S 11 AL 150/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 150/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 70/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


Die Klage wird abgewiesen. 

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 


Tatbestand

Streitig ist das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers im Zeitraum vom 1.09.2018 bis 31.10.2018 wegen Eintritts einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.

Der 1980 geborene Kläger meldete sich am 30.5.2018 mit Wirkung zum 1.9.2018 bei der Agentur für Arbeit München arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zuvor stand er als angestellter Rechtsanwalt zunächst bei der Kanzlei B. und Partner vom 15.2.2017 bis 31.3.2018 und anschließend bei der Kanzlei E. und Partner vom 1.4.2018 bis 31.8.2018 jeweils in B-Stadt in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Dazu gab der Kläger an, das letzte Arbeitsverhältnis bereits am 29. 5. 2018 zum 31.8.2018 gekündigt zu haben, da er seit Anfang Mai die ernsthafte Aussicht auf Einstellung als Richter beim Hessischen Finanzgericht in Kassel gehabt und mit einer Einstellung zum 1.11.2018 gerechnet habe. Die Einstellung des Klägers als Richter beim Hessischen Finanzgericht erfolgte tatsächlich zum 1.11.2018.

Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 3.9.2018 teilte die Beklagte dem Kläger den Eintritt einer Sperrzeit vom 1.9.2018 bis 23.11.2018 mit. Dazu führte sie aus, während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma E., C., G. und Partner durch eigene Kündigung selbst gelöst. Er habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Der Kläger habe keinen wichtigen Grund für sein Verhalten mitgeteilt. Die Sperrzeit dauere 12 Wochen. Sie mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage – ein Viertel der Anspruchsdauer. Die Entscheidung beruhe auf §§ 159, 148 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Auch nach Ablauf der Sperrzeit würden dem Kläger keine Leistungen gezahlt, weil er am 1.11.2018 eine Arbeit aufnehmen werde und somit nicht arbeitslos sei.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10.9.2018 Widerspruch ein und machte geltend, schon vor der Kündigung bei E. die konkrete Aussicht auf Einstellung als Richter beim Hessischen Finanzgericht gehabt zu haben. Bei seiner Vorstellung dort Anfang Mai habe man ihm mitgeteilt, dass man seine Einstellung empfehlen werde. Er habe also einen Anschlussarbeitsplatz und damit einen wichtigen Grund für seine Kündigung gehabt. Er sei von einer Einstellung zum 1.11.2018 ausgegangen. Angesichts erforderlicher Wohnungssuche und Umzug nach A-Stadt sei der Zeitraum von 2 Monaten zwischen Ende der bisherigen und Beginn der neuen Beschäftigung so bemessen, dass von einem Anschlussarbeitsplatz auszugehen sei. Jedenfalls habe er sich nicht im Sinne der Sperrzeitbestimmung versicherungswidrig verhalten. Die Voraussetzungen für den Sperrzeiteintritt würden nicht vorliegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dazu führte sie aus, § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III bestimme, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit ruhe, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten habe, habe die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen würden (§ 159 Abs. 1 S. 3 SGB III). Versicherungswidriges Verhalten liege vor, wenn die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III). Die Sperrzeit beginne gemäß § 159 Abs. 2 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe betrage 12 Wochen. Sie verkürze sich auf 3 Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 6 Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, ohne eine Sperrzeit geendet hätte, auf 6 Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 12 Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 159 Abs. 3 SGB III). Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis bei E., C., G. und Partner zum 31.8.2018 durch seine Kündigung vom 30.5.2018 gelöst. Er habe keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt, da ihm zum Kündigungszeitpunkt bekannt gewesen sei, dass eine Einstellung beim Hessischen Finanzgericht nicht vor dem 1.10.2018 erfolgen würde. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Dieser sei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen und müsse auch bereits im Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe vorgelegen haben. Grundsätzlich könne die Aufnahme einer neuen Tätigkeit einen wichtigen Grund darstellen. Jedoch gelte dies laut Urteil des LSG Berlin-Brandenburg (vom 6.9.2011, L 18 AL 245/11 B) nur dann, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem wichtigen Grund und der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bestehe und dabei keine vermeidbare Zeit der Arbeitslosigkeit eintrete. Vorliegend sei dem Kläger zum Zeitpunkt seiner Kündigung zum 31.8.2018 bereits bekannt gewesen, dass die Einstellung beim Hessischen Finanzgericht nicht vor dem 1.10.2018 erfolgen würde. Es sei nach Abwägung der Interessen des Klägers mit den Interessen der Beitragszahler zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis zumindest bis zum Beginn einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber fortzusetzen. Schon nach den in § 2 Abs. 5 SGB III vom Gesetzgeber festgelegten Grundsätzen hätten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Die Dauer der Sperrzeit betrage 12 Wochen nach § 159 Abs. 3 S. 1 SGB III. Ein Sachverhalt, der eine Verkürzung der Sperrzeit zulasse, liege nicht vor. Insbesondere bedeute die 12-wöchige Sperrzeit nach den für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen keine besondere Härte. Dabei dürften persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse nicht berücksichtigt werden. Beginn und Ende der Sperrzeit seien zutreffend festgesetzt worden. Während dieser Zeit ruhe ein Leistungsanspruch (§ 159 Abs. 1 S. 1 SGB III). Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mindere sich um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen, mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die der oder dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet habe, zustehe (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Es verbleibe bei der im Sperrzeitbescheid mitgeteilten Minderung der Anspruchsdauer.

