L 7 AS 196/23 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 195/23 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 196/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss


Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juni 2023 abgeändert. Die Beigeladene wird vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen nach § 23 Abs. 3 Sätze 3, 5 SGB XII für den Zeitraum vom 14. März 2023 bis 13. April 2023 zu gewähren. 

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den Beschwerderechtszug bewilligt. 


G r ü n d e

I.    

Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung existenzsichernder Leistungen an die Antragstellerin.

Die 2001 geborene Antragstellerin lebt mit ihrem Lebenspartner und den in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2023 geborenen gemeinsamen Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft. Alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind rumänische Staatsangehörige.

Der Lebenspartner der Antragstellerin war vom 1. Juni 2022 auf Minijobbasis erwerbstätig bei einer Sicherheits- und Servicedienstleistungsfirma. Die Gehaltsauszahlung erfolgt trotz Konto der Antragstellerin in bar. Mit Kündigung vom 1. Juni 2023 wurde das Arbeitsverhältnis zum 15. Juni 2023 gekündigt.

Seit dem 24. Juni 2022 lebt die Familie in der A-Straße, A-Stadt. 

Am 27. Juli 2022 beantragte der Lebenspartner der Antragstellerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Bedarfsgemeinschaft bei dem Antragsgegner. Im Antrag fehlt die Angabe, wann die Einreise nach Deutschland erfolgte.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2023 bewilligte der Antragsgegner vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Lebenspartner der Antragstellerin und die gemeinsamen Kinder für Juli 2022 bis Dezember 2022. Im Übrigen lehnte der Antragsgegner den Antrag für die Antragstellerin aufgrund eines fehlenden Arbeitnehmerstatus ab. 

Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 7. Februar 2023 Widerspruch ein. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin trug vor, dass sie der Auffassung sei, dass ihr als sorgeberechtigtem Elternteil der minderjährigen freizügigkeitsberechtigten Kinder ein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 14 Satz 1 Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und Art. 18 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zustehe, so dass ein Leistungsausschluss nicht greife. Die Kinder seien auf die Betreuung durch die Antragstellerin angewiesen; eine Ausreise sei nicht zumutbar. 

Am 16. Februar 2023 stellte die Bedarfsgemeinschaft einen Weiterbewilligungsantrag.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Januar 2023 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2023 zurück, weil die Antragstellerin von Leistungen ausgeschlossen sei, da sich ihr Aufenthaltsrecht alleine zum Zwecke der Arbeitssuche ergebe.

Am 14. März 2023 hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag gestellt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Zur Begründung wiederholte sie ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren und fügte hinzu, dass das Existenzminimum nicht gesichert sei, so dass Eilrechtsschutz erforderlich wäre. 

Mit Bescheid vom 5. April 2023 bewilligte der Antragsgegner dem Lebenspartner der Antragstellerin und den gemeinsamen Kindern vom 1. Februar 2023 bis 31. Juli 2023 vorläufige Leistungen in Höhe von 1.125,01 Euro monatlich. Am 14. April 2023 hat der Antragsgegner einen Änderungsbescheid erlassen, mit dem vom 1. Mai 2023 bis 31. Juli 2023 vorläufige Leistungen in Höhe von 975,01 Euro bewilligt wurden.

Die Prozessbevollmächtigte hat für die Antragstellerin am 17. April 2023 Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. April 2023 eingelegt.

Mit Beschluss vom 1. Juni 2023 hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt und in der Entscheidung ausgeführt, dass ausschließlich problematisch sei, ob die Antragstellerin als erwerbsfähige Leistungsberechtigte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von der Leistungsgewährung ausgenommen sei. Auf eine unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung, die nicht von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II umfasst sei oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Die Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt in Deutschland Arbeitnehmerin gewesen, so dass weder ein Aufenthaltsrecht aufgrund eines Arbeitnehmerstatus (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU), noch die Fortwirkung eines Arbeitsverhältnisses in Betracht käme (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU). 

Ebenso wenig verfüge die Antragstellerin über ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU. Zwar stehe dem Partner der Antragstellerin als Arbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU zu. Aus diesem Aufenthaltsrecht des Partners könne die nicht verheiratete Antragstellerin nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU – anders als die gemeinsamen Kinder – kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige ableiten. Als nahestehende Person i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 4c FreizügG/EU könnte ihr zwar nach § 3a Nr. 3 FreizügG/EU auf Antrag das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verliehen werden, wenn ihr Lebensgefährte mit ihr im Bundesgebiet nicht nur vorübergehend zusammenlebe, wovon derzeit mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen sei, jedoch fehle es vorliegend an den Regelungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die nach § 11 Abs. 5 FreizügG/EU in den Fällen des § 3a FreizügG/EU entsprechend anzuwenden seien. Der Lebensunterhalt der Antragstellerin sei ausweislich ihres eigenen Vortrages nämlich gerade nicht ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert. 

