L 5 SF 65/23 E

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5.
1. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 9/23 B ER LSG
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 SF 65/23 E
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ermäßigt sich die Pauschgebühr auch dann auf die Hälfte, wenn in der Sache streitig entschieden wird

Die Feststellungsentscheidung vom 26. April 2023 wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Erinnerungsführerin für das erste Quartal 2023 einen Gesamtgebührenbetrag von 1.125,00 EUR zu zahlen hat.

 

Der Erinnerungsgegner hat der Erinnerungsführerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Pauschgebühr für ein durch streitigen Beschluss erledigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu ermäßigen ist.

Die Erinnerungsführerin war als gesetzliche Krankenkasse Gegnerin in einem Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einer Versicherten wegen begehrter Epilationsbehandlungen bei Transsexualität abgelehnt worden war. Die Beschwerde zum Az. L 5 KR 9/23 B ER wurde mit Senatsbeschluss vom 16. März 2023 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 26. April 2023 teilte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Auszug der Streitsachengebühren für das erste Quartal 2023 mit und stellte die Gesamtgebührenschuld in Höhe von 1.237,50 EUR fest. Unter Nummer 4 des Verzeichnisses war das Verfahren L 5 KR 9/23 B ER mit einer Gebühr von 225,00 EUR aufgeführt.

Am 16. Mai 2023 hat die Erinnerungsführerin gegen diese Feststellung Erinnerung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben.

Zur Begründung macht sie geltend, dass das Landessozialgericht in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss und damit gerade nicht durch Urteil entschieden habe, so dass die Pauschgebühr nach dem eindeutigen Wortlaut des § 186 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu ermäßigen sei. Dies gelte umso mehr, als in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und allgemein in Beschwerdeverfahren, die reine Beschlussverfahren seien, ohnehin kein Urteil ergehen dürfe. Es fehle jeder Beleg dafür, dass der Gesetzgeber, der sich für die Ausgestaltung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes als reines Beschlussverfahren entschieden habe, dennoch eine Belastung der Leistungsträger mit dem vollen Pauschgebührensatz habe vorsehen wollen. Dabei sei auch zu beachten, dass das Pauschgebührensystem der §§ 183 ff. SGG im deutschen Prozessrecht einen Ausnahmecharakter habe und die dort geregelte Kostentragungspflicht der Leistungsträger trotz Obsiegens daher eng auszulegen sei. Die Gebührenermäßigung sei sachlich gerechtfertigt, weil der Aufwand regelhaft geringer sei als in Hauptsacheverfahren, die durch Urteil beendet würden. Selbst wenn solche Verfahren als kontradiktorische Verfahren im Einzelfall erheblichen Aufwand verursachten, sei dies kein Grund, vom klaren Normbefehl abzuweichen; es sei dem Wesen der Pauschgebühr immanent, dass der im Einzelfall betriebene Aufwand außer Ansatz zu bleiben habe.

Sie beantragt,

die Feststellung der Gebührenschuld vom 26. April 2023 für den Abrechnungszeitraum I. Quartal 2023 zu ändern und den Gesamtgebührenbetrag auf 1.125,00 EUR festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

          die Erinnerung zurückzuweisen.

Zur Begründung macht er geltend, dass es bei der Gebührenermäßigung nicht auf den Wortlaut („nicht durch Urteil“) ankomme, sondern darauf, dass etwas kontradiktorisch für die betreffende Instanz entschieden werde. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung solle eine Halbierung der Gebühr nur dann eintreten, wenn das Gericht von der Notwendigkeit entbunden werden, das Verfahren streitig zu entscheiden. Entsprechend führten streitige Entscheidungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes – wie im vorliegenden Fall – nicht zur Ermäßigung der Pauschgebühr.

II.

Die Erinnerung hat Erfolg.

Die Erinnerung ist zulässig. Sie ist gemäß § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft und innerhalb der Monatsfrist formgerecht (§ 65d SGG) mit elektronischem Dokument beim Landessozialgericht eingereicht worden.

