L 8 SO 42/22 B ER

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Braunschweig (NSB)
Aktenzeichen
S 46 SO 177/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 8 SO 42/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Der vorherige Abschluss einer Zielvereinbarung mit dem gesetzlichen Mindestinhalt ist allenfalls formale Voraussetzung für den anschließenden Erlass eines Verwaltungsakts über ein persönliches Budget (Anschluss an BSG v. 28.01.2019 - B 8 SO 9/19 R - juris Rn. 27).
2. Bei der Prüfung, ob das persönliche Budget die Kosten der ohne das persönliche Budget zu erbringenden Leistungen überschreitet (sog. Grundsatz der Budgetneutralität nach § 29 Abs 2 Satz 7 SGB IX), ist auf diejenigen Kosten abzustellen, die anfallen würden, wenn der tatsächliche Bedarf durch den Sozialhilfeträger im Wege der Sachleistungsverschaffung gedeckt wird (Festhalten an LSG Niedersachsen-Bremen v. 20.08.2015 - L 8 SO 327/13 - juris Rn. 22 f.).
3. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Betreuung und Pflege in einer stationären Einrichtung bzw. besonderen Wohnform ist es entscheidend, ob die damit für die betroffene Person einhergehenden Einschränkungen und Belastungen nach allgemeiner Anschauung vertretbar und für sie tragbar sind. Dem Betroffenen muss in einer Einrichtung bzw. besonderen Wohnform die Führung eines Lebens möglich sein, das der Würde des Menschen (Art 1 GG; Art 1 Satz 1 BRK) entspricht (grundlegend Senatsurteil vom 28.01.2010 - L 8 SO 233/07 - juris Rn. 29 m.w.N. sowie Senatsurteil vom 26.5.2016 - L 8 SO 166/12 - juris Rn. 36; Senatsbeschluss vom 29.04.2016 - L 8 SO 77/16 B ER -).
4. Die Auslegung des Begriffs der besonderen Wohnform iSd § 104 Abs 3 S 3 SGB IX orientiert sich an der Definition der Wohnform nach § 42a Abs 2 S 1 Nr 2 und S 3 SGB XII, hat aber wegen der besonderen Bedeutung der Norm im Rahmen der Angemessenheitsprüfung iSd § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX nach deren Sinn und Zweck, eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum zu ermöglichen, eigenständig zu erfolgen.
5. Art. 19 lit. a UN-Behindertenrechtskonvention (juris: UNBehRÜbk) begründet keinen subjektiven Anspruch des behinderten Menschen auf Gewährung von Sozialleistungen.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 4. April 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe:

I.

 

Im Streit ist die Bewilligung bzw. die Zusicherung eines Persönlichen Budgets (pB) über Eingliederungshilfe für den Einzug in eine Wohngemeinschaft (WG) für Menschen mit Handicap.

Bei der 1999 geborenen Antragstellerin bestehen u.a. eine tuberöse Sklerose (ICD-10 Q.85.1), eine symptomatische Epilepsie mit primär generalisierten Anfällen (ICD-10 G40.2), eine Intelligenzminderung mit Verhaltenseigenheiten wie Aggressivität und Impulsivität (ICD-10 F71.1), eine expressive Sprachstörung (ICD-10 F80.1), eine Autismusspektrumstörung (ICD-10 F84.9) und eine (medikamentös behandelte) Epilepsie mit generalisierten Anfällen (ICD-10 G40.2). Sie ist als schwer behinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen B, G und H anerkannt. Aufgrund ihrer Beeinträchtigungen ist sie (im rechtlichen Sinn) nicht zu einer freien Willensbildung fähig, in nahezu allen Angelegenheiten des täglichen Lebens auf Hilfe und Unterstützung angewiesen, pflegebedürftig nach dem Pflegegrad 4 und dauerhaft voll erwerbsgemindert. Sie lebt im Haushalt ihrer Eltern in einem Einfamilienhaus in der Ortschaft H. der Gemeinde I. im Kreisgebiet des Antragsgegners, besucht tagsüber eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) der Lebenshilfe H. und nimmt einmal in der Woche an einer Therapie im Autismus Therapie- und Beratungszentrum (J.) in K. teil; Kostenträger dieser Maßnahmen ist der Antragsgegner. Als ihre Betreuerin ist umfassend ihre Mutter (M) bestellt sowie eine Ergänzungsbetreuerin für bestimmte Mietvertragsangelegenheiten.

Nachdem die Eltern wegen des beabsichtigten Auszugs der Antragstellerin aus dem elterlichen Haushalt einige wohnortnahe Einrichtungen (besondere Wohnformen) der Behindertenhilfe besichtigt hatten, entschieden sie sich Anfang 2018 in L. am M., einem etwa 23 km von ihrem Wohnort entfernten, 850 Einwohner zählenden Ort(-steil) bei (bzw. von) N., ein Haus für eine WG für Menschen mit Handicap zu errichten. Im Juli 2018 beantragte M als Betreuerin der Antragstellerin beim Antragsgegner ein pB für den Einzug in diese WG, das - nach einer Konkretisierung Anfang 2019 - Leistungen u.a. für die Pflege und Betreuung, Mobilität, Urlaubs- und Freizeitgestaltung, Haushalts- und Gartenpflege, persönliche Förderung (z.B. Reittherapie) und Arbeitsassistenz in der WfbM sowie zur Sicherung des Lebensunterhalts (Grundsicherung) enthalten sollte. In der WG (für maximal sechs Personen) sollen jüngere Menschen mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten leben, die durch einen Pflegedienst, aktuell durch den Dienst O., M., „rund um die Uhr“ (teilweise mit 1:1-Betreuung) für monatliche Kosten von etwa 9.200,00 € versorgt werden (letzte Kalkulation für insg. zwei Personen in der WG Anfang November 2022). Ein anderer an der WG Interessierter, Herr P. Q., führt wegen des beabsichtigten Einzugs in diese WG ebenfalls ein beim Senat anhängiges Eilverfahren (- L 8 SO 39/21 B ER -; nach dem Senatsbeschluss vom heutigen Tag ohne Erfolg). Entsprechende Eilanträge von zwei weiteren an der WG Interessierten blieben ohne Erfolg, vor allem wegen unverhältnismäßiger Mehrkosten gegenüber denjenigen einer besonderen Wohnform (Sozialgericht - SG - Leipzig, Beschluss vom 31.1.2022 - S 15 SO 156/21 ER -) bzw. wegen erheblicher Zweifel an der Geeignetheit der Betreuungsleistungen in der WG im konkreten Einzelfall (Landessozialgericht - LSG - Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2.6.2022 - L 8 SO 19/22 B ER -).

Nach Beteiligung der Pflegekasse der Antragstellerin (Barmer), die eine Teilnahme an der vom Antragsgegner initiierten Gesamtplankonferenz ablehnte, aber die Berücksichtigung des seit 2017 gewährten Pflegegeldes in monatlicher Höhe von 728,00 € bzw. von Pflegesachleistungen (Gutscheine) mit einem monatlichen Wert von 1.612,00 € als Teilbudget in Aussicht stellte, hörte der Antragsgegner M als Betreuerin der Antragstellerin im Juni 2020 zu der beabsichtigten Ablehnung des Antrages auf Gewährung der ambulanten Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII als Teil eines trägerübergreifenden pB wegen unverhältnismäßiger Mehrkosten an. Die Kosten der Pflegeleistungen (nach dem damaligen Kostenvoranschlag eines anderen Dienstes) in monatlicher Höhe von rund 14.000,00 € würden die Kosten für eine der Antragstellerin zumutbare besondere Wohnform um das Zwei- bis Dreifache übersteigen. Der Antragsgegner nahm von dieser Entscheidung im Weiteren Abstand und übersandte M am 18.8.2020 - nach einer im Juli 2020 mit ihr durchgeführten Fallbesprechung - eine Zielvereinbarung (ZV) für ein trägerübergreifendes pB in der Zeit von September 2020 bis August 2021 in monatlicher Höhe von 6.784,30 € (davon Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX i.H.v. 2.837,55 €, Hilfe zur Pflege nach SGB XII i.H.v. 2.334,75 € sowie Sachleistungen der Pflegekasse nach dem SGB XI i.H.v. 1.612,00 €); daneben stünden der Antragstellerin noch ein Entlastungsbetrag von monatlich 125,00 € sowie Verhinderungspflege von umgerechnet 134,33 € je Monat zur Verfügung (gesamt: 7.043,63 €). Diese ZV unterschrieb M „unter Vorbehalt“, ebenso eine weitere ZV im Januar 2021, in der allerdings keine Geltungsdauer aufgenommen wurde. Nach Übersendung eines (weiteren) Kostenvoranschlages eines früheren Dienstes (R.) für die Betreuung der Mitglieder der WG wurde für die ab Mai 2021 anwaltlich vertretene Antragstellerin eine Sachentscheidung über das pB verlangt.

