L 3 R 819/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 34 R 261/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 819/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 4/23 R
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.12.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 482,16 € festgesetzt.

 

Tatbestand:

Streitig ist, ob sich der Erstattungsanspruch des Klägers nach § 104 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) auf die erhöhte Witwenrente im Sterbevierteljahr erstreckt.

 

Die Beigeladene bezog von dem Kläger im Streitzeitraum (17.08.2019 bis 30.11.2019) Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Sie ist die Witwe des am 00.08.2019 verstorbenen Versicherten G. B..

 

Mit Bescheid vom 14.10.2019 bewilligte die Beklagte der Beigeladenen eine große Witwenrente mit Beginn 17.08.2019. Die laufende Zahlung beginne ab Dezember 2019, der Nachzahlbetrag i.H.v. 1.994,83 € für den Zeitraum 17.08.2019 bis 30.11.2019 werde vorläufig nicht ausgezahlt.

 

Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 14.10.2019 über den Nachzahlanspruch, bat um Bezifferung des Erstattungsanspruchs und wies darauf hin, dass nach ihrer Auffassung der Sterbevierteljahresbonus nicht vom Erstattungsanspruch erfasst werde.

 

Mit Schreiben vom 25.10.2019 bezifferte der Kläger seinen Erstattungsanspruch auf insgesamt 2.118,84 €, mit Schreiben vom 15.11.2019 übersandte er eine monatliche Aufschlüsselung des Betrags nach Regelbedarf, Kosten der Unterkunft (KdU), Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen.

 

Mit Schreiben vom 22.11.2019 informierte die Beklagte die Beigeladene, dass der Kläger auf die Rentennachzahlung einen Erstattungsanspruch i.H.v. 1.196,91 € erhoben habe. Der Restbetrag von 797,92 € werde auf ihr Konto überwiesen.

 

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass sie einen Betrag von 1.616,68 € zur Befriedigung des Erstattungsanspruchs überwiesen habe. Hierin seien Erstattungen zur Kranken- und Pflegeversicherung enthalten. Der Sterbevierteljahresbonus stelle eine zweckbestimmte Leistung i.S.d. § 83 Abs. 1 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) dar und sei daher nicht als Einkommen anzurechnen.

 

Der Kläger hat am 11.03.2020 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Er habe die Beklagte außergerichtlich erfolglos aufgefordert, den noch offenen Betrag von 482,16 € auszugleichen. Streitig sei allein, ob sich sein Erstattungsanspruch auch auf den Sterbevierteljahresbonus erstrecke. Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs gemäß § 104 SGB X seien erfüllt. Die Leistungsansprüche seien sachlich und zeitlich kongruent. Der Erstattungsanspruch bestehe zwar nur dann, wenn die Leistung des Rentenversicherungsträgers als Einkommen zu bewerten und nicht nach § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II ausgeschlossen sei. Der Sterbevierteljahresbonus sei aber keine zweckbestimmte Einnahme, da hierzu nach dem Gesetzeswortlaut die Leistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden müsse. Ein abstrakt-genereller Zweck sei also nicht ausreichend. Die Beigeladene sei nicht gehindert, über den Betrag nach Auszahlung frei zu verfügen und zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Einen anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II verfolge der Sterbevierteljahresbonus somit nicht.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 482,16 € zu erstatten.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Sterbevierteljahresbonus gehe über den Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts hinaus und gleiche pauschal Mehrbedarfe aus, die dem Hinterbliebenendurch durch die Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse entstünden. Sie beziehe sich insoweit auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 10.02.2015 an die obersten Landessozialbehörden, wonach es sich bei der erhöhten Hinterbliebenenrente im Sterbevierteljahr um eine zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 83 Abs. 1 SGB XII handele. Auch sei den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu §§ 11, 11a und 11b SGB II zu entnehmen, dass der Sterbevierteljahresbonus zu den zweckbestimmten Leistungen gehöre.

 

Die mit Beschluss vom 16.04.2020 beigeladene Witwe hat keinen Antrag gestellt.

 

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 15.12.2020, der Beklagten am 28.01.2021 zugestellt, antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es sich der Entscheidung des Sozialgerichts Köln vom 17.10.2019 (S 13 R 185/19) angeschlossenen, wonach § 11a Abs. 3 SGB II jedenfalls nach der Grundsicherungsreform zum 01.04.2011 deutlich restriktiver gefasst sei und als zweckbestimmt nur solche öffentlich-rechtliche Einnahmen von der Einkommensanrechnung ausschließe, für die ausdrücklich ein anderer Zweck als derjenige der Leistungen nach dem SGB II genannt werde.