Die Erinnerung ist auch begründet. Zu Unrecht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Gebührenschuld der Erinnerungsführerin für das erste Quartal 2023 in Höhe von 1.237,50 EUR festgestellt und dabei – bei ansonsten unstreitigen Einzelgebühren – für das Beschwerdeverfahren zum Az. L 5 KR 9/23 B ER eine Pauschgebühr in Höhe von 225,00 EUR berücksichtigt. Diese Gebühr hat sich gemäß § 186 Satz 1 SGG auf die Hälfte (112,50 EUR) ermäßigt, weil die Sache nicht durch Urteil erledigt worden ist. Die Gebührenforderung ist daher in Abänderung der Feststellungsentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in Höhe von 1.125,00 EUR festzustellen.

Die Gebührenreduzierung auch in solchen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die wie das vorliegende durch (streitigen) Senatsbeschluss beendet werden, folgt nach Überzeugung des Senats aus dem Wortlaut des § 186 Satz 1 SGG, der explizit an eine Erledigung „nicht durch Urteil“ anknüpft. Dieser Wortlaut lässt es zwar noch zu, die Gebührenermäßigung nicht auch auf solche Verfahren zu erstrecken, die durch urteilsersetzende Entscheidungen beendet werden (so auch B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 186 Rn. 2; S. Schmidt in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 186 Rn. 2; Groß in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 186 Rn. 4; differenzierend zwischen Sach- und Prozessentscheidungen Krauß in: BeckOGK-SGG, Stand: 1. Mai 2023, § 186 Rn. 15 f.). Urteilsersetzende Entscheidungen sind allerdings stets dadurch geprägt, dass in dem betreffenden Verfahren eine Entscheidung auch durch Urteil ergehen könnte und die anderweitige Entscheidung einem Urteil gleichsteht. So wirkt etwa der Gerichtsbescheid als Urteil (§ 105 Abs. 3 Halbsatz 1 SGG) und die Vorschriften über Urteile gelten insoweit entsprechend (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch Beschlüsse nach §§ 153 Abs. 4 Satz 1 und § 158 Satz 2 SGG entsprechen in ihren Wirkungen einem Urteil (§§ 153 Abs. 4 Satz 3, 158 Satz 3 SGG). Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren haben dagegen zwingend durch Beschluss zu ergehen (§ 86b Abs. 4 SGG); eine Entscheidung durch Urteil ist ausgeschlossen. Die Erstreckung des Begriffs des Urteils in § 186 Satz 1 SGG auf derartige Beschlüsse würde nach Überzeugung des Senats die Wortlautgrenze der Gesetzesauslegung überschreiten (SG Fulda, Beschluss vom 30. Dezember 2020 – S 4 SF 33/20 E – jrus Rn 13; vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 8. Mai 2000 – L 6 SF 477/99 – juris Rn. 21; Hartmut Lange in: jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 186 Rn. 19; Krauß in: BeckOGK, a.a.O. § 186 Rn. 18; noch weitergehend – auch für urteilsersetzende Beschlüsse – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Oktober 2020 – L 7 SF 7/20 E [R] – juris Rn. 3; a.A. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 9. November 2018 – L 1 SF 1194/18 E – juris Rn. 14 und vom 19. Dezember 2018 – L 1 SF 1289/18 E – juris Rn. 14; Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. Mai 2019 – L 12 SF 152/19 E – juris Rn. 11; Hessisches LSG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – L 2 SF 45/19 E – jursi Rn. 14; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, a.a.O., § 186 Rn. 2; S. Schmidt in Fichte/Jüttner, a.a.O., § 186 Rn. 2; Groß in: Berchtold, a.a.O., § 186 Rn. 4).