Die Antragstellerin könne auch kein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ableiten (vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 6. Oktober 2020, C-181/19). Denn dies setze voraus, dass die Kinder der Antragstellerin die Schule besuchten. Die gemeinsamen Kinder der Antragstellerin und ihres Lebenspartners seien jedoch nicht im schulpflichtigen Alter.

Es ergebe sich auch kein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin aus den Vorschriften des AufenthG. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin könne sich diese nicht auf ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen (§§ 27 ff. AufenthG) gem. § 28 AufenthG berufen. Nach § 28 AufenthG sei eine Aufenthaltserlaubnis unter anderem dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG). Eine direkte Anwendung scheide vorliegend aus, da die Kinder der Antragstellerin rumänische Staatsangehörige seien, weshalb der Tatbestand der Norm nicht erfüllt sei. Die Antragstellerin könne auch kein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 14 S. 1 FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 AEUV herleiten.

Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin folge schließlich auch nicht aus Art. 6 Grundgesetz (GG). Die Schutzwirkungen, die von der familiären Bindung der Antragstellerin zu ihren Kindern und ihrem Lebensgefährten ausgingen, seien somit zwar bei der Auslegung der Normen des AufenthG zu berücksichtigen, erlaubten es aber nicht, sich über einzelne Tatbestandsmerkmale dieser Vorschriften hinwegzusetzen, weshalb sich ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nicht begründen lasse. Eine Trennung der Familie sei nicht zwangsläufig mit der Versagung von Leistungen nach dem SGB II verbunden. Der Lebenspartner der Antragstellerin sei geringfügig erwerbstätig und beziehe ergänzend Leistungen, die Kinder stünden ebenfalls im Leistungsbezug, so dass eine Fortführung der Lebensgemeinschaft in Deutschland nicht in Gänze ausgeschlossen werden könne. Insbesondere könne die familiäre Gemeinschaft aber auch in dem Heimatland in Rumänien fortgeführt werden.

Der Antragstellerin stehe schließlich auch kein Anspruch unter dem Gesichtspunkt zu, dass sie sich derzeit mangels Verlustfeststellung rechtmäßig in Deutschland aufhalte. Das BSG gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die generelle Freizügigkeitsvermutung für Unionsbürger weder einen Zugang zu Leistungen nach dem SGB II eröffne noch dem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II entgegenstehe (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2017, B 14 AS 31/16 R).

Die Antragstellerin hat am 5. Juni 2023 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt eingelegt.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, ihr seien vom Antragsgegner bzw. dem zuständigen Sozialhilfeträger existenzsichernde Leistungen zu gewähren. Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob eine Rückkehr des nicht originär freizügigkeitsberechtigten Elternteils in den EU-Herkunftsstaat bezüglich des Kindes mit Art. 6 GG und Art. 8 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zu vereinbaren wäre. Vorliegend gehe es um vier kleine Kinder. Die bereits gelebte Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihren Kindern könne nur im Bundesgebiet stattfinden. Dass diesen eine Trennung von ihrer Mutter nicht zuzumuten sei, bedürfe wohl keiner weiteren Ausführungen. Die kleinen Kinder der Antragstellerin seien auf die Betreuung durch ihre Mutter angewiesen. Eine Ausreise sei weder der Antragstellerin noch den Kindern zuzumuten. Die Antragstellerin könne mit den Kindern auch nicht einfach in das Heimatland zurückkehren, weil auch dem Kindesvater das Sorgerecht zustehe und dieser mit einer Rückkehr der Kinder nach Rumänien nicht einverstanden sei. Konsequenz der sozialgerichtlichen Entscheidung sei, dass die Antragstellerin, welche am 2. Mai 2023 ein Kind geboren habe, weshalb eine Trennung der Antragstellerin von diesem Kind nicht in Betracht komme, entweder ohne Sicherung ihres Existenzminimums in Deutschland verbleibe, oder mit ihrem jüngsten Kind nach Rumänien zurückkehre, oder die gesamte Familie Deutschland verlasse. 

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2023 hat die Antragstellerin klargestellt, dass sie nicht Überbrückungsleistungen für einen Monat, sondern für die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland begehrt.

Der Arbeitnehmerstatus ihres Lebensgefährten bestehe auch nach der Kündigung fort, denn er sei mehr als 12 Monate beschäftigt gewesen.

Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts vom 1. Juni 2023 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren, 
hilfsweise, die Stadt Frankfurt beizuladen und im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum Überbrückungsleistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juni 2023 zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags hat der Antragsgegner auf die den Beschluss tragenden Gründe und auf die Entscheidung des erkennenden Senats zum Aktenzeichen L 7 AS 26/23 B ER verwiesen. Der Antragsgegner ist weiterhin der Auffassung, dass die Antragstellerin weder eine abhängige noch selbstständige Erwerbstätigkeit oder eine Berufsausbildung ausübe noch sei sie daueraufenthaltsberechtigt nach § 4a FreizügG/EU oder Empfänger einer grenzüberschreitenden Dienstleistung, noch könne sie ein von den Kindern abgeleitetes Aufenthaltsrecht geltend machen. Es bleibe festzuhalten, dass die entsprechenden verfassungs- und europarechtlichen Schutzrechte, auf die sich die Antragstellerin berufe, eben nicht schrankenlos gälten und nicht bedingungslos zu Lasten der Allgemeinheit ausgeübt werden könnten. Der Antragsgegner könne daher der Antragstellerin derzeit keine Leistungen – auch nicht vorläufig – gewähren.

Nach Beiladung der Stadt Frankfurt am Main als zuständigen Sozialhilfeträger durch Beschluss vom 6. Juli 2023 hat diese im Verfahren keinen Antrag gestellt. Sie hat vorgetragen, dass nach ihrer Einschätzung die erstinstanzliche Entscheidung frei von Rechtsfehlern sei. Soweit die Antragstellerin Überbrückungsleistungen zur Ausreise für einen Monat nach § 23 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) begehre, sei die Beigeladene ausdrücklich zur Gewährung bereit, der gestellte Antrag werde jedoch bislang nicht in diesem Sinne verstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. 

Gegenstand des Verfahrens ist zunächst das von der Antragstellerin bereits erstinstanzlich verfolgte Begehren, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Diesen Antrag hat das Sozialgericht zu Recht abgelehnt.

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin darüber hinaus beantragt, hilfsweise, die Stadt Frankfurt beizuladen und im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum Überbrückungsleistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Dieser Antrag ist nur im tenorierten Umfang begründet.

Für die Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 6b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund) (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. Februar 2023 – L 7 AS 447/22 B ER –, Rn. 19, juris). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).

Nach diesen Maßstäben liegt hinsichtlich der Leistungsgewährung nach dem SGB II kein Anordnungsanspruch vor. 

Die Antragstellerin kann sich als rumänische Staatsangehörige, die im Juni 2022 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und mit ihrem Lebensgefährten und den gemeinsamen Kindern mit rumänischer Staatsangehörigkeit in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, neben dem Freizügigkeitsrecht zur Arbeitssuche, mit dem sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, auf kein weiteres Aufenthaltsrecht berufen. Insbesondere besteht vorliegend - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - kein Aufenthaltsrecht nach § 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (analog) unter Berücksichtigung von Art. 18 AEUV. Eine unmittelbare Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG scheitert daran, dass die Kinder der Antragstellerin nicht die deutsche, sondern die rumänische Staatsangehörigkeit besitzen. Aber auch eine insoweit analoge Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG kommt aus Sicht des Senats nicht in Betracht (Beschluss des Senats vom 28. Juni 2017, L 7 AS 140/17 B ER, nicht veröffentlicht, Beschluss des Senats vom 21. August 2019, L 7 AS 285/19 B ER, Rdnr. 45, juris; Beschluss des Senats vom 24. Mai 2023 – L 7 AS 26/23 B ER –, Rn. 36, juris). Der Senat hatte sich in diesen Beschlüssen der folgenden Argumentation des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 22. Mai 2017, L 31 AS 1000/17 B ER, juris, angeschlossen:

„Eine bessere Rechtsstellung als nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU ergäbe sich allenfalls dann, wenn die Vorschrift in Anwendung des Diskriminierungsverbotes aus Art. 18 AEUV dergestalt interpretiert wird, dass nicht nur der Nachzug zu einem minderjährigen ledigen Deutschen, sondern der Nachzug zu minderjährigen ledigen Unionsbürgern mit Aufenthaltsrecht und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geregelt werden sollte. Der Senat verkennt nicht, dass eine solche Auslegung in der Kommentarliteratur (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Auflage, § 11 FreizügG/EU, § 11, Rdnr. 38, 39) vertreten wird, aber keineswegs einhellig (a.A. Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Stand Dezember 2013, § 11 FreizügG/EU Rn. 107). Eine derart weitgehende Auslegung des Diskriminierungsverbots aus Art. 18 AEUV hält der Senat aber nicht für überzeugend. Nach Auffassung des Senats ist die dargelegte Rechtsauffassung ohne ausreichende Begründung geblieben, die Aufschluss darüber geben könnte, warum mit einer derart weitreichenden Auslegung des Diskriminierungsverbotes die hier einschlägigen Vorschriften des FreizügG/EU obsolet würden. Denn nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU besteht auch für Verwandte in aufsteigender Linie (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU) wie die Antragstellerin als Mutter ihrer Kinder nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU ein Freizügigkeitsrecht lediglich nach Maßgabe des § 4 FreizügG/EU, also, wenn sie unter anderem über ausreichende Existenzmittel/Unterhaltsansprüche verfügen, was vorliegend nicht der Fall ist, da die Kinder und ihr Vater ebenfalls SGB II-Leistungen beziehen. Die genannte Regelung des FreizügG/EU hätte praktisch keinen Anwendungsbereich mehr, wenn die Ausnahmevorschrift des § 28 Aufenthaltsgesetz, die ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils nur zugunsten eines minderjährigen Deutschen regelt, auf alle EU-Bürger ausgedehnt wird. Auch ist dem Senat einschlägige Rechtsprechung der sachnäheren Verwaltungsgerichte zum behaupteten Aufenthaltsrecht aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz weder aus der zitierten Kommentarliteratur noch aus der zitierten Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 30. November 2015, L 19 AS 1713/15 B ER und Urteil vom 1. Juni 2015, L 19 AS 1923/14, zitiert nach juris) noch aus einem Beschluss des 25. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (L 25 AS 1331/16 B ER zitiert nach juris) bekannt geworden. Dem - soweit ersichtlich - einzigen Urteil zur Frage eines Aufenthaltsrechts aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. März 2009 (Az.: 12 V 40/08 zitiert nach juris) fehlt an der entscheidenden Stelle jede Begründung (siehe Rn. 21 des Abdrucks bei juris). Dabei verkennt der Senat nicht, dass es für die sozialrechtlichen Belange nicht von Bedeutung ist, ob dem Unionsbürger ein entsprechender Titel nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden ist (BSGE 113, 60). Für eine solche weitgehende Auslegung des Diskriminierungsverbotes findet sich in der neueren Rechtsprechung des EuGHs nach Auffassung des Senats kein Anhalt. So kommentiert Dienelt (a.a.O.), § 11 FreizügG/EU Rdnr. 40 ebenfalls, dass das weitgehende Diskriminierungsverbot auch dann gelte, wenn sozialrechtliche Leistungen begehrt würden und ein Unionsbürger damit einen Anspruch auf Inländerbehandlung bei Sozialleistungen habe. Diese Kommentierung lässt sich nach Auffassung des Senats nach der Rechtsprechung des EuGHs in der Rechtssache C. (Entscheidung vom 11. November 2014 C-333/13) und in der Rechtssache D. vom 15. September 2015 C-67/14 nicht aufrechterhalten. Denn nach den genannten Urteilen widerspricht es dem EU-Recht keineswegs, dass Unionsbürger auf Arbeitssuche – anders als deutsche Arbeitssuchende – von den Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II), also allein steuerfinanzierten Sozialleistungen, ausgeschlossen sind. Wie bereits oben ausgeführt, besteht zwar nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU für Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger das Recht auf Freizügigkeit, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Ein Angehörigkeitsverhältnis der Antragstellerin zu dem als Arbeitnehmer aufenthaltsberechtigtem Vater ihrer Kinder besteht nicht, da die nichteheliche Lebensgemeinschaft kein Familienangehörigkeitsverhältnis vermittelt. Insoweit kann auch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz nicht zur Anwendung kommen, da dieser ausdrücklich nur den Nachzug von Ehegatten regelt. Ein lediger Partner eines Arbeitnehmers ist kein Familienangehöriger (EuGH, Urteil vom 17. April 1986 –C- 59/85; vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Juni 2013, B 4 AS 54/12 R, Rn. 33 zitiert nach juris). Wie bereits ausgeführt, kann die Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht auch nicht vom Aufenthaltsrecht ihrer Kinder nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Freizügigkeitsgesetz/EU ableiten, da insoweit die Maßgabe des § 4 FreizügG/EU zu beachten wäre. Auch ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keineswegs der Grundsatz zu entnehmen, dass der minderjährige Unionsbürger grundsätzlich ein Zuzugsrecht für sein ausländisches Elternteil vermittelt. So hat der Europäische Gerichtshof in einer aktuellen Entscheidung vom 10. Mai 2017 (Aktenzeichen C/133/15) – allerdings im Hinblick auf ein ausländisches Elternteil mit Staatsangehörigkeit eines Nicht-EU-Landes – entschieden, dass zwar im Grundsatz ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht geltend gemacht werden kann. Zu den Voraussetzungen hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass für die Ablehnung eines Aufenthaltsrechts des Nicht-EU-Elternteils allein nicht ausreichend ist, dass der andere Teil, der Unionsbürger ist, die tägliche und tatsächliche Sorge für das Kind allein wahrnehmen könne. Andererseits müsse aber festgestellt werden, dass zwischen dem Kind und dem Elternteil aus dem Nicht-EU-Land kein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise bestehe, dass das Kind, wenn diesem Elternteil das Aufenthaltsrecht verweigert würde, das Unionsgebiet verlassen müsste. Daraus folgt umgekehrt, dass ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht von dem minderjährigen Unionsbürger erst dann besteht, wenn dieser ansonsten gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Jedenfalls ist dieser Entscheidung zu entnehmen, dass der minderjährige ledige Unionsbürger nicht in jedem Fall ein Aufenthaltsrecht für beide Elternteile vermittelt.“

