L 10 KR 32/22 KH

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 60 KR 1322/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 32/22 KH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 22/23 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.12.2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.367,91 € festgesetzt.

 

Tatbestand:

 

Im Streit steht, ob die Präklusion nach der Prüfungsverfahrensvereinbarung vom 03.02.2016 (PrüfvV 2016) auch im sog Begehungsverfahren eintritt.

 

Die Klägerin ist ein Plankrankenhaus (iSd § 108 Nr 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>). Dort wurde vom 31.05.2018 bis 10.06.2018 Herrn W. M. (* 00.00.1960; fortan: Versicherter), der bei der Beklagten gegen Krankheit versichert war, wegen Stichverletzungen stationär behandelt. Für diese Krankenhausbehandlung berechnete die Klägerin der Beklagten insgesamt 10.825,28 € (Rechnung vom 28.09.2018). Dabei kodierte sie als Nebendiagnose unter anderem einen Kaliummangel (Hypokaliämie, ICD-10-GM E87.6). Die Beklagte beglich diese Rechnung zunächst vollständig, beauftragte zugleich aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Abrechnungsprüfung, konkret mit einer Kopierprüfung hinsichtlich der Nebendiagnosen. Der MDK teilte der Klägerin in seiner Prüfanzeige (vom 28.09.2018) hierzu mit, dass ein Begehungsverfahren vereinbart worden sei, und bat die Klägerin, „die Krankenakte zur Verfügung [zu halten].“ Nach Prüfung vor Ort kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die Anforderungen an die Kodierung der Nebendiagnose E87.6 nicht erfüllt seien. Wegen der übrigen Nebendiagnosen hatte er keine Beanstandungen. Weiter teilte der MDK mit, es habe „Konsens bezüglich gutachterlicher Bewertung“ bestanden (gutachtliche Stellungnahme Dr. V. vom 25.02.2019).

 

Die Klägerin schlug (am 07.03.2019) ein Nachverfahren auf Basis der bis zum Ende der MDK-Begutachtung übermittelten Daten und Unterlagen vor. Dies lehnte die Beklagte ab.

 

Gestützt auf die Stellungnahme des MDK forderte die Beklagte von der Klägerin 6.367,91 € zurück. Nachdem die Klägerin diese Forderung nicht beglich, verrechnete die Beklagte die geltend gemachte Erstattungsforderung mit einem weiteren Vergütungsanspruch der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall (dortige Rechnung vom 31.03.2019, Nr 2019313161; Zahlungsavis vom 12.04.2019).

 

Die Klägerin hat daraufhin am 23.12.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben.

 

Sie hat behauptet, der MDK habe eine Begründung für die Streichung der Nebendiagnose im Rahmen der Fallbesprechung vor Ort nicht angegeben. Auch die Angabe des MDK, die Begutachtung sei im Konsens erfolgt, sei falsch.

 

Im Klageverfahren hat die Klägerin ihre Patientenakte einschließlich Laborbefunden sowie einen Medikamentenplan vorgelegt. Auf Grundlage dieser Unterlagen hat die Beklagte eine erneute gutachtliche Stellungnahme des MDK (Dr. V. vom 23.08.2021) eingeholt. Diese lautet auszugsweise wie folgt:

 

„Die nun im Sozialgerichtsverfahren vorliegende Krankenakte zeigt laborchemische Parameter vom 07.06.2018 mit einem um 5:44 Uhr gemessenen Kaliumwerte im Serum von 3,41 mmol/l bei einem Klinik-Referenzwert von 3,5-5,1 mmol/l. Auch ist anhand der Aktenlage belegt, dass daraufhin eine orale Kaliumssubstitution erfolgte. Bei Akzeptanz der nun vorliegenden Krankenakte wäre die Nebendiagnose E87.6 dementsprechend zu akzeptieren.