Es ist auch nicht aus Gründen richterlicher Rechtsfortbildung geboten, die Pauschgebühr in nicht ermäßigter voller Höhe festzustellen. Für die gebührenrechtliche Gleichstellung von Beschlüssen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Urteilen oder urteilsersetzenden Entscheidungen im Wege eines Analogieschlusses fehlt es bereits an einer Regelungslücke, weil die Regelung des § 186 Satz 1 SGG gesetzestechnisch alle Erledigungsformen erfasst (Erledigung durch Urteil = keine Ermäßigung; Erledigung nicht durch Urteil = Ermäßigung) und damit auch die hier maßgebliche Form der Erledigung durch (nicht urteilsersetzenden) Beschluss. Für die teleologische Reduktion des § 186 Satz 1 SGG auf diejenigen Verfahren, die nicht durch kontradiktorische Entscheidung beendet werden, fehlt es hingegen an der Planwidrigkeit der die Gebührenermäßigung vermeintlich zu weit erstreckenden Regelung. 

Auf ein planvolles gesetzgeberisches Handeln deutet zunächst die Systematik des Ersten Unterabschnitts des Vierten Abschnitts des SGG hin. Dabei ist § 186 SGG insbesondere im Kontext mit den §§ 184, 185 SGG zu sehen, die das Entstehen und die Fälligkeit der Pauschgebühr betreffen. Anders als der die Ermäßigung der Pauschgebühr regelnde § 186 SGG verweist § 185 SGG allerdings wegen der Fälligkeit der Pauschgebühr neben der Erledigung durch Urteil explizit auch auf die Erledigung durch Beschluss. Zwar war der Beschluss auch in § 185 SGG in der ursprünglichen Fassung des Sozialgerichtsgesetzes noch nicht genannt worden. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift aber bereits mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 25. Juni 1958 (BGBl. I S. 409) um die Erledigungsform durch Beschluss ergänzt und dies als „gesetzestechnisch bedingt“ begründet, weil ein Verfahren eben auch durch Beschluss erledigt werden könne (BT-Drucks. 3/36 S. 6 zu Nr. 9). In § 186 SGG hat der Gesetzgeber diese Änderung jedoch gerade nicht nachvollzogen, obwohl er in demselben Gesetzgebungsverfahren auch den § 186 SGG geändert und um dessen Satz 2 ergänzt hat. Hätte der Gesetzgeber die Gebührenermäßigung auch bei verfahrensbeendenden Beschlüssen entfallen lassen wollen, wäre angesichts der aktualisierten Erkenntnis, dass sozialgerichtliche Verfahren auch durch Beschluss enden können, eine Änderung auch des § 186 Satz 1 SGG zu erwarten gewesen. Dass diese ausgeblieben ist, spricht dafür, die aus dem Wortlaut der Vorschrift folgende Differenzierung zwischen Urteilen und Beschlüssen als auf planvollem gesetzgeberischem Handeln beruhend anzuerkennen.

Von einer Planwidrigkeit ist auch nicht deshalb auszugehen, weil die Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz (§§ 86a, 86b SGG) erst viel später durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) zum 2. Januar 2002 in das Sozialgerichtsgesetz eingefügt worden sind, ohne dass insoweit auch der § 186 SGG angepasst worden wäre (a.A. wohl B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 186 Rn. 2). Aus den Gesetzesmaterialien zu § 86b SGG wird gerade nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber eine pauschgebührenrechtliche Gleichstellung von Urteil und Beschluss nach § 86b Abs. 4 SGG angestrebt und nur irrtümlich nicht realisiert hätte (vgl. BT-Drucks. 14/5943 S. 25). Festzustellen ist vielmehr, dass der Gesetzgeber mit dem 6. SGGÄndG auch den die Kosten betreffenden Ersten Unterabschnitt des Vierten Abschnitts (§§ 183 ff. SGG) einer grundlegenden und umfassenden Reform unterzogen hat, ohne dabei allerdings den § 186 SGG zu ändern. Außerdem hat der Gesetzgeber im Zuge dieser Reform die Gerichtskostenfreiheit bestimmter sozialgerichtlicher Verfahren aufgegeben (vgl. § 197a SGG) und dementsprechend auch das damals geltende Gerichtskostengesetz (GKG) ergänzt. Während das 6. SGGÄndG für derartige sozialgerichtliche Hauptsacheverfahren damals einen Gebührensatz von 1,0 im erstinstanzlichen bzw. 1,5 im Berufungsverfahren (Nr. 4110 bzw. 4120 Kostenverzeichnis [KV] GKG a.F.) und zusätzlich jeweils einen Gebührensatz von 2,5 bzw. 3,0 für ein instanzbeendendes Urteil (Nrn. 4113 ff. und 4123 ff. KV GKG a.F.) bestimmte, wurden die Gebühren für gerichtskostenpflichtige Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne Rücksicht auf die Art ihrer Erledigung auf einen Gebührensatz von 0,5 im erstinstanzlichen Verfahren und 1,0 im Beschwerdeverfahren beschränkt (Nr. 4210 bzw. 4400 KV GKG).