Am 2.12.2021 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Braunschweig um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, um durch die vorläufige Gewährung eines pB in monatlicher Höhe von etwa 10.000,00 € (abzüglich der Leistungen der Pflegekasse) die Pflege und Betreuung nach einem Einzug in die WG in L. sicherzustellen. Der Eilantrag ist auf ein pB über Leistungen der Eingliederungshilfe und (inkludierter) häuslicher Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII (§ 103 Abs. 2 SGB XII) beschränkt worden und wird - insb. in Bezug auf die Leistungen der Pflegekasse nach dem SGB XI - nicht trägerübergreifend geltend gemacht (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 24.1.2022). Das SG hat den Eilantrag durch Beschluss vom 4.4.2022 abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt, dem im Zusammenhang mit dem Wohnen in einer WG geäußerten Wunsch der Antragstellerin könne wegen unverhältnismäßiger Mehrkosten gegenüber den Kosten für einen Aufenthalt in einer besonderen Wohnform von etwa 5.000,00 € je Monat nach § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX nicht entsprochen werden. Die spezielle Regelung des § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX, nach der dem Wunsch der leistungsberechtigten Person nach einem Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen nach Möglichkeit der Vorzug zu geben ist, sei hier nicht anwendbar; die (noch zu gründende) WG für Menschen mit Handicap stelle in diesem Sinn keine Wohnform außerhalb von besonderen Wohnformen dar, weil dort (ebenfalls) ausschließlich Menschen mit Behinderung betreut würden und damit der durch § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX verfolgte Inklusionszweck - das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung - nicht erreicht werden könne. Eine Betreuung in einer besonderen Wohnform wie z.B. der S. Wohnen und Betreuen GmbH sei für sie zumutbar, weil dort auch jüngere behinderte Personen betreut würden; eine Trennung nach dem Alter der betreuten Personen sei im Recht der Eingliederungshilfe nicht angelegt. Im Übrigen seien Gruppenstrukturen auch einem personellen Wechsel unterworfen und das geschulte Fachpersonal sei in der Lage, gruppendynamischen Prozessen hinreichend Rechnung zu tragen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 4.5.2022. Sie beruft sich weiterhin auf ihr (von M. ausgeübtes) Wunsch- und Wahlrecht nach § 8 Abs. 1, § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX bzw. unmittelbar aus Art. 19 der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), der einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Bestimmung der persönlichen Lebensumstände durch den Menschen mit Behinderung selbst enthalte. In diesem Zusammenhang ist für die Antragstellerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht worden, dass die aufgrund ihrer schweren Beeinträchtigungen erforderliche 1:1-Betreuung nur in der WG gewährleistet und ein langfristiger Aufenthalt in einer besonderen Wohnform u.a. wegen der Zusammensetzung der Bewohner nach Alter sowie Größe der Gruppen und der starren Besuchszeiten mit nur begrenzten außerhäusigen Aktivitäten nicht zumutbar i.S. des § 104 Abs. 3 SGB IX sei. Die Antragstellerin reagiere auf häufig wechselnde Kontakte und unvorhergesehene Situationen mit Überforderung, Anfallsbereitschaft und Aggressivität; sie benötige eine engmaschige Betreuung und ein reizarmes und vorhersehbares Umfeld. Zur Glaubhaftmachung, dass dies in einer besonderen Wohnform der Behindertenhilfe nicht gewährleistet sei, beruft sich die Antragstellerin auf die sie behandelnden Stellen, u.a. das Klinkum T., Neuropädiatrie mit Sozialpädiatrischem Zentrum (Bericht des Direktors U. V. vom 16.9.2000), den Pflegedienst W. Ambulante Psychiatrische häusliche Krankenpflege (Bericht der Psychiatriefach- und Bezugspflegekraft X. vom 2.8.2021), das ATBZ (Stellungnahme der Pädagoginnen Y. und Z. vom 3.9.2021) sowie ihren Hausarzt, Dr. AA., AB. (Attest vom 20.9.2021). In der Folge komme es auf einen Vergleich der Kosten für den Aufenthalt in einer besonderen Wohnform mit denjenigen der ambulanten Wohnsituation in der WG nicht an. Der Vorrang des Wunsches, außerhalb einer besonderen Wohnform zu leben, ergebe sich auch aus § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX; die Vorschrift sei entgegen dem Standpunkt des SG auch bezogen auf den Einzug in die WG anwendbar, weil es sich dabei nicht um eine besondere Wohnform i.S. des § 42a SGB XII handele - die Vertragsgestaltungen unterlägen nicht dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) - und es in diesem Zusammenhang unerheblich sei, ob die leistungsberechtigte Person mit Menschen mit und ohne Behinderung zusammenlebt. Ungeachtet dessen kommen nicht alle vom Antragsgegner genannten besonderen Wohnformen für die Antragstellerin in Betracht, insb. nicht das inklusive Dorf AC. in Wolfenbüttel, weil von dort die Fahrten zur WfbM in das Kreisgebiet des Antragsgegners nicht durchgeführt werden würden. In anderen besonderen Wohnformen seien keine Plätze verfügbar.

Der Antragsgegner hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht (auch) im Beschwerdeverfahren geltend, die Leistungen für eine besondere Wohnform seien in diesem Einzelfall unter Berücksichtigung des besonderen Betreuungsaufwandes und des ihm zustehenden Auswahlermessens nach § 107 Abs. 2 SGB IX nicht nur nach den persönlichen, familiären und örtlichen Umständen zumutbar (vgl. den aktualisierten Vermerk des Geschäftsbereichs Soziales vom 2.8.2022), sondern auch die passgenaue Hilfe. Auch besondere Wohnformen, von denen für die Antragstellerin in einer Entfernung vom Wohnort ihrer Eltern von bis zu 27 km sechs verschiedene verfügbar seien, bestünden aus Wohngruppen, für die eigene Mietverträge abgeschlossen würden. Die Strukturierung, Anleitung, engmaschige Begleitung und Betreuung bzw. stellvertretende Übernahme bei bestimmten Handlungen würden von der Antragstellerin unabhängig von der Wohnform benötigt. Der Wunsch nach Leistungen für einen Aufenthalt in der WG sei insoweit wegen unverhältnismäßiger Mehrkosten nicht angemessen i.S. des § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX. Kostenzusagen von Trägern der Eingliederungshilfe für andere an dem Leben in der WG Interessierte lägen nicht vor. Schließlich stellten die Kosten für den gegenwärtigen Aufenthalt in der besonderen Wohnform die Obergrenze des pB i.S. des § 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX dar. Aus diesem Grund hat der Antragsgegner der Antragstellerin durch Bescheid vom 27.1.2022 für die Zeit ab dem Einzug in die WG ein pB in monatlicher Höhe von (nur) 5.172,30 € gewährt. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht Widerspruch erhoben, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte (§ 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Eilantrag zu Recht abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Gegenstand des Anordnungsverfahrens ist nach sachgerechter Auslegung des Antragsbegehrens (§ 123 SGG) entweder der von der Antragstellerin sinngemäß gegenüber dem Antragsgegner geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X), im Falle eines - bislang nach dem Kenntnisstand des Senats noch nicht erfolgten - Auszugs aus dem elterlichen Haushalt und des Einzugs in die WG für Menschen mit Handicap Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX einschließlich Hilfe zur (häuslichen) Pflege nach § 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. dem Siebten Kapitel des SGB XII im erforderlichen Umfang zu erhalten, nach dem zuletzt angekündigten Antrag konkret in monatlicher Höhe von 9.209,59 € abzüglich der Leistungen der Pflegeklasse und zuzüglich eines anteiligen sozialhilferechtlichen Pflegegeldes i.H.v. 242,67 €. Oder das gerichtliche Eilverfahren betrifft den durch Widerspruch angefochtenen Bescheid des Antragsgegners vom 27.1.2022, durch den der Antragstellerin ein pB in monatlicher Höhe von 5.172,30 € „ab dem Einzug in die WG“ bewilligt worden ist. Da der Eilantrag im Ergebnis keinen Erfolg hat, müssen die Fragen, ob die Bewilligung in zulässiger Weise unter einer aufschiebenden Bedingung i.S. einer Nebenbestimmung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X erfolgt und welches streitige Rechtsverhältnis dem Anordnungsverfahren i.S. des § 86b Abs. 2 SGG zu Grunde zu legen ist, nicht abschließend beantwortet werden. Einer Beiladung des für die Betreuung und Pflege in der WG vorgesehenen Pflegedienstes O. nach § 75 Abs. 2 SGG bedarf es bei dieser Ausgangslage nicht (vgl. allg. Senatsurteil vom 26.5.2016 - L 8 SO 166/12 - juris Rn. 28 f.; im Einzelnen auch noch später).