 

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten vom 16.02.2021 hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 03.09.2021 zugelassen. Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte ihr Vorbringen vertieft. Der Sterbevierteljahresbonus verfolge den besonderen Zweck, die Ausnahmesituation des überlebenden Ehepartners nach dem Tod des Versicherten abzufedern und sei damit eine nicht als Einkommen anrechenbare zweckbestimmte Leistung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe eine besondere Zweckbestimmung des Sterbevierteljahresbonus bereits zu der Vorgängervorschrift § 1268 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) angenommen und es ausreichen lassen, wenn sich diese sich aus der Gesetzesbegründung ergebe (BSG, Urteil vom 11.01.2990 –  7 RAr 128/88).

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.12.2020 abzuändern und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hat sich der erstinstanzlichen Entscheidung angeschlossen.

 

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die fristgerecht eingelegte und vom Senat zugelassene Berufung ist unbegründet.

 

Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich um einen Erstattungsstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, bei dem ein Vorverfahren nicht durchzuführen ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54, Rn. 41).

 

Die Klage ist auch begründet.

 

Zu Recht hat das SG der Klage mit Urteil vom 15.12.2020 stattgegeben und den Erstattungsanspruch des Klägers betreffend den Sterbevierteljahresbonus bejaht.

 

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Erstattungsanspruch als nachrangig verpflichteter Leistungsträger gemäß § 104 Abs. 1 SGB X für die von ihm im Zeitraum 17.08.2019 bis 30.11.2019 an die Beigeladene geleisteten Zahlungen in Höhe der geltend gemachten weiteren 482,16 €.

 

Der Kläger ist nachrangig verpflichteter Leistungsträger, da die von ihm erbrachten Leistungen gemäß § 12a Satz 1 SGB II nachrangig gegenüber der Witwenrente sind. Die Witwenrente mindert zudem den Anspruch als anrechenbares Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II den Anspruch.

 

Es liegt kein Fall des § 103 SGB X vor, da diese Vorschrift ein nachträgliches Entfallen des SGB II-Leistungsanspruchs durch die Rentenbewilligung voraussetzen würde. Eine dementsprechende gesetzliche Regelung existiert im Verhältnis der SGB II-Leistungen zur Rentenbewilligung nicht (vgl. z.B. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 31.03.2021 – L 7 R 187/16 –, Rn. 40).

 

Der Kläger wäre bei rechtzeitiger Erbringung der Witwenrente durch die Beklagte auch nicht zu Leistung verpflichtet gewesen, da diese nach Maßgabe der § 11ff. SGB II als Einkommen auf die Leistungen der Grundsicherung anzurechnen gewesen wäre.

 

Zur Überzeugung des Senats ist der im Zeitraum 17.08.2019 bis 30.11.2019 erhöhte Rentenbetrag (auch als „Sterbevierteljahresbonus“ bezeichnet, siehe BSG, Urteil vom 11.01.2990 – 7 Rar 128/88 –, Rn. 28) von der Einkommensanrechnung ausgeschlossen. 

 

§ 11a Abs. 3 S. 1 SGB II in der ab dem 01.04.2011 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 – BGBl. 2011, S. 850 ff.) bestimmt, dass Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen sind, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.

Im Vergleich zur weiter formulierten Vorgängervorschrift (§ 11 Abs. 3 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung) wollte der Gesetzgeber eine Harmonisierung mit der Parallelvorschrift des § 83 Abs. 1 SGB XII erreichen (BT-Drs. 17/3404, S. 94).

