S 20 KA 225/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 20 KA 225/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Klägerin und die Beigeladene zu 7 tragen die Kosten des Verfahrens je zu 1/2.

 

Die Berufung wird zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Klägerin wendet sich gegen einen Regress wegen der Verordnung von Patenblau V – Injektionslösung über den Sprechstundenbedarf.

 

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft zweier Fachärzte für Chirurgie, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.

 

Mit Schreiben vom 09.03.2018 (Eingang 12.03.2018) beantragte die Rezeptprüfstelle D….. bei der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein (Prüfungsstelle) die Prüfung der Verordnung der Klägerin von Patentblau über den Sprechstundenbedarf in Höhe von 352,72 € im Quartal 1/2017. Dies sei nach den allgemeinen Bestimmungen des EBM mit dem Honorar abgegolten. Die RP….. beantragte zudem die Prüfung der Verordnung von Schienenverbänden der Firma K….. und eines Omnispan Orthocord Meniskus-Naht-Systems. Der Antrag werde im Namen und im Auftrag der Krankenkassen und Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein gestellt.  Die Klägerin führte hierzu aus, es handele sich bei PatentblauV um einen sterilen, flüssigen Farbstoff, der in der Chirurgie zum Markieren von Gewebe verwendet werde. Sie verwende den Farbstoff speziell zur Markierung von Fistelgängen bei der Operation einer Steißbeinfistel. Dabei werde der Farbstoff direkt vor der Operation in die äußerlich sichtbaren Fistelgänge gespritzt, um das erkrankte Gewebe zu markieren und zu gewährleisten, dass dieses rückstandfrei entfernt werden könne. Damit sollten unnötige Rezidive vermieden werden. Grundsätzlich erfülle dieses Produkt die Anforderungen des Sprechstundenbedarfs, auch wenn es nicht ausdrücklich in der Liste aufgeführt werde: Es werde bei mehr als einem Patienten angewendet und verbleibe am/im Patienten. Bei den Schienenverbänden handele es sich um thermoplastische Schienen, die nach der Anlage der Sprechstundenbedarfsvereinbarung unter die Gruppe der Streifverbände und dort insbesondere unter die Nummer 0105050000: Thermoplastisches Material/Platten zur Anfertigung von Schienenverbänden falle. Bei dem Nahtsystem handele es sich um ein Nahtsystem zur Anwendung bei bestimmten Formen von Meniskusrissen im Kniegelenk. Das System sei annähernd baugleich mit den Produkten, die in der Sprechstundenbedarfsliste unter Ziffer 0106020000 aufgeführt seien. Die Prüfungsstelle gab dem Antrag der RP….. bezüglich der Regressierung von Patentblau statt und lehnte die weiteren Regressanträge ab. Gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhob die Klägerin mit Schreiben vom 17.09.2018 (Eingang 21.09.2018) Widerspruch und begründete diesen damit, dass bereits im Jahr 2015 die Verordnung von Methy|blau (Patentblau V) über den Sprechstundenbedarf geprüft und anerkannt worden sei. Seitdem habe sich an der Rechtslage nichts geändert.

 

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03.07.2019 zurück. Zur Begründung führte er aus, als Sprechstundenbedarf (SSB) gelten nur die in Anlage 1 der SSB-Vereinbarung aufgeführten Artikel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder zur Sofortbehandlung im Notfall erforderlich sind. Die SSB-Vereinbarung stelle eine Positivliste der als Sprechstundenbedarf verordnungsfähigen Mittel dar, die nur nach dem Wortlaut ausgelegt werden dürfe. Es handele sich bei Patentblau V-Injektionslösung um ein als Arzneimittel zugelassenes Diagnostikum zur Markierung der Lymphgefäße vor der Lymphographie und zur Markierung von Sentinel-Lymphknoten vor der Biopsie bei Patientinnen mit operablem Brustkrebs. Die Patentblau V-Injektionslösung sei in Anlage 1 der SSB-Vereinbarung nicht gelistet. Es bedürfe daher keiner weiteren Prüfung, ob die von der Klägerin geschilderte Verwendung von Patentblau überhaupt zulassungskonform sei.

 

Die am 20.08.2019 bei Gericht eingegangene Klage stützt die Klägerin auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Patentblau V erfülle grundsätzlich die Anforderungen des SSB, da es bei mehr als einem Patienten angewandt werde und am Patienten verbleibe. Patentblau werde zudem in einer Verpackungsgröße von 5 x 2 ml (Gesamtpreis 385,98 €) verkauft. Deshalb sei eine Verordnung über ein Rezept unwirtschaftlich, weil für diesen Fall 4 Ampullen zu viel geordert würden. Sie habe zudem auf die Rechtmäßigkeit ihrer Verordnung vertrauen dürfen, weil hinsichtlich eines gleich gelagerten Regresses wegen der Verordnung von Patentblau V im Quartal III/2014 der Prüfantrag zurückgenommen worden sei. Die Verordnung sei zumindest unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens als zulässig anzusehen.