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Zusicherung bzw. auf höhere vorläufige Leistungen, als diese durch den Bescheid des Antragsgegners vom 27.1.2022 (aufschiebend bedingt) bewilligt worden sind, nicht glaubhaft gemacht, weil ihr auf diese Gestaltung der Leistungen gerichteter Wunsch nach dem gegenwärtigen Stand des Verwaltungsverfahrens nicht als angemessen gilt und ihm damit nicht zu entsprechen ist (§ 104 Abs. 2 und 3 SGB IX). Soweit für eine abschließende Entscheidung noch Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind, ist es ihr nach den Umständen des Falles zuzumuten, den Ausgang des Verwaltungsverfahrens abzuwarten.

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines pB i.S. des § 105 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind § 99 Abs. 1 und 4 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und §§ 1 bis 3 Eingliederungshilfeverordnung (jeweils in der am 31.12.2019 geltenden Fassung) i.V.m. § 113 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 5, 6, 9, Abs. 3 SGB IX und §§ 77 ff. SGB IX sowie § 103 SGB IX (inkludierte Pflegeleistungen).

Der Antragsgegner ist als örtlicher Träger der Eingliederungshilfe (§ 94 SGB IX i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 HS. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des SGB IX und des SGB XII - Nds. AG SGB IX/XII - v. 24.10.2019, Nds. GVBl. S. 300) gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 SGB IX der für diese Leistungen sachlich und örtlich zuständige (erstangegangene) Rehabilitationsträger i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX.

Die Ausführung von Leistungen der Teilhabe i.S. der §§ 4, 5 SGB IX - auch nach Teil 2 des SGB IX (vgl. § 105 Abs. 3 SGB IX) - durch ein pB regelt § 29 Abs. 1 SGB IX, nach dem diese Leistungsform auf Antrag gewährt wird, um dem Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (Satz 1). Bei der Ausführung des pB sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt (Satz 2). Das pB wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht (Satz 3), kann aber auch nicht trägerübergreifend von einem einzelnen Leistungsträger erbracht werden (Satz 4). Budgetfähig sind auch bestimmte weitere Leistungen, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen (Satz 5). Die Beteiligung anderer Rehabilitationsträger (und ggf. der Pflegekasse oder des Integrationsamtes) an dem pB erfolgt nach den allgemeinen Regeln des § 15 Abs. 2 SGB IX, nach dem der sog. Budgetbeauftragte von diesen die für den Teilhabeplan nach § 19 SGB IX erforderlichen Feststellungen unverzüglich anfordert (vgl. Satz 1). Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind (Satz 2). Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest (Satz 3).

Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB IX wird ein pB in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. Für budgetfähige Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 29 Abs. 1 Satz 5 SGB IX) weicht § 35a SGB IX hiervon ab; danach dürfen Sachleistungen nach §§ 36, 38 und 41 SGB IX nur in Form von Gutscheinen zur Verfügung gestellt werden. § 29 Abs. 2 SGB IX enthält weitere Regelungen, etwa zur Erfüllungsfiktion der Leistungen des pB (Satz 3), der Wiederholung des Bedarfsermittlungsverfahrens für laufende Leistungen (Satz 4). Das pB muss den individuell festgestellten Rehabilitationsbedarf des Leistungsberechtigten decken und die erforderliche Beratung und Unterstützung sicherstellen (Satz 6). Dabei soll die Höhe des pB die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (Satz 7). § 35a SGB XI bleibt unberührt (Satz 8). Nach § 29 Abs. 4 SGB IX schließen der nach § 29 Abs. 3 i.V.m. §§ 14, 15 SGB IX zuständige Leistungsträger (der Bugdetbeauftragte) und die Leistungsberechtigten zur Umsetzung des pB eine ZV ab (Satz 1). Nach Satz 2 des Absatzes enthält diese mindestens Regelungen über die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele (Nr. 1), die Erforderlichkeit eines Nachweises zur Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs (Nr. 2), die Qualitätssicherung (Nr. 3) sowie die Höhe der Teil- und des Gesamtbudgets (Nr. 4). Die weiteren Regelungen betreffen die Kündigung der ZV (Sätze 3 bis 7) sowie den Zeitraum, für den die ZV abzuschließen ist (Satz 8).

Die Antragstellerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Nach § 99 Abs. 1 Alt. 1 SGB IX erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe Menschen mit Behinderungen i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung), wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 SGB IX erfüllt werden kann. Nach § 99 Abs. 4 SGB IX kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Bestimmungen über die Konkretisierung der Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe erlassen (Satz 1). Weil eine solche Rechtsverordnung noch nicht in Kraft getreten ist, gelten derzeit die §§ 1 bis 3 der (bisherigen) Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31.12.2019 geltenden Fassung entsprechend (vgl. Satz 2). Die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe als Pflichtleistung liegen bei der mehrfach schwerstbehinderten, insbesondere geistig wesentlich behinderten (§ 2 Eingliederungshilfe-Verordnung) Antragstellerin ohne Zweifel vor.

Gegenstand des für den Einzug in die WG für Menschen mit Handicap beantragten pB sollen Leistungen zur sozialen Teilhabe im Wohnumfeld nach Teil 2 des SGB IX sein; dies können insbesondere Assistenzleistungen, Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, zur Förderung der Verständigung und zur Mobilität sowie Besuchsbeihilfen sein (vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 5, 6, 9 SGB IX). Daneben kommen für die aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit nach dem Pflegegrad 4 nach §§ 61, 61a SGB XII leistungsberechtigten Antragstellerin (inkludierte) Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII in Betracht, die bei einer Leistungserbringung außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten i.S. des § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI von der Leistung der Eingliederungshilfe nach § 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX umfasst sind, solange die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamtplanes (§ 121 SGB IX) erreicht werden können, es sei denn der Leistungsberechtigte hat vor Vollendung des für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderlichen Lebensjahres keine Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten (sog. Lebenslagenmodell).

Ob diese Voraussetzungen hier ortsbezogen vorliegen, also in der (geplanten) WG für Menschen mit Handicap in L. keine Räumlichkeiten i.S. des § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI zur Verfügung gestellt werden, weil für deren Überlassung - nach dem Standpunkt der Antragstellerin - das WBVG keine Anwendung findet (vgl. § 71 Abs. 4 Nr. 3 lit. b SGB XI), kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil im Eilverfahren die maßgeblichen Vertragsunterlagen (im Entwurf) nicht vollständig vorgelegt worden sind. Den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners sind allein Verträge über die Wohnraumüberlassung (Mietverträge im Entwurf) zu entnehmen. Nach § 1 Abs. 1 WBVG unterliegen ambulant betreute Wohngemeinschaften als hybride Versorgungsform, bei der die Wohnraumüberlassung und die Pflege- oder Betreuungsleistung nicht rechtlich oder zumindest wirtschaftlich miteinander verknüpft sind, grundsätzlich nicht der Anwendung des WBVG (Bregger in jurisPK-BGB Band 2, 9. Aufl. 2020, § 1 WBVG Rn. 21; eingehend Klie, PflR 2018, 348 ff., 423 ff.). Allerdings ist das Gesetz gemäß § 1 Abs. 2 WBVG entsprechend anzuwenden, wenn die vom Unternehmer geschuldeten Leistungen Gegenstand verschiedener Verträge sind und der Bestand des Vertrags über die Überlassung von Wohnraum von dem Bestand des Vertrags über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen abhängig ist (Nr. 1), der Verbraucher an dem Vertrag über die Überlassung von Wohnraum nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht unabhängig von dem Vertrag über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen festhalten kann (Nr. 2) oder der Unternehmer den Abschluss des Vertrags über die Überlassung von Wohnraum von dem Abschluss des Vertrags über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen tatsächlich abhängig macht (Nr. 3). Nach dem Vortrag der Antragstellerin sollen die (zukünftigen) Bewohnerinnen und Bewohner bzw. deren rechtliche Vertretung alle Belange des Zusammenlebens selbst organisieren, verantworten und gestalten und die Pflege und Betreuung durch einen (ambulanten) Dienst rechtlich unabhängig von der Überlassung der Räumlichkeiten durch die Vermieterin sichergestellt werden (sog. vollständig selbstverantwortete WG). Obwohl Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sowohl die Wohnraumüberlassung als auch die konzeptionelle Planung der Pflege- und Betreuung der in der WG Lebenden (unter Einschaltung eines Pflegedienstes) maßgeblich durch die Eigentümer der Immobilie, die Eltern der Antragstellerin, erfolgt bzw. erfolgen wird, unterstellt der Senat zu Gunsten der Antragstellerin, dass insoweit das WBVG keine Anwendung findet, also keine Räumlichkeiten i.S. des § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI überlassen werden und sie gegenüber den dort vorgesehenen Leistungen der Pflegekasse in monatlicher Höhe von höchstens 266,00 € (vgl. § 43a Satz 2 SGB XI) zur Finanzierung der Betreuung in der WG möglicherweise höhere Leistungen beanspruchen kann (Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI, Pflegegeld nach § 37 SGB XI bzw. Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI; vgl. dazu BSG, Urteil vom 11.11.2021 - B 3 P 2/20 R - juris Rn. 13 ff.). Hierfür spricht auch die Auskunft der für die Antragstellerin zuständigen Pflegekasse, der Barmer, im Rahmen der (sehr zurückhaltenden) Beteiligung an der Bedarfsermittlung, nach der als Teilbudget der Pflegekasse Sachleistungen in wertmäßiger Höhe von max. 1.612,00 € je Monat bei Pflegegrad 4 in Aussicht gestellt worden sind. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist es auch nicht ausgeschlossen, dass der Antragstellerin neben den Leistungen der Pflegekasse ein Anspruch auf ein (anteiliges) Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 Satz 1 SGB XII zustehen kann (nach dem Antrag im Eilverfahren i.H.v. 242,67 €), weil trotz einer „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ durch einen Dienst evtl. noch ein ungedeckter Pflegebedarf in Eigenverantwortung abzudecken ist (vgl. zum Verhältnis von Leistungen im Rahmen eines pB zur Abdeckung von Pflegesachleistungen bzw. Leistungen der Eingliederungshilfe zu einem gekürzten Pflegegeld Sächsisches LSG, Beschluss vom 10.11.2020 - L 8 SO 67/20 B ER - juris Rn. 29 ff.). Die weitere Prüfung kann insoweit dem Verwaltungsverfahren vorbehalten bleiben.

