L 7 R 289/23 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 22 R 494/21 ZV zuvor S 24 R 494/21 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 289/23 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Prämien anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels Kollektiv der sozialistischen Arbeit stellen kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt iS der §§ 6 Abs 1 S 1 AAÜG, 14 Abs 1 S 1 SGB IV dar, weil sie nicht aus der Beschäftigung erzielt wurden und keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen beinhalteten

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Prämien anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels Kollektiv der sozialistischen Arbeit

  1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 23. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in Form von Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Zuflussjahren 1982 bis 1984 und 1986 festzustellen.

 

Der 1945 geborene Kläger ist, nach erfolgreichem Abschluss eines im Zeitraum von September 1965 bis November 1971 absolvierten Hochschulstudiums in der Fachstudienrichtung "Sozialistische Betriebswirtschaft" an der  Z...., seit 5. November 1971 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplomingenieurökonom" zu führen. Er war vom 1. September 1970 bis 9. November 1971 als Beauftragter für Arbeitsökonomie in der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut sowie vom 12. November 1971 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als ökonomischer Leiter im volkseigenen Betrieb (VEB) Energiekombinat  Y.... beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 31. Oktober 2000 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Den Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 6. Juni 2001 ab. Auf den Widerspruch des Klägers vom 5. Juli 2001 stellte die Beklagte sodann mit Bescheid vom 15. Oktober 2001 die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. November 1971 bis 9. November 1971 und vom 12. November 1971 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Die Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. September 1970 bis 31. Oktober 1971 lehnte sie hingegen ab.

 

Auf verschiedene Überprüfungsanträge des Klägers (unter anderem vom 7. Dezember 2007, vom 9. Juli 2012 und vom 7. Dezember 2019) stellte die Beklagte mit Neufeststellungsbescheiden (vom 15. Juli 2008, vom 26. Juli 2012, vom 18. September 2015, vom 20. Februar 2020 und vom 24. März 2020) jeweils das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. November 1971 bis 9. November 1971 und vom 12. November 1971 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie höhere Arbeitsentgelte

  • für das Jahr 1985 (in Höhe von 300,00 Mark) wegen einer (angeblich) nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung des Ehrentitels "Aktivist der sozialistischen Arbeit" (Neufeststellungsbescheid vom 15. Juli 2008),
  • für das Jahr 1987 (in Höhe von insgesamt 350,00 Mark) wegen einer (angeblich) nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" (in Höhe von 100,00 Mark) und wegen einer nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung der "Medaille für treue Dienste in der Energiewirtschaft" in Bronze (in Höhe von 250,00 Mark) sowie für das Jahr 1988 (in Höhe von 100,00 Mark) wegen einer (angeblich) nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" (Neufeststellungsbescheid vom 26. Juli 2012),
  • für die Jahre 1980 bis 1989 – im Rahmen eines mit Vergleich endenden sozialgerichtlichen Klageverfahren (S 2 RS 1952/12) – wegen glaubhaft gemachter Treueprämien für Werktätige in der Energiewirtschaft (Neufeststellungsbescheid vom 18. September 2015),
  • für das Jahr 1979 (in Höhe von insgesamt 100,00 Mark) wegen einer (angeblich) nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" (in Höhe von 50,00 Mark) und wegen einer nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung des Titels "Bestarbeiter" (in Höhe von 50,00 Mark) sowie für das Jahr 1980 (in Höhe von 50,00 Mark) wegen einer (angeblich) nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" (Neufeststellungsbescheid vom 20. Februar 2020) sowie
  • für das Jahr 1980 (in Höhe von 300,00 Mark) wegen einer (angeblich) nachgewiesenen Prämie anlässlich der Verleihung des Ehrentitels "Aktivist der sozialistischen Arbeit" (Neufeststellungsbescheid vom 24. März 2020),

fest.

 

Mit Überprüfungsanträgen vom 25. März 2020 und 25. Juni 2020 begehrte der Kläger die Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte (in Höhe von jeweils 50,00 Mark) in Form von Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1982 bis 1984 und 1986. Im Laufe des Antragsverfahrens legte er

  • Auszüge aus den Betriebskollektivverträgen des VEB Energiekombinat Y.... aus den Jahren 1979, 1976 bis 1980 sowie 1986 (1. Ergänzung, gültig ab 1987),
  • eine Urkunde über die Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" aus dem Jahr 1976,
  • einen Auszug aus seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung mit Eintragungen über die Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1969 bis 1988 sowie
  • ein Schreiben der ENSO vom 5. September 2008 (welches auf ein Schreiben der Beklagten vom 14. August 2008 erging)

vor.

