Beitragsrecht eine Geltungsanordnung des Steuerrechts bestehe. Eine solche sei § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SvEV zu entnehmen, demzufolge Einnahmen nach § 40 Abs. 2 EStG dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen seien (vgl. auch Urteil des Bayerischen LSG vom 22.9.2021 – L 16 BA 11/20 sowie Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 10.05.2016 – L 11 R 4048/15). Die für das Beitragsrecht maßgebende Vorfrage, ob Einnahmen nach § 40 Abs. 2 EStG vorlägen, sei ausschließlich nach Steuerrecht zu beurteilen, weil nur dieses dessen Voraussetzungen bestimme. Das gelte nicht nur für die in den Fällen des § 40 Abs. 2 EStG nach Verwendungsart und Höhe im einzelnen geregelten Pauschalierungsvoraussetzungen, sondern auch für das steuerliche Zusätzlichkeitserfordernis, soweit es dort auch Tatbestandsmerkmal sei.

Bei der Lohnverwendungsabrede bleibe der Barlohnanspruch unverändert. Er könne aber dadurch zum Erlöschen gebracht werden, dass eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) angenommen werde. In diesem Fall werde die Ersatzleistung nicht "zusätzlich zum", sondern "in Erfüllung des" ohnehin geschuldeten Lohns erbracht und sei deshalb nicht zusätzlich. Demgegenüber sei bei der Novation, bei der für die Zukunft auf einen Teil des bisherigen Barlohnanspruchs arbeitsrechtlich wirksam verzichtet werde, der stattdessen gewährte begünstigte Lohn zum noch verbliebenen (ohnehin) geschuldeten Lohn zusätzlich. Das sei logisch zwingend, weil ein Anspruch, auf den wirksam verzichtet worden sei, nicht mehr geschuldet sein könne. Die früher von der Finanzverwaltung abweichend vertretene Auffassung, dass eine Barlohnumwandlung schädlich sei, beruhte — wie der BFH (Urteil vom 01.08.2019 – VI R 32/18DStR 2019, 2247) zutreffend erkannt habe — auf der Sachverhaltsfiktion, dass geschuldet sei, was geschuldet war. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder hätten mit BMF-Schreiben vom 05.02.2020 (DStR 2020, 292) nicht nur verfügt, dass das besagte BFH-Urteil vom 01.08.2019 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sei, sondern — in krasser Missachtung verfassungsrechtlicher Gewaltenteilungsgrundsätze — die nachgeordneten Behörden angewiesen, in allen offenen Fällen rückwirkend nicht das geltende Recht, sondern mögliche Kriterien einer künftigen Gesetzesänderung anzuwenden. Auch nachdem das BMF darauf hingewiesen worden sei, dass seine Weisung, die durch § 8 Abs. 4 EStG erfolgte massive Rechtsänderungen rückwirkend anzuwenden, als strafrechtlich relevante Aufforderung zum Rechtsbruch verstanden werden könne, habe es noch Monate gedauert, bis die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 05.01.2022 (DStR 2022, 51) verfügt habe, dass in allen offenen Fällen bis einschließlich 2019 das BFH-Urteil vom 01.08.2019 (VI R 32/18) anzuwenden sei, weil die Zusätzlichkeitsvoraussetzung bei einer arbeitsrechtlich wirksamen Gehaltsumwandlung erfüllt sei.

Wie der Wortlaut verdeutliche, enthalte § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG nicht das Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" (weshalb auch die Änderung durch § 8 Abs. 4 EStG insoweit nicht greife). Somit stelle sich die Frage der Zusätzlichkeit nicht, aus der die Verwaltung ursprünglich die Schädlichkeit einer Barlohnumwandlung abgeleitet habe. Vielmehr sei für die Pauschalierbarkeit die Ermittlung der begünstigten Leistung maßgebend. Nach R 40.2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 LStR sei die Pauschversteuerung nur zulässig, wenn die Mahlzeit mit dem maßgebenden Sachbezugswert zu bewerten oder der Verrechnungswert der Essensmarke nach R 8.1 Abs. 7 Nr. 4 b) LStR anzusetzen sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Denn die für den amtlichen Sachbezugswert maßgebenden Kriterien des R 8.1 Abs. 7 Nr. 4 a) LStR lägen vor. Und bei dem nach R 8.1 Abs. 7 Nr. 4 b) LStR maßgebenden Verrechnungswert der Essensmarke bleibe der vom Arbeitnehmer für eine Mahlzeit gezahlte Preis unter dem maßgebenden Sachbezugswert. Auch die Beklagte gehe davon aus, dass der Sachbezugswert zum Tragen komme, der die Pauschalierung ermögliche.