Daran hält der Senat in Übereinstimmung mit anderen Landessozialgerichten (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. April 2022, L 18 AS 312/22 B ER, Juris, Rn. 8 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2022, L 18 AS 232/22 B ER, juris, Rn. 10 ff.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. November 2021, L 2 AS 438/21 B ER, juris, Rn. 46 ff.; Hessisches LSG, Beschluss vom 29. Juli 2021, L 6 AS 209/21 B ER, juris, Rn. 140 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juni 2021, L 34 AS 850/17, juris, Rn. 51 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juli 2017, L 21 AS 782/17 B ER, juris, Rn. 44 ff.) auch in Hinblick auf die teilweise abweichende spätere Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Oktober 2018, L 19 AS 1472/18 B ER, juris, Rn. 28 ff. m.w.N.; LSG für das Saarland, Urteil vom 7. September 2021, L 4 AS 23/20 WA, juris, Rdnr. 35) fest (so zuletzt auch im Beschluss des Senats vom 24. Mai 2023 – L 7 AS 26/23 B ER –, Rn. 36, juris). Der Senat sieht weiterhin die Nichtgewährung einer Aufenthaltserlaubnis für einen sorgeberechtigten Unionsbürger für ein minderjähriges freizügigkeitsberechtigtes Kind mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaates, welches im Bundesgebiet lebt, nicht als unzulässige Diskriminierung i. S. d. Art. 18 AEUV an, weil das allgemeine Diskriminierungsverbot mit einem Vorbehalt ausgestattet ist, wonach die unterschiedliche Behandlung wegen der Staatsangehörigkeit möglich ist (siehe dazu zutreffend und ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. April 2022, L 18 AS 312/22 B ER, Rdnr. 8 ff., juris) und ist der Auffassung, dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht zwingend die Annahme eines den Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II beseitigenden Aufenthaltsrecht verlangt (siehe dazu zutreffend und ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. April 2022, L 18 AS 312/22 B ER, Rdnr. 11, juris). Die Frage nach dem Aufenthaltsrecht sorgeberechtigter Angehöriger eines minderjährigen, freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers berührt zwar die Wertungen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, die zu beachten sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juli 2020, 1 BvR 932/20, Rdnr. 15, juris). Danach kann der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 GG berührt sein, wenn den Betroffenen ein familiäres Zusammenleben nur im Heimatland, nicht aber im Bundesgebiet ermöglicht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987, 2 BvR 1226/83, Rn. 88 ff, juris). Im Falle der Antragstellerin liegt aber keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen vor. Insbesondere sind keine besonderen Gründe zu erkennen, die ein - gemeinsames - Verlassen des Bundesgebietes der Bedarfsgemeinschaft unzumutbar machen würden. Die Familie hält sich erst seit Juni 2022 im Bundesgebiet auf. Keines der Kinder ist schulpflichtig. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass eines der Kinder eine Kindertagesstätte besucht. Auch sonst sind keine rechtlich erheblichen gravierenden Beeinträchtigungen geltend gemacht worden oder zu erkennen, die bei einem familiären Zusammenleben im Heimatland drohen würden, insbesondere kann der Lebensgefährte der Antragstellerin auch im Heimatland arbeiten.

Im Rahmen des Hauptsachverfahrens wird aufgrund der zeitlichen Abläufe und der Abwicklung der Bezahlung gegebenenfalls der Arbeitnehmerstatus des Lebensgefährten zu überprüfen sein. 