Zur Beurteilung herangezogen werden können gemäß PrüfvV jedoch nur Dokumente, die zum Zeitpunkt der Begutachtung am 25.02.2019 vorgelegen haben. Bei der am 25.02.2019 nach Durchsicht der Aktenlage erfolgten Fallbesprechung mit dem krankenhausverantwortlichen Medizincontroller wurde die Nebendiagnose E87.6 im Konsens, dh mit Einverständnis des Medizincontrollings, gestrichen, da die einen Kaliummangel belegenden Laborwerte von Seiten des Klinikverantwortlichen nicht demonstriert wurden.“

 

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.367,91 € nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem jeweils Basiszinssatz seit Rechtsähnlichkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat behauptet, die Streichung der Nebendiagnose sei im Konsens erfolgt. Auch habe die Klägerin zwar ein Nachverfahren beantragt, jedoch ohne jedwede Begründung. Mit den erst im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen sei die Klägerin präkludiert.

 

Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 6.367,91 € nebst Zinsen iHv 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.09.2020 zu zahlen (Urteil vom 06.12.2021). Der Klägerin komme der mit der Klage geltend gemachte Vergütungsanspruch zu. Dieser sei auch nicht durch Aufrechnung erloschen. Ein Erstattungsanspruch habe der Beklagten nicht zugestanden. In medizinischer Hinsicht sei die Kodierung der Nebendiagnose nach dem MDK-Gutachten vom 23.08.2021 zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Klägerin mit der Vorlage der Patientenakte im gerichtlichen Verfahren auch nicht materiell präkludiert. § 7 Abs 2 PrüfvV 2016 finde nach dem eindeutigen Wortlaut und der Systematik ausschließlich auf das schriftliche Prüfverfahren, nicht aber auf die vorliegend durchgeführte Prüfung vor Ort im Krankenhaus Anwendung. Sowohl die PrüfvV 2014 als auch die neue PrüfvV 2016 differenzierten ausdrücklich zwischen der Prüfung vor Ort und dem schriftlichen Verfahren. Im Übrigen hat sich das SG der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (Urteil vom 17.12.2020 – L 16 KR 238/19, juris) angeschlossen.

 

Mit ihrer am 12.01.2022 eingelegten Berufung wiederholt die Beklagte ihre bisherige Begründung. Ergänzend trägt sie Folgendes vor:

 

Die Klägerin sei mit den vorgelegten Belegen für den Kaliummangel des Versicherten und dessen Substitution präkludiert. § 7 Abs 2 PrüfvV 2016 bewirke anerkanntermaßen eine materielle Präklusion. Auch die Vorortprüfung sei in § 7 Abs 2 PrüfvV 2016 genannt und in einem separaten Absatz geregelt. Soweit die PrüfvV 2016 zwei Prüfverfahren nenne und insoweit teilweise unterschiedliche Regelung treffe, liege dies in der Natur der Prüfungen. Im schriftlichen Verfahren komme es in besonderem Maße auf die Unterlagen im Einzelnen an, weil unter Umständen gerade nicht die gesamte Patientenakte angefordert werde. Bei der Vor-Ort-Prüfung sehe dies hingegen anders aus. Nach ausreichender Vorbereitungszeit könnten vom MDK die Krankenunterlagen eingesehen werden. § 7 Abs 2 S 1 PrüfvV 2016 wiederhole die Rechtsfolge aus § 7 Abs 2 S 6 PrüfvV 2016 schlicht deshalb nicht, weil dies obsolet erschienen sei. Denn im Begehungsverfahren lägen alle Unterlagen vor. Wenn eine Präklusion bei spezifisch angeforderten Unterlagen gelte, dann müsse dies erst recht gelten, wenn das Krankenhaus dem MDK alle Unterlagen vorzulegen habe und die Begehung angekündigt sei. Es liege allein in der Organisationsverantwortung des Krankenhauses, dem MDK bei der Vor-Ort-Prüfung alle Krankenunterlagen vorzulegen. Das Krankenhaus könne sich insoweit vollumfänglich mit dem MDK austauschen und Lücken in den Krankenunterlagen diskutieren.