Im Übrigen sei das Urteil des BSG vom 23.2.2021 (B 12 R 21/18 RDStR 2021, 2212) vorliegend nicht einschlägig, da es zu Sachverhalten ergangen sei, deren Beurteilung hier nicht anstehe. Im Übrigen weiche das BSG - was die Abgrenzung des Barlohns vom Sachlohn betreffe - von der Rechtsprechung des BFH ab, wobei der Eindruck entstehe, dass dies eher versehentlich als bewusst geschehen sei (vgl. im Einzelnen Thomas, NZS 2022, 246). Das könne aber dahinstehen, da hier kein Sachverhalt zu beurteilen sei, auf den die Anwendung der Sachbezugsfreigrenze in Frage kommen könne. Das Beharren der Beklagten auf ihrem Rechtsstandpunkt sei nicht nachvollziehbar, da sie bereits im Jahr 2022 in über 20 gleichgelagerten Rechtsbehelfsverfahren Anerkenntnisse abgegeben habe. Auch werde gemäß jeweils diverser, übereinstimmender Mitteilungen der DRV Bund, der DRV Bayern-Süd, der DRV Braunschweig-Hannover, der DRV Nordbayern und der DRV Westfalen entsprechend der Absprache der Sozialversicherungsträger dem BMF-Schreiben vom 05.01.2022 für Zeiträume bis zum 31.12.2019 gefolgt. Alle Organisationseinheiten der Deutschen Rentenversicherung seien danach angewiesen, dem BMF-Schreiben entsprechend zu folgen. Demnach sei das Zusätzlichkeitserfordernis erfüllt, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn - wie vorliegend - zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt werde (Lohnformwechsel).

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 04.01.2023 vorgetragen, dass ihr eine übereinstimmende Absprache der Sozialversicherungsträger im Zusammenhang mit dem BMF-Schreiben vom 05.01.2022 nicht bekannt sei. Vielmehr habe eine telefonische Anfrage an einzelne Betriebsprüfdienste (DRV Rheinland, DRV Bund, DRV Westfalen, DRV Bayern-Süd) ergeben, dass es sich bei den vom klägerischen Bevollmächtigten genannten Verfahren jeweils um Einzelfallentscheidungen handele. Sofern dem klägerischen Bevollmächtigten eine „Anweisung an alle Rentenversicherungsträger“ bekannt sein sollte, bitte die Beklagte um Übersendung. Das BMF-Schreiben vom 05.02.2022 verweise zwar darauf, dass der ursprüngliche Nichtanwendungserlass vom 05.02.2020 keine Anwendung mehr finden solle und „in allen offen Fällen der Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 das BFH-Urteil vom 01.08.2018 (VI R 32/18) über den entschiedenen Fall hinaus anzuwenden sei.“ Nach Auffassung der Beklagten habe diese steuerliche Regelung keine Auswirkungen auf die Sozialversicherung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Bescheid vom 12.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die im Bescheid vom 12.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2019 festgesetzte Beitragsnachforderung in Höhe von 23.241,14 € ist nicht begründet. Das SG hat daher zu Recht diese Bescheide mit Urteil vom 11.01.2022 aufgehoben.