 

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2021 mit der Begründung ab, die vom Kläger begehrten höheren Arbeitsentgelte seien weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht. Der Kläger habe keine Auszeichnungsurkunden für die betroffenen Jahre (1982 bis 1984 und 1986) vorgelegt. Die Eintragungen auf Seite 8 des Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung seien nicht ausreichend. Auch sei kein Zahlbetrag nachgewiesen. Denn für die betroffenen Jahre lägen keine Betriebskollektivverträge vor. Die Ergänzung zum Betriebskollektivvertrag 1986 gelte erst ab 1987.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2021 (Eingang bei der Beklagten am 26. Februar 2021) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung der Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1982 bis 1984 und 1986. Zur Begründung führte er unter anderem aus: Für die Jahre 1979 und 1980 (jeweils in Höhe von 50,00 Mark) sowie 1987 und 1988 (jeweils in Höhe von 100,00 Mark, insoweit jeweils in Höhe von 50,00 Mark zu hoch, weil – ausweislich der Betriebskollektivverträge – lediglich die erstmalige Verleihung des Ehrentitels mit der Ausreichung einer Prämie in Höhe von 100,00 Mark und die Verteidigung des Ehrentitels nur mit der Ausreichung einer Prämie in Höhe von 50,00 Mark verbunden gewesen sei) habe die Beklagte die Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" bereits anerkannt. Es sei unerklärlich weshalb diese für die Jahre 1982 bis 1984 und 1986 nicht anerkannt würden, zumal er dazu Unterlagen vorgelegt habe.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2021 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1982 bis 1984 und 1986 sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Hinsichtlich der konkret begehrten Jahre lägen keine Betriebskollektivverträge vor, die die Zahlung von Prämien glaubhaft machen könnten.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 3. Mai 2021 Klage zum Sozialgericht Dresden (im Verfahren S 24 R 494/21 ZV) und begehrte weiterhin die Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte in Form von Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1982 bis 1984 und 1986 in Höhe von jeweils 50,00 Mark.

 

Das Sozialgericht Dresden hat die Klage – nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 14. Juni 2022 – mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2023 (im Verfahren S 22 R 494/21 ZV) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dahingestellt könne bleiben, ob es sich bei den begehrten Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" überhaupt um relevantes Arbeitsentgelt gehandelt habe. Denn jedenfalls habe der Kläger den Zufluss der begehrten Prämien in den Zuflussjahren 1982 bis 1984 und 1986 weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht. Betriebskollektivverträge für die betroffenen Jahre lägen nicht vor. Bloße Notizen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung sowie auf Personalbögen seien nicht ausreichend.

 

Gegen den am 1. Juni 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19. Juni 2023 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Die Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung seien verbindliche Nachweisdokumente. In seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung sei die Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1982 bis 1984 und 1986 verbindlich eingetragen worden. Die von ihm wiederholt vorgelegten Unterlagen (Auszüge aus verschiedenen Betriebskollektivverträgen, Personalbogen, Schreiben der ENSO AG von August 2008) würden die Prämienzahlungen belegen. Die Prämienzahlungen könne auch  X.... als Zeugin bestätigen.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 23. Mai 2023 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 2. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2021, zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 2001 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 15. Juli 2008, vom 26. Juli 2012, vom 18. September 2015, vom 20. Februar 2020 und vom 24. März 2020 abzuändern und Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Zuflussjahren 1982 bis 1984 und 1986 in Höhe von jeweils 50,00 Mark als weitere Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und führt ergänzend aus: Der Kläger verkenne, dass den Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis über die Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" bereits selbst zu entnehmen sei, dass es sich hier um staatliche und betriebliche Auszeichnungen ohne Geldprämien gehandelt habe. Dies decke sich mit der Ordnung über die Verleihung und Bestätigung der erfolgreichen Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit".

 

Das Gericht hat Unterlagen vom Kläger angefordert.

 

Mit Schriftsätzen vom 23. August 2023 (Beklagte) sowie vom 7. September 2023 (Kläger) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Form von in den Jahren 1982 bis 1984 und 1986 zugeflossenen Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in Höhe von jeweils 50,00 Mark. Denn der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 2. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2021 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil mit ihm weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]).

