L 12 AS 747/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 494/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 747/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 74/23 C
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 20.04.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen des Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2018.

 

Der am 00.00.1966 geborene Kläger ist alleinstehend und bezieht mit kleineren Unterbrechungen seit Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten.

 

Der Kläger ist als Energieberater selbständig tätig und erhält für durchgeführte Energieberatungen Zuschüsse des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Er verfügte im streitigen Zeitraum nicht über seinen Vermögensfreibetrag übersteigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II.

 

Er lebt gemeinsam mit seinen Eltern T. und C. D. in deren Eigenheim. Die Eltern sind am Grundstück, auf dem sich das Haus befindet, erbbauberechtigt.

 

Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem SGB II – insbesondere die Höhe der diesem zustehenden Kosten für Unterkunft und Heizung - war und ist Gegenstand einer Vielzahl von Antrags-, Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahren.

 

Im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Landessozialgericht Nordrhein - Westfalen (LSG NRW) zu den Beschwerdeverfahren L 7 AS 2304/14 B ER und L 7 AS 502/15 B ER am 30.04.2015 gab der Kläger zu Protokoll, etwa 1/3 der anfallenden Hausnebenkosten seien von ihm zu tragen. Einen schriftlichen Mietvertrag habe er mit seinen Eltern nicht geschlossen. Die tatsächliche Höhe der von den Eltern des Klägers im streitigen Zeitraum zu tragenden Hausnebenkosten bzw. Heizkosten ist nicht bekannt.

 

Am 07.12.2017 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab dem 01.01.2018. Hierbei machte er monatliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 100 € geltend bestehend aus 60 € für die Nebenkosten und 40 € für die Heizkosten geltend.

 

Er legte eine Bestätigung seiner Eltern vom 06.12.2017 vor, wonach diese mit dem Kläger vereinbart hätten, dass er sich mit 1/3 an den Neben- und Heizkosten beteilige. Die Zahlungen seien seit dem 01.01.2017 gestundet, nachdem die Beklagte mit dem Bescheid vom 30.12.2016 keine Unterkunftskosten für das Jahr 2017 gewährt habe. Eine „Rentabilitätsberechnung“ hätten sie bereits am 31.08.2011 vorgelegt und mit einem Bescheid vom 25.04.2012 seien Kosten der Unterkunft i.H.v. monatlich 135,12 € von der Beklagten anerkannt worden. Der Beklagten lägen somit sämtliche Informationen vor.

 

Mit Schreiben vom 14.12.2017 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf §§ 60, 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) auf, bis zum 28.12.2017 Nachweise und Belege über die entstehenden Neben- und Heizkosten vorzulegen. Die Eltern des Klägers hätten erklärt, dass dieser sich zu 1/3 an den entstehenden Kosten beteiligen müsse. Es sei daher die dem Schreiben beigefügte Rentabilitätsberechnung von den Eltern ausgefüllt und unterschrieben nebst entsprechender Nachweise vorzulegen. Bei Wassergeld und Heizkosten genüge ein Nachweis der Abschlagszahlung. Sofern die Eltern des Klägers nicht bereit seien, eine entsprechende Erklärung abzugeben, könne die Beklagte die Unterlagen direkt dort anfordern. Sofern die Unterlagen nicht vorgelegt würden, müsste nach Lage der Akten entschieden und die Leistungen insoweit versagt werden.

 

Unter dem 20.12.2017 erklärte der Kläger, die angeforderten Belege „könnten aus bekannter Problematik … nicht eingereicht werden“. Mit Bescheid vom 25.04.2012 seien bereits Kosten für Unterkunft und Heizung von monatlich 135,12 € anerkannt worden. Die geltend gemachte Pauschale von 100 € liege darunter, so dass eine Bewilligung ohne weiteres möglich sei. Die Situation des Klägers sei der Beklagten seit dem Jahr 2005 bekannt. Die Abschlagszahlungen könnten aufgrund der Vielzahl anhängiger Parallelverfahren für andere Leistungszeiträume nicht eingereicht werden, da die streitigen Rechtsfragen sonst dort nicht mehr klärungsbedürftig seien.