Das Urteil des SG vom 11.01.2022 ist zwar insoweit fehlerhaft, als die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG nicht erfüllt waren. Für das Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG ist die Zustimmung aller Prozessbeteiligten i.S.d. § 69 SGG, also der Klägerin, der Beklagten sowie aller Beigeladener erforderlich. Die Vorschrift dient aus rechtsstaatlichen Gründen dem Schutz der Verfahrensrechte sämtlicher Beteiligten (vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 12.05.2020 – B 12 R 12/19 B –, juris Rdnr. 9 ff.). Vorliegend haben die Beigeladenen einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG nicht zugestimmt. Der Fehler ist jedoch unbeachtlich, da er nur auf Rüge zu berücksichtigen ist (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 75 Rdnr. 17b). Zudem hat der Senat den Rechtsstreit am 12.05.2023 in einer mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden, so dass sämtliche Beteiligte die Gelegenheit hatten, ihre Verfahrensrechte wahrzunehmen. Somit liegen auch die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht vor.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) nicht (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV).

Bei versicherungspflichtig Beschäftigten wird in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)).

Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV i.d.F. der Bekanntmachung vom 12.11.2009 (BGBl I 3710) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Der gesetzlich nicht definierte Begriff der Einnahmen umfasst jeden geldwerten Vorteil (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 23.02.2021 – B 12 R 21/18 R –, juris Rdnr. 11 m.w.N.), der dem Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließt (BSG, Urteil vom 26.04.2018 – B 5 R 26/16 R – SozR 4-2600 § 96a Nr. 18, Rdnr. 22 m.w.N.). Hierzu gehören die Gegenleistungen des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung des Beschäftigten (BSG, Urteil vom 7.3.2007 – B 12 KR 4/06 RSozR 4-2400 § 14 Nr. 8 Rdnr. 15 m.w.N.). Darunter fallen in erster Linie der tarif- oder einzelvertraglich vereinbarte Bruttoverdienst (vgl. BSG, Urteil vom 14.7.2004 – B 12 KR 7/04 RSozR 4-2400 § 22 Nr. 1 Rdnr. 19), aber auch Sachbezüge (vgl. BT-Drucks 7/4122 S 32), also Sachgüter in Geldeswert. Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV).

§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV geht vom ungekürzten, nicht um Abgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und ähnliche Beträge geminderten Bruttolohn aus. Das Bruttolohnprinzip ergibt sich aus dem Zusammenhang mit § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Bei Vereinbarung eines Nettolohnes erfolgt die Hochrechnung auf den Bruttolohn, der Grundlage für die Berechnung der Beiträge ist. Das Prinzip erfährt eine gewisse Bestätigung durch § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV und dem darin enthaltenen Abzugsverbot für umgewandeltes Entgelt. Daraus folgt insgesamt, dass das Arbeitsentgelt um Abzugsbeträge oder andere Aufwendungen und Belastungen ohne ausdrückliche Grundlage im Gesetz nicht vermindert werden kann. Das Bruttolohnprinzip ist auch bei Entgeltumwandlungen zu beachten, indem die schlichte Überwälzung von Kosten durch Abzug vom Lohn des Arbeitnehmers die Beitragsbemessungsgrundlage nicht verringert (vgl. Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2021, § 14 Rdnr. 36). Diese weite Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelts verhindert, dass Beschäftigte und Arbeitgeber sich - anders als im Steuerrecht - zusätzlich durch Abschreibungen, Investitionen, Vermögensdispositionen und andere Abzüge vom Lohn "arm rechnen" und dadurch die Versicherungs- und Beitragspflicht oder die Vorschriften über das Ruhen der Leistungsansprüche beim Zusammentreffen mit Einnahmen aus einer Beschäftigung umgehen. Gleichwohl beruhen das Arbeitsentgelt und seine Bestandteile hauptsächlich auf den der Beschäftigung zugrundeliegenden arbeitsrechtlichen Vereinbarungen im Individual- oder Kollektivarbeitsvertrag. Für die in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig Beschäftigten besteht keine wesentliche Möglichkeit zur Einflussnahme auf ein persönliches Sicherungsziel, indem ein durch Werbungskosten-, Sonderausgabenabzug und andere Vergünstigungen ermäßigtes Arbeitsentgelt Grundlage für die Beitragsbemessung sein könnte. Auch unter diesem Aspekt ist es eine elementare Anforderung an die auf der Beitrags-entrichtung von Arbeitsentgelt beruhenden Pflichtversicherungssysteme, dass den Beitragszahlungen der Arbeitgeber und Beschäftigten ein äquivalenter Leistungsanspruch des Versicherten gegenüberstehen muss (vgl. Werner, a.a.O., § 14 Rdnr. 37).