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 2001 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 15. Juli 2008, vom 26. Juli 2012, vom 18. September 2015, vom 20. Februar 2020 und vom 24. März 2020 ist – soweit er aufgrund des konkreten Begehrens des Klägers im Berufungsverfahren der gerichtlichen Beurteilung unterliegt – rechtmäßig (die teilweise Rechtswidrigkeit der Bescheide, unter anderem in Form der Feststellung der Beschäftigungszeiten sowie der Entgelte im Zeitraum vom 1. November 1971 bis 9. November 1971 wegen Nichtvorliegens der betrieblichen Voraussetzung sowie in Form der Feststellung von Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1979, 1980, 1987 und 1988 und anlässlich der Verleihung des Ehrentitels "Aktivist der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1980 und 1985 wegen Nichtvorliegens des Begriffs des Arbeitsentgelts unterliegt – wegen der insoweitigen Bestandskraft der Bescheide [§§ 77 SGG, 39 Abs. 2 SGB X] in diesem Verfahren – nicht der Beurteilung des Senats).

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 2001 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 15. Juli 2008, vom 26. Juli 2012, vom 18. September 2015, vom 20. Februar 2020 und vom 24. März 2020 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Zuflussjahren 1982 bis 1984 und 1986 (in Höhe von jeweils 50,00 Mark) hat sie zu Recht nicht berücksichtigt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die Norm definiert den Begriff des Arbeitsentgeltes zwar nicht selbst. Aus dem Wort "erzielt", folgt aber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden, ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Dabei muss es sich um eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung handeln, wobei unerheblich ist, ob das erzielte Arbeitsentgelt in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlag (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Die inhaltliche Bedeutung des Begriffs "Arbeitsentgelt" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG bestimmt sich nach dem bundesdeutschen Arbeitsentgeltbegriff nach § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Dabei ist ausschließlich die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 bestand (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dabei ist es – dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entsprechend – ausreichend, wenn ein mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2004 – B 4 RA 19/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr. 1, RdNr. 18 = JURIS-Dokument, RdNr. 18), weil der Arbeitsentgeltbegriff grundsätzlich weit gefasst ist. Insofern stellen grundsätzlich alle direkten und indirekten Leistungen des Arbeitgebers eine Gegenleistung für die vom Beschäftigten zu erfüllende Arbeitspflicht dar und werden im Hinblick hierauf gewährt.

 

Bei den streitgegenständlichen Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" handelt es sich jedoch nicht um aus dem Arbeitsverhältnis fließende Gegenleistungen für die Arbeitsleistung, sodass sie kein Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG darstellen (vgl. zu Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" bereits: Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Juli 2016 - L 5 RS 225/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 67-69; Sächsisches LSG, Urteil vom 12. Mai 2015 - L 5 RS 424/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 101-103; ebenso zu Prämien anlässlich der Verleihung des Ehrentitels "Aktivist der sozialistischen Arbeit": Sächsisches LSG, Urteilsbeschluss vom 18. September 2017 - L 5 RS 678/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 50-52; Sächsisches LSG, Urteil vom 13. September 2016 - L 5 RS 738/12 - JURIS-Dokument, RdNr. 162-165; ebenso zu Prämien anlässlich der Verleihung des Titels "Banner der Arbeit": Sächsisches LSG, Urteil vom 1. April 2014 - L 5 RS 115/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 19-29).

 

Anerkennungsprämien anlässlich der Verleihung oder Bestätigung (Verteidigung) des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" konnten nach § 8 Abs. 3 der "Ordnung über die Verleihung und Bestätigung des Ehrentitels 'Kollektiv der sozialistischen Arbeit' (nachfolgend: ETO-KdsA)", die Bestandteil der "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen" vom 28. Juni 1978 (DDR-GBl. 1978, Sonderdruck Nr. 952, S. 15 ff.) war, ausgereicht werden. Die Verleihung und Bestätigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" war eine "gesellschaftliche Wertschätzung" (§ 1 ETO-KdsA) und erfolgte, wenn die Kollektivmitglieder kontrollier- und abrechenbare, kollektive und persönliche Verpflichtungen übernommen hatten, mit dem Ziel, aktiv bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft mitzuwirken, die sozialistische Lebensweise weiter auszuprägen, Keime der kommunistischen Einstellung zur Arbeit herauszubilden und weitere Anforderungen verwirklichten (§ 2 Satz 1 ETO-KdsA).