Unter dieser Prämisse sind weitere, unter Umständen nach § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB IX budgetfähige Leistungen, insbesondere der Pflegekasse, nicht Gegenstand des Verfahrens, weil das pB nach dem Antrag im Eilverfahren inhaltlich auf Leistungen der Eingliederungshilfe beschränkt worden ist und auch der unter einer aufschiebenden Bedingung für den Fall des Einzugs in die WG ergangene Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 27.1.2022 - soweit ersichtlich - ausschließlich Teilhabeleistungen, konkret einfache und qualifizierte Assistenzleistungen i.S. des § 113 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 78 Abs. 2 SGB IX, sowie - unausgesprochen - inkludierte Pflegeleistungen nach § 103 Abs. 2 SGB IX umfasst (anders im Ausgangspunkt der im Januar 2019 konkretisierte Antrag vom 27.7.2018 auf Gewährung eines trägerübergreifenden pB). In diesem Sinn werden die insgesamt erforderlichen Geldleistungen nach dem zuletzt angekündigten Antrag im Gerichtsverfahren „abzüglich der von der Pflegekasse gewährten Pflegeleistungen“ begehrt (vgl. Schriftsatz vom 4.11.2022). Dass das pB auch nicht trägerübergreifend von einem einzelnen Leistungsträger erbracht werden kann, sieht § 29 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nach neuem Recht ausdrücklich vor (einschränkend zur alten Rechtslage BSG, Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10 R - juris Rn. 27 ff.; vgl. zu § 29 SGB IX aber auch O'Sullivan in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl. 2018, § 29 Rn. 46; Schneider in Hauck/Noftz, SGB IX, Erg.-Lfg. I/22, K § 29 Rn. 12). Ob eine solche Budgetbeschränkung rechtlich zulässig ist, wenn inhaltlich sich entsprechende Leistungen von unterschiedlichen Sozialleistungsträgern - hier des Trägers der Eingliederungshilfe nach § 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 64a SGB XII und der Pflegekasse (s.o.) - beansprucht werden können, ob ein Einzelbudget also träger- und/oder (nur) bedarfs- bzw. rehabilitationsbezogen gewährt werden darf (ersteres bejaht etwa v. Boetticher, Das neue Teilhaberecht, § 3 Rn. 155, S. 130; für eine Budgetabgrenzung nach Lebens- bzw. Rehabilitationsbereichen bereits Senatsurteil vom 20.8.2015 - L 8 SO 327/13 - juris Rn. 20), bleibt der weiteren Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Nach dem gegenwärtigen Antragsbegehren ist im vorliegenden Eilverfahren die Beiladung anderer Leistungsträger (§ 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG) allerdings nicht geboten.

Die (ebenfalls) noch abschließend zu klärende Frage, ob die Antragstellerin bzw. sie vertretend M und der Antragsgegner eine wirksame ZV abgeschlossen haben, steht der Bewilligung eines (höheren) pB nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht entgegen. Insoweit bestehen zwar Zweifel, weil der Geltungszeitraum der zunächst geschlossenen ZV vom 18.8.2020 (bis August 2021) mittlerweile abgelaufen ist und die weitere ZV aus Januar 2021 nach den Verwaltungsvorgängen zwar von M - ebenfalls „unter Vorbehalt“ - unterschrieben (am 20.1.2021), ihr aber wohl nicht zurückgeschickt worden ist; zudem enthält diese ZV keine Angaben über deren Geltungsdauer. Nach den Umständen des Einzelfalles spricht aber Überwiegendes dafür, dass sich (auch) der Antragsgegner - unter Wahrung der Schriftform (entsprechend § 56 SGB X) - an die ZV gebunden sieht (vgl. auch sein an M gerichtetes Schreiben vom 25.1.2021, nach dem er den Erhalt der ZV bestätigt und den Erlass eines Leistungsbescheides angekündigt hat). Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist der vorherige Abschluss einer ZV mit dem gesetzlich vorgesehenen Mindestinhalt (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB IX; früher nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des SGB IX - Budgetverordnung - vom 27.5.2004, BGBl I 1055; aufgehoben mit Art. 26 Abs. 1 des BTHG) allenfalls formale Voraussetzung für den anschließenden Erlass eines Verwaltungsakts über das PB (BSG, Urteil vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - juris Rn. 27), so dass die in der ZV freigelassene Geltungsdauer deren Wirksamkeit insoweit unberührt lässt. Welche Konsequenzen sich für den Anspruch auf ein pB ergeben, wenn eine ZV im Verwaltungsverfahren nicht zustande kommt, braucht an dieser Stelle nicht entschieden werden (nach bisheriger Rechtsprechung des Senats zur alten Rechtslage ist eine wirksame ZV stets Bewilligungsvoraussetzung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 10.4.2014 - L 8 SO 506/13 B ER - juris Rn. 20 und - L 8 SO 16/14 B ER - juris Rn. 13; Senatsurteil vom 20.8.2015 - L 8 SO 327/13 - juris Rn. 17; ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5.3.2020 - L 8 SO 31/19 - juris Rn. 33, 43; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.3.2019 - L 1 KR 58/19 B ER - juris Rn. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.6.2017 - L 9 SO 474/12 - juris Rn. 109 f.; a.A. Sächsisches LSG, Beschluss vom 11.11.2021 - L 8 SO 39/21 B ER - juris Rn. 31; OVG Bremen, Beschluss vom 25.5.2020 - 2 B 66/20 - juris Rn. 23; ausführlich Schneider in Hauck/Noftz, SGB IX, Erg.-Lfg. I/22, K § 29 Rn. 39 f.; offen gelassen durch BSG, a.a.O.).

Entgegen dem Standpunkt des Antragsgegners ist die Höhe des pB für die Betreuungsleistungen in der WG nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht nach § 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX auf die Kosten für einen (fiktiven) Aufenthalt der Antragstellerin in einer besonderen Wohnform (in monatlicher Höhe von 5.172,30 €) begrenzt. Nach dieser Vorschrift soll die Höhe des pB die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das pB zu erbringen sind (sog. Grundsatz der Budgetneutralität). Der Senat hat bereits entschieden, dass ein vom Grundsatz der Budgetneutralität abweichender Ausnahmefall dann vorliegt, wenn durch die Inanspruchnahme eines pB das Umsteigen auf eine ambulante Betreuung (z.B. durch den Bezug einer eigenen Wohnung) erst ermöglicht wird. In diesem Fall sind für die Budgetobergrenze nach § 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX nicht die Kosten einer - fiktiven - Bedarfslage, hier einer alternativen Betreuung in einer besonderen Wohnform, sondern diejenigen aller individuell erst festzustellenden Leistungen (der ambulanten Betreuung) maßgeblich; es ist also auf diejenigen Kosten abzustellen, die anfallen würden, wenn der tatsächliche Bedarf (hier der Betreuung in der WG) durch den Träger der Eingliederungshilfe im Wege der Sachleistungsverschaffung gedeckt wird (vgl. Senatsurteil vom 20.8.2015 - L 8 SO 327/13 - juris Rn. 22 f.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2018 - L 7 SO 3516/14 - juris Rn. 71 f.). Dies zu Grunde gelegt, überschreitet das von der Antragstellerin begehrte pB der Höhe nach nicht die Obergrenze aus § 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX. Der Antragsgegner hat zu den nach den eingereichten Kostenvoranschlägen für das pB zugrunde gelegten Stundensätzen im Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass diese grundsätzlich plausibel und angemessen und teilweise durch entsprechende Vergütungsvereinbarungen des Dienstes belegt seien. Die Kosten einer Sachleistungsverschaffung durch einen Leistungserbringer ohne pB wären (sicherlich) vergleichbar hoch.