Bei den den Beigeladenen zu 1) bis 21) gewährten Leistungen in der Gestalt von Zuschüssen für die Internetnutzung, für die Fahrtkosten, die Verpflegung und Mahlzeiten sowie die Kinderbetreuung handelt es sich nach der weiten Begriffsbestimmung um Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, da die Beigeladenen zu 1) bis 21) sie jeweils aus ihrem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin erzielt haben.

Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich auf der Grundlage von § 17 SGB IV i.V.m. § 1 SvEV ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2016 – L 11 R 4048/15 –, juris Rdnr. 49 ff.). § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Dabei ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen.

Die Ermächtigung zum Erlass dieser Rechtsverordnung ist wegen des umfassenden Arbeitsentgeltbegriffs des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV erforderlich, da ansonsten alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung Arbeitsentgelt wären. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge haben aber unterschiedliche Funktionen, so dass lediglich eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts geboten ist. Die Wahrung der Belange der Sozialversicherung wird durch Abwägung sozialpolitischer und verwaltungspraktischer Gesichtspunkte berücksichtigt (BT-Drucks. 7/4122 S 33; BSG, Urteil vom 24.06.1987 – 12 RK 6/84 – SozR 2100 § 17 Nr. 5). Der Grundsatz der Parallelität von Steuer- und Beitragspflicht besteht mithin nicht in der Weise, dass die Steuerfreiheit von Einnahmen zugleich die Beitragsfreiheit dieser Einnahmen zur Folge hätte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2016 – L 11 R 4048/15 –, Rdnr. 50 juris).

Die Bundesregierung hat von der Ermächtigung des § 17 SGB IV zunächst durch Erlass der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) und der Sachbezugsverordnung (SachBezV) Gebrauch gemacht und ab 01.01.2007 beide Verordnungen in der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) zusammengefasst. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV (hier i.d.F. vom 20.12.2011 bzw. vom 15.04.2015) sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind; dies gilt nicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, soweit das Entgelt, auf dem sie berechnet werden, mehr als 25 € für jede Stunde beträgt (Nr. 1). § 1 Abs. Satz 1 Nr. 1 SvEV korrespondiert in der Hauptsache mit dem Katalog der steuerfreien Einnahmen insbesondere in den §§ 3, 3b, 8 Abs. 3, 8 Abs. 1 Satz 9, 19a EStG a. F. (jetzt § 3 Nr. 39 EStG) und enthält wegen der Zuschüsse für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit eine spezielle Regelung für die Sozialversicherung. Kein Arbeitsentgelt sind danach u.a. die außerhalb des öffentlichen Dienstes von privaten Arbeitgebern gezahlten Reise- und Umzugskosten, Verpflegungsmehraufwendungen, Familienheimfahrten sowie Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 EStG als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen nicht übersteigen (§ 3 Nr. 16 EStG).

Das SG hat im Urteil vom 11.01.2022 zutreffend festgestellt, dass die gewährten zusätzlichen Leistungen jeweils kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV i.V.m. mit den Regelungen der SvEV darstellen.