Hiergegen richtet sich die am 4.12.2018 beim Sozialgericht Kassel eingegangene Klage. Dazu macht der Kläger geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten habe er seine Arbeitslosigkeit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 1. Alt. SGB III herbeigeführt, da er zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 29.5.2018 ernstzunehmende Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz und die Ernennung zum Richter auf Probe beim Hessischen Finanzgericht gehabt habe. Er habe damit eine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz gehabt. Der Begriff des Anschlussarbeitsplatzes setze nach zutreffendem Verständnis gerade nicht zwingend voraus, dass sich der neue Arbeitsplatz unmittelbar an den Austritt aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis anschließen müsse. Es finde sich auch in der BSG-Rechtsprechung keine Einschränkung dahingehend, dass ein Anschlussarbeitsplatz den nahtlosen Übergang von gekündigter zu neuer Tätigkeit bedingen müsse. Hier sei auch eine wertende Betrachtung vorzunehmen statt einer rein zeitlichen. Bei einem mit einem Arbeitsplatzwechsel einhergehenden Wohnortwechsel, in Abhängigkeit von der Entfernung beider Orte liege es auf der Hand, vor allem dann, wenn dem Arbeitnehmer nicht mehr in ganz erheblichem Ausmaß ein (Rest-)Urlaubsanspruch zustehe, dass der Arbeitnehmer aus rein organisatorischen Gründen nicht bis zum letzten Arbeitstag eines Monats beim alten Arbeitgeber arbeiten und gleichzeitig ab dem 1. Arbeitstag des folgenden Monats beim neuen Arbeitgeber zu arbeiten anfangen könne. Bei der zunächst avisierten Einstellung in den Hessischen Landesdienst ab dem 1.10.2018 handele es sich aus seiner Sicht um eine konkrete Aussicht auf einen zeitnahen Anschlussarbeitsplatz. Erst zeitlich nach seiner Kündigung habe man ihm mitgeteilt, dass eine Einstellung erst ab dem 1.11.2018 möglich sei. Er habe also die Arbeitslosigkeit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt und es fehle auch an dem gemäß § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III zwingend vorausgesetzten versicherungswidrigen Verhalten. Nach seiner Auffassung habe er für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit E., entgegen der Auffassung der Beklagten, jedenfalls einen wichtigen Grund gehabt. Richtig sei, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der wichtige Grund zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorliegen müsse, d.h. der Arbeitnehmer müsse einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das Arbeitsverhältnis gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt auflöse. Bei seiner am 29. 5. 2018 zugegangenen Kündigung mit Wirkung zum Ablauf des 31.8.2018 liege nach seiner Meinung ein wichtiger Grund vor. Dies müsse auch im Lichte der in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgten Berufsfreiheit betrachtet werden. Auch die Beklagte räume ein, dass die Aufnahme einer neuen Tätigkeit grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellen könne. Ihm sei es im Hinblick auf die von ihm angestrebte Tätigkeit als Richter auf Probe beim Hessischen Finanzgericht in Kassel nicht zumutbar gewesen, sich anders zu verhalten, als das Arbeitsverhältnis mit E. in B-Stadt am 29.5.2018 gerade mit Wirkung zum Ablauf des 31.8.2018 zu kündigen. Er habe seit etlichen Jahren seinen alleinigen Lebensmittelpunkt in B-Stadt gehabt und eine über 70 m² große und vollständig eingerichtete Wohnung bewohnt. Aufgrund der ausgesprochen zeitintensiven und belastenden Tätigkeit als Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei sowie angesichts des bedingt durch seinen Einstieg bei E. zum 1.4.2018 nur geringen anteiligen (Rest-) Urlaubsanspruchs habe er realistischerweise nicht vor seinem Ausstieg bei E. mit der Wohnungssuche im nur wenig unter 500 km entfernten A-Stadt beginnen können. Die Umzugskosten seien immens gewesen und aufgrund bestehender gesetzlicher Bestimmungen habe sich die Bundesagentur für Arbeit nicht daran beteiligt. Er habe sämtliche Umzugskartons selbst packen müssen, was bei der vollständig eingerichteten Wohnung mit einem sehr großen Bücherbestand zeitlich auch erst nach dem Ausstieg bei E. zu bewerkstelligen gewesen sei. Schon rein tatsächlich sei es wegen des Umzugs von B-Stadt nach A-Stadt nicht möglich gewesen, das Arbeitsverhältnis bei E. bis zum Beginn der neuen Beschäftigung in A-Stadt fortzusetzen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 3.9.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.11.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1.9.2018 bis 31.10.2018 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, soweit deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht Kassel erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die streitige Festsetzung der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe im Bescheid vom 3.9.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für einen Sperrzeiteintritt bei Arbeitsaufgabe nach den Bestimmungen im Rahmen des § 159 SGB III liegen in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten im Falle des Klägers vor. Im Zeitraum vom 1.9.2018 bis 31.10.2018 ruht daher der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nach Maßgabe von § 159 SGB III.