Den Entscheidungen des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 30. Oktober 2018, L 19 AS 1472/18 B ER) und des LSGs für das Saarland (Urteil vom 7. September 2021, L 4 AS 23/20 WA) lassen sich auch keine neuen und anderen Argumente gegen die hier vom Senat vertretene Auffassung entnehmen (Beschluss des Senats vom 24. Mai 2023 – L 7 AS 26/23 B ER –, Rn. 39, juris).

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des EuGH vom 13. September 2016, C-165/14, in der es um einen Vater ging, der im Gegensatz zum vorliegenden Fall das alleinige Sorgerecht hatte. Entscheidend ist jedoch, dass der EuGH in diesem Verfahren alleine darüber zu entscheiden hatte, ob dem Vater allein wegen des Vorliegens von Vorstrafen eine Aufenthaltserlaubnis automatisch zu verweigern war. Eine solche Konstellation liegt jedoch im vorliegenden Fall nicht vor. Der Entscheidung entnimmt der Senat jedenfalls nicht, dass es generell nicht mit Art. 21 AEUV und der RL 2004/38/EG zu vereinbaren ist, wenn (im nationalen Recht) kein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt im Mitgliedsstaat angenommen wird.

Auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU (AVV zum FreizügG/EU) des Bundesinnenministeriums ist für den Senat weder bindend noch maßgeblich. Im Übrigen ist der hier vorliegende Fall dort nicht geregelt. Die Verwaltungsvorschrift taugt auch nicht zur Schließung einer „Lücke“ in den gesetzlichen Regelungen. Vielmehr ist das fehlende Aufenthaltsrecht nach Auffassung des Senats gerade nicht durch eine analoge Anwendung von § 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG abzuleiten (Beschluss des Senats vom 24. Mai 2023 – L 7 AS 26/23 B ER –, Rn. 41, juris).

Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass das Bundessozialgericht (BSG) (Urteil vom 30. Januar 2013, B 4 AS 54/12 R) von einer entsprechenden Anwendbarkeit des AufenthG über die Regelung des § 11 FreizügG/EU ausgehe, besagt dies nichts für den vorliegenden Fall, weil es in dem der Entscheidung des BSG zugrundeliegenden Verfahren um eine andere Sachverhaltskonstellation handelt.  Das BSG hatte ein Aufenthaltsrecht einer schwangeren Unionsbürgerin wegen einer bevorstehenden Familiengründung bejaht und deswegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verneint. Allerdings unterscheidet sich der dortige Sachverhalt vom hiesigen hinsichtlich mehrerer Punkte: So war der Partner der Klägerin seit acht Jahren in Deutschland wohnhaft. Es bestand ein verfestigter Aufenthalt und daher habe das erwartete Kind von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen. Dieser Sachverhalt ist mit der hiesigen Konstellation nicht vergleichbar.

Daher sind der Antragstellerin keine (vorläufigen) Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, jedoch besteht im tenorierten Umfang ein von der Beigeladenen eingeräumter vorläufiger Leistungsanspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII für die Dauer eines Monats ab 14. März 2023, dem Zeitpunkt der Antragstellung beim Sozialgericht.

An der vormals vom Senat vertretenen Auffassung, dass der Sozialhilfeträger nicht beizuladen sei, weil es sich bei den Leistungen nach § 23 SGB XII um ein Aliud handelt, wird aufgrund der Entscheidung des BSG vom 27. Januar 2021 (B 14 AS 25/20 R –, Rn. 36), nicht weiter festgehalten.

Der Antragstellerin sind vorläufig Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3, 5 SGB XII für einen Monat ab Antragstellung beim Sozialgericht zu gewähren. Ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ist hingegen nicht glaubhaft gemacht worden.

Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 19 Abs. 1, 27 ff SGB XII Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). 

Dabei steht der Umstand, dass die Antragstellerin nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, einem Anspruch auf Hilfeleistungen für sich genommen nicht entgegen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten. Zudem bewirkt der grundsätzliche Ausschluss des Antragstellers von Leistungen des SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, dass er nicht gemäß § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 32/17 R, juris). Jedoch erhalten nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII Ausländer keine Leistungen, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Die Antragstellerin unterfällt – wie bereits dargelegt - diesem Ausschlusstatbestand, da sie lediglich über ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche bzw. über kein Aufenthaltsrecht verfügt. Dieser Ausschluss vom Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar; hier gilt nichts Anderes als beim Leistungsausschluss im SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 32/17 R, Rn.33 juris).

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII werden hilfebedürftigen Ausländern, die § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist (§ 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII).

Der Senat sieht es für geboten an, der Antragstellerin vorläufig für einen Monat Leistungen ab Antragstellung beim Sozialgericht zu gewähren. 

