L 9 SO 208/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 3 SO123/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 208/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 07.04.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Klägerin werden Gerichtskosten iHv 1.000 € auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Behandlungskosten iHv 1.600,43 € für die Behandlung der Patientin H..

Die Klägerin ist die Trägerin der C. in S.. Am 27.09.2018 (Donnerstag) um 11:56 Uhr suchte die Patientin, die rumänische Staatsangehörige ist, die Klinik auf. Bei ihr bestand die Symptomatik einer schweren akuten Tonsillitis. Sie wurde als Notfall vollstationär zur Krankenhausbehandlung aufgenommen. Mit Fax vom 28.09.2018 unterrichtete die Patientenaufnahme der Klägerin die Beklagte über den Behandlungsfall und beantragte die Übernahme der Kosten für die stationäre Behandlung. Dem Kostenübernahmeantrag ist eine in rumänischer Sprache abgefasste und mit einer unleserlichen Unterschrift unterzeichnete Erklärung beigefügt, die eine Ermächtigung der Patientin zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber der Beklagten beinhaltet. Der Behandlungsfall dauerte bis zum 27.09.2018. Die Patientin war keine Empfängerin von Sozialhilfe, die Frage, wovon sie in den letzten zwei Monaten ihren Lebensunterhalt sichergestellt hatte, blieb in dem der Beklagten übersandten Antragsformular unbeantwortet. Über Vermögen verfüge die Patientin nach ihren Angaben nicht. Mit Schreiben vom 27.09.2018 wandte die Beklagte sich an die Patientin mit der Bitte, bei ihr persönlich vorzusprechen und Nachweise über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ihr letztes Krankenversicherungsverhältnis vorzulegen. Die Anfrage kam mit dem Vermerk „Empfänger nicht zu ermitteln“ zurück. Aus einem Vermerk über eine Recherche in einer Datenbank ist ersichtlich, dass die Patientin nicht krankenversichert war.

Mit Bescheid vom 21.11.2018 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die beantragte Kostenübernahme für die Behandlung der Patientin ab, da deren Hilfebedürftigkeit nicht feststellbar gewesen sei. Ebenfalls mit Bescheid vom 21.11.2018 versagte die Beklagte gegenüber der Klägerin die beantragten Leistungen wegen fehlender Mitwirkung. Mit einem weiteren Bescheid vom 21.11.2018 versagte die Beklagte Leistungen auch gegenüber der Patientin.

Gegen alle Bescheide legte die Klägerin am 29.11.2018 Widerspruch sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Patientin ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Hilfebedürftigkeit der Patientin nicht nachgewiesen sei. Die Beweislast liege bei der Klägerin. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Patientin zurück. Die Voraussetzungen für eine Versagung lägen vor.

Gegen die Bescheide vom 21.11.2018 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 16.01.2019 und 17.01.2019 hat die Klägerin am 12.02.2019 Klage erhoben. Sie hat sich auf § 25 SGB XII berufen und außerdem geltend gemacht, die Patientin, die ihren Wohnsitz in S. gehabt habe, habe sie ermächtigt, deren Kostenerstattungsanspruch im Namen der Patientin und - im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft – auch im eigenen Namen geltend zu machen. Es habe ein medizinischer Notfall vorgelegen, der sie strafrechtlich und berufsrechtlich verpflichtet habe, die Patientin zu behandeln. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur unverzüglichen Amtsermittlung verletzt, weshalb sie sich jetzt nicht auf die Nichterweislichkeit von Hilfebedürftigkeit der Patientin berufen könne.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie unter Aufhebung ihrer (beiden) Versagungsbescheide vom 21.11.2018 in der Gestalt der korrespondierenden Widerspruchsbescheide vom 16.01.2019 und 17.01.2019 1.600,43 € nebst Prozesszinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Patientin habe die Klägerin nicht wirksam zur Geltendmachung ihrer Ansprüche bevollmächtigt und die Voraussetzungen des Nothelferanspruchs gem. § 25 SGB XII lägen nicht vor.