Gemäß § 159 Abs. 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt gemäß § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).

Obwohl der Kläger, aufgrund des von ihm geschilderten Bewerbungsverfahrens um Einstellung in den richterlichen Dienst beim Land Hessen, sich im Mai 2018 berechtigte Hoffnung auf Einstellung beim Hessischen Finanzgericht machen konnte, stand ein Einstellungstermin keineswegs fest. Auch für den Kläger war daher eindeutig erkennbar, dass mit seiner Kündigung des Arbeitsverhältnisses in der Kanzlei E. zum 31.8.2018 ab 1.9.2018 Arbeitslosigkeit eintritt. Jedenfalls ab 1.9.2018 hatte der Kläger die dann bestehende Arbeitslosigkeit durch seine Kündigung bei E. bewusst herbeigeführt. Ein wichtiger Grund für die Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses in B-Stadt, zum Zeitpunkt der Kündigung Ende Mai 2018, kann im Hinblick für die von ihm angenommene Arbeitslosigkeit für einen Monat und im Hinblick auf die tatsächliche Arbeitslosigkeit von 2 Monaten entgegen der Auffassung des Klägers durch das Gericht nicht festgestellt werden. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes kommt nur dann infrage, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft bzw. der Allgemeinheit ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (ständige BSG-Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil vom 17.10.2007- B 11 AL 51/06 R, zitiert nach juris, Rn. 35). Bei Sperrzeiten nach § 159 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III ist ein wichtiger Grund nur dann gegeben, wenn Umstände vorliegen, die nach verständigem Ermessen dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, weil sonst sein Interesse in unbilliger Weise geschädigt würde (Kaminski, in Brand, SGB III, 7. Aufl., § 159, Rn. 125 m. w. N.). Dabei muss der wichtige Grund jedoch den Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses decken, d.h. der Arbeitnehmer muss einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das Beschäftigungsverhältnis zu dem bestimmten, von ihm gewählten Zeitpunkt auflöst (vgl. BSG bereits im Urteil vom 12. November 1981, 7 RA 21/81, juris). Trotz tatsächlicher Aufnahme seiner richterlichen Tätigkeit beim Hessischen Finanzgericht ab 1.11.2018 kann für die vom Kläger bewusst zum 31.8.2018 herbeigeführte Beendigung seiner Anwaltstätigkeit in B-Stadt im Sinne der Sperrzeitbestimmungen kein wichtiger Grund anerkannt werden.