Der Antragstellerin steht jedoch kein Anspruch auf laufende Überbrückungsleistungen im Sinne der Härtefallregelung der nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII zu. Nach dem Urteil des BSG vom 13. Juli 2023 erfordern Leistungen nach § 23 Abs. 3 Sätze 3 und 6 SGB XII keine Ausreisebereitschaft der Antragstellerin (BSG, Urteil vom 13. Juli 2023, B 8 SO 11/22 R, vgl. Terminsbericht des BSG 27/23). Ein Anspruch auf Härtefallleistungen setzt nach dem Wortlaut der von § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII jedenfalls voraus, dass Leistungen „im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten sind“. Dies ist hier nicht glaubhaft gemacht worden. Der Vortrag der Antragstellerin beschränkt sich weitgehend darauf, dass die Mutter (und das Neugeborene) nicht von den anderen Familienangehörigen getrennt werden könnten. Zur gesundheitlichen Situation der Antragstellerin und dem Kind wird nichts vorgetragen. Ebenso erfolgt kein Vortrag zur Reisefähigkeit. Diese Umstände liegen jedoch ausschließlich im Verantwortungsbereich der Antragstellerin und sind von ihr glaubhaft zu machen. Auf Basis des vagen Vortrags sind die Voraussetzungen einer vorläufigen Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII nicht glaubhaft gemacht. Denn durch die Härtefallregelung soll sichergestellt werden, dass auch über das Niveau der vorgesehenen Überbrückungsleistungen hinausgehende Bedarfe im Einzelfall gedeckt werden können (vgl. Deckers in: Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Auflage 2020, SGB XII § 23 Rn.76). Eine Gewährung der Leistung soll jedoch nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen, beispielsweise im Fall einer vorübergehenden Reiseunfähigkeit. Allgemeine, für den jeweiligen Personenkreis typische Härten reichen demgegenüber nicht aus (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2017, L 15 SO 104/17 B, juris; Groth in: BeckOK SozR, 64. Ed. 1.12.2021, SGB XII, § 23 Rn.18).

Ein derartiger Härtefall ist hier nicht dargelegt worden. 

Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Antragstellerin am 2. Mai 2023 ein weiteres Kind geboren hat und der Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und der Schutzbereich von Art. 6 GG betroffen sind. Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und nach § 23 Abs. 3 SGB XII betreffen im hiesigen Verfahren zwar nur einen Elternteil der minderjährigen Kinder, eröffnen dennoch den Schutzbereich von Art. 6 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2020 - 1 BvR 932/20), der für jedermann ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht enthält. Es handelt sich um ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in das ungestörte Zusammenleben in Ehe und Familie. Daraus lässt sich aber kein allgemeiner Anspruch ableiten, mit seiner Familie (auf Kosten der Allgemeinheit) gerade in Deutschland zu leben. Vielmehr können ausländische Staatsangehörige grundsätzlich darauf verwiesen werden, das Grundrecht durch ein Zusammenleben im Herkunftsland zu verwirklichen (vgl. v. Coelln in Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 24 mit Hinweis auf BVerfGE 76, 1, 46 ff.; 80, 81, 92). Zwar kann die einer ganzen Familie drohende Konsequenz des Leistungsausschlusses eines einzelnen Familienmitglieds unter bestimmten Umständen unverhältnismäßig sein, wenn etwa wegen der in Deutschland bestehenden Bindungen (dazu BVerfG a.a.O.) von einer Unzumutbarkeit der Ausreise aus Deutschland auszugehen ist. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit Kinder in Schulen oder Kinderbetreuungseinrichtungen eingegliedert sind und inwieweit sich der Aufenthalt der Familie in Deutschland bereits verfestigt hat und welche beruflichen Nachteile sich für den Partner des Antragstellers durch eine Ausreise in das Herkunftsland ergeben würden. 

Von einer solchen Unzumutbarkeit ist jedoch im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass eines der noch nicht schulpflichtigen Kinder der Antragstellerin und ihres Partners in einer Kindertageseinrichtung betreut wird. Die Familie ist erst im Juni 2022 nach Deutschland gekommen. Der Partner der Antragstellerin übt seit Juni 2022 eine unqualifizierte Tätigkeit von geringem Tätigkeitumfang aus. Es ist nicht ersichtlich, dass eine solche Tätigkeit nicht auch im Herkunftsstaat ausgeübt werden könnte. 