Hierfür ist nicht allein ausreichend, dass die streitigen Leistungen steuerbegünstigt bzw. steuerfrei sind. Für die Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung ist weiter erforderlich, dass die Leistungen zusätzlich zum Arbeitsentgelt hinzutreten, so dass allein die Steuerfreiheit von Einnahmen nicht zum Vorliegen des Ausnahmetatbestandes führt (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2014 – B 5 RS 1/13 R –, juris Rdnr. 15). Die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV gilt nur für zusätzliches Arbeitsentgelt, das nicht lohnsteuerpflichtig ist. Der Verordnungsgeber füllt den Begriff des "Zusätzlichen" i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV nicht näher aus und beschränkt sich auf Beispiele für Entgelte neben den Löhnen und Gehältern. Nicht zusätzlich in dem Sinne ist die originäre Gegenleistung für die Arbeit, also der geschuldete Stundenlohn oder das monatliche Grundgehalt (vgl. Werner, a.a.O., § 14 Rdnr. 126). Entscheidend ist, ob die zweckbestimmte Leistung des Arbeitgebers zu den steuerpflichtigen Einnahmen hinzukommt, die der Arbeitgeber ohne die Zweckbestimmung nicht geschuldet hätte (vgl. Werner, a.a.O., § 17 Rdnr. 9). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt "Zusätzlichkeit" nur dann vor, wenn die Zuwendung des Arbeitgebers "über den Grundlohn hinausgeht", da andernfalls die für Sachbezüge geltenden Vorschriften der §§ 2 und 3 SvEV leerliefen. Es darf sich nicht um Zuwendungen handeln, die anstelle bisher gezahlter Entgeltbestandteile gezahlt werden (vgl. Schlegel, "Sozialrecht und Steuerrecht aus der Sicht des Bundessozialgerichts", in 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 2018 (Festschrift für den Bundesfinanzhof), S. 641; vgl. BSG, Urteil vom 21.08.1997 – 12 RK 44/96 –, Rdnr. 21 juris; BSG, Urteil vom 14.07.2004 – B 12 KR 10/02 R). Maßgeblich ist, wie sich die Gesamtvergütung nach dem Arbeits- und Tarifvertrag zusammensetzt (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004 – B 12 KR 10/02 R). Es genügt dabei nicht, dass der Arbeitgeber aus dem Arbeitsentgelt lediglich Teile herausrechnet und als zusätzliches (steuer- und beitragsfreies) Arbeitsentgelt behandelt (vgl. BFH, Urteil vom 28.11.1990 – VI R 144/87BStBl. II 1991, 296; Knospe in Hauck/Noftz, SGB, Stand August 2012, § 17 SGB IV Rdnr. 21). Eine bloße Verwendungsabrede erfüllt das Zusätzlichkeitserfordernis nicht (vgl. BSG, Urteil vom 02.03.2010 – B 12 R 5/09 R). Erforderlich ist vielmehr eine echte Lohnerhöhung z.B. in Form einer Direktversicherung, oder einer zukunftsgerichteten echten Entgeltumwandlung (vgl. Schlegel, a.a.O., S. 641; Zieglmeier in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand 114. EL Mai 2021, § 14 SGB IV Rdnr. 74; BSG, Urteil vom 14.07.2004 – B 12 KR 10/02 R –; BFH, Urteil vom 01.08.2019 – VI R 32/18 –, DStR 2019, 2247). Zusätzlichkeit liegt nicht vor, wenn die Leistung nach dem Arbeitsvertrag vom vereinbarten Gehalt abgezogen wird (vgl. Zieglmeier, a.a.O., § 14 SGB IV Rdnr. 108; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.03.2009 – L 9 KR 157/03). Werden über arbeitsvertraglich geschuldete Leistungen hinaus freiwillige Leistungen des Arbeitgebers gewährt, ist das Zusätzlichkeitserfordernis in jedem Fall erfüllt. "Zusätzlich" werden Zuwendungen aber nicht gewährt, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung Bestandteil des Vergütungsanspruchs sind (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.2021 – B 12 R 21/18 R –, Rdnr. 19 juris, wonach Tankgutscheine und Werbeeinnahmen, die als "neue Gehaltsanteile" an die Stelle des bisherigen Bruttolohns traten, nicht "zusätzlich" gewährt wurden).

Maßgeblich für die Beitragsbemessung sind nach den genannten Grundsätzen die zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 21) arbeitsvertraglich geregelten Entgeltmodalitäten im streitgegenständlichen Prüfzeitraum.