 

Die Klägerin und die Beigeladene zu 7 beantragen,

 

den Bescheid vom 03.07.2019 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung führt der Beklagte aus, Patentblau V habe nicht über den SSB verordnet werden dürfen, weil Patentblau V nicht in der Anlage 1 der SSB-Vereinbarung genannt sei. Eine solche ausdrückliche Nennung sei jedoch nach § 3 Abs. 1 S. 2 SSB-Vereinbarung zwingend erforderlich. Für die Klägerin bestehe auch kein Vertrauensschutz. Zwar sei ein vergleichbarer Regressantrag für das Quartal 3/2014 gestellt und dann wieder zurückgezogen worden. Die Rücknahme des Antrags sei jedoch nicht durch die Prüfgremien oder den Kostenträger erfolgt, sondern durch die damals für die Abwicklung des SSB zuständige Beigeladene zu 7. Ein Vertrauensschutz könne aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur durch ein Verhalten der Entscheidungs- bzw. Kostenträger erfolgen. Das sei die Beigeladene zu 7 für den SSB nicht. Die Verordnung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zulässig, weil die Verordnung von Patentblau V nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Die Klägerin habe lediglich den falschen Bezugsweg gewählt.

 

Die Beigeladene zu 7 hält den Bescheid für rechtswidrig, weil die RP….. nicht ordnungsgemäß legitimiert gewesen sei. Für die Übertragung von hoheitlichen Pflichten auf die RP….. hätte es einer Beleihung bedurft. Zudem sei nicht nachgewiesen, dass die RP….. für den streitgegenständlichen Zeitraum von den Krankenkassen und den Landesverbänden der Krankenkassen in Nordrhein tatsächlich bevollmächtigt gewesen sei.

 

Die Beigeladene zu 1 ist der Ansicht, die Vollmacht aus dem Jahr 2017 sei weiterhin wirksam. Sie sei im Jahr 2017 erteilt worden und beziehe sich deshalb auch auf die rückwirkend zum 01.01.2017 in Kraft getretene neue Prüfvereinbarung. Sie und die weiteren Krankenkassen und Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein hätten zudem eine „Ergänzende Erklärung und Vollmachtserteilung zur Vollmachtserteilung für die Abwicklung von Sprechstundenbedarf in Nordrhein vom 01.01.2017“ abgeschlossen, durch die die Bevollmächtigung noch einmal ausdrücklich bestätigt werde. Zudem seien die Handlungen der RP….. durch die Krankenkassen und die Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein konkludent durch deren außerprozessuales Verhalten und den Vortrag im Gerichtsverfahren genehmigt worden. Schließlich hätte die Klägerin bei Zweifeln hinsichtlich der Vollmacht die Bevollmächtigung nach § 13 SGB X ausdrücklich zurückweisen müssen. Deshalb könne eine eventuell fehlende Wirksamkeit der Bevollmächtigung rückwirkend nicht angegriffen werden.

 

Der Beigeladene zu 6 ist unter Verweis auf eine entsprechende Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen (L 3 KA 70/16, L 3 KA 120/16) der Ansicht, die RP….. habe als Verwaltungshelferin die beschriebenen Handlungen vornehmen dürfen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung sei zudem dadurch gekennzeichnet, dass sowohl die Kassenärztlichen Vereinigungen als auch die Krankenkassen eigene Prüfrechte haben. Die RP….. sei durch die Beauftragung auch bevollmächtigt worden.

 

Wegen der Darstellung weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt die Kammer auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakte Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Streitgegenstand ist vorliegend allein der Bescheid des Beklagten vom 03.07.2019, denn in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11.05.2011 – B 6 KA 13/10 R – juris Rn. 16) Die gegen die Festsetzung eines Regresses in Höhe von 352,72 Euro gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

 

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig. Die Beteiligung der RP….. am Verwaltungsverfahren führt weder zur Nichtigkeit noch zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (hierzu unter 1.). Der Beklagte hat Patentblau V zudem zu Recht nicht als nach der SSB-Vereinbarung verordnungsfähig angesehen (hierzu unter 2.).

 

1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Regressbescheids ist § 106a Abs. 1 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 15 Nr. 1 d) der Prüfvereinbarung vom 26.04.2017 sowie § 6 der Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 02.12.2015 (SSB-Vereinbarung). Danach kann die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106 c geprüft werden. Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die in § 106 SGB V ff. genannten Prüfungen andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Die auf dieser Grundlage geschlossene Prüfvereinbarung sieht in § 15 Nr. 1 d) vor, dass die Prüfstelle gemäß § 106c SGB V auf Antrag prüft, ob der Arzt entgegen den vertraglichen Regelungen unzulässige Anforderungen von Sprechstundenbedarf vorgenommen hat.