Vor diesem Hintergrund kann in Ermangelung einer ausdrücklichen gegenteiligen Begründung dafür nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Einführung der Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz die durch Beschluss nach § 86b Abs. 4 SGG erledigten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einerseits im Geltungsbereich der §§ 183 ff. SGG pauschgebührenrechtlich den durch Urteil entschiedenen Hauptsacheverfahren hat gleichstellen wollen, während er andererseits gleichzeitig im Geltungsbereich des § 197a SGG die Gerichtskosten dafür auf ein Siebtel (Verfahren in erster Instanz) bzw. gut ein Fünftel (Beschwerdeverfahren) gegenüber einem entsprechenden durch Urteil entschiedenen Hauptsacheverfahren begrenzt hat.

Daran hat sich auch in der Zwischenzeit nichts Wesentliches geändert. Dass der Gesetzgeber vielmehr in Kenntnis der Problematik den § 186 SGG trotz zahlreicher weiterer SGG-Novellen in der Zwischenzeit über weitere gut 20 Jahre unverändert gelassen hat, spricht explizit gegen die Planwidrigkeit der Regelung des § 186 Satz 1 SGG. Darüber hinaus zeigt auch der Vergleich mit dem aktuell geltenden, wesentlich auf dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) fußenden Gerichtskostengesetz, dass sich die wortlautkonforme Auslegung des § 186 Satz 1 SGG am ehesten in ein übergreifendes System des Kostenrechts einfügt. Nach dem im Gerichtskostenrecht seit 1. Juli 2004 geltenden „Pauschgebührensystem“ (dazu BT-Drucks. 15/1971 S. 173) fällt in Verfahren nach § 197a SGG im gerichtlichen Hauptsacheverfahren in erster Instanz ein Gebührensatz von 3,0 an (Nr. 7110 KV GKG), der sich im Falle einer unstreitigen Erledigung auf 1,0 ermäßigt (Nr. 7111 KV GKG). Für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hingegen gilt von vornherein nur ein Gebührensatz, der mit 1,5 (Nr. 7210 KV GKG) nur halb so hoch ist wie derjenige in gerichtlichen Hauptsacheverfahren. Zwar steht ein ergangener Beschluss nach § 86b Abs. 4 SGG einer (weiteren) Gebührenermäßigung entgegen, auch wenn es später zu einer unstreitigen Erledigung kommt (Nr. 7211 KV GKG), was darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber den mit der Beschlussfassung bereits entstandenen richterlichen Aufwand gebührenmäßig berücksichtigt wissen wollte. Anders als im § 186 Satz 1 SGG ist diese Folge aber in Nr. 7211 KV GKG ausdrücklich angeordnet.