Dem Anspruch auf Zusicherung bzw. auf Bewilligung eines pB zur Bestreitung zukünftiger Betreuungskosten in der WG für Menschen mit Handicap in der von der Antragstellerin begehrten Höhe von monatlich etwa 7.500,00 € (dazu im Einzelnen gleich) steht aber mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit entgegen, dass mit einer solchen Leistungsgewährung gemäß § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX unverhältnismäßige Mehrkosten im Vergleich zu den Leistungen für einen Aufenthalt in einer besonderen Wohnform einhergehen würden und auch nicht Aspekte der Qualität der Wohnform bzw. der darin vorgesehenen Leistungen für eine abweichende Leistungserbringung sprechen.

Nach § 104 SGB IX bestimmen sich die Leistungen der Eingliederungshilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln; dabei ist auch die Wohnform zu würdigen (Abs. 1 Satz 1). Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, ist zu entsprechen, soweit sie angemessen sind (Abs. 2 Satz 1). Die Wünsche der Leistungsberechtigten gelten nicht als angemessen, wenn und soweit die Höhe der Kosten der gewünschten Leistung die Höhe der Kosten für eine vergleichbare Leistung von Leistungserbringern, mit denen eine Vereinbarung nach Kapitel 8 besteht, unverhältnismäßig übersteigt und wenn der Bedarf nach der Besonderheit des Einzelfalles durch die vergleichbare Leistung gedeckt werden kann (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2). Die Angemessenheit hat sich damit nicht nur auf Kostengesichtspunkte zu erstrecken, sondern auf die Ausgestaltung der Leistung im Übrigen, wie z.B. auf deren Qualität und Geeignetheit zur Erreichung der Teilhabeziele (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 280; vgl. auch Sächs. LSG, Beschluss vom 22.3.2022 - L 8 SO 49/21 B ER - juris Rn. 33). Bei dieser Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit einer von den Wünschen des Leistungsberechtigten abweichenden Leistung zu prüfen (Abs. 3 Satz 1). Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände - wie z.B. Alter, berufliche Tätigkeit, Familie und Partnerschaft (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 280) - einschließlich der gewünschten Wohnform angemessen zu berücksichtigen (Abs. 3 Satz 2). Nach ständiger Rechtsprechung des Senates zu den Vorgänger- bzw. Parallelvorschriften der §§ 9, 13 SGB XII (BT-Drs. 18/9522, S. 279) kommt es dabei entscheidend darauf an, ob die Betreuung und Pflege in einer vollstationären Einrichtung (bzw. besonderen Wohnform) und die damit für die betroffene Person einhergehenden Einschränkungen und Belastungen nach allgemeiner Anschauung vertretbar und für die betroffene Person tragbar sind. Dem Betroffenen muss in einer Einrichtung (bzw. besonderen Wohnform) die Führung eines Lebens möglich sein, das der Würde des Menschen (Art. 1 GG; Art. 1 Satz 1 BRK) entspricht (grundlegend Senatsurteil vom 28.1.2010 - L 8 SO 233/07 - juris Rn. 29 m.w.N. sowie vom 26.5.2016 - L 8 SO 166/12 - juris Rn. 36; Senatsbeschluss vom 29.4.2016 - L 8 SO 77/16 B ER -). Kommt danach ein Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen in Betracht, ist dieser Wohnform der Vorzug zu geben, wenn dies von der leistungsberechtigten Person gewünscht wird (Abs. 3 Satz 3). Bei Unzumutbarkeit einer abweichenden Leistungsgestaltung ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen (Abs. 3 Satz 5).

Nach diesen dem allgemeinen Recht (§ 33 SGB I) vorgehenden Regelungen sind die von dem Wunsch der Antragstellerin abweichenden Leistungen für einen Aufenthalt in einer besonderen Wohnform der Behindertenhilfe nach den Umständen des Einzelfalles mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit zumutbar (§ 104 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB IX). Nach der Bedarfsermittlung (B.E.Ni) des Antragsgegners, zuletzt - soweit ersichtlich - aktualisiert im August und September 2020, ist die Antragstellerin in allen Lebensbereichen auf eine umfassende Unterstützung und Hilfeleistung angewiesen, insbesondere bei der Aufnahme von (komplexeren) Informationen, Konzentration und zeitlichen sowie räumlichen Orientierung im Tagesablauf (ohne Verkehrssicherheit, Weglauftendenzen), der (mit engmaschiger Anleitung und Begleitung möglichen) Aufgabenbewältigung, zur Vermeidung von Auto- und Fremdaggressionen (Schlagen, Treten, Gegenstände werfen, Beißen, Schubsen; insoweit ist jedoch wegen einer Medikamentenumstellung Anfang 2020 noch das konkrete Ausmaß klärungsbedürftig, vgl. die in der Gesprächsnotiz des Antragsgegners vom 7.9.2020 festgehaltenen Ausführungen der M) und Medikamenteneinnahme, bei der Verständigung mit der Umwelt, der Grundkörperpflege, der Nahrungsaufnahme (mit engmaschiger Begleitung aufgrund ungezügelten Appetits und mangelnden Durstgefühls), dem Besuch der WfbM und ihren Hobbies (Tablet, Malen, mit Autos spielen, mit dem Vater Tandem fahren, Schwimmen, Familienausflüge, Musik hören und mitsingen und dazu bewegen). Der Senat erachtet die Ausführungen in dem Prüfvermerk des Antragsgegners (Geschäftsbereich Soziales) vom 2.8.2022 zu den persönlichen, familiären und örtlichen Umständen des gewünschten Aufenthalts in der WG und einer alternativen besonderen Wohnform als plausibel und überzeugend. Danach sind unter Berücksichtigung der Schwere der Beeinträchtigungen, die eine 24 Stunden am Tag währende Betreuung erfordert, die in einer besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe vorgehaltenen Leistungen zur Deckung der individuellen Bedarfe der Antragstellerin an Teilhabe und Pflege geeignet; bei dieser Bewertung ist auch die besondere Sachkunde des Fachbereichs des Antragsgegners zu berücksichtigen. Die Antragstellerin wird ihr Leben lang der Betreuung und pflegerischen Versorgung bedürfen und sowohl bei einem Einzug in die WG in L. als auch bei einer Aufnahme in einer besonderen Wohnform ihren gegenwärtigen Sozial- und familiären Raum verlieren. Allerdings ist im Verwaltungsverfahren noch dem Einwand nachzugehen, ein Wechsel in eine besondere Wohnform der Behindertenhilfe sei der Antragstellerin nicht zuzumuten, weil sie auf häufig wechselnde Kontakte und unvorhergesehene Situationen mit Überforderung, Anfallsbereitschaft und Aggressivität reagiere und aus diesem Grund ein reizarmes und vorhersehbares Umfeld benötige, das in der WG, aber nicht in einer besonderen Wohnform der Behindertenhilfe gewährleistet sei (vgl. auch die Stellungnahmen der die Antragstellerin behandelnden Stellen, u.a. des Klinkums T., Neuropädiatrie mit Sozialpädiatrischem Zentrum (Bericht des Direktors U. V. vom 16.9.2000), des Pflegedienstes W. Ambulante Psychiatrische häusliche Krankenpflege (Bericht der Psychiatriefach- und Bezugspflegekraft X. vom 2.8.2021), des J. (Stellungnahme der Pädagoginnen Y. und Z. vom 3.9.2021) sowie des Hausarztes, Dr. AA., AB. (Attest vom 20.9.2021). Dies bedarf einer (fach-)medizinischen und/oder pädagogischen Bewertung. Angesichts des Umstandes, dass besondere Wohnformen der Behindertenhilfe auf die Betreuung von Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen ausgerichtet sind (ggf. in kleineren Wohngruppen und mit festen Pflege- bzw. Bezugspersonen, teilweise in 1:1-Betreuung), erachtet es der Senat allerdings nicht als überwiegend wahrscheinlich, dass aufgrund der besonderen Beeinträchtigungen der Antragstellerin ein Aufenthalt in einer besonderen Wohnform wegen Unzumutbarkeit i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB IX von vorneherein ausscheidet. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Antragstellerin der Aufenthalt in einer besonderen Wohnform aus gesundheitlichen bzw. behinderungsbedingten Gründen nicht zuzumuten ist, erscheint es einstweilen zumutbar, das weitere Verwaltungsverfahren abzuwarten. In diese Bewertung ist mit einzubeziehen, dass die Eltern einen Aufenthalt der Antragstellerin in einer besonderen Wohnform seit 2018 (kategorisch) ausschließen. Insoweit verfängt auch nicht ihr pauschaler Einwand, ein Aufenthalt in einer besonderen Wohnform der Behindertenhilfe sei der Antragstellerin wegen der altersmäßigen Zusammensetzung der Bewohnerinnen und Bewohner nicht zumutbar (vgl. dazu auch die Stellungnahme des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 16.12.2021) oder es seien (derzeit) keine Betreuungsmöglichkeiten verfügbar.

