L 1 BA 35/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 BA 30/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 35/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 BA 15/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Leistungs-/Zahlungsbescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers nach § 28p S. 5 SGB IV über rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die als Insolvenzforderungen anzumelden sind, kann gegenüber dem Insolvenzverwalter ergehen. 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2021 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht ein Prüfbescheid der Beklagten. Der Sache nach geht es um die Rechtsfrage, ob die Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Nachforderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vor der Eröffnung, die Insolvenzforderungen darstellen, durch einen solchen Prüfbescheid festsetzen darf.

Das Amtsgericht Charlottenburg in Berlin eröffnete mit Beschluss vom 09. Mai 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AGmbH und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Das Insolvenzverfahren dauert an.

Auf Bitten mehrerer Einzugsstellen nach § 28p Abs. 1 S. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) führte die Beklagte daraufhin eine sogenannte Ad hoc-Prüfung bei der A GmbH für den Prüfzeitraum vom 01. Juli 2017 bis zum 08. Mai 2019 durch.

Nach einer Abschlussbesprechung bestimmte sie mit Bescheid vom 30. September 2019 gegenüber dem Kläger, dass die sich aus der Prüfung ergebenden Insolvenzforderungen 14.492,96 € betragen. Die Insolvenzforderungen würden im Rahmen des Insolvenzverfahrens nach § 38 Insolvenzordnung (InsO) von den zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen geltend gemacht. Zur Begründung führte sie u. a. aus, als Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 S. 3 SGB IV anlässlich eines eröffneten Insolvenzverfahrens befugt zu sein, Nachforderungsbescheide zu erlassen (Bezugnahme auf Urteil des Bundessozialgerichts – BSG vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R). Im Bereich der Sozialversicherung existiere ein zweigeteiltes Verfahren, welches dazu führe, dass selbst ein insolvenzrechtliches Vollstreckungsverbot die Befugnis des Rentenversicherungsträgers nicht einschränke, einen solchen Verwaltungsakt zu erlassen. Dem Verwaltungsakt nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB V komme aber nur der Charakter eines Grundlagenbescheides zu, weil die Arbeitgeberprüfung keine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung entfalte. Vorliegend sei die letzte Lohn- und Beitragsrechnung für den Monat April 2019 durchgeführt worden. Es fehlten aufgrund der Insolvenz die Beitragsnachweise für die Zeit ab 1. Mai 2019. Ferner seien für eine Arbeitnehmerin für den Beschäftigungszeitraum vom 01. September 2018 bis 08. Mai 2019 bisher keine Beiträge nachgewiesen. Der Bescheid enthielt ferner den Hinweis, dass er Beiträge als Insolvenzforderungen nach § 38 InsO feststelle, die nach §§ 187 ff. InsO zu befriedigen seien. Die Insolvenzforderungen würden von den zuständigen Einzugsstellen nach § 175 InsO gemeldet. Eine Zahlungsaufforderung sei damit nicht verbunden. Diese Prüffeststellung sei im Rahmen einer Schlussbesprechung einer Mitarbeiterin der vom Kläger beauftragten Abrechnungsstelle vorgetragen worden. Die Schlussbesprechung gelte als Anhörung nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Der Kläger erhob Widerspruch: Die Beklagte dürfe die geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt festsetzen. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des BSG betreffe Masseverbindlichkeiten. Vorliegend würden jedoch lediglich Beiträge für die Zeit bis zur Insolvenzeröffnung gefordert, also Insolvenzforderungen. Für solche sähen §§ 174 ff. InsO ein formelles Prüfverfahren vor. Das Prüfrecht der übrigen Gläubiger und das formalisierte Prüfverfahren würde unterlaufen, hielte man Grundlagenbescheide der Prüfbehörde für zulässig. Jeglicher Einwand eines Insolvenzgläubigers gegen die entsprechende Tabellenanmeldung wäre obsolet, wenn außerhalb des insolvenzgerichtlichen Prüfverfahrens eine rechtskräftige Regelung zu Beitragsrückständen erfolgt sei.

Eine Beteiligung der betroffenen (ehemaligen) Arbeitnehmer der A GmbH oder dieser selbst erfolgte im Ausgangs- oder Widerspruchsverfahren nicht.

Am 21. Februar 2020 hat der Kläger (Untätigkeits-) Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.

Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2020 zurückgewiesen und zu dessen Begründung ergänzend ausgeführt, anders als in der Finanzverwaltung, bei der das prüfende Finanzamt als Prüfinstitution und als Gläubiger auftrete, seien die Rentenversicherungsträger zwar Prüfinstitution, jedoch nicht Gläubiger des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Sie prüften das „Beitrags-Soll“ und stellten es durch Bescheid ohne Zahlungsaufforderung fest. Für letztere seien die Einzugsstellen zuständig. Aus der bereits angeführten Entscheidung des BSG folge nicht, dass Forderungen nicht per Verwaltungsakt festgesetzt werden dürften, wenn es sich um Insolvenzforderungen und nicht um Masseverbindlichkeiten handele.

Der Kläger hat das Verfahren unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides fortgesetzt. Er hat zur Klagebegründung vorgebracht, das SG Berlin habe in einem Urteil vom 06. August 2019 (Az. S 169 KR 1583/16) sogar eine Prüfmitteilung der Beklagten ohne Rechtsmittelbelehrung als insoweit verbindlichen Feststellungsbescheid angesehen. Es sei ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), dass hinsichtlich von Tabellenforderungen keine Grundlagenbescheide ergehen dürften, weil sonst das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren unterlaufen werde. Ein Betreiben durch einen Dritten, sei es auch nur durch Grundlagenbescheid, sehe das Gesetz nicht vor. Deshalb könne ausschließlich die Einzugsstelle rückständige Beiträge durch Verwaltungsakt über Grund und Höhe feststellen. Diese Feststellung müsse gegenüber allen Bestreitenden betrieben werden, § 179 Abs. 1 InsO. Die erforderliche Beteiligung der Bestreitenden würde umgangen werden, wenn der Rentenversicherungsträger durch einen nur an den Insolvenzverwalter adressierten Grundlagenbescheid endgültige Fakten schaffte.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Mai 2021 den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. April 2020 aufgehoben. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, die erhobene insolierte Anfechtungsklage sei nach Ergehen des Widerspruchsbescheides zulässig geworden. Die Klage sei auch begründet, weil die Beklagte nicht berechtigt sei, durch Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge festzustellen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fehle ihr die Befugnis hierfür. Die Entscheidung des BSG vom 28. Mai 2015 (B 12 R 16/13 R) betreffe Masseverbindlichkeiten und sei für Insolvenzforderungen nicht einschlägig (Bezugnahme auf LSG Hessen, Urteil vom 30. Januar 2020 – L 1 KR 683/18 – juris Rdnr. 52).Gegen diese am 10. Juni 2021 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten vom 28. Juli 2021. Zur Berufungsbegründung macht sie zusätzlich geltend, im Urteil vom 28. Mai 2015 (B 12 R 16/13 R) habe das BSG ausgeführt, dass die in der Abgabenordnung (AO) angelegte systematische Trennung zwischen Festsetzungsverfahren (§§ 155 ff. AO) und Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) auch für sozialversicherungsrechtliche Beitragsforderungen gelte. Es existiere ein zweigeteiltes Verfahren, welches dazu führe, dass das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO lediglich die Befugnis einschränke, einen Verwaltungsakt zu vollstrecken, nicht aber, ihn zu erlassen. Dem Feststellungs- und Zahlungsbescheid nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV komme danach nur der Charakter eines Grundlagenbescheides für die Erhebung der Beiträge zu, weil die Arbeitgeberprüfung eine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung nicht entfalte. Er erweise sich – so das BSG – nicht deshalb als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, nur weil er aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht vollstreckt werden könne. Diese Aussage treffe auch auf Zeiträume vor der Insolvenzeröffnung und damit auf Insolvenzforderungen zu. Erfolge bei einem Arbeitgeber aus Anlass der Insolvenzeröffnung eine Prüfung, könne der prüfende Rentenversicherungsträger Feststellungen hinsichtlich fehlerhaft beurteilter Versicherungspflicht oder fehlerhaft gemeldeter beitragspflichtiger Entgelthöhen treffen. Die sich daraus ergebenden Beitragsrückstände resultierten alleine aus dem Ergebnis dieser Prüfung und wären aus dem bei der Einzugsstelle geführten Arbeitgeberkonto nicht ersichtlich. Anhand der Daten im Arbeitgeberkonto könnten die Einzugsstellen ausschließlich insolvenzbedingte Rückstände aus bereits erhaltenen Beitragsnachweisen ermitteln und anmelden. Letztere stelle der prüfenden Rentenversicherungsträger auch nicht mittels Bescheid fest, weil die Prüfung anhand der sogenannten Sollstellungen erfolge, welches sich aus den vom Arbeitgeber erstellten und an die Einzugsstellen übermittelten Beitragsnachweisen ergäben. Er regele also mit dem Bescheid alleine die Feststellungen, die aus einem gesetzlichen Prüfauftrag resultierten. Zu diesen Feststellungen seien die Einzugsstellen aufgrund ihrer Daten aus dem Arbeitgeberkonto nicht in der Lage, weil ihnen die rechtliche Befugnis zur Durchführung der dafür erforderlichen Prüfung fehle und mittels ihrer Daten aus dem Arbeitgeberkonto nicht möglich sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt ergänzend aus, die von der Beklagten vertretene Auffassung von der Zweiteilung des Prüfverfahrens umgehe die spezielleren Vorschriften der §§ 174 ff. InsO zur Forderungsanmeldung und Forderungsprüfung. Der Grundlagenbescheid sei keinesfalls zwingende Voraussetzung, ebenso wenig wie ein Grundlagenbescheid nach § 155 Abs. 2 AO eine Voraussetzung für den Erlass eines Steuerbescheides sei. Soweit ein Insolvenzverwalter die Anmeldungen durch die Einzugsstelle bestreiten könne, sei ein vorangegangener Prüfbescheid unverhältnismäßig, denn es fehle an der Erforderlichkeit.