Die Beigeladenen zu 1) bis 21) haben jeweils eine ergänzende Vereinbarung bezüglich der bisher arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütungsregelung getroffen und den Vergütungsanspruch jeweils reduziert. Die Vereinbarung bezieht sich auf die vertraglich vereinbarte Grundvergütung. Zudem hat die Klägerin den Beigeladenen zu 1) bis 21) jeweils unterschiedliche Zusatzleistungen freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht auf weitere Zahlungen in der Zukunft gewährt. Es liegt daher jeweils eine arbeitsvertraglich wirksame Verringerung des Bruttolohnes vor, in der die Leistungspflicht der Klägerin als Arbeitgeberin zukunftsgerichtet erneuert (noviert) und durch die nunmehr vereinbarten Entgeltmodalitäten ersetzt worden ist (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2016 – L 11 R 4048/15 –, juris unter Verweis auf BSG, Urteil vom 02.03.2010 – B 12 R 5/09 R –, juris Rdnr. 17 ff.). Diese Änderungen sind arbeitsrechtlich wirksam, auch tarifvertragliche Regelungen stehen nicht entgegen. Es handelt sich somit um eine echte Vertragsänderung und nicht um eine bloße Abrede über die Verwendung des laufenden Lohnes. Nur in diesem Fall wäre die Änderung beitragsrechtlich gänzlich unbeachtlich (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Im Unterschied zur Konstellation, die der Entscheidung des Bayerischen LSG vom 22.09.2021 (L 16 BA 11/20 –, juris Rdnr. 35 ff.) zugrunde lag, sind vorliegend die freiwilligen Leistungen von der Verminderung der Grundvergütung nach den getroffenen Regelungen unabhängig. Dies bedeutet, dass die in der Gehaltsabrechnung als Lohnverzicht aufgeführte Lohnminderung auch bei Wegfall der freiwilligen Leistungen weiterhin gilt und daher in einem solchen Fall nicht automatisch wieder Anspruch auf die Grundvergütung in der ursprünglichen Höhe besteht. Da allein die rechtliche Abtrennbarkeit und Eigenständigkeit maßgeblich ist, ist die Ausweisung der Verminderung der Grundvergütung als Lohnverzicht in den Gehaltsabrechnungen vorliegend kein maßgebliches Kriterium. Wesentlich ist vielmehr, dass die Höhe und das Fortbestehen der Verringerung der Grundvergütung rechtlich unabhängig vom Bestand der freiwilligen Leistungen vereinbart wurde. Daher handelt es sich bei den freiwilligen Leistungen um von der Grundvergütung rechtlich getrennte Leistungen und nicht um Surrogate derselben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23.02.2021 – B 12 R 21/18 R –, juris Rdnr. 19 ff.). Insofern obliegt es den Vertragsparteien des Arbeitsvertrages, die Modalitäten der Vergütung zu regeln und insbesondere auch Vergütungsmodalitäten im Rahmen bestehender Vertragsverhältnisse abzuändern (vgl. hierzu auch SG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 20.05.2021 – S 3 BA 30/18 –, juris Rdnr. 41 ff.). Insofern kommt es nicht auf die davor geltenden Vergütungsmodalitäten an, sondern es sind ausschließlich die im Zeitpunkt des Zuflusses der zu prüfenden Leistungen geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen nach den bereits dargelegten Maßstäben zu prüfen (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 01.08.2019 – VI R 32/18 –, juris Rdnr. 20 ff.). Im vorliegenden Fall liegen danach „zusätzliche“ Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 SvEV vor.

An dieser Beurteilung ändert auch die Neufassung des § 8 Abs. 4 EStG i.d.F. vom 21.12.2020 mit Wirkung ab dem 29.12.2020 nichts. Zum Einen erfasst die Änderung nicht den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2017 und zum Anderen liegt auch nach der Neufassung des § 8 Abs. 4 EStG im vorliegenden Fall eine zusätzliche Leistung vor.