Fehlt es damit an Anzeichen dafür, dass die Nichtberücksichtigung streitiger Beschlüsse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in § 186 Satz 1 SGG auf einem gesetzgeberischen Versehen beruht, kommt eine teleologische Reduktion der Vorschrift auch dann nicht in Betracht, wenn die pauschgebührenrechtliche Gleichstellung solcher Verfahren mit streitig entschiedenen gerichtlichen Hauptsacheverfahren sachlich gerechtfertigt wäre. Allerdings sind auch die teleologischen Argumente für eine solche Gleichstellung nicht zwingend.

§ 186 Satz 1 SGG soll nach dem Willen des historischen Gesetzgebers Versicherungsträger und Behörden dazu veranlassen, aussichtslose Rechtsverfolgungen aufzugeben (BT-Drucks. 1/4357 S. 33 zu § 133 SGO). Zur Erreichung dieses Ziels ist die Regelung allerdings in all denjenigen Fällen von vornherein ungeeignet, in denen – wie im vorliegenden Fall – die Rechtsverfolgung erfolglos von den Versicherten betrieben wird. Dass auch in diesen Fällen die Versicherungsträger pauschgebührenpflichtig sind und bei der Höhe der Gebühr überhaupt nach der Erledigungsform unterschieden wird, spricht für einen weitergehenden Zweck der §§ 184 ff. SGG, der in der angemessenen, auch den Aufwand berücksichtigenden Verteilung der Kosten der Gerichtshaltung bei prinzipieller Gerichtskostenfreiheit sozialgerichtlicher Verfahren auf die Steuerzahler einerseits und die Beitragszahler andererseits liegt (zu den Kosten der Gerichtshaltung als Motiv vgl. bereits BSG, Beschluss vom 20. November 1964 – 3 RK 77/59 – SozR Nr 1 zu § 186 SGG, juris Rn. 7). Insoweit spricht der Sinn und Zweck des § 186 Satz 1 SGG vordergründig zwar tendenziell dafür, die Gebührenermäßigung auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom Fehlen einer streitigen Entscheidung abhängig zu machen, weil das Gericht bei unstreitiger Erledigung von der Aufgabe entlastet wird, einen Beschluss zu fassen, zu begründen, zuzustellen und die Zustellung zu überwachen. Allerdings bestehen zwischen Hauptsacheverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch substanzielle Unterschiede, die bei aufwandsbezogener Betrachtung eine differenzierende pauschgebührenrechtliche Bewertung rechtfertigen können: So ergehen Entscheidungen in Hauptsacheverfahren im gesetzlich vorgesehenen Regelfall aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 124 Abs. 1 SGG, im Berufungsverfahren i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG), was im Hinblick auf die Verfügung der Ladung durch den Vorsitzenden (§§ 110, 111 SGG), die Ausführung und Überwachung durch die Geschäftsstelle und die Durchführung des Termins (§ 112 SGG) für sich genommen bereits einen Aufwand bedeutet. Die den gesetzlichen Regelfall darstellenden Urteile aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 124 Abs. 1 SGG) ergehen im Verfahren erster Instanz immer, im Berufungsverfahren wiederum im gesetzlichen Regelfall (§ 153 Abs. 1 SGG; vgl. aber § 155 Abs. 3 und 4 SGG) unter Beteiligung ehrenamtlicher Richter, was im Hinblick auf deren Ladung und Entschädigung (§ 19 Abs. 2 SGG) ebenfalls einen kostenwirksamen Aufwand bedeutet, der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die streitig im Regelfall durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (§§ 86a Abs. 4, 142 Abs. 1 SGG) und damit auch ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG; im Beschwerdeverfahren i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 2 SGG) erledigt werden, in dieser Weise nicht anfällt. Dass es abseits der gesetzlichen Regelfälle in der Praxis immer auch mehr oder weniger atypische Fallkonstellationen gibt, in denen ein die Gebührenermäßigung rechtfertigender Minderaufwand nicht oder in geringerem Umfang feststellbar ist (bspw., wenn ein Eilverfahren durch Beschluss aufgrund mündlicher Verhandlung erledigt wird), ist einem Pauschgebührensystem immanent und deshalb für die Auslegung bedeutungslos.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 189 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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