Das Sozialgericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Soweit die Klage sich gegen den gegenüber der Patientin erlassenen Versagungsbescheid richte, sei sie unzulässig. Die Klägerin trete ausschließlich im eigenen Namen auf, ein Fall zulässiger gewillkürter Prozessstandschaft liege jedoch nicht vor. Soweit sich die Klage gegen den gegenüber der Klägerin erlassenen Ablehnungsbescheid sowie den entsprechenden Versagungsbescheid richte, sie sie zulässig, aber unbegründet. Die Voraussetzungen des § 25 SG XII lägen nicht vor, da kein Eilfall im Sinne der Rechtsprechung des BSG gegeben sei (Bezugnahme auf BSG Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13). Auf die Bedürftigkeit der Patientin käme es daher nicht an.

Gegen den ihr am 09.04.2021 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 10.05.2021 (Montag). Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei sowohl aus abgeleitetem Recht der Patientin als auch aus eigenem Recht gem. § 25 SGB XII begründet. Von der Hilfebedürftigkeit der Patientin sei auszugehen, da die Beklagte insoweit ihre Amtsermittlungspflicht verletzt habe, indem sie erst am 27.09.2018 in die Ermittlungen eingetreten sei und im Übrigen die Übersendung eines Fragebogens nicht ausreichend sei. Es habe ein medizinischer Eilfall iSd § 25 SGB XII vorgelegen und die Patientin habe ihren Anspruch gegen die Beklagte wirksam abgetreten. Das Abtretungsverbot des § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erfasse nicht Erstattungsansprüche aufgrund von bereits erbrachter Hilfe. Zudem habe die Patientin die Klägerin wirksam zur Geltendmachung ihrer Ansprüche im eigenen Namen iSd § 185 BGB ermächtigt.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung des Senats den gegenüber der Klägerin ergangenen Versagungsbescheid vom 21.11.2018 aufgehoben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts S. vom 07.04.2021 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen an sie und unter Aufhebung der Bescheide vom 21.11.2018 in der Gestalt der korrespondierenden Widerspruchsbescheide vom 16.01.2019 und 17.01.2019 1.600,43 € nebst Prozesszinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Hilfebedürftigkeit der Patientin sei nicht nachgewiesen, nicht einmal ansatzweise dargelegt. Die Frage nach der Bestreitung des Lebensunterhalts in den letzten zwei Monaten sei unbeantwortet geblieben, die Patientin habe über einen festen Wohnsitz verfügt und nicht im SGB II oder SGB XII-Leistungsbezug gestanden. Die Voraussetzungen des § 25 SGB XII lägen nicht vor, da die Patientin an einem Donnerstag um 11:56 Uhr aufgenommen worden sei und die Klägerin sich so behandeln lassen müsse, als ob die Beklagte noch an diesem Tag über den Behandlungsfall informiert worden wäre. Da sich ein Nothelferanspruch und der eigene Anspruch der Klägerin gegenseitig ausschlössen, käme ab dem ersten Behandlungstag ein Nothelferanspruch der Klägerin nicht in Betracht. Eine wirksame Vertretungsbefugnis oder Prozessführungsbefugnis der Klägerin zur Geltendmachung von Rechten der Patientin läge nicht vor.

Die Beteiligten hatten weitere Erklärungen im Hinblick auf das Revisionsverfahren B 8 SO 2/21 R zurückgestellt. Nach Vorlage der schriftlichen Entscheidungsgründe zu dem in diesem Verfahren ergangenen Urteil vom 06.10.2022 hat die Klägerin ausgeführt, ihre Berufung werde zurückzuweisen und die Revision nicht zuzulassen sein. Auf die Frage des Senats, ob angesichts dessen die Berufung zurückgenommen wird, hat der Bevollmächtigte der Klägerin erklärt, § 839 Abs. 3 BGB zwinge ihn, den Rechtsweg bis zu einer Nichtzulassung der Revision durch den Senat auszuschöpfen.