 

Folglich ist im ersten Schritt ist zu prüfen, ob in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehender Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist, wobei es ausreicht, dass sich der Zweck aus der Gesetzesbegründung oder auch nur aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung ergibt, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt. Dabei genügt ein abstrakt-generelles Ziel für eine Vielzahl von Einzelleistungen oder nur eine Kategorisierung von Leistungen, die der Orientierung bei der Auslegung der Vorschriften über die allgemeinen und die besonderen Leistungen dient, nicht. Lässt sich ein "ausdrücklich genannter" Zweck der anderen Leistung feststellen, ist im zweiten Schritt der Zweck der konkret in Frage stehenden Sozialhilfeleistung zu ermitteln. In einem dritten Schritt sind die Zwecke der beiden Leistungen einander gegenüberzustellen. Nur wenn es  an der Identität der Zwecke fehlt, ist die andere Leistung bei der Gewährung der Sozialhilfe nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 15/20 R –, Rn. 26; zum gleichlautenden § 83 SGB XII: BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R –, Rn. 24; Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 11a (Stand: 18.07.2022), Rn. 35 ff.; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, § 11a Nicht zu berücksichtigendes Einkommen, 9. Ergänzungslieferung 2022, Rn. 167 ff.).

 

Zwar handelt es sich bei der Witwenrente um eine nach § 46 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) erbrachte öffentlich-rechtliche Leistung. Für den erhöhten Betrag im Sterbevierteljahr fehlt jedoch es an einem ausdrücklich genannten, nicht demselben wie die Leistungen des SGB II dienenden Zweck.

 

Der Sterbevierteljahresbonus ist weder in § 46 SGB VI geregelt noch als eigenständige Rentenart ausgestaltet. Er ergibt sich vielmehr durch die Erhöhung des Rentenartfaktors für die persönlichen Entgeltpunkte in den ersten 3 Monaten nach dem Ablauf des Sterbemonats auf 1,0 statt 0,55; § 67 Nr. 6 SGB VI. Damit wird der Sterbevierteljahresbonus zwar auf Grund einer Vorschrift des öffentlichen Rechts erbracht, der Gesetzeswortlaut benennt jedoch ausdrücklich keinen Zweck des erhöhten Rentenartfaktors. Auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 120/89, S. 174) wird ein solcher nicht aufgeführt.

 

Der Sterbevierteljahresbonus dient auch keinem konkret-individuellen, sondern vielmehr einem abstrakt-generellen, allgemeinen Zweck. Er soll Hinterbliebene in die Lage versetzen, beispielsweise die Kosten der letzten Krankheit sowie Kosten der Bestattung zu begleichen und im Wesentlichen auch die Umstellung von den bisherigen auf die neuen Lebensverhältnisse, z.B. den Umzug von der bisherigen Wohnung in eine kleinere und billigere Wohnung erleichtern (BSG, Urteil vom 20.12.1963 – 12 RJ 534/16 und BVerfG, Beschluss vom 08.03.1972 – 1 BvR 674/70 zur Vorgängervorschrift  § 1268 Abs. 5 RVO; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, § 11a, Rn. 232 m.zahlr w.N.). Von diesem Zweck geht auch das von der Beklagten vorgelegte Schreiben des BMAS vom 10.02.2015 zur gleichlautenden Vorschrift § 83 Abs. 1 SGB XII aus. Damit werden verschiedene mögliche Zwecke, denen kumulativ, alternativ oder gar nicht nachgekommen werden kann und die nicht klar voneinander abgrenzbar sind, benannt. Genau darin liegt aber das abstrakt generelle Ziel, welches als Ratio jedem Gesetz innewohnt (siehe auch LSG Schleswig-Holstein, Urteile vom 19.01.2016 – L 7 R 173/15 und vom 13.12.2021 – L 7 R 122/19 [Revision anhängig unter B 5 R 1/22 R]).

 

Zudem unterscheidet sich der allgemeine Zweck des Sterbevierteljahresbonus nicht von dem der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (LSG Schleswig-Holstein a.a.O., LSG Bayern, Urteil vom 29.11.2017 – L 11 AS 322/17).

 

Denn das SGB II hält selbst Rechtsgrundlagen bereit, die die oben skizzierten eventuell erhöhten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Tod eines Haushaltsangehörigen zusätzlich abfedern, wenn sie denn im Einzelfall tatsächlich anfallen: So wird bei einem für eine gewisse Dauer erhöhten Bedarf unter bestimmten Voraussetzungen ein erhöhter Regelbedarf gezahlt (§ 21 Abs. 6 SGB II, denkbar bei einem über einige Monate erhöhten Bedarf durch eine Erkrankung) oder für einen einmalig erhöhten Bedarf zumindest ein Darlehen gewährt (§ 24 SGB II). Darüber hinaus kommt die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII auch bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II in Betracht (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.07.2012 – L 2 AS 33/12 B –, juris Rn. 14). Auch die Unterkunftskosten einschließlich Umzugskosten werden nach Maßgabe von § 22 SGB II übernommen, soweit sie im Einzelfall notwendig und angemessen sind. Dies schließt bei einem durch den Todesfall erforderlichen Umzug in eine kleinere Wohnung die Umzugskosten ein sowie übergangsweise die für eine Person eigentlich zu hohen Unterkunftskosten der alten Wohnung (vgl. LSG Bayern a.a.O.; Rn. 22; LSG Schleswig-Holstein a.a.O.).