Ob und inwiefern die familiäre Beziehung der Antragstellerin zu ihren Eltern, Großeltern und ihrer großen Schwester durch einen Einzug in die WG, den dortigen Sozialraum und die Einbindung der Eltern in die Organisation und Ausführung der Betreuung der Antragstellerin - positiv oder negativ - beeinflusst werden kann, bedürfte wegen des bei Menschen mit geistiger Behinderung sehr komplexen Ablösungsprozesses vom Elternhaus (vgl. dazu etwa Schultz, Ablösung vom Elternhaus: der Übergang von Menschen mit geistiger Behinderung in das Wohnen außerhalb des Elternhauses in der Perspektive ihrer Eltern, 2010) ggf. noch einer weiteren Betrachtung. Dieser Umstand steht aber - wie auch die annähernd gleiche Entfernung der WG und der in Betracht kommenden besonderen Wohnformen der Behindertenhilfe vom Wohnort der Eltern von 20 bis 30 km - der Annahme der Zumutbarkeit von Leistungen für eine besondere Wohnform der Behindertenhilfe grundsätzlich nicht entgegen. Das Wohn- und Lebensumfeld der Eltern ist ländlich geprägt und erfordert - so oder so - für (familiäre) Besuche bzw. zum Abholen und Hinbringen der Antragstellerin (z.B. bei Wochenendaufenthalten im elterlichen Haushalt) die Nutzung eines Kfz bzw. eines Behindertenfahrdienstes.

Gegenüber dem kleinen Ort L., selbst wenn dort eine (inklusive) Teilhabe der WG am Dorfleben möglich erscheint, bieten besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe regelmäßig eine besondere Infrastruktur für inklusives Leben, zum Teil mit angegliederter Tagesförderstätte oder WfbM und Therapieangeboten. Dass einige der sechs in Wohnortnähe liegenden besonderen Wohnformen außerhalb des Kreisgebiets des Antragsgegners gelegen sind, insbesondere das im Rahmen des Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ 2018 prämierte inklusive Dorf AC. in W. (vgl. AD.), steht der Zumutbarkeit einer entsprechenden Leistung nicht entgegen. Solange die Eingliederungshilfe für den gegenwärtigen Besuch der WfbM bestandskräftig bewilligt ist, kann daraus auch eine (gesonderte) Fahrtkostenübernahme für den weiteren Werkstattbesuch in Betracht kommen (BSG, Urteil vom 27.2.2020 - B 8 SO 18/18 R - juris Rn. 12; vgl. auch Senatsbeschluss vom 27.7.2021 - L 8 SO 79/21 B ER - juris Rn. 15). Im Übrigen wäre nach den Umständen des Einzelfalles zu erwägen, ob der Antragstellerin unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen und behinderungsbedingten Beeinträchtigungen ggf. ein Wechsel der WfbM zuzumuten ist.

Die Zumutbarkeit der Leistungen für eine besondere Wohnform (der Behindertenhilfe) zu Grunde gelegt, ist der Wunsch der Antragstellerin, der wegen ihrer schweren geistigen Behinderung stellvertretend durch M geäußert wird (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R - juris Rn. 15), nach einer anderen Gestaltung der Leistung durch Übernahme der Kosten der Betreuung in der WG zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens nach Maßgabe des § 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX nicht angemessen (dazu im Einzelnen gleich).

Diese Angemessenheitsprüfung ist hier nicht nach § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX ausgeschlossen, nach dem einer von der leistungsberechtigten Person gewünschten Wohnform der Vorzug zu geben ist, wenn ein Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen in Betracht kommt; insoweit wird überwiegend vertreten, dass aus dieser Vorschrift bei gleicher Eignung der Leistungen in der Rechtsfolge eine bindende Entscheidung des Rehabilitationsträgers ohne Kostenvergleich folgt (Siefert, jurisPR-SozR 7/2017 Anm. 1; Gutzler in Hauck/Noftz, SGB IX, Erg.-Lfg. XII/20, K § 104 Rn. 33 f.; Kellner in BeckOK SozR, § 104 SGB IX Rn. 15; Wehrhahn in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 104 Rn. 15; v. Boetticher, Das neue Teilhaberecht, 2. Aufl. 2020, § 4 Rn. 84, S. 333, der diese Vorschrift als Unterfall der Unzumutbarkeit i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 1 und 5 SGB IX ansieht). Das SG hat zu Recht entschieden, dass § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX hier tatbestandlich nicht anwendbar ist, weil durch einen Einzug in die WG für Menschen mit Handicap in L. kein Wohnen „außerhalb von besonderen Wohnformen“ begründet würde; die Räumlichkeiten der WG verbunden mit der Betreuung durch einen Dienst stellen nach dem im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen Prüfungsumfang selbst eine besondere Wohnform in diesem Sinne dar.

Die Auslegung des Begriffs der besonderen Wohnform i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX hat wegen der besonderen Bedeutung der Norm im Rahmen der Angemessenheitsprüfung i.S. des § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX nach deren Sinn und Zweck, eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum zu ermöglichen, eigenständig zu erfolgen. Im Grundsatz orientiert sie sich an der Definition der Wohnform nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB XII (ebenso Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 104 SGB IX Rn. 9). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, der Gesetzeshistorie sowie -systematik und Sinn und Zweck der Regelung.