Die Klägerin hat ihr zunächst erklärtes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (Schriftsatz vom 18.04.2023) nicht aufrechterhalten (Schriftsatz vom 17.05.2023).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Nach Aufhebung des ihr gegenüber ergangenen Versagungsbescheides vom 21.11.2018 wendet sich die Klägerin noch gegen den Ablehnungsbescheid vom 21.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2019 sowie den Versagungsbescheid gegenüber der Patientin vom 21.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2019 und begehrt die Zahlung von 1.600,43 € an sich. Sie verfolgt das Begehren, soweit sie sich gegen den Ablehnungsbescheid wendet, zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), soweit sie sich gegen den gegenüber der Patientin ergangenen Versagungsbescheid richtet, verfolgt sie ihr Begehren zutreffend mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid vom 21.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2019 ist nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat aus eigenem Recht keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten 1.600,43 € aufgrund des Behandlungsfalls der Patientin gegen die Beklagte. Eine Klage gegen den gegenüber der Patientin ergangenen Versagungsbescheid kann die Klägerin nicht zulässig erheben.

Die Beklagte ist für den verfolgten Anspruch sachlich und örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, die örtliche Zuständigkeit aus dem tatsächlichen Aufenthalt der Patientin in S. während der Behandlung (dazu BSG Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R).

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Behandlungskosten aus § 25 SGB XII. Hat jemand in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, sind ihm gem. § 25 Satz 1 SGB XII die Aufwendungen in gebotenen Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG (zuletzt BSG Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 2/12 R mwN), der der Senat sich anschließt, nicht vor. Hiernach scheidet ein Anspruch aus, soweit dem Krankenhaus als Nothelfer noch am Tag der Aufnahme des Hilfeberechtigten die Zeit verbleibt, den Sozialhilfeträger vom Notfall zu unterrichten. Das BSG hat als maßgeblich angesehen, dass durch Verschaffung der Kenntnis die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe geschaffen werden (BSG Urteile vom 06.10.2022 - B 8 SO 2/21 R und vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R; BSG Beschluss vom 01.03.2018 – B 8 SO 63/17). Die Kenntnis bildet die Zäsur für die unterschiedlichen Ansprüche. Das BSG hat im Urteil vom 06.10.2022 ausdrücklich an dieser Rechtsprechung festgehalten und ungeachtet der daran geäußerten Kritik seine Auslegung durch die gesetzgeberische Entwicklung zur Parallelvorschrift des § 6a AsylbLG bestätigt gesehen. Es fehlt hiernach schon am Tag der Aufnahme eines Hilfebedürftigen in einem Krankenhaus am sozialhilferechtlichen Moment eines Eilfalls iS des § 25 Satz 1 SGB XII, wenn – wie vorliegend - Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibt, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten bzw. um die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe zu schaffen (ebenso bereits BSG Beschluss vom 01.03.2018 – B 8 SO 63/17 B). Allerdings kann das sozialhilferechtliche Moment eines Eilfalls zwar auch vorliegen, wenn der Sozialhilfeträger erreichbar ist und unterrichtet werden könnte, jedoch die Umstände des Einzelfalls seine Einschaltung aus Sicht des Nothelfers nicht nahelegen, weil nach dem Kenntnisstand des Nothelfers die Leistungspflicht einer gesetzlichen Krankenkasse besteht (BSG Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 19/12 R). Ein solcher Fall liegt aber gerade nicht vor. Vielmehr hatte die Klägerin von Beginn an berechtigte Zweifel am Krankenversicherungsschutz der Patientin, wie allein die Aufnahme der Ermächtigung zur Geltendmachung von deren vermeintlichen Ansprüchen gegen die Beklagte belegt. Zudem informierte die Klägerin die Beklagte aufgrund solcher Zweifel selbst vom Behandlungsfall.

Die Klägerin hat auch aus abgetretenem Recht keinen Anspruch. Es kann hierbei dahinstehen, ob überhaupt ein Anspruch der Patientin gegenüber der Beklagten iS eines Sachleistungsanspruchs auf Krankenbehandlung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB XII besteht oder ein solcher mangels Bedürftigkeit der Patientin ausscheidet. In jedem Fall wäre dieser Sozialhilfeanspruch höchstpersönlicher Art und kann deshalb gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden (ausführlich auch insoweit unter Darstellung der hier nicht einschlägigen Ausnahmen BSG Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 2/21 R).