 

Schließlich spricht auch die Ermittlung der Höhe des Regelbedarfs für gleichartige Zwecke. Sie wird nach dem Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) durch Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) typisierend anhand der Ausgaben der Gesamtbevölkerung ermittelt. Statistisch erfasst werden in der EVS auch Aufwendungen aufgrund von Krankheit sowie Bestattungskosten (Bestattungskosten in der Sparte S/04 als sonstige Dienstleistungen und Bestattungsartikel wie Kränze unter S/03 sonstige persönliche Gebrauchsgegenstände, Krankheitskosten in Abteilung L Gesundheit und Körperpflege, siehe https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Einkommen-Einnahmen-Ausgaben/Publikationen/Downloads-Einkommen/evs-aufgabe-methode-durchfuehrung-2152607189004.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 05.01.2023). Bei der Ermittlung des Regelbedarfs aus der EVS werden zwar einige Positionen wie Alkohol und Tabak herausgerechnet, die Aufwendungen in Zusammenhang mit Tod und Bestattung jedoch nicht (vgl. https://www.bmas.de/DE/Soziales/Sozialhilfe/faq-sozialhilfe-regelbedarfsermittlung.html, zuletzt abgerufen am 05.01.2023).

 

Eine andere rechtliche Bewertung folgt nicht aus der Entscheidung des BSG vom 11.01.1990 (7 RAr 128/88). Diese betraf die Einkommensanrechnung bei der Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der damalige § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG schloss ähnlich wie der bis zum 31.03.2011 geltende § 11 Abs. 3 S. 1 a.F. SGB II pauschal zweckgebundene Leistungen von der Einkommensanrechnung aus und verlangte anders als die jetzige Fassung weder einen öffentlich-rechtlichen Charakter noch eine ausdrücklich genannte Zweckbestimmung (hierzu auch LSG Schleswig-Holstein vom 13.12.2021 a.a.O., Rn. 34). § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG legte eine eher großzügige Auslegung auch deshalb nahe, weil die Vorschrift beispielhaft nicht steuerpflichtige Aufwandsentschädigungen als zweckgebunden nannte, wohingegen nach der Gesetzesbegründung zu § 11a SGB II die steuerrechtliche Privilegierung von Aufwandsentschädigungen allein gerade nicht ausreichen soll (BT-Drs. 17/3404, S. 94). Die Entscheidung ist nach Auffassung des Senats zudem auch deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil die Arbeitslosenhilfe anders als die Leistungen nach dem SGB II als Entgeltersatzleistung ohne Berücksichtigung besonderer Bedarfslagen ausgestaltet war.

 

Die Höhe der geltend gemachten Forderung ist zwischen den Beteiligten unstreitig und rechtlich nicht zu beanstanden. So ist insbesondere von dem monatlichen Zahlbetrag gemäß § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 6 Absatz 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II-Verordnung die sog. Versicherungspauschale i.H.v. 30 € abzusetzen, was der Kläger bei der Berechnung des Erstattungsanspruchs berücksichtigt hat. Der Kläger hat jedenfalls die von ihm zuletzt bezifferten Beträge an die Beigeladene geleistet, was die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend klargestellt haben. Soweit dem Kläger bei der Berechnung der Klageforderung i.H.v. 482,16 € zu seinen Lasten ein Fehler unterlaufen ist (die Differenz von 2.118,84 € zu 1.616,68 € beträgt 502,16 € statt 482,16 €), wirkt sich dies nicht aus, da das Gericht nicht über die gestellten Anträge hinausgehen kann (§ 123 SGG). Dass in der Erstattungsforderung und der verrechneten Rentennachzahlung auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung enthalten sind, entspricht der gesetzlichen Rechtsfolge (§ 104 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB III).

 

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte (§ 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

 

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 und 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

 

Rechtskraft
Aus
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