Die beigeladenen Einzugsstellen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte eine Endentscheidung treffen. Weitere Beiladungen nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mussten nicht erfolgen. Eine Bindungswirkung des hier streitgegenständlichen Bescheides auf weitere Personen wie die indirekt betroffenen früheren Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin scheidet aufgrund des noch darzustellenden Vorrangs der Regelungen der InsO für die Feststellung der Berechtigung von Insolvenzforderungen aus.

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Auf die Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil wird insoweit verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt. Denn für die Klagebefugnis reicht die Möglichkeit der Verletzung subjektiver Rechte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. März 2020 – L 1 KR 178/17 KL –, juris-Rdnr. 79 unter Bezugnahme BSG, Urteil vom 16. Juli 2019 – B 12 KR 6/18 R – Rdnr. 23). Die Klagebefugnis fehlt nur dann, wenn dem Kläger das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann (Walter Böttiger in: Fichte/Jüttner, SGG, § 54, Rdnr. 48). Der Kläger geht hier von einer Verletzung seiner Rechte als Insolvenzverwalter nach §§ 178 ff. InsO aus. Er will einen ihn formal belastenden Verwaltungsakt aufgehoben wissen. Solange das Insolvenzverfahren andauert, kann zudem auch keine Erledigung eingetreten sein

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 30. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Beklagte war vorliegend — entgegen der Auffassung des Klägers und des SG — nach der von ihr durchgeführten Betriebsprüfung zum Erlass eines sogenannten Prüfbescheides ermächtigt und verpflichtet.

Die Rentenversicherungsträger sind, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, im Insolvenzfalle nach § 28p Abs. 1 S. 4 SGB IV berechtigt, auch außerhalb des üblichen Prüfungsturnus eine Betriebsprüfung durchzuführen. Denn die Einzugsstellen unterrichten den Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1. S. 3 SGB IV, wenn sie eine alsbaldige Prüfung beim Arbeitgeber für erforderlich halten. Die Vorschrift ermächtigt u. a. bei einer zu erwartenden Einstellung der Betriebsstätigkeit und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer sogenannten Ad-hoc-Prüfung, um die Beitragseinnahmen der Versicherungsträger zu sichern (Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 28p SGB IV -Stand: 14.03.2023, Rdnr. 54). Diese Befugnis steht hier zwischen den Beteiligten außer Streit.