Der Begriff der besonderen Wohnform ist gesetzlich nicht definiert und wird im SGB IX und im SGB XII (ansonsten) nur vereinzelt verwandt, insbesondere durch eine Bezugnahme auf die in § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB XII definierte Wohnform (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 SGB IX und § 30 Abs. 7 Satz 1 SGB XII; so auch in § 14 Abs. 4 Satz 2 WBVG), die u.a. eine Verknüpfung der Erbringung von Leistungen nach Teil 2 des SGB IX mit der Wohnraumüberlassung voraussetzt. Im juristischen Sprachgebrauch hat sich der Begriff der sogenannten „besonderen Wohnform nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB XII“ etabliert (vgl. etwa BT-Drs. 19/11006, S. 17, 34; BT-Drs. 19/14120, S. 25; BR-Drs. 486/20, S. 64; BSG, Urteil vom 5.8.2021 - B 4 AS 26/20 R - juris Rn. 33). Der Begriff beruht auf Art. 19 BRK (dort „particular living arrangement“; in Deutschland geltendes Recht seit der Verabschiedung des Gesetzes zu den Protokollen vom 9.7.2008 zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Republik Albanien und der Republik Kroatien vom 21.12.2008, veröffentlicht am 31.12.2008, BGBl. II S. 1419, 1420) und betrifft Wohnformen, die speziell für Menschen mit Behinderungen vorgehalten werden und die ihnen nicht die volle Entscheidungsfreiheit lassen, wo und mit wem sie wohnen, oder die auf anderem Wege ihre Möglichkeit zur unabhängigen Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinde einschränken (vgl. Zinsmeister in Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 104 Rn. 8). Im früheren Eingliederungshilferecht nach dem SGB XII waren diese Wohnformen in der Regel vom Begriff der stationären Einrichtung (vgl. § 13 Abs. 2 SGB XII) erfasst. Hintergrund der Einführung des Begriffs sind (auch) die Trennung von Fach- und lebensunterhaltssichernden Leistungen im Recht der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX (vgl. § 93 Abs. 1 SGB IX) und die Aufgabe der zuvor leistungsprägenden Begriffe der ambulanten und (teil-)stationären Leistungen, um die notwendige Unterstützung des Menschen mit Behinderung nicht mehr an einer bestimmten Wohnform, sondern nur am notwendigen individuellen Bedarf auszurichten (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 266; Frerichs in Hauck/Noftz, SGB IX, Erg.-Lfg. 1/22, K § 93 Rn. 16-19). Die Aufgabe dieser Terminologie hat in systematischer Hinsicht die Einführung neuer Begrifflichkeiten und Abgrenzungen nicht nur im Eingliederungshilfe- und Existenzsicherungsrecht (§ 42a Abs. 2 SGB XII) erfordert, sondern auch im Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung (vgl. § 43a, § 71 Abs. 4 SGB XI; dazu bereits oben). Da letztere aber in erster Linie die Finanzierung von stationären oder ihnen gleichgestellten Maßnahmen und die (unveränderte) Lastenverteilung zwischen der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung nach bisherigem Recht bezwecken (vgl. BT-Drs. 18/9518, S. 72; Schmidt in BeckOGK, SGB XI § 71 Rn. 38), sind sie zur Auslegung des Begriffs der besonderen Wohnform i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX grundsätzlich nicht geeignet. Diese (erst) auf Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales eingeführte Vorschrift dient nämlich dem Ziel der Eingliederungshilfe im Bereich des Wohnens, den Leistungsberechtigten eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum zu ermöglichen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Insoweit sollen nach den Gesetzesmaterialien im Lichte der BRK, der bei der Auslegung der gesetzlichen Vorschriften in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist (st. Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26.4.2016 - L 8 SO 77/16 B ER - sowie vom 3.5.2021 - L 8 SO 47/21 B ER - juris Rn. 18; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 - juris Rn. 60 ff.; BVerfG, Beschluss vom 21.3.2016 - 1 BvR 53/14 - juris Rn. 4; BVerfG, Beschluss vom 10.10.2014 - 1 BvR 856/13 - juris Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 - juris Rn. 52), inklusive Angebote geschaffen werden, in denen Menschen mit Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Wohnen in der eigenen Wohnung und inklusiv ausgerichteten Wohnangeboten für Menschen mit und ohne Behinderungen im Quartier führen können (BT-Drs. 18/10523, S. 4, 62; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates zum BTHG und die Gegenäußerung der Bundesregierung in BT-Drs. 18/9954, S. 21, 66 jeweils zu Ziff. 38). Auch wenn § 42a SGB XII mit einer differenzierenden Bestimmung existenznotwendiger Bedarfe für Unterkunft und Heizung einen anderen Zweck verfolgt, orientiert sich die Auslegung des Begriffs der besonderen Wohnform i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX wegen der im SGB IX und SGB XII üblichen Begriffsverwendung grundsätzlich an der gesetzlichen Definition in § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB XII. Gleichwohl ist der Begriff eigenständig (funktionsdifferent) nach der o.g. Zielrichtung auszulegen. Bei der Beurteilung, ob mit der Wahl einer neuen Wohnform ein Wohnen „außerhalb von besonderen Wohnformen“ vorliegt, ist aber nach den Umständen des Einzelfalls entscheidend, ob in der neuen Wohnform eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum erreicht wird. Hierbei sind die Berichte, Leitlinien und Empfehlungen des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach Art. 34 BRK zur Auslegung der Konventionsbestimmungen und zur Rechtslage in Deutschland zu berücksichtigen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 - juris Rn. 62, 65; weitergehend SG Hamburg, Urteil vom 4.12.2018 - S 28 SO 279/14 - juris Rn. 7 sowie Theben, Artikel 19 UN-BRK - Segen und Verheißung, DVfR Forum A, A5-2019; vgl. auch Waldhorst-Kahnau in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 13 Rn. 45 ff.), insb. die Allgemeine Bemerkung Nr. 5 (2017) zum selbstbestimmten Leben und Inklusion in die Gemeinschaft (abrufbar unter https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/), nach der sich besondere Wohnformen i.S. des Art. 19 lit. a BRK durch einen segregierenden Charakter und bestimmte Merkmale auszeichnen, wie zum Beispiel durch die Verpflichtung, ggf. nicht frei wählbare Assistentinnen und Assistenten zu teilen, fehlende Kontrolle auf alltägliche Entscheidungen sowie fehlende Wahlfreiheit hinsichtlich der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner, starre Abläufe losgelöst von persönlichem Willen und Präferenzen evtl. mit identischen Aktivitäten am selben Ort für eine Gruppe von Menschen unter der Aufsicht einer bestimmten Person, meist auch durch eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Personen mit Behinderungen, die in derselben Umgebung leben, ggf. mit Überwachung der Wohnverhältnisse etc. (vgl. S. 6 ff. der Bemerkung). Wegen der fiskalischen Bedeutung einer Dispensierung des Mehrkostenvorbehalts sind an die Verwirklichung einer selbstbestimmten Wohn- und Lebenssituation durch ein Leben „außerhalb einer besonderen Wohnform“ i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX allerdings qualitative Anforderungen zu stellen (zu bejahen z.B. bei inklusiv ausgerichteten Wohnangeboten für Menschen mit und ohne Behinderungen, vgl. BT-Drs. 18/10523, S. 4, 62), die es - soweit sie vorliegen - rechtfertigen, dass der subjektive Wunsch der leistungsberechtigten Person nach Leistungen für eine bestimmte Wohnform - bei Vorliegen einer zumutbaren Alternative - dem das Sozialrecht allgemein und das Sozial- und Eingliederungshilferechtliche im Besonderen prägenden Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (zum Recht der Eingliederungshilfe vgl. etwa BSG, Urteil vom 11.9.2020 - B 8 SO 22/18 R - juris Rn. 19 a.E.; BSG, Urteil vom 19.5.2022 - B 8 SO 13/20 R - juris Rn. 18 a.E.; Luthe in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 8 Rn. 52 ff.) vorgeht. Angesichts des individuellen und personenzentrierten Maßstabs der Eingliederungshilfe (vgl. jüngst BSG, Urteil vom 19.5.2022 - B 8 SO 13/20 R - juris Rn. 18; vgl. auch BT-Drs. 18/9522, S. 333) und der ihrer Art nach äußerst vielfältigen gemeinschaftlichen Wohnformen für Menschen mit Behinderung (vgl. nur Klie, PflR 2018, 348 ff., 423 ff.) wird eine allgemeine, vom Einzelfall unabhängige Grenzziehung, ab wann diese qualitativen Anforderungen erfüllt sind, kaum möglich sein.

Dies zu Grunde gelegt, ist die WG für Menschen mit Handicap (auch) als eine besondere Wohnform i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX anzusehen. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage fällt sie schon unter den Begriff i.S. des § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 SGB XII. Eine solche Wohnform liegt danach vor, wenn Leistungsberechtigte nicht in einer Wohnung nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB XII leben, weil ihnen zur Erbringung von Leistungen nach Teil 2 des SGB IX allein oder zu zweit ein persönlicher Wohnraum und zusätzliche Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung nach § 42a Abs. 2 Satz 3 SGB XII zu Wohnzwecken überlassen werden. Nach der zuletzt genannten Norm ist der sog. persönliche Wohnraum ein Wohnraum, der Leistungsberechtigten allein oder zu zweit zur alleinigen Nutzung überlassen wird; zusätzliche Räumlichkeiten sind Räume, die Leistungsberechtigten zusammen mit weiteren Personen zur gemeinschaftlichen Nutzung überlassen werden. Die der Antragstellerin in der WG zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten bzw. das zur alleinigen Nutzung vorgehaltene Zimmer erfüllen nicht den Begriff der Wohnung i.S. des § 42a Abs. 2 Satz 2 SGB XII, weil sie von den Räumlichkeiten der übrigen Interessenten der Wohnform nicht baulich getrennt sind (vgl. hierzu auch BT-Drs. 18/9522, Seite 335). Neben dem persönlichen Wohnraum sollen ihr auch zusätzliche Räumlichkeiten i.S. von § 42a Abs. 2 Satz 3 SGB XII zu Wohnzwecken überlassen werden. Welche Anforderungen an die weitere Voraussetzung i.S. des § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (grundsicherungsrechtlich) zu knüpfen sind, dass die Räumlichkeiten „zur Erbringung von Leistungen nach Teil 2 des SGB IX“ überlassen werden, muss hier nicht abschließend entschieden werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift, deren Entstehung und Systematik sowie Sinn und Zweck spricht Überwiegendes dafür, dass die Wohnraumüberlassung und die Gewährung von Eingliederungshilfe weder aus einer Hand noch in einer - nach altem Begriffsverständnis - stationären Einrichtung erfolgen müssen bzw. eine solche finale Verknüpfung nur bei einer unter Anwendung des WBVG fallenden Wohnraumüberlassung anzunehmen ist (so überzeugend SG Aachen, Urteil vom 19.3.2021 - S 19 SO 59/20 - juris Rn. 33 f.; a.A. SG Marburg, Urteil vom 21.10.2020 - S 9 SO 34/20 - juris Rn. 30). Danach liegt hier bereits die Annahme einer besonderen Wohnform i.S. des § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 SGB XII nahe, weil die WG für Menschen mit Handicap konzeptionell so ausgerichtet ist, dass diejenigen, die dort Wohnraum mieten, (notwendig) auch Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX (und ggf. inkludierte Pflegeleistungen) nach dem für die WG entwickelten Konzept unter Einbindung von (derzeit) einem Pflegedienst erhalten, in der WG also ausschließlich Menschen mit Behinderungen betreut werden (zu diesem Aspekt vgl. auch SG Aachen, a.a.O., Rn. 35 m.w.N. sowie die Vorinstanz). Auch eine eigenständige Auslegung des Begriffs i.S. des § 104 Abs. 3 Satz 3 SGB IX, die sich an dem Sinn und Zweck orientiert, eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum zu erreichen, führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Nach den Umständen des Einzelfalls dürfte die Beteiligung der Mitglieder der WG an der gemeinsamen Planung und Organisation der Betreuung und Pflege (i.S. eines gemeinsamen Konzepts) gewisse Gestaltungs- und Entfaltungsspielräume für die Pflege, aber auch für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eröffnen. Diesen Möglichkeiten sind aber wegen der Einbindung der einzelnen Person in die Gruppe und der individuellen Verhältnisse der Antragstellerin sowie evtl. weiterer - ebenfalls schwer behinderter - Mitglieder der WG auch Grenzen gesetzt. Die Möglichkeit, Assistenzkräfte frei zu wählen, dürfte nur theoretisch bestehen; faktisch soll (nach bisheriger Planung) die Betreuung und Pflege durch einen Pflegedienst erbracht werden und dies auch durch eine gemeinschaftliche Erbringung von Leistungen (sog. Poolen). Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die (potentiellen) Mitglieder der WG eine Mitsprache bzw. Mitbestimmung betreffend die Zusammensetzung der Gruppe bzw. welchen Einfluss sie auf den Abschluss der (Einzel-)Mietverträge durch die Eigentümer des Hauses haben werden. Der Antragsgegner weist im Zusammenhang mit einer Vergleichbarkeit der WG mit einer besonderen Wohnform (der Behindertenhilfe) zutreffend darauf hin, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer schweren Beeinträchtigungen - losgelöst von der Wohnform - Strukturierung, Anleitung, (engmaschige) Begleitung und Betreuung sowie eine stellvertretende Übernahme bei bestimmten Angelegenheiten benötigt und diese Bedarfe in ähnlicher Weise in einer (kleineren) Wohngruppe einer besonderen Wohnform (der Behindertenhilfe) gedeckt werden könnten. Nach bisherigem Stand des (Verwaltungs-)Verfahrens wird eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum durch einen Einzug in die WG nicht in der Weise verwirklicht, dass von einem Leben „außerhalb einer besonderen Wohnform“ auszugehen ist und es danach gerechtfertigt wäre, von einer Angemessenheitsprüfung i.S. des § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX von vorneherein abzusehen.