Nach § 8 Abs. 4 EStG i.d.F. vom 21.12.2020 werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn
1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht.
Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Lohnminderung vom Bestand und der Höhe der freiwilligen Zusatzleistungen unabhängig. Dies beinhaltet auch für den Arbeitnehmer das Risiko, dass bei Wegfall des Interesses an der Zusatzleistung bzw. Nichtmehrgewährung durch den Arbeitgeber kein Anspruch auf Ausgleich und Erhöhung der Grundvergütung besteht.

Die Internetpauschale ist in der Folge nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SvEV i.V.m. § 40 Abs. 2 des EStG nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG bestimmt, dass der Arbeitgeber abweichend von Absatz 1 die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben kann, soweit er den Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn unentgeltlich oder verbilligt Datenverarbeitungsgeräte übereignet; das gilt auch für Zubehör und Internetzugang. Das Gleiche gilt für Zuschüsse des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetnutzung gezahlt werden (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG).

Ebenso sind die Zuschüsse für die Kinderbetreuung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV als einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Die steuerliche Begünstigung folgt aus § 3 Nr. 33 EStG. Nach § 3 Nr. 33 EStG sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schuldpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen steuerfrei.

Auch die Kostenzuschüsse für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV i.V.m. § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) EStG nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Nach § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 Prozent für die nicht nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreien Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 ansetzen, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden, soweit die Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden.

Bezüglich der Restaurantgutscheine liegt ebenfalls Beitragsfreiheit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV i.V.m. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG vor. Die Klägerin hat die Essensgutscheine mit dem Sachbezugswert angesetzt und pauschal nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG versteuert. Nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG kann der Arbeitgeber abweichend von Absatz 1 die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben, soweit er arbeitstäglich Mahlzeiten im Betrieb an die Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt abgibt oder Barzuschüsse an ein anderes Unternehmen leistet, das arbeitstäglich Mahlzeiten an den Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt abgibt. Voraussetzung ist, dass die Mahlzeiten nicht als Lohnbestandteile vereinbart sind (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG). Dies ist vorliegend erfüllt, da die Leistung zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht wird und keine Barlohnumwandlung erfolgt. Auch konnten die Essengutscheine nur bei Anwesenheit im Betrieb genutzt werden und es erfolgte keine Rückvergütung im Fall der Erkrankung oder von Urlaub (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil 10.05.2016 – L 11 R 4048/15 –, juris Rdnr. 74 ff.). Insofern ist ein arbeitsvertraglich vor der Lohnzahlung vereinbarter Lohnformwechsel begünstigungsunschädlich. Eine schädliche Gehaltsumwandlung liegt nur dann vor, wenn eine Leistung auf den (unverändert fortbestehenden) Arbeitslohnanspruch lediglich angerechnet wird oder eine bloße Umwidmung/Umwandlung des (unverändert) vereinbarten Arbeitslohnes erfolgt (vgl. hierzu Krüger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 41. Auflage 2022, § 40 Rdnr. 17 m.w.N.). Vorliegend werden die Restaurantgutscheine als zusätzliche Leistungen rechtlich unabhängig von der Verminderung des Vergütungsanspruches erbracht. Sie sind daher ebenfalls beitragsfrei nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV i.V.m. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG.

Die Beklagte hat somit in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 23.241,14 € nachgefordert. Das Urteil des SG ist insoweit nicht zu beanstanden. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beklagte trägt auch die Kosten des Verfahrens im Berufungsverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Beigeladenen tragen gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit den unterliegenden Beteiligten aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 197a Rdnr. 29 m.w.N.).

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 GKG in Höhe der streitigen Beitragsnachforderung von 23.241,14 € endgültig festgesetzt.

Die Revision war vorliegend zuzulassen, da das Urteil des BSG vom 23.02.2021 (B 12 R 21/18 R –, juris) nicht alle der hier streitigen Leistungen erfasst und insoweit auch über eine rechtlich unabhängige Vereinbarung des Lohnverzichts sowie der gesonderten, unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehenden Leistung bislang noch nicht bundesgerichtlich entschieden worden ist (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).  



 

Rechtskraft
Aus
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