Ganz allgemein sind die Rentenversicherungsträger als Prüfbehörde abweichend von der normalen Zuständigkeit der Einzugsstellen (§ 28h SGB IV) darüber hinaus ermächtigt, nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe gegenüber dem Arbeitgeber zu erlassen. Die Beteiligten sind sich ferner darin einig, dass diese Befugnis nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch für die Feststellung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen gegenüber dem Insolvenzverwalter besteht, weil sie erst nach der Insolvenzeröffnung begründet werden. Solche Forderungen, die durch Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO. Diese sind gemäß § 53 InsO vorab außerhalb des förmlichen Insolvenzverfahrens zu berichtigen. Die Regelungsbefugnis besteht auch, wenn der Insolvenzverwalter die Anzeige der Masseunzulänglichkeit erklärt hat und deshalb ein insolvenzrechtliches Vollstreckungsverbot existiert. Der prüfende Rentenversicherungsträger ist dadurch nicht gehindert, nach einer Betriebsprüfung ermittelte rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid festzusetzen (BSG, Urteil vom 15. September 2016 – B 12 R 2/15 R – juris Rdnr. 24 mit Bezugnahme auf sein Urteil vom 28. Mai 2015 Rdnr. 20 ff). Denn im Falle einer Betriebsprüfung ist das Verfahren zur Erhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen grundsätzlich zweigeteilt. Der Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers hat die Funktion eines Grundlagenbescheides. Ob ein solcher Bescheid vollstreckt werden darf oder die zwangsweise Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots ausscheidet, ist erst auf einer späteren Ebene von den Krankenkassen als Einzugsstellen beim Einzug der Beiträge zu prüfen.

Außer Streit steht schließlich die rechtliche Bewertung, dass den Vorschriften der InsO für die Behandlung von Insolvenzforderungen vorrangige Geltung zukommt. Nach § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Zum vorrangigen Verfahrensziel der gemeinschaftlichen sowie gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger (§ 1 InsO) sieht die Insolvenzordnung ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Forderungen vor, wonach zunächst alle Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden haben (§ 174 Abs. 1 S. 1 InsO). Dieser trägt sie in eine Tabelle ein (§ 175 Abs. 1 S. 1 InsO). Wird gegen die Forderung kein Widerspruch erhoben oder ein solcher beseitigt, gilt sie als festgestellt (§ 178 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Eintragung in die Tabelle wirkt wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern, § 178 Abs. 3 InsO. Widersprechen können der Insolvenzverwalter, jeder Insolvenzgläubiger und der Schuldner (vgl. § 179 Abs. 1 und §§ 178 Abs. 1 S. 2, 184 InsO). Für bestrittene Forderungen muss der Gläubiger die gerichtliche Feststellung betreiben (§ 179 Abs. 1 InsO), die wiederum gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirkt, § 183 InsO. Nach der InsO ist das Verfahren dabei unterschiedlich, je nachdem, ob die angemeldete Forderung bereits tituliert ist oder nicht. Gibt es bislang keinen Titel, bleibt es nach § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. Liegt hingegen für eine bestrittene Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen (§ 179 Abs. 2 InsO). Dieses Betreiben hat, wenn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben ist, bei dem zuständigen anderen Gericht oder — wie hier soweit es den Gesamtsozialversicherungsbeitrag betrifft — vor der zuständigen Verwaltungsbehörde zu erfolgen, § 185 InsO (vgl. Jungmann in: K. Schmidt InsO, § 185 Rdnr. 4 m.w.N.). Zuständig sind nicht die Träger der Rentenversicherung, die keine Insolvenzgläubiger sind, sondern nach § 28h SGB IV die Krankenkassen als Einzugsstellen. Das Insolvenzverfahren erfasst neben privatrechtlichen Ansprüchen auch Steuerforderungen, öffentliche Abgaben und sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen, wie sich etwa aus § 55 Abs. 4 und § 185 InsO ableiten lässt und daraus folgt, dass der Gesetzgeber für diese Ansprüche jenseits der InsO keine insolvenzrechtlichen Sondervorschriften getroffen hat. Das führt u. a. dazu, dass die Träger der öffentlichen Verwaltung ihre Insolvenzforderungen nur nach Maßgabe der InsO geltend machen können (§ 87 InsO). Damit ist der Erlass eines Leistungsbescheides während des Insolvenzverfahrens grundsätzlich unzulässig (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 26. Februar 2015 – 3 C 8/14 –, BVerwGE 151, 302-310, Rdnr. 11 mit Bezugnahme auf Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21.02, – juris Rdnr. 16 für das Verfahren der Konkursordnung, BFH, Urteil vom 16. April 2013 - VII R 44/12 - BFHE 241, 291, Rdnr