Es ist auch nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, dass am derzeitigen Wohnort der Familie besondere soziale Beziehungen bestehen, die auf einen verfestigten Aufenthalt der Familie schließen lassen. Es ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass der Vortrag der Antragstellerin diesbezüglich sehr vage bleibt. Anhaltspunkte, die eine Verletzung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK glaubhaft machen, sind aufgrund des vagen Vortrages nicht erkennbar.

Auch die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Sätze 3 und 6 SGB XII sei aus verfassungsrechtlichen Gründen dahingehend weit auszulegen, dass allein der Aufenthalt im Bundesgebiet einen Härtefall begründe bzw. die Voraussetzungen der Härtefallregelungen vorlägen, wenn der betroffene Unionsbürger die Vermutung eines Freizügigkeitsrechts für sich in Anspruch nehmen könne und die Ausländerbehörde aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht ergriffen habe, sein Aufenthalt also faktisch geduldet werde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2019, L 15 SO 181/18, Rn.63, juris), wird vom Senat nicht geteilt. Der Senat geht mit der neueren Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/22 R, Rn. 38f) davon aus, dass es mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG) vereinbar ist, dass Ausländer, die wie der Antragsteller über kein Aufenthaltsrecht oder nur ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche verfügen und denen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland möglich und zumutbar ist, von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und zur Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sind. Das BSG hält es für verfassungsrechtlich unbedenklich, dass in bestimmten Konstellationen Personen von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen sein können, auch wenn sie de facto ohne hinreichende finanzielle Mittel sind (BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R, Rn. 37, juris). Es führt in der Entscheidung weiter aus: „In entsprechender Weise darf der Gesetzgeber Unionsbürger regelmäßig darauf verweisen, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat als Ausprägung der eigenverantwortlichen Selbsthilfe zu realisieren (vgl nochmals zu § 120 Abs 1 BSHG BVerwG vom 8.7.1988 - 5 B 136/87 - Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 9 = juris RdNr 3; allgemein zur Zumutbarkeit der Rückkehr von Ausländern in ihre Heimatländer, selbst wenn damit familiäre oder wirtschaftliche Nachteile verbunden sind, etwa: BVerfG vom 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 ua - BVerfGE 76, 1 [57] = juris RdNr 117; BVerfG [Kammer] vom 16.9.1992 - 2 BvR 1546/92 - juris RdNr 2 f; BVerfG [Kammer] vom 20.10.2021 - 2 BvQ 95/21 - juris RdNr 13; BVerwG vom 18.2.2021 - 1 C 4/20 - juris RdNr 33 ff; BVerwG vom 24.6.2021 – 1 C 27/20 - juris RdNr 14 ff). Auch das BVerfG hat bereits von einem Beschwerdeführer verlangt, sich mit der Möglichkeit einer Bedarfsdeckung im Ausland auseinanderzusetzen (BVerfG [Kammer] von 4.10.2016 - 1 BvR 2778/13 - juris RdNr 8)“ (BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R, Rn. 38, juris). 

Anders als bei den vom Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erfassten Personen besteht bei Unionsbürgern und damit auch beim Antragsteller grundsätzlich kein Anlass, an der Zumutbarkeit seiner Ausreise zu zweifeln. So ist es Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG für Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG, die gerade nicht in jedem Fall zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können, um dort ihren Lebensunterhalt zu sichern, auch umfangreichere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung erfordern. Bei Unionsbürgern kann sich die Gewährleistungsverpflichtung demgegenüber darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch eingeschränkte Leistungen zu unterstützen. Soweit eine Ausreise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, greift die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ein. Der Gesetzgeber bewegt sich mit den Regelungen der § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und b SGB II und § 23 Abs. 3, Abs. 3a SGB XII innerhalb des Spielraums, welcher ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R –, Rn. 39, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. April 2022, L 18 AS 312/22 B ER, Rn.12, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2022 – L 8 AS 449/22 B ER, Rn. 18, juris).

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Rückreise (§ 23 Abs. 3a SGB XII) war nicht zu prüfen. Ein dahingehendes Begehren der Antragstellerin besteht ohne Ausreiseabsicht ersichtlich nicht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2022 – L 8 AS 449/22 B ER, Rn. 19, juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Aufgrund der unmittelbar erklärten Bereitschaft der Beigeladenen der Antragstellerin für einen Monat Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGG zu gewähren, übt der Senat sein Ermessen dahingehend aus, dass die Beigeladene nicht mit einer Kostentragung belastet wird. Hierbei wird auch berücksichtigt, dass die Antragstellerin keinen Ausreisewillen hat und für die Dauer ihres Aufenthalts Leistungen begehrt; sie obsiegt daher mit ihrem Antrag nur in geringem Umfang.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den Beschwerderechtszug bewilligt (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
Saved