 

Mit Bescheid vom 29.12.2017 gewährte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für das Jahr 2018 in Höhe des Regelbedarfs im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB II. Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II versagte sie unter Berufung auf §§ 60, 66 SGB I. Den dagegen mit Schreiben vom 17.01.2018 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2018 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 23.02.2018 erfolglos Klage vor dem Sozialgericht Münster (SG; Urteil vom 15.11.2018, S 11 AS 142/18). Im sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem LSG NRW (L 21 AS 2150/18) hob die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 16.04.2021 im Hinblick auf einen gerichtlichen Hinweis aus formalen Gründen den Bescheid vom 29.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 auf.

 

Mit Schreiben vom 17.06.2021 forderte die Beklagte den Kläger daraufhin (erneut) unter Hinweis auf die §§ 60,66 SGB I auf, folgende Unterlagen und Erklärungen bis zum 15.07.2021 einzureichen:

 

  • Aktuellen Abschlagsplan des Energieversorgers (für Strom, Gas, Wasser) und die letzte Jahresabrechnung
  • Darlehnsverträge einschließlich der letzten Jahreskontoauszüge (Zins- und Tilgungsleistung)
  • Nachweis über Grundbesitzabgaben (Grundsteuer, Müllabfuhr, Schornsteinfeger, Kanalanschluss)
  • Schornsteinfegerrechnung
  • Nachweise über die Kosten der Gebäudeversicherung
  • Nachweise zu sonstigen Nebenkosten des Hauses
  • Erklärung der Eltern bezüglich der früheren Zahlung bzw. Stundung der Unterkunftskosten

 

Da seitens des Klägers keine Reaktion erfolgte, wies die Beklagte diesen mit Schreiben vom 02.08.2021 darauf hin, dass sie wegen der fehlenden Nachweise keine Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II gewähren könne.

 

Mit Bescheid vom 08.09.2021 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 ab.

 

Den dagegen mit Schreiben vom 15.09.2021 erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem dieser seine bisherigen Ausführungen wiederholte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2021 zurück. Gemäß § 22 Abs.1 SGB II seien die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Einen Mietvertrag habe der Kläger nicht vorgelegt. Nach den Angaben der Eltern habe sich der Kläger nur an den Neben- und Heizkosten zu beteiligen. Eine pauschale Gewährung von Unterkunftskosten komme nicht in Betracht. Grundsätzlich seien die tatsächlichen Kosten kopfanteilig zu übernehmen. Voraussetzung sei jedoch, dass die tatsächlichen Kosten nachgewiesen würden. Die Beweislast liege beim Kläger. Im Übrigen sei aber auch eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung gegenüber den Eltern fraglich.

 

Der Kläger hat am 25.11.2021 Klage vor dem SG erhoben. Er ist der Auffassung, sein Leistungsbezug sei „hinreichend sicher“. Die begehrte Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung von 100,00 Euro sei nachvollziehbar.

 

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

 

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2021 zu verurteilen, ihm Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II für das Jahr 2018 in Höhe von monatlich 100,00 Euro zu gewähren.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Bescheid vom 08.09.2021 für rechtmäßig. Hinsichtlich ihrer Rechtsauffassung verweist sie im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 11.11.2021.

 

Nach Anhörung der Beteiligten mit Verfügung vom 22.02.2022, dem Kläger zugestellt am 05.03.2022 hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.04.2022 abgewiesen. Der Kläger sei durch den angefochtenen Bescheid vom 08.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2021 nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Bescheide seien nicht rechtswidrig. Der Kläger habe gegen die Beklagte in der Zeit vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 keinen höheren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Insbesondere habe er in dieser Zeit keinen Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Das SG verweise insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 11.11.2021 und mache sich diese zu eigen (§ 136 Abs. 3 SGG).  Das SG könne weiterhin keinen Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erkennen. Solange sich der Kläger weigere, der Beklagten (und dem Gericht) belastbare und nachvollziehbare Unterlagen und Belege über die angeblich von seinen Eltern getätigten Aufwendungen vorzulegen, sei von einer anderweitigen Bedarfsdeckung auszugehen.