Die Klage gegen den Versagungsbescheid, der gegenüber der Klägerin ergangen ist, ist unzulässig und die Berufung unbegründet. Der Klägerin fehlt insoweit die Prozessführungsbefugnis. Im Unterschied zur Abtretung macht der Prozessstandschafter zwar ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend, er ist lediglich prozessführungsbefugt, das materielle Vollrecht verbleibt beim Anspruchsinhaber, im vorliegenden Fall bei der Patientin. Der Prozessstandschafter tritt dennoch zumindest für das Verfahren materiell-rechtlich und prozessrechtlich in die Stellung des Berechtigten ein. Unabhängig davon, ob eine gewillkürte Prozessstandschaft in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten überhaupt zulässig ist, darf dadurch das Abtretungsverbot des § 17 SGB XII nicht umgangen werden. Jedenfalls dann, wenn ein Abtretungsverbot dahin auszulegen ist, dass ein Anspruch nicht durch einen Dritten geltend gemacht werden kann, ist eine diesen Anspruch betreffende Prozessführungsermächtigung unwirksam, weil ansonsten das Abtretungsverbot durch sie unterlaufen werden könnte. Dies trifft auf die Geltendmachung des Sozialhilfeanspruchs der Patientin durch die Klägerin zu (ausführlich auch insoweit BSG Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 2/21 R mwN).

Die Entscheidung zur Kostenerstattung beruht auf § 193 SGG. Soweit die Klägerin einen eigenen Anspruch geltend macht, ist das Verfahren gem. § 183 SGG ohnehin gerichtskostenfrei (BSG Urteil vom 11.06.2008 – B 8 SO 45/07 B). Soweit die Klägerin in Prozessstandschaft einen Anspruch der Patientin geltend macht, ist sie zwar grundsätzlich nicht kostenprivilegiert, da sie ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht, ohne insoweit zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis zu gehören (BSG Beschluss vom 04.06.2007 – B 11a AL 153/06 B). Das Verfahren ist jedoch auch insoweit nicht gerichtskostenpflichtig (§ 197a SGG). Steht ein unteilbarer Streitgegenstand zur Beurteilung und ist einer der Beteiligten mit einem von mehreren geltend gemachten Belangen privilegiert, gilt für alle Beteiligten des betreffenden Rechtszugs einheitlich das Kostenregime der §§ 184 bis 195 SGG. Fälle, in denen ein Nothelfer sein Begehren auch auf vermeintlich abgetretene Rechte gestützt hat, hat auch das BSG als kostenprivilegiert behandelt. Ein sachlicher Grund, Fälle, in denen ein Nothelfer Ansprüche des Hilfebedürftigen in Prozessstandschaft geltend zu machen versucht, insoweit anders zu behandeln, ist nicht ersichtlich (so bereits LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 28.04.2021 – L 12 SO 61/21 mwN, nachfolgend im Ergebnis bestätigend auch insoweit BSG Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 2/21 R).

Der Senat hat der Klägerin Gerichtskosten gem. § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auferlegt. Hiernach kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden – wie vorliegend erfolgt – die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Missbräuchlichkeit liegt vor, wenn die Rechtsverfolgung oder -verteidigung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (Schmidt in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. § 192 Rn. 8 mwN). Die weitere Rechtsverfolgung war angesichts der eindeutigen entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG, die die Klägerin nach ihren eigenen Ausführungen hinsichtlich ihrer Relevanz für das vorliegende Verfahren auch zutreffend interpretiert hat, missbräuchlich in diesem Sinne. Die Missbräuchlichkeit entfällt nicht etwa dadurch, dass die Klägerin – wie sie erklärt – einen Amtshaftungsprozess gegen die Beklagte beabsichtigt und einen Wegfall der Ersatzpflicht gem. § 839 Abs. 3 BGB befürchtet, wenn sie den Rechtsstreit nicht fortführt. Ein Rechtsmittel muss möglich, zumutbar und erfolgversprechend sein, damit sein Nichtgebrauch zu einem Anspruchsverlust führt (BGH Urteile vom 24.10.2019 – III ZR 141/18 und vom 25.06.2020 – III ZR 119/19). Erfolgsaussichten lagen – wie dargelegt – spätestens nach der Entscheidung des BSG vom 06.10.2022 – B 8 SO 2/21 R nicht mehr vor.