 

Im vorliegenden Fall habe – unschwer erkennbar – die Überprüfung des Kaliumwertes zur Prüfung angestanden. Hierfür sei der Laborbericht ein notwendiger Beleg gewesen und habe daher in den Krankenunterlagen vorliegen müssen. Es erschließe sich schlichtweg nicht, warum das Beweismittel zur Begründung der überprüften Nebendiagnose bei der Begehung vor Ort nicht vorgelegen habe und auch nicht habe beschafft werden können, obwohl die entsprechende Nebendiagnose kodiert worden sei. Zudem obliege es dem Krankenhaus nach § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV 2016 auch im schriftlichen Verfahren, ggf die angeforderten Unterlagen zu ergänzen. Nichts anderes könne für relevante Unterlagen gelten, wenn das Krankenhaus alle Unterlagen vorzulegen habe, es also wieder eine Selektionslast noch ein Selektionsrisiko treffe. Zudem widerspreche eine vollständige Nachholung der Beweiserhebung im Sozialgerichtsprozess der Wertung des § 17c Abs 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), der ein effizientes und konsensorientiertes Prüfverfahren bezwecke; für die Beteiligten solle zügig und abschließend Klarheit über die angemessene Vergütung im Einzelfall hergestellt werden.

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.12.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angegriffene Urteil für rechtmäßig.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungs- bzw Patientenakte der Beteiligten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet, nachdem beide Beteiligten ihr Einverständlich hiermit erklärt haben (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), ist zulässig, aber unbegründet.

 

Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 6.367,91 € nebst Zinsen verurteilt.

 

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses bzw eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse oder umgekehrt bei einer auf Erstattung einer gezahlten Vergütung gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus oder eines Krankenhausträgers handelt es sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl etwa BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R, juris Rn 14; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R, juris Rn 13), sodass es eines Vorverfahrens nicht bedurfte und eine Klagefrist nicht einzuhalten war.

 

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung weiterer 6.367,91 € aus ihrer Rechnung vom 31.03.2019 (Rechnungs-Nr 2019313161). Dieser Vergütungsanspruch ist dem Grunde nach unstreitig; eine weitere Prüfung erübrigt sich deshalb (dazu BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R, amtl Rn 9). Der Vergütungsanspruch ist in der streitbefangenen Höhe auch nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 389 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>). Es fehlt bereits an einer Aufrechnungslage (§ 387 BGB), weil der Beklagten der geltend gemachte Erstattungsanspruch aus der Behandlung des Versicherten M. nicht zustand (dazu 1). Die Klägerin ist mit den Unterlagen, die sie im Klageverfahren vorgelegt hat, um zu belegen, dass sie den Kaliummangel bei dem Versicherten zu Recht als Nebendiagnose kodiert hat, auch nicht präkludiert (dazu 2).

 

1. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung überzahlter Krankenhausvergütung iHv 6.367,91 € aus dem Behandlungsfall des Versicherten M.. Damit steht ihr auch keine Gegenforderung zu, mit der sie gegen den streitbefangenen Vergütungsanspruch teilweise hätte aufrechnen können. Die Rechnung der Klägerin vom 20.09.2018 betreffend den Behandlungsfall des Versicherten M. ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Klägerin auch einen Kaliummangel (Hypokaliämie, ICD-10-GM E87.6) als Nebendiagnose kodiert. Dies steht auch zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit und entspricht auch der jüngsten gutachtlichen Stellungnahme des MDK (vom 23.08.2021). Für den Senat besteht kein Anlass, an dieser übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten und des MDK zu zweifeln.

 

2. Die Klägerin ist mit den im Klageverfahren vorgelegten Behandlungsunterlagen auch nicht präkludiert.

 

a) Unstreitig fand die MDK-Prüfung vorliegend im sog Begehungsverfahren vor Ort statt. In derartigen Fällen kann von vorneherein keine Präklusion eintreten. Eine solche sieht § 7 Abs 2 S 6 PrüfvV 2016 vielmehr nur für die Prüfung im schriftlichen Verfahren vor. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut des § 7 Abs 2 S 6 PrüfvV 2016 („Sind die Unterlagen dem MDK nicht fristgerecht zugegangen […]“) und dessen systematischem Zusammenhang mit § 7 Abs 2 S 2 bis 5 PrüfvV 2016, die die Prüfung im schriftlichen Verfahren und dabei insb die Anforderung und Übersendung von Unterlagen regeln (so zu § 7 Abs 2 S 2 bis 4 PrüfvV 2014 bereits BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 32/20 R, amtl Rn 15; LSG NRW, Urteil vom 17.12.2020 – L 16 KR 238/19, juris Rn 37 f).

 

b) Einer erweiternde Auslegung des § 7 Abs 2 S 6 PrüfvV 2016 scheidet aus. Die PrüfvV 2016 unterliegt den allgemein für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 34/20 R, amtl Rn 21 mwN). Insoweit ist zu beachten, dass materielle Präklusionsregelungen strengen Ausnahmecharakter haben und in ihrem Ausschließungsgehalt hinreichend genau bestimmt sein müssen (vgl BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 22/21 R, amtl Rn 16 mwN). Eine erweiternde Auslegung des § 7 Abs 2 S 6 PrüfvV 2016 auch auf Fälle, in denen dem MDK im Rahmen einer Vor-Ort-Prüfung nicht sämtliche benötigten Unterlagen zur Verfügung standen, überstiege den Wortlaut und Systematik der Vereinbarung.

 

c) Ebenso scheidet eine analoge Anwendung des § 7 Abs 2 S 6 PrüfvV 2016 aus. Dabei bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob § 7 Abs 2 S 6 PrüfvV 2016 nach dem gerade Gesagten einer Analogiebildung überhaupt zugänglich ist, zumal es sich um eine normvertragliche Regelung handelt (hierzu zweifelnd auch LSG NRW, aaO Rn 39). In jedem Fall sind die Voraussetzungen für eine Analogie nicht erfüllt, weil weder eine planwidrige Regelungslücke (dazu aa) noch eine vergleichbare Interessenlage (dazu bb) vorliegen.

 

aa) Es besteht keine planwidrige Regelungslücke. Allein der Umstand, dass die PrüfvV 2016 für die Vor-Ort-Prüfung keine Präklusionsregelung vorsieht, begründet allenfalls eine Regelungslücke, nicht aber deren Planwidrigkeit. Planwidrigkeit ist hier aber nicht zu erkennen (vgl LSG NRW, aaO Rn 40). Das Schweigen der PrüfvV 2016 zu einer Präklusion bei Vor-Ort-Prüfungen lässt sich damit erklären, dass die Vertragsparteien ein entsprechendes Regelungsbedürfnis nur bei für Prüfungen im schriftlichen Verfahren gesehen haben, nachdem der MDK bei einer Prüfung vor Ort die benötigten Krankenunterlagen ohnehin iRd § 276 Abs 4 S 1 SGB V einsehen kann. Dass die Vertragsparteien hiervon ausgingen, lassen deren Umsetzungshinweise zur PrüfvV 2014 (dazu die Umsetzungshinweise des GKV-Spitzenverbandes, Stand: 05.11.2014, dort zu § 7 Abs 2: „Bei Prüfungen im Krankenhaus kann der MDK-Gutachter die Krankenunterlagen gemäß § 276 Abs. 4 Satz 1 SGB V einsehen“; bzw der Dt Krankenhausgesellschaft <DKG>, KH 2014, 938 <949>: „[…] dass die Ärzte des MDK berechtigt sind, die Räumlichkeiten des Krankenhauses […] zu betreten, um die Krankenunterlagen einzusehen […]“) wie auch später noch zur PrüfvV 2021 (dazu die Gemeinsamen Umsetzungshinweise von GKV-Spitzenverband und DKG, Stand: 29.11.2021, wiederum zu § 7 Abs 2: „Bei Prüfungen vor Ort kann der MD-Gutachter die notwendigen Krankenunterlagen gemäß § 276 Abs 4 S 1 SGB V einsehen. […]“) erkennen. Derartige Umsetzungshinweise jedenfalls der einzelnen Vertragsparteien sind zwar für die Auslegung der normvertraglichen Bestimmungen selbst nicht maßgebend (vgl BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 24/20 R, amtl Rn 22), erlauben aber Rückschlüsse auf die Vorstellungen der Vertragsparteien.

 

Bloß der Vollständigkeit halber weist der Senat zudem darauf hin, dass, wollte man eine planwidrige Regelungslücke annehmen, bereits die PrüfV 2014 dieselbe Lücke aufwiese (dazu aber BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 32/20 R, amtl Rn 15).

 

bb) Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, dass bei einer Vor-Ort-Prüfung auf der einen und einer schriftlichen Prüfung auf der anderen Seite vergleichbare Interessenlagen bestünden. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass der MDK auch dann an einer abschließenden Prüfung gehindert ist, wenn ihm bei einer Vor-Ort-Prüfung nicht sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Der Unterschied liegt aber darin, dass der Vor-Ort-Prüfung keine Unterlagenanforderung vorausgeht, an die eine Präklusion regelmäßig anknüpft (zu den Anforderungen hieran BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R, amtl Rn 17 ff). Die Prüfung vor Ort steht in keinem Zusammenhang mit einer fristgerechten Vorlage von Unterlagen (vgl LSG NRW, aaO Rn 41). Ob es sinnvoll sein kann, auch für Fälle, in denen das Krankenhaus im Rahmen einer Vor-Ort-Prüfung dem MDK die benötigten Unterlagen nicht vollständig zur Verfügung stellt, eine Präklusion vorzusehen, steht nicht zur Beurteilung des Senats, sondern obliegt allein der Bewertung der Vertragsparteien nach § 17c Abs 2 KHG.

 

cc) Ob die Klägerin vorliegend erkennen musste, dass es auf die Vorlage der Behandlungsunterlagen ankam, aus denen sich der Kaliummangel ergab, ist ohne Belang. Zwar kann sich aus § 7 Abs 2 S 3 und 5 PrüfvV 2016 ggf eine Obliegenheit des Krankenhauses ergeben, zusätzlich zu den vom MDK (ihrer Art nach konkret bezeichnet) angeforderten Unterlagen weitere zu übersenden, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlich sind, und sich auch hierauf die Präklusionswirkung erstrecken (vgl BSG, Urteil vom 10.11.2021, aaO Rn 20 ff). Dies gilt jedoch nur in begrenzten Ausnahmefällen (BSG, aaO Rn 28 f). Ob ein solcher hier vorlag, kann offenbleiben. Denn jedenfalls betreffen auch § 7 Abs 2 S 3 und 5 PrüfvV 2016 allein das schriftliche Verfahren. Der Wortlaut des § 7 Abs 2 S. 3 PrüfvV 2016 knüpft ausdrücklich an § 7 Abs 2 S 2 PrüfvV 2016 an („Dabei“), der wiederum ausdrücklich das schriftliche Verfahren regelt. Auch § 7 Abs 2 S 5 PrüfvV 2016 stellt auf „[d]ie vom MDK angeforderten und ggf vom Krankenhaus ergänzten Unterlagen“ ab. § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 ist schon deshalb nicht einschlägig, weil dieser nicht die Unterlagen iSd § 7 Abs 2 PrüfvV 2016, sondern den Datensatz iSd § 301 SGB V betrifft.

 

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 15 Abs 1 S 4 des Vertrages nach § 112 Abs 2 Nr 1 – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – für Nordrhein-Westfalen. Danach kann das Krankenhaus bei Überschreitung des Zahlungsziels nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 BGB Verzugszinsen iHv 2 vH über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tage verlangen. Zwar hat die Klägerin vor dem SG die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen beantragt, während das SG ihr Zinsen lediglich ab 30.09.2020 – dem Datum, unter dem das vorliegende Verfahren nach Abtrennung von einem anderen (Trennungsbeschluss vom 24.09.2020 – S 46 KR 2747/019) unter einem eigenen Aktenzeichen erfasst wurde – zugesprochen hat. Hierdurch ist die Beklagte als alleinige Berufungsklägerin indes nicht beschwert.

 

4. Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung folgen aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bzw §§ 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 1, 47 Abs 1 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

 

5. Anlass, gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht. Insbesondere kommt der Sache die von der Beklagten behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Vielmehr ergibt sich die Antwort auf die von der Beklagten für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob die Präklusion nach § 7 Abs 2 PrüfvV 2016 auch im Begehungsverfahren greift, ohne weiteres aus den maßgeblichen Rechtsvorschriften sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 Abs 8a mwN).

 

Rechtskraft
Aus
Saved