 

Gegen den ihm am 17.05.2022 zugestellten Gerichtsbeschied hat der Kläger am 24.05.2022 Berufung eingelegt. Schon das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht hätten festgestellt, dass die Nichtberücksichtigung der Unterkunftskosten bei einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sich negativ auf alle Mitglieder auswirke Die geltend gemachten Kosten seien hinreichend nachgewiesen. Eine Kürzung der Unterkunftskosten sei verfassungswidrig. In der mündlichen Verhandlung am 11.01.2023 hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die Beklagte habe am 04.01.2023 die Unterkunftskosten i.H.v. 110 € an seinen Vater angewiesen, ohne dass eine Änderung der Sachlage erfolgt sei.

 

Der Kläger beantragt,

 

  1. den Gerichtsbescheid des SG Münster vom 20.04.2022 zum Az. S 11 AS 494/21 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 08.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2021 aufzuheben und dem Kläger die beantragten und von den Vermietern geforderten Abschlagzahlungen in Höhe von monatlich 100,- für Unterkunft und Heizung (KGU) zu zahlen.

 

  1. die Beklagte zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Die Beklagte konnte an der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2023 wegen Erkrankung des sachbearbeitenden Vertreters nicht teilnehmen, hat jedoch mit Schreiben vom 11.01.2023 ihr Einverständnis mit einer Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit erklärt.

 

Die Beklagte beantragt schriftlich,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die streitgegenständlichen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.

 

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 24.10.2022, dem Kläger zugestellt am 29.10.2022 und der Beklagten zugestellt am 02.11.2022, zu seiner Absicht der Übertragung des Verfahrens auf die Berichterstatterin angehört und mit Beschluss vom 14.11.2022, dem Kläger zugestellt am 18.11.2022 und der Beklagten zugestellt am 21.11.2022, die Übertragung auf die Berichterstatterin beschlossen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakte L 12 AS 573/22 Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. Der Kläger ist durch die Ablehnung der Unterkunftskosten für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 mit dem Bescheid vom 08.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2021 nicht in seinen Rechten verletzt, denn die Bescheide sind rechtmäßig (§ 54 Abs.2 SGG).

 

Zulässiger Streitgegenstand der Berufung ist die Ablehnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form der Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 100 € monatlich im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 mit Bescheid vom 08.09.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2021.

 

Streitgegenstand ist nur die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Unterkunftskosten im streitigen Zeitraum. Hierbei handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (BSG Urteile vom 03.09.2020, B 14 AS 34/19 R, Rn. 8, juris, vom 12.12.2017 B 4 AS 33/16 R, Rn. 12, juris, vom 17.09.2020, B 4 AS 22/20 R, Rn. 16, juris, und vom 13.04.2011 B 14 AS 106/10 R, Rn. 11, juris). Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, §§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG.

 

Die Höhe der Leistungen im Übrigen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Beklagte hat den Regelbedarf vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 in gesetzlicher Höhe zuerkannt. Anhaltspunkte für einen Mehrbedarf liegen nicht vor und werden von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Einkommen hat die Beklagte nicht bedarfsmindernd berücksichtigt.

 

Die angefochtene Ablehnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung ist auch rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 Abs. 1 SGB II im streitigen Zeitraum. Der Kläger hat die von ihm geltend gemachten Kosten weder dem Grunde noch der Höhe nach nachgewiesen. Mangels Vorlage der zuletzt mit Schreiben vom 17.06.20121 angeforderten Unterlagen und Erklärungen ist es weder der Beklagten noch dem Senat möglich nachprüfbar festzustellen, dass und in welcher Höhe der Kläger zur Zahlung einer Miete bzw. Kostenbeteiligung an seine Eltern verpflichtet gewesen ist.

 

Der Kläger erfüllt dem Grunde nach die Leistungsvoraussetzungen zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II umfassen die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II, denn er hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hilfebedürftig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzungen ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

 

Rechtsgrundlage für die Übernahme der Unterkunftskosten ist § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Hiernach werden Leistungen zur Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre (§ 22 Abs. 1 S. 4 SGB II).

 

Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (Absatz 1 Satz 1). Es muss sich um einen gegenwärtigen Bedarf handeln; ein Anspruch auf Übernahme von bereits getätigten oder zukünftig erst anfallenden Aufwendungen besteht grundsätzlich nicht. Ein gegenwärtiger Bedarf kann grundsätzlich auch dann bestehen, wenn der Vermieter aus Kulanz bzw. familiärer Rücksichtnahme vorübergehend auf die Geltendmachung des Mietzinses verzichtet hat (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 12.01.2022), Rn. 59).