Ungeachtet dessen ist nicht ersichtlich, welche zugunsten der Klägerin bestehende Amtspflicht iSd § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG, die zu einem Anspruchsverlust der Klägerin geführt hat, die Beklagte verletzt haben sollte. Ein Amtshaftungsanspruch ist nur gegeben, wenn die verletzte Amtspflicht dem Amtswalter gerade dem Geschädigten gegenüber obliegt. Für die Einbeziehung des Anspruchstellers in den Kreis der Dritten ist entscheidend, ob die verletzte Amtspflicht zumindest auch den Zweck hat, das Interesse gerade dieses Anspruchstellers zu schützen. Hierfür muss sich aus den die Amtspflicht begründenden sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts ergeben, dass der Anspruchsteller zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen (vergl. nur Mayen in Erman, BGB, 17. Aufl. § 839 Rn. 58 mwN). Soweit die Klägerin sich darauf beruft, die Beklagte habe eine aus § 20 SGB X (Untersuchungsgrundsatz) resultierende Verpflichtung zur unverzüglichen Aufklärung der Hilfebedürftigkeit der Patientin verletzt, kann ein Amtshaftungsanspruch hiermit von vornherein nicht begründet werden. Der Untersuchungsgrundsatz besteht im jeweiligen Sozialleistungsverhältnis, die Pflicht zur Aufklärung der Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für einen Sozialhilfeanspruch der Patientin (§ 19 Abs. 3 SGB XII) besteht also grundsätzlich nur zwischen der Beklagten und der Patientin. Ungeachtet der Frage, ob in bestimmten Fällen – etwa wenn ein Nothelferanspruch wegen einer Behandlung des Patienten außerhalb der Dienstzeiten des Sozialhilfeträgers in Betracht kommt – auch gegenüber dem Nothelfer eine Verpflichtung zur Aufklärung der Hilfebedürftigkeit bestehen kann, beruht jedenfalls im vorliegenden Fall der Ausschluss des Nothelferanspruchs der Klägerin gem. § 25 SGB XII – wie dargelegt – auf der zuletzt mit dem Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 2/12 R bestätigten ständigen Rechtsprechung des BSG zum vorliegend fehlenden sozialhilferechtlichen Moment eines Eilfalls bzw. dem Ausschluss der Geltendmachung von evtl. Ansprüchen der Patientin durch die Klägerin. Ob die Patientin hilfebedürftig war oder nicht, ist nicht von Belang. Daher war die Aufklärung der Hilfebedürftigkeit der Patientin keine der Klägerin gegenüber bestehende Amtspflicht.

Bezüglich der Höhe der Gerichtskosten ist zu beachten, dass es sich hier nicht um Gerichtskosten im Sinne von § 1 GKG, sondern um eine Regelung über Schadensersatz handelt. Als Mindestbetrag ist die Pauschgebühr nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz anzusetzen. Darüber hinaus können Gebühren erhoben werden, welche jedoch im Einzelfall begründet werden müssen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 23.02.2021 – L 10 SB 75/19).

Der Senat hält es im vorliegenden Fall für angemessen, der Klägerin Gerichtskosten iHv 1.000 € aufzuerlegen. Dieser Betrag liegt deutlich unter den Personal- und Sachkosten, die durch das Berufungsverfahren entstanden sind. So beliefen sich die Kosten für ein durchschnittliches Berufungsverfahren im Land Niedersachsen im Jahr 2021 auf 1.701,35 € (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 23.02.2021 – L 10 SB 75/19). In Nordrhein-Westfalen entstehen Kosten in vergleichbarer Höhe (Urteil des Senates vom 04.05.2023 – L 9 AL 41/22). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühren hat der Senat zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass bis zur Entscheidung des BSG vom 06.10.2022 – B 8 SO 2/21 R noch nicht von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ausgegangen werden konnte. Die Kosten sind erst ab dem Zeitpunkt der Klägerin zuzurechnen, als sie nach dem Vorliegen des Urteils des BSG vom 06.10.2022 die Berufung nicht zurückgenommen hat, obwohl sie die Aussichtslosigkeit erkannt hat. Da der Großteil der Arbeitszeit des Senates auf die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und das Abfassen des Urteils entfällt, war es gerechtfertigt, der Klägerin mehr als die Hälfte der insgesamt entstehenden Kosten aufzuerlegen.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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