 

Aus diesem, in einem staatlichen Regelwerk der DDR niedergelegten und damit durch das DDR-Recht selbst vorgegebenen Zweck (vgl. zur maßgeblichen Heranziehung dieses Aspekts beispielhaft: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 1 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 46; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25) wird deutlich, dass mit dem Ehrentitel und der verbundenen Anerkennungsprämie, nicht die im Betrieb erbrachte Arbeitsleistung als Gegenleistung aus dem Beschäftigungsverhältnis honoriert wurde, sondern die gesellschaftliche, nämlich sozialistische, Unterstützung des staatlichen Systems in Form der Stärkung und Festigung der DDR. Honoriert wurde damit staatliche Linien-, Regime- und Systemtreue. Zwar wird als Prämierungszweck auch die Erreichung "beispielgebender Arbeitsleistungen" (§ 1 ETO-KdsA) ausdrücklich aufgeführt. Diese Arbeitsleistungen wurden aber nicht aufgrund ihres Charakters als Arbeitsleistung, sondern aufgrund ihres, das staatliche System stützenden Charakters prämiert. Denn die "beispielgebenden Arbeitsleistungen" wurden wegen der "gezielten Überbietung des Planes" (§ 2 Satz 1 Spiegelstrich 1 ETO-KdsA), also der Stärkung der Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung, als beispielgebende Initiativen belohnt. Die Belohnung, und damit die Prämie, floss den Belohnten nicht aus dem durch einen Arbeitsvertrag begründeten Beschäftigungsverhältnis, sondern aus dem durch die sozialistische Staatsverfassung der DDR begründeten "festen Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, den Angehörigen der Intelligenz und den anderen Schichten des Volkes" zu, bei dem es sich um eine der "unantastbaren Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung" handelte (vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1974 [DDR-GBl. I Nr. 47 S. 432]).

 

Vor diesem Hintergrund kann die bisher zwischen den Beteiligten geführte Diskussion darüber, ob und in welcher konkreten Höhe der Kläger den Zufluss solcher Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Zuflussjahren 1982 bis 1984 und 1986 nachgewiesen oder glaubhaft gemacht haben könnte, dahinstehen. Auch das vom Kläger im Berufungsverfahren vorgebrachte Beweisangebot (Befragung der Zeugin  X....) braucht nicht aufgegriffen zu werden, weil die Zeugenbefragung das rechtliche Ergebnis der Entscheidung nicht zu beeinflussen vermag.

 

Soweit die Beklagte in der Vergangenheit im konkreten Fall des Klägers (mit den Neufeststellungsbescheiden vom 26. Juli 2012 und vom 20. Februar 2020) für die Jahre 1979 und 1980 (jeweils in Höhe von 50,00 Mark) sowie 1987 und 1988 (jeweils in Höhe von 100,00 Mark) bereits höhere Arbeitsentgelte wegen des (angeblich) nachgewiesenen Zuflusses von Prämien anlässlich der Verleihung bzw. Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" festgestellt bzw. anerkannt hat, bindet diese Verwaltungsentscheidung das Gericht nicht und vermag deshalb zu keiner anderen Bewertung der maßgeblichen Rechtslage zu führen. Denn diese Feststellungsentscheidungen der Beklagten sind nach den obigen Darlegungen rechtswidrig. Sie wurden von der Beklagten auch zu keinem Zeitpunkt begründet. Die insoweit rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten führt auch unter "Gleichbehandlungsgesichtspunkten" zu keinem anderen Ergebnis. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liegt insoweit nämlich nicht vor. Denn selbst, wenn die (streitgegenständlich) begehrte Entgeltfeststellung mit denjenigen Entgeltfeststellungen in der Vergangenheit tatsächlich gleichgelagert sein sollte, begründet dieser Umstand keinen Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung, da dies dem geltenden Recht widerspricht. Das geltende Recht kennt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, denn dies würde der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) zuwiderlaufen (vgl. dazu lediglich: BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 - 1 BvL 25/77 - BVerfGE 50, 142 [166]; BSG, Urteil vom 21. Mai 2003 - B 6 KA 32/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 1). Eine rechtswidrige Leistung oder Feststellung kann der Kläger damit nicht mit Erfolg begehren.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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