 

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen lässt sich weder ermitteln, ob der geltend gemachte Betrag von 100 € tatsächlich (als Vorauszahlung) etwa 1/3 der tatsächlich anfallenden Neben- und Heizkosten entspricht, noch ob der Kläger sich seinen Eltern gegenüber einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sieht.

 

Einen schriftlichen Mietvertrag hat der Kläger mit seinen Eltern nicht abgeschlossen. Einen Nachweis für die tatsächliche Zahlung von monatlich 100 € in der Vergangenheit hat der Kläger nicht vorgelegt. Auch die Eltern des Klägers haben keine Erklärung dazu abgegeben, ob eine etwaige Zahlung überhaupt erfolgt ist und wenn ja auf welchem Zahlungsweg.

 

Unklar ist auch, ob der Betrag von 100 € wirtschaftlich und damit angemessen bezogen auf die konkrete Wohnsituation des Klägers ist. Es soll sich bei dem vereinbarten Betrag nach den Angaben des Klägers und seiner Eltern um 1/3 der Neben- und Heizkosten handeln, wobei auf die Nebenkosten 60 € und auf die Heizkosten 40 € monatlich entfallen würden. Da der Kläger sich jedoch weigert, die tatsächlich anfallenden Hausneben- bzw. Heizkosten (wie etwas Gebäudeversicherung/Müllgebühren/Schornsteinfeger/Strom/Wasser/Gas) nachzuweisen, kann die Beklagte nicht feststellen, ob der Betrag von 100 € den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern des Klägers sich weigern, diesem entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen, liegen nicht vor. Vielmehr hat der Kläger die Vorlage der Unterlagen in der Vergangenheit mit der Begründung verweigert, es seien in den zwischen den Beteiligten streitigen Parallelverfahren auch weitere Zeiträume streitig und die Vorlage der Unterlagen würde auch in diese Zeiträume eingreifen.

 

Eine pauschale Übernahme von Kosten ohne jeglichen Nachweis, dass diese den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen, kommt nicht in Betracht. Soweit der Kläger bzw. seine Eltern sich auf eine im Jahr 2011 eingereichte Bescheinigung berufen, so ist diese im hier streitigen Zeitraum des Jahres 2018 nicht mehr ansatzweise aktuell und ihr wohnt auch keine Indizwirkung für die im streitigen Zeitraum bestehenden Verhältnisse inne. Begründbare Anhaltspunkte dafür, dass etwaige Versicherungen und Abschlagszahlungen über 7 Jahre konstant bleiben, liegen nicht vor und würden auch den allgemeinen Erfahrungssätzen widersprechen.

Auch aus der von dem Kläger angeführten Übernahme von Unterkunftskosten i.H.v. rund 135 € monatlich mit einem Bescheid vom 25.04.2012 kann der Kläger keinen Anspruch ableiten. Der Leistungsanspruch ist nach Grund und Höhe in jedem Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen und die Voraussetzungen sind von dem Leistungsberechtigten nachzuweisen. Dies folgt aus dem Antragserfordernis nach § 37 SGB II. Ein einmal gestellter Antrag wirkt nach Bewilligung von Leistungen und Ablauf des Bewilligungszeitraums nicht fort. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Antrag mit Erlass des Bewilligungsbescheids verbraucht. Das durch den Antrag eingeleitete Verwaltungsverfahren wird durch den Erlass des Bewilligungsbescheids abgeschlossen; der Bewilligungsbescheid verliert mit Ablauf des Bewilligungszeitraums seine Wirksamkeit (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X; Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 37 (Stand: 15.03.2022), Rn. 36). Dem entsprechend ist auch eine etwaige Bewilligung von Unterkunftskosten aufgrund Zahlung der Beklagten vom 04.01.2023, die der Kläger erstmalig in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat und deren Hintergrund dem Senat nicht bekannt ist, für den streitigen Zeitraum unbeachtlich.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 SGG sind nicht erkennbar.

 

 

Rechtskraft
Aus
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