 

a)        Ein ordnungsgemäßer Antrag im Sinne des § 15 Nr. 1 d) lag vor. Die RP….. war antragsberechtigt. Es war nach der Prüfvereinbarung grundsätzlich zulässig, dass die Krankenkassen und Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein die RP….. damit beauftragen, entsprechende Prüfanträge zu stellen. In § 2 der Prüfvereinbarung heißt es. „Verfahrensbeteiligte vor den Prüfungseinrichtungen sind (…) die KV Nordrhein und die Krankenkassen in Nordrhein oder eine von ihnen beauftragte Stelle (…).“. Damit sieht die Prüfvereinbarung grundsätzlich vor, dass eine „beauftragten Stelle“ Prüfanträge stellt. Der Wortlaut verlangt auch nicht, dass die „beauftragte Stelle“ von der KV Nordrhein und den Krankenkassen in Nordrhein gemeinsam beauftragt sein muss. Dies wird aus § 12 Nr. 14 der Prüfvereinbarung deutlich. Dort heißt es: “Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungen von Sprechstundenbedarf (SSB) nach Durchschnittswerten erfolgt auf Antrag der Krankenkassen, der von ihnen beauftragten Stelle oder der KV Nordrhein.“

 

b)        Der Beauftragung der RP….. steht nicht entgegen, dass die RP….. durch die Beauftragung zugleich zur Ausübung von Hoheitsgewalt ermächtigt worden wäre, ohne dass es hierfür eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage gäbe. Die RP….. übte mit der eigenen internen Prüfung, ob ein entsprechender Verstoß gegen die SSB-Vereinbarung vorliegt und der anschließenden Antragstellung bei der Prüfungsstelle keine Hoheitsgewalt aus. Alleine durch diese Tätigkeiten der RP….. wurde noch nicht in eine Rechtsposition der Klägerin eingegriffen. Der eigentliche Eingriff erfolgte erstmals durch die Entscheidung der Prüfungsstelle (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30.01.2019, AZ L 3 KA 70/16, veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

 

c)         Die RP….. war auch befugt, den Antrag an die Prüfungsstelle im Namen und im Auftrag der Krankenkassen und Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein zu stellen. Die im Januar 2017 unterschriebene Vollmacht der Krankenkassen und der Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein gilt zwar ausweislich des Wortlauts „ab Quartal 1/2017 und bis zum in Kraft treten einer neuen Prüfvereinbarung“ und nimmt dabei Bezug auf die Prüfvereinbarung von 2008. Im April 2017 wurde jedoch eine neue Prüfvereinbarung abgeschlossen. Die Kammer legt diese Vollmacht aber so aus, dass sie trotz dieser Bezugnahme auf die alte Prüfvereinbarung auch für die neue Prüfvereinbarung von April 2017, die rückwirkend ab dem 01.01.2017 wirksam war, Anwendung finden sollte. Hierfür spricht maßgeblich, dass die Krankenkassen und die Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein mit der RP….. eine Verwaltungsvereinbarung auch für die Tätigkeit der RP….. ab dem Jahr 2017 geschlossen haben und die RP….. im Rahmen dieser Verwaltungsvereinbarung auch für die Krankenkassen und die Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein tätig geworden ist. Zudem haben die Krankenkassen und die Landesverbände der Krankenkassen in Nordrhein mit der zu den Akten gereichten „Ergänzenden Erklärung und Vollmachtserteilung zur Vollmachtserteilung für die Abwicklung von Sprechstundenbedarf in Nordrhein vom 01.01.2017“ bestätigt, dass die Vollmacht aus dem Jahr 2017 auch für die neue Prüfvereinbarung geltend sollte.

 