Die Höhe der Kosten der gewünschten Eingliederungshilfeleistung (einschließlich Pflegeleistungen i.S. des § 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. dem Siebten Kapitel des SGB XII) bei einem Einzug in die WG übersteigen die Höhe der Kosten für die vergleichbare Leistung in einer besonderen Wohnform der Behindertenhilfe aller Voraussicht nach unverhältnismäßig. Die Angemessenheitsobergrenze greift wie in der Sozialhilfe auf die „unverhältnismäßigen Mehrkosten“ zurück und bezweckt den notwendigen Ausgleich zwischen den das Wunsch- und Wahlrecht leitenden Vorstellungen der leistungsberechtigten Person über die Leistungserbringung und dem den Trägern der Eingliederungshilfe obliegenden Gebot der Wirtschaftlichkeit (BT-Drs. 18/9522, S. 279). Nach dem jüngsten Kostenvoranschlag des Pflegedienstes O. (vgl. den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 4.11.2022) belaufen sich die prognostizierten Kosten bei einer Größe der WG von fünf Personen auf monatlich ca. 9.200,00 €. Nach Abzug von Pflegesachleistungen nach dem SGB IX - hier nach einem Pflegegrad von 4 in monatlicher Höhe von 1.696,00 € (s.o.) - sind nach der Kalkulation die vom Träger der Eingliederungshilfe zu tragenden Kosten mit etwa 7.500,00 € je Monat zu beziffern (ggf. zzgl. eines gekürzten Pflegegeldes nach § 64a Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Diese Kosten bewegen sich im unteren Bereich des nur durch eine gemeinsame Leistungserbringung (sog. Poolen der Leistungen) Realisierbaren. Die Betreuungskosten dürften bei einem Einzug der Antragstellerin in die Räumlichkeiten der WG nach gegenwärtigem Stand deutlich höher ausfallen, weil die in der Kalkulation vorausgesetzte Belegung der WG mit fünf Personen mangels potentieller (Mit-)Bewohnerinnen und Bewohner - ein weiterer an der WG Interessierter hatte in einem Parallelverfahren ebenfalls keinen Erfolg (Senatsbeschluss vom heutigen Tag - L 8 SO 39/22 B ER -), ebenso zwei Personen in früheren Eilrechtsschutzverfahren (vgl. SG Leipzig, Beschluss vom 31.1.2022 - S 15 SO 156/21 ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2.6.2022 - L 8 SO 19/22 B ER -) und die Budgetanträge von zwei weiteren sollen noch nicht beschieden sein (vgl. den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 5.8.2022) - voraussichtlich (in absehbarer Zeit) nicht erreicht wird und damit kostenreduzierende Personalschlüssel (derzeit) nicht darstellbar sind. Bei einer Belegung der WG mit bis zu zwei Personen (mit wesentlicher geistiger Behinderung) ist ein (durchgehender) Personalschlüssel von 1:1 erforderlich mit einhergehenden Kosten von deutlich über 10.000,00 € je Monat (selbst bei einer Abwesenheit tagsüber z.B. aufgrund des Besuchs einer WfbM); allenfalls durch regelmäßige Wochenendbetreuungen im elterlichen Haushalt (sämtlicher Bewohnerinnen und Bewohner) könnten die monatlichen Kosten auf einen niedrigeren fünfstelligen Betrag je Monat begrenzt werden (vgl. die Stellungnahme des zuvor befassten Pflegedienstes R. vom 21.1.2022). Selbst unter Zugrundelegung des kalkulierten Kostensatzes von etwa 9.200,00 € bzw. nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse von etwa 7.200,00 € übersteigen die zu erwartenden Kosten diejenigen einer Hilfegewährung für eine besondere Wohnform der Behindertenhilfe eines vereinbarungsgebundenen Trägers nach der höchsten Leistungsberechtigtengruppe (LBGR) 5 von 5.172,30 € um etwa 50 % und damit aller Voraussicht nach in einem unverhältnismäßigen Umfang (zur Angemessenheitsgrenze vgl. Zinsmeister in LPK-SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 104 Rn. 10 a.E.; Müller-Grune in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 9 Rn. 41 f.). Bei dieser Bewertung ist noch nicht berücksichtigt, dass durch eine Betreuung und Pflege in der WG noch weitere, in gewisser Weise „institutionelle“ Kosten zu Lasten des Trägers der Eingliederungshilfe entstehen können, etwa wegen der Erforderlichkeit von Hilfsmitteln oder zur Mobilität (z.B. durch die Anschaffung eines Kfz, Übernahme von Betriebskosten etc.) als Leistung der sozialen Teilhabe, die in einer besonderen Wohnform der Behindertenhilfe ggf. nicht (gesondert) anfallen würden. Nach gegenwärtigem Stand des (Verwaltungs-)Verfahrens ergibt sich eine andere Bewertung der (Un-)Angemessenheit des Wunsches des Antragstellers auch nicht aufgrund der Qualität der mit einem Aufenthalt in der WG verbundenen Betreuung und Pflege. Nach den obigen Ausführungen zur Zumutbarkeit der Leistungen in einer besonderen Wohnform (der Behindertenhilfe) ist es nicht glaubhaft und auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Leistungen für einen Aufenthalt in der WG zur Deckung des ausgeprägten Betreuungs- und Pflegebedarfs des Antragstellers und zur Erreichung der verwirklichbaren Teilhabeziele besser eignen.

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich schließlich nicht (unmittelbar) aus Art. 19 lit. a BRK, nach dem die Bundesrepublik verpflichtet ist, durch wirksame Maßnahmen unter anderem zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben. Subjektive (Leistungs-)Ansprüche werden durch diese Vorschrift nicht begründet (st. Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 20.12.2013 - L 8 SO 410/12 NZB -; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2018 - L 7 SO 3516/14 - juris Rn. 62-67; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6.2.2014 - L 20 SO 436/13 B ER juris Rn. 57 ff; in diese Richtung BVerfG, Beschluss vom 21.03.2016 - 1 BvR 53/14 - juris Rn. 4; vgl. auch BR-Drs. 760/08, S. 48; zu Art. 24 BRK OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.9.2010 - 2 ME 278/10 - juris Rn. 14; zu Art. 25 Satz 3 lit. b i.V.m. Satz 1 und 2 BRK BSG, Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - juris Rn. 16 ff.; a.A. SG Hamburg, Urteil vom 4.12.2018 - S 28 SO 279/14 - juris Rn. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

Rechtskraft
Aus
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