Dies gilt auch unter Abwägung des Interesses des Klägers an beruflicher Veränderung mit dem Interesse der Solidargemeinschaft, den Nachranggrundsatz der Leistungen des SGB III zu wahren. Der auch für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbare Beweggrund für das Handeln des Klägers, das grundsätzlich auch durch die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt ist, führt aber gerade wegen des zweimonatigen Abstands zwischen Beendigung der Tätigkeit in B-Stadt und Aufnahme der richterlichen Tätigkeit in A-Stadt zur Anwendung der Sperrzeitbestimmung des § 159 SGB III für den Fall des Klägers. Zwar ist bei der Vielfalt von Lebens- und Arbeitsbedingungen der „wichtige Grund“ eine gesetzlich verankerte Möglichkeit, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, um den Veränderungen in den gesellschaftlichen Lebensverhältnissen Rechnung tragen zu können. Bei einem bewussten Herbeiführen einer Arbeitslosigkeit über einen Zeitraum von zwei Monaten ist es unter Berücksichtigung des Zwecks der Sperrzeitbestimmungen nicht zu billigen, wenn ein Arbeitnehmer vor allem seine eigenen Wünsche und Pläne im Hinblick auf Wohnungssuche am neuen Arbeitsort, Gestaltung des Umzugs, Auflösung der Wohnung am bisherigen Wohn- und Arbeitsort im Blick hat und mit einem zeitlichen Vorlauf von acht Wochen bis zur Aufnahme der neuen Beschäftigung das bisherige Beschäftigungsverhältnis auflöst, den Anspruch auf eigenes Erwerbseinkommen aufgibt und für die Sicherung des Lebensunterhaltes Leistungen der Versichertengemeinschaft einfordert (vgl.. LSG Schleswig, Urteil vom 15.2.2019, L 3 AL 5/17, zitiert nach juris). Die Realisierung organisatorisch vorteilhafter Gestaltungslösungen kann aus Sicht des Gerichts grundsätzlich kein wichtiger Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III sein. Vorrangig muss hier der Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer Auslösung des Versichertenrisikos der Arbeitslosigkeit durch einen Arbeitnehmer in Fallgestaltungen wie der vorliegenden sein (siehe hierzu auch LSG Schleswig, Urteil vom 15.2.2019, a. a. O.; Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25 2. 2015, L 9 AL 301/14 B, zitiert nach juris, Rn. 6; Sächsisches LSG, Urteil vom 8.2.2018, L 3 AL 204/16, zitiert nach juris, Rn. 55). Die Kündigung durch den Kläger bereits zum 31.8.2018 und der Einbau eines zeitlichen Puffers für Wohnungssuche und Umzug in und nach A-Stadt bis zur Aufnahme der Tätigkeit am 1.11.2018 entspricht zwar den auch vom Gericht nachvollziehbaren subjektiven Wünschen des Klägers, kann aber objektiv im Interesse der Beitragszahler nicht zur Risikoverlagerung durch Arbeitslosengeldzahlung auf die Arbeitsagentur führen. Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass das Interesse des Klägers, sich nach der Kündigung des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses zum 31.8.2018 auf die neue berufliche Tätigkeit in A-Stadt vorzubereiten, nicht höher wiegt als das Interesse der Solidargemeinschaft, zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit dem Arbeitnehmer abzuverlangen, sein (zumutbares) Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Auf einen die Sperrzeit ausschließenden wichtigen Grund kann sich der Kläger daher nicht berufen.

Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt grundsätzlich 12 Wochen. Sie verkürzt sich nach § 159 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Buchst. b SGB III nur dann auf 6 Wochen, wenn eine Sperrzeit nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Zur Beurteilung der Frage, ob der Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit nach den für ihren Eintritt maßgeblichen Tatsachen für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeutet, sind die Gesamtumstände des Einzelfalles zu bewerten. Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach den Gesamtumständen der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer (12 Wochen) im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (vgl. statt vieler BSG-Urteil bereits vom 4.9.2001, B 7 AL 4/01 R, in SozRecht 3-4100, § 119 Nr. 22). Derartige Umstände sind für das Gericht nicht ersichtlich.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). 
 

Rechtskraft
Aus
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