d)        Der Bescheid ist auch nicht deshalb formell rechtswidrig, weil die RP….. mit ihrer Tätigkeit gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßen haben könnte. Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Vorliegend prüft die RP….., ob eine Verordnung eines Arztes von Sprechstundenbedarf von der SSB-V gedeckt ist. Hierbei dürfte es sich nach Ansicht der Kammer um eine rechtliche Prüfung eines Einzelfalls handeln. Die RP….. muss nach Ansicht der Kammer hinsichtlich der einzelnen Verordnungen überprüfen, ob sie unter den Tatbestand einer der einzelnen Ziffern der Anlage der Sprechstundenbedarfsvereinbarung fallen und damit die Rechtsfolge „Abrechenbarkeit über den Sprechstundenbedarf“ erfüllt ist. Da - wie beispielsweise im vorliegenden Fall bei der beantragten Regressierung der Verordnung von Schienenverbänden der Firma Krewi Medical Produkte und eines Omnispan Orthocord Meniskus-Naht-Systems – unterschiedliche Wertungen möglich sind, geht diese Prüfung der RP….. über eine bloße einfache Rechtsanwendung hinaus. Diese Rechtsdienstleistung der RP….. wäre nach § 3 RDG verboten. Aber auch wenn man einen Verstoß der RP….. gegen das RDG annimmt, führt dieser Verstoß nicht zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids. Die RP….. wurde hinsichtlich ihres Antrags an die Prüfungsstelle von dieser nicht zurückgewiesen, auch wenn diese nach § 13 Abs. 5 SGB X dazu grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre. Im Umkehrschluss zu § 13 Abs. 7 S. 2 SGB X sind Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten, die dieser vor der Zurückweisung vornimmt, wirksam.

 

2.         Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Beklagte hat wegen der Verordnung von Patentblau V über den Sprechstundenbedarf zurecht einen Regress festgesetzt.

 

a)        Nach § 4 Ziffer 1 der SSB-Vereinbarung ergeben sich die für den Sprechstunden-bedarf zulässigen Artikel aus Anlage 1 dieser Vereinbarung. Für die begriffliche Interpretation der Regelungen der als SSB zulässigen Artikel ist maßgebend, dass die Parteien der SSB-Vereinbarung einen abschließenden Katalog der verordnungsfähigen Mittel aufgestellt haben. Dieser ist mangels Regelungslücke einer erweiternden Auslegung unter teleologischen Gesichtspunkten, d.h. nach Sinn und Zweck, oder gar einer Rechtsfortbildung nicht zugänglich (LSG NRW, Urteil vom 18.01.2012 - L 11 KA 83/10 - m.w.N.). Vielmehr hat sich die Auslegung allein auf den Wortlaut und den systematischen Zusammenhang zu stützen (LSG NRW, Urteil vom 10.12.2008 - L 11 KA 16/07 - m.w.N.). Es obliegt allein den Vertragspartnern der SSB-Vereinbarung, medizinische Fortschritte und wirtschaftliche Gesichtspunkte zu beobachten und ggf. die SSB-Vereinbarung entsprechend anzupassen

 

Das verordnete Patentblau V ist in der Anlage der SSB-Vereinbarung nicht aufgeführt. Insbesondere ist es nicht unter die Ziffer 0501000000 (Arzneiformen zur Applikation in Körperhöhlen, wie Rektum, Vagina und Harnröhre (Urethra) und Harnleiter (Ureter), z.B. Rektalkapseln, Tamponaden, Ovula, Vaginaltabletten etc.) zu subsumieren. Nach den Fachinformationen Nr. 4.1 handelt es sich bei Patentblau V um ein Diagnostikum, als Hilfsmittel zur Markierung der Lymphgefäße vor der Lymphographie und zur Markierung von Sentinel-Lymphknoten vor der Biopsie bei Patientinnen mit operablem Brustkrebs. Es wird subkutan injiziert und nicht in Körperhöhlen eingeführt.

 

b)        Der Bescheid ist auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten der Klägerin rechtswidrig. Zum Vertrauensschutz hat das Bundessozialgericht wiederholt darauf verwiesen, dass die Anerkennung von Vertrauensschutz zunächst erfordert, dass ein anderer Beteiligter insoweit einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt hat (BSG Urteil vom 21.5.2003 - B 6 KA 32/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18 mwN = juris RdNr 27; BSG Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 2/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 17; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 6 KA 27/12 R - BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 18 mwN). Ein solcher Vertrauenstatbestand kann hinsichtlich umstrittener Verordnungen  nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur von den Prüfgremien oder vom Kostenträger - der Krankenkasse - gesetzt werden (BSG Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 2/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 6 KA 27/12 R - BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 18, BSG, Beschluss vom 30. September 2020 – B 6 KA 23/19 B –). Die Rücknahme des Prüfantrags zu Patenblau V für das Quartal 3/2014 durch die Beigeladene zu 7 ist jedoch weder der Prüfungsstelle noch dem Beklagten oder einer Krankenkasse zuzurechnen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen zu 1 bis 6 können keine Kostenerstattung verlangen, da sie keine Anträge gestellt und sich damit keinem eigenen Prozessrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).

 

Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit (§ 144 Abs. 12 Nr. 1 SGG) zugelassen, weil in einer Vielzahl von beim Sozialgericht Düsseldorf anhängigen Klagen auch die Rechtmäßigkeit der Prüfanträge durch die RP….. in Frage gestellt wird.

 

 

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Aus
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