L 6 AS 873/23 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 274/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 873/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.06.2023 geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zur Deckung des Regelbedarfs ab dem 21.02.2023 bis zum 31.03.2023 zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

 

 

Gründe:

 

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren.

 

Der 1989 geborene Antragsteller ist libyscher Staatsangehöriger und hielt sich bis zu seiner Einreise in das Bundesgebiet am 17.03.2022 als arbeitender Studierender in der Ukraine auf. Er verfügt über einen am 30.08.2021 ausgestellten ukrainischen Lichtbildausweis, der eine bis zum 31.03.2023 befristete Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers dokumentiert.

 

Mit Bescheid vom 23.03.2022 wies die Bezirksregierung Arnsberg den Antragsteller, der sich seit seiner Einreise in Q. aufhielt, der Beigeladenen zu und verpflichtete ihn, seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort zu nehmen. Seit dem 01.08.2022 bewohnt der Antragsteller die von der Beigeladenen zugewiesene Wohnung im Haus F.-straße 7 in S., für die eine monatliche Gesamtgebühr von 205,12 € zu zahlen ist. An dieser Adresse ist er auch gemeldet.

 

Unter dem 05.08.2022 erhielt der Antragsteller zunächst eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) gültig bis zum 04.11.2022 mit der Nebenbestimmung „Erwerbstätigkeit gestattet“.

 

Zum 01.09.2022 nahm er eine geringfügige Beschäftigung als Lagerarbeiter bei der Firma C. GmbH befristet bis zum 31.08.2023 auf.

 

Durch Bescheid vom 18.08.2022 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.09.2022 und 30.09.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2023 bis zum 28.02.2023.

 

Am 24.10.2022 sprach er bei der Beigeladenen persönlich vor. In der über die Vorsprache gefertigten und von dem Antragsteller, einem Dolmetscher und einem Mitarbeiter unterschriebenen Niederschrift heißt es:

 

„Mir wurde heute erläutert, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aufgrund meines nicht unbefristeten Aufenthaltstitels in der Ukraine ausgeschlossen ist. Ich möchte gerne in Deutschland weiterstudieren oder eine Ausbildung absolvieren und muss zuerst einen Sprachkurs belegen. Hierfür kann mir bei Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 16b AufenthG zum Zwecke des Studiums bzw. gem. § 16a AufenthG zum Zwecke der Ausbildung erteilt werden. Entsprechende Nachweise werden umgehend vorlegen.

 

Mir wurde heute ebenfalls erklärt, dass ich für 12 Monate eine Fiktionsbescheinigung erhalte, eine Verlängerung ist rechtlich ausgeschlossen. Ich soll die Geltungsdauer nutzen um die Voraussetzungen für die Sicherstellung meines Lebensunterhaltes zu erfüllen. Hierfür kann eine dritte Person eine Verpflichtungserklärung in einer deutschen Ausländerbehörde oder einer deutschen Auslandsvertretung für mich abgeben oder ich kann ein Sperrkonto errichten. Meine Fiktionsbescheinigung heute berechtigt mich aufgrund meiner studienvorbereitenden Maßnahmen im ersten Jahr meines Aufenthaltes nur zur Beschäftigung in den Ferien. Wenn ich eine Ausbildung beginne oder immatrikuliert bin so kann diese Auflage gem. § 16b Abs. 3 S. 1 AufenthG geändert werden.

 

Des Weiteren läuft mein Nationalpass am 04.04.2024 ab. Ich habe mich rechtzeitig um eine Verlängerung zu kümmern.

 

Sollte ich die genannten Voraussetzungen innerhalb eines Jahres ab Einreise nicht erfüllen so muss ich nach Libyen ausreisen.“

 

Unter dem 10.11.2022 stellte die Beigeladene eine neue Fiktionsbescheinigung mit einer Gültigkeit bis zum 04.08.2023 aus und versah diese nunmehr mit der Nebenbestimmung, dass der Antragsteller berechtigt zur Ausübung einer Beschäftigung sei, die 120 Tage oder 240 halbe Tage nicht überschreiten dürfe, sowie zur Ausübung studentischer Nebentätigkeiten. Dies gelte nicht während der studienvorbereitenden Maßnahmen im ersten Jahr, außer in der Ferienzeit. Zudem informiert die Fiktionsbescheinigung darüber, dass bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels der Aufenthalt als erlaubt gelte (Verweis auf § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

 

Zum 31.12.2022 kündigte die Arbeitgeberin gegenüber dem Antragsteller das Arbeitsverhältnis.

 

Durch Bescheid vom 21.12.2022 hob der Antragsgegner die Bewilligung ab dem 01.01.2023 gegenüber dem Antragsteller mit der Begründung auf, dass ihm durch die Ausländerbehörde eine neue Fiktionsbescheinigung ausgehändigt worden sei, die ihm keine reguläre Arbeitsaufnahme mehr gestatte. Die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II aus § 7 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 SGB II seien damit weggefallen und er sei nicht mehr leistungsberechtigt nach dem SGB II. Die erfolgte Bewilligung sei daher wegen geänderter Verhältnisse gem. § 48 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) aufzuheben.

 

Am 02.01.2023 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner, was dieser mit Bescheid vom 02.01.2023 und der Begründung ablehnte, dass dem Antragsteller aufgrund der neuen Fiktionsbescheinigung eine reguläre Arbeitsaufnahme nicht gestattet sei. Am 09.02.2023 beantragte der Antragsteller die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 02.01.2023, was der Antragsgegner durch Bescheid vom selben Tag ablehnte.

 

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 21.02.2023 wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 03.05.2023 zurück. Mangels Bleibeperspektive könne von keinem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ausgegangen werden. Die dagegen vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobene Klage wird dort unter dem Aktenzeichen S 33 AS 847/23 geführt.

 

Am 26.04.2023 beantragte der Antragsteller erneut die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bei dem Antragsgegner.

 

Bereits am 21.02.2023 hat der Antragsteller bei dem SG unter Berufung auf die Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels von anlässlich des Krieges in der Ukraine eingereisten Personen (Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung), des Informationsschreibens des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17.10.2022 sowie unter Vorlage einer Bescheinigung der Beigeladenen vom 13.02.2023 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sein Aufenthalt nach seiner Flucht aus der Ukraine und nach Beantragung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG sei rechtmäßig. Dies ergebe sich aus der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung. Auch mit der Erteilung der neuen Fiktionsbescheinigung habe sich nichts an der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes geändert. Ihm sei derzeit eine Ausübung einer Beschäftigung für die Dauer von 120 Tagen bzw. 240 halben Tagen im Jahr sowie die Ausübung studentischer Nebentätigkeiten gestattet. Damit erfülle er die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 SGB II, da er mit seiner Beschäftigung an halben Tagen dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 3 Stunden täglich zur Verfügung stehe. Zudem sei ihm eine Beschäftigung i. S. d. § 8 Abs. 2 SGB II erlaubt bzw. könne ihm erlaubt werden. Die Ausländerbehörde habe ihm in einer – ebenfalls vorgelegten – Bescheinigung mitgeteilt, dass im Falle eines Arbeitsvertrages die Fiktionsbescheinigung dahingehend umgeändert werden könne, dass ihm eine Erwerbstätigkeit gestattet sei. Ohnehin sei die zeitlich beschränkte Erlaubnis der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausreichend (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Sachsen, Beschluss vom 31.01.2015, L 3 AS 148/15 B ER und LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.02.2010, L 1 SO 84/09 B ER). Er sei mittellos und habe sich bei Bekannten und Freunden verschuldet. Ihm drohe eine weitere Verschuldung und Obdachlosigkeit. Zudem habe er keinen Krankenversicherungsschutz mehr, so dass er sich trotz Zahlungsunfähigkeit privat krankenversichern müsse.

 

Die vom Antragsteller dem SG vorgelegte Bescheinigung der Ausländerbehörde der Stadt S. informiert darüber, dass dem Antragsteller bis zum 04.08.2023 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Bei Vorlage eines Arbeitsvertrages könne die Auflage über die Ausübung einer Beschäftigung dahingehend geändert werden, dass eine Erwerbstätigkeit gestattet sei. Das Hauptziel des Sprachkurses mit anschließendem Studium/ anschließender Ausbildung dürfe nicht gefährdet werden.

 

Der Antragsteller hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

 

den Antragsgegner zu verpflichten, ihm rückwirkend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

 

Der Antragsgegner hat schriftsätzlich beantragt,

 

den Antrag abzulehnen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass der Antragsteller nicht leistungsberechtigt i. S. d. § 7 SGB II sei. Die nunmehr erteilte Fiktionsbescheinigung ermögliche keine reguläre Arbeitsaufnahme, weshalb die bisher ausgeübte geringfügige Beschäftigung gekündigt worden sei. Bezüglich der Unterkunftskosten sei kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden.

 

Auf Aufforderung des SG hat der Antragsteller Kontoauszüge zu seinem Girokonto bei der Sparkasse S., IBAN DE N01, für den Zeitraum 14.01.2023 bis 15.03.2023 übersandt.

 

Sodann hat das SG die Ausländerakte des Antragstellers von der Beigeladenen beigezogen und diese nach § 75 Abs. 2 2. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu dem Verfahren hinzugezogen (Beschluss vom 12.04.2023).

 

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Antragsteller nicht anspruchsberechtigt nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sei, da keine Bedrohung im Herkunftsland vorliege. Ebenfalls könne er keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) beantragen, da er erwerbsfähig sei und den notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten könne.

 

Mit Beschluss vom 02.06.2023 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit ab dem 21.02.2023 bis zum 04.08.2023, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs i. H. v. 502 € monatlich zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller habe für die Zeit ab der Antragstellung bei Gericht einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hinsichtlich des Regelbedarfs glaubhaft gemacht, jedoch nicht hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung sowie der Leistungsgewährung für die Vergangenheit. Er habe das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht und sei grundsätzlich erwerbsfähig. § 8 Abs. 2 SGB II bestimme, dass Ausländerinnen und Ausländer nur i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB II erwerbstätig sein könnten, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt sei oder erlaubt werden könnte. Der Antragsteller verfüge über eine Fiktionsbescheinigung vom 10.11.2022, nach deren Nebenbestimmung ihm die Ausübung einer Beschäftigung, die 120 Tage oder 240 halbe Tage nicht überschreite, sowie die Ausübung studentischer Nebentätigkeiten erlaubt sei. Der Umfang der für den Antragsteller zugelassenen Beschäftigung sei ausreichend, um in rechtlicher Hinsicht von seiner Erwerbsfähigkeit auszugehen. Unter dem Begriff der Beschäftigung i. S. d. § 8 Abs. 2 SGB II sei neben der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch die geringfügige Beschäftigung zu verstehen. Darüber hinaus habe der Antragsteller ein Schreiben der Ausländerbehörde vorgelegt, wonach die Auflage der beschränkten Arbeitserlaubnis geändert werden könne, sofern ein entsprechender Arbeitsvertrag vorgelegt werde, was bereits für sich genommen ausreichend sei, um die Erwerbsfähigkeit im rechtlichen Sinne zu begründen (Verweis auf BT-Drs. 15/1516, S. 52). Der Antragsteller habe auch seine Hilfebedürftigkeit gemäß §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 SGB II durch Vorlage von Kontoauszügen glaubhaft gemacht und zudem seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II auch in der Bundesrepublik Deutschland. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts sei in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen. Es laufe der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale i. S. von rechtliche Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt würden und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt werde. Vielmehr habe der Gesetzgeber mit § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Die Fiktionsbescheinigung gestatte dem Antragsteller den Aufenthalt bis zum 04.08.2023. Dieser Befristung lasse sich nicht der Wille entnehmen, sich nur vorübergehend und gerade nicht zukunftsoffen in der Bundesrepublik aufzuhalten. Der Antragsteller habe zudem einen Anordnungsgrund hinsichtlich des Regelbedarfs glaubhaft gemacht. Ihm sei ein Unterschreiten des sozio-kulturellen Existenzminimums für die Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht zuzumuten. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung habe er keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es fehle an einem nachvollziehbaren und substantiierten Vortrag betreffend die Gefährdung der konkreten Wohnung. Auch für die Zeit vor dem 21.02.2023 und damit für die Vergangenheit sei mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes der Antrag unbegründet.

 

Gegen den ihm am 05.06.2023 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 21.06.2023 unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens Beschwerde eingelegt. Ergänzend führt er aus, dass nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II für Ausländer mit einer sog. Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe, da mangels Bleibeperspektive von keinem gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ausgegangen werde könne. Das SG sei in seinem Beschluss nicht auf einen Leistungsanspruch nach § 7 SGB II unter dem Aspekt eines Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingegangen. Zudem ist der Antragsgegner der Auffassung, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufentG.

 

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.06.2023 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

 

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

 

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses, die er für zutreffend hält.

 

Der Antragsteller hat handschriftlich erstellte Bestätigungen des Zeugen X. Z. vom 29.05.2023, 14.07.2023 und 25.08.2023 übersandt, wonach dieser dem Antragsteller finanziell geholfen und Lebensmittel sowie eine Monatskarte für ihn gekauft habe. Auf Aufforderung der Berichterstatterin hat der Antragsteller auch Kontoauszüge zu seinem Girokonto für den Zeitraum 14.01.2023 bis 17.08.2023 übersandt. Diesen sind Bareinzahlungen vom 05.04.2023 von 100 €, vom 14.04.2023 von 155 €, vom 05.05.2023 von 100 €, 30.05.2023 von 60 €, vom 26.06.2023 von 100 € und 20 €, vom 03.07.2023 von 50 €, vom 24.07.2023 von 120 € und vom 31.07.2023 von 60 € zu entnehmen. Auf Nachfrage hat der Antragsteller ferner erklärt, den monatlichen Gebührenbetrag für die Unterkunft sowie seine monatlichen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung wegen Mittellosigkeit nicht bedient zu haben. Im Übrigen habe er die monatlichen Zuwendungen des Zeugen X. Z. auf sein Konto eingezahlt, um sein Deutschlandticket, seinen Mobilfunkvertrag und seine Mitgliedschaft im Fitnessstudio bezahlen zu können.

 

Die Beigeladene ist ohne einen Antrag zur Sache zu stellen weiterhin der Ansicht, dass der Antragsteller nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten des AsylbLG gehört.

 

Am 21.09.2023 hat die Berichterstatterin in einem Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes den Antragsteller gehört und Herrn X. Z. als Zeugen vernommen. Der Antragsteller hat angegeben, von dem Zeugen Z. kein Bargeld erhalten zu haben. Vielmehr habe ihm der Zeuge Lebensmittel und ein Monatsticket besorgt und übergeben. Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 21.09.2023 (Blatt 292 f. der Prozessakte) Bezug genommen.

 

Zudem wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen elektronischen Verwaltungsakte des Antragsgegners und der elektronischen Ausländerakte der Beigeladenen verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

 

II.

 

1. Die nach den §§ 172, 173 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

 

a) Mangels Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens allein die Frage, ob das SG den Antragsgegner zu Recht vorläufig verpflichtet hat, dem Antragsteller für die Zeit vom 21.02. bis zum 04.08.2023 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfs zu gewähren.

 

Aufgrund der inhaltlichen und zeitlichen Beschränkung der Verpflichtung des Antragsgegners kann im Beschwerdeverfahren damit offenbleiben, ob der Antragsteller einen Anspruch auf vorläufige Leistungen vor Stellung des Eilantrages (am 21.02.2023) sowie auf vorläufige Leistungen zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung hat.

 

b) Der Beurteilung des Senats unterliegt hier ferner lediglich der Zeitraum bis einschließlich März 2023, der von dem Überprüfungsbescheid vom 09.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2023 i. V. m. dem Ablehnungsbescheid vom 02.01.2023 abgedeckt ist und der das hier streitige Rechtsverhältnis darstellt. Der Antragsteller kann in dem vorliegenden Eilverfahren nicht mehr erstreiten, als ihm in der Hauptsache zugesprochen werden könnte (vgl. dazu etwa Beschlüsse des erkennenden Senats vom 06.09.2022, L 6 AS 1026/22 B ER und 23.12.2021, L 6 AS 1240/21 B ER). Sofern der Antragsteller in der Sache auch vorläufige Leistungen für die Zeit ab April 2023 begehrt und zugesprochen erhalten hat, sind diese Gegenstand der von dem Antragsgegner noch zu treffenden Entscheidung hinsichtlich seines am 26.04.2023 gestellten Antrags, der aufgrund der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf den Ersten des Monats zurückwirkt. Die seitens des Antragsgegners zu treffende Entscheidung betrifft einen neuen Bewilligungszeitraum und damit ein anderes Rechtsverhältnis als das hier streitbefangene (vgl. zur Maßgeblichkeit des entsprechenden Hauptsacheverfahrens für den Streitgegenstand im Eilverfahren LSG Bayern, Beschluss vom 19.07.2018, L 11 AS 329/18 B ER, juris Rn. 9). Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass ein neuer Leistungsantrag zur Zäsur des streitbefangenen Zeitraums führt (BSG, Beschluss vom 05.07.2023, B 4 AS 36/23 B mit Verweis auf BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 99/11 R, juris Rn. 11; vom 26.11.2020, B 14 AS 13/19 R, juris Rn. 9 und BSG vom 06.06.2023, B 4 AS 4/22 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) und Bescheide für Folgezeiträume nicht nach § 86 SGG bzw. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Vor- und des Klageverfahrens werden (BSG, Beschluss vom 05.07.2023, B 4 AS 36/23 B m. w. N.). Soweit der Antragsgegner im Tenor des Beschlusses des SG vom 02.06.2023 über den 31.03.2023 hinaus im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zur Deckung des Regelbedarfs zu erbringen, war dieser daher entsprechend abzuändern.

 

c) Von den unter II.1.a) und II.1.b) dargelegten Beschränkungen ausgehend ist der Prüfung des geltend gemachten Anspruchs des Antragstellers – wie schon das SG zu Recht ausgeführt hat – der Maßstab des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu Grunde zu legen. Danach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher, nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, also des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 202 SGG i. V. m. § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).

 

aa) Nach diesen Maßgaben spricht einiges dafür, dass ein Anordnungsanspruch als glaubhaft gemacht angesehen werden kann.

 

(1) Im Ausgangspunkt steht einem solchen Anspruch nicht bereits die Bestandkraft des Ablehnungsbescheides vom 02.01.2023 entgegen. Denn der Antragsteller hat mit Schreiben vom 09.02.2023 die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 02.01.2023 nach § 44 SGB X beantragt. In dieser Konstellation ist eine einstweilige Anordnung jedenfalls nicht generell ausgeschlossen, wenn auch besondere Anforderungen an den Anordnungsanspruch zu stellen sein mögen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 26d, 29c).

 

(2) Die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs.1 Satz 1 SGB II dürften als erfüllt anzusehen sein.

 

Der Antragsteller befindet sich in der Altersspanne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und er ist erwerbsfähig i. S. d § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, da ihm –wenn auch zeitlich beschränkt – eine Erwerbstätigkeit i. S. d. § 8 Abs. 2 SGB II gestattet ist. Die Hilfebedürftigkeit i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II ist ebenso anzunehmen. Der Antragsteller hat schließlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Zur Begründung dieser Merkmale im Einzelnen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG, macht sich diese zu Eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

 

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ausweislich des Informationsschreibens des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17.10.2022 die Ausländerbehörden im Falle der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung im Rahmen von § 16a AufenthG bzw. § 16b AufenthG darauf hinweisen sollen, dass die Betroffenen die Geltungsdauer der Fiktionsbescheinigung nutzen sollen, um die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16a bzw. § 16b AufenthG und insbesondere das Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund geht der Senat von einem zumindest noch zukunftsoffenen Aufenthalt des Antragstellers und nicht – wie von dem Antragsgegner angenommen – von einer mangelnden Bleibeperspektive aus.

 

(3) Ob der Antragsteller einem Leistungsausschluss (nach § 7 Abs. 1 SGB II) unterliegt, vermag der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu beurteilen. Es sprechen aber sehr gute Gründe dagegen.

 

(a) Von Leistungen nach dem SGB II sind u. a. ausgenommen, Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a SGB II in der seit dem 29.12.2016 geltenden Fassung).

 

Es spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff des Aufenthaltsrechts nicht an das AufenthG anknüpfen wollte, sondern vielmehr (nur) an das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU). Denn § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der bis zu dem 29.12.2016 geltenden Fassung sah lediglich den Leistungsausschluss für Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab, und ihre Familienangehörigen, vor. Damit knüpfte die Vorschrift ausschließlich an § 2 Abs. 2 FreizügG/EU an. Lediglich aufgrund der Entscheidungen des BSG vom 03.12.2015 zu diesem konkreten Leistungsausschluss sah sich der Gesetzgeber veranlasst, die Leistungsausschlüsse zu ergänzen bzw. klarzustellen, dass „Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht aus dem Freizügigkeitsgesetz/EU ebenso wie Personen, die sich mit einem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, sowie Personen, die ihr Aufenthaltsrecht nur aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ableiten, von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind“ (vgl. BT-Drs. 18/10211, S. 2). Die weitere Ausführung in der Gesetzesbegründung, dass mit den Leistungsausschlüssen klargestellt werde, „dass nicht erwerbstätige Personen ohne materielles Freizügigkeits- oder Aufenthaltsrecht“ erst recht von den Leistungen ausgeschlossen seien (vgl. BT-Drs. 18/10211, S. 13), steht dem unter Berücksichtigung der zuvor wiedergegebenen Regelungsabsicht des Gesetzgebers nicht entgegen.

 

Selbst wenn der Begriff des Aufenthaltsrechts i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a SGB II aber als solcher i. S. d. AufenhaltG zu verstehen sein sollte, dürfte der Kläger von dem Leistungsausschluss nicht erfasst sein.

 

Er konnte sich im streitigen Zeitraum auf einen „erlaubten Aufenthalt“ berufen, was durch die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 AufenthG bestätigt wird. Denn er war aufgrund von § 2 Abs. 1 Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung für 90 Tage ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Daher hielt er sich bei Beantragung eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet auf, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen. Sein Aufenthalt galt daher im streitigen Zeitraum als erlaubt (§ 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Die Fiktionsbescheinigung hat eine rein deklaratorische Wirkung (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 81 Rn. 47).

 

Dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a SGB II lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass die Ausschlussregelung auch Ausländer erfasst, deren Aufenthalt als erlaubt gilt und die deswegen über eine Fiktionsbescheinigung i. S. d. § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verfügen. Der Begriff des Aufenthaltsrechts ist aus Sicht des Senats nicht zwangsläufig mit dem des Aufenthaltstitels gleichzusetzen. So wird abweichend von der Ausschlussregelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a SGB II in § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich der Begriff des Aufenthaltstitels verwendet, was sogar eher dafür spricht, dass der Gesetzgeber dem Begriff „Aufenthaltsrecht“ eine andere Bedeutung beimisst.

 

Daher dürfte der rechtmäßige Aufenthalt nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als Aufenthaltsrecht i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a SGB II zu qualifizieren sein (ähnlich LSG NRW, Urteil vom 06.04.2022, L 12 AS 1323/19, juris Rn. 57; a. A. LSG NRW, Beschluss vom 29.09.2023, L 2 AS 897/23 B ER).

 

(b) Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers ergibt sich auch nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b SGB II und der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II greift ebenfalls nicht ein. Denn der Antragsteller ist nicht Leistungsberechtigter nach § 1 AsylbLG. Er verfügt weder über eine Aufenthaltserlaubnis i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG (nach § 23 Abs. 1 AufenthG oder § 25 Abs. 4 Satz 1 oder Abs. 5 AufenthG) noch über eine Aufenthaltserlaubnis i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 8 lit. a AsylbLG (nach § 24 Abs. 1 AufenthG). Die ihm im maßgeblichen Zeitraum erteilte Fiktionsbescheinigung ist auch nicht nach dem 24.02.2022 und dem vor dem 01.06.2022 ausgestellt worden (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 lit. b AsylbLG).

 

bb) Ein Anordnungsgrund besteht. Der Antragsteller hat hinreichend glaubhaft gemacht, mit Ausnahme der Zuwendungen des Zeugen Z. mittellos zu sein. Dies geht auch aus den vorgelegten Kontoauszügen zweifelsfrei hervor. Der zusätzlichen leistungsmindernden Berücksichtigung etwaigen Einkommens aufgrund der finanziellen Zuwendungen des Zeugen Z. bedurfte es vorliegend nicht. Zwar hat der Zeuge Z. im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes und zur Beweisaufnahme vom 21.09.2023 erklärt, den Antragsteller auch mit Bargeld unterstützt zu haben. Er hat ferner angegeben, ihm nach seiner Einschätzung bisher insgesamt mit 650 € Bargeld ausgehändigt zu haben. Da der Antragsteller ausweislich seiner Kontoauszüge erst im April 2023 begonnen hat, Bargeldeinzahlungen auf sein Konto vorzunehmen, und sich der Gesamtbetrag der bis Mitte August auf sein Konto eingezahlten Barbeträge auf 765 € beläuft, liegen aus Sicht des Senats keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller auch in der Zeit vom 21.02.2023 bis zum 31.03.2023 Bargeld von dem Zeugen Z. erhalten hat. Dies korrespondiert im Übrigen mit der schriftlichen Erklärung des Antragstellers vom 25.08.2023, die von dem Zeugen Z. erhaltenen Beträge „im Anschluss“ auf sein Konto einzuzahlen.

 

cc) Davon ausgehend sind dem Antragsteller vorläufige Leistungen in dem tenorierten Umfang jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung zuzusprechen. Hierbei überwiegen die Interessen des Antragstellers am Erhalt existenzieller Leistungen gegenüber dem Interesse des Antragsgegners zu vermeiden, dass er eventuell Leistungen vorläufig zu erbringen hat, die er bei abweichender Hauptsacheentscheidung nicht mit Erfolg zurückfordern kann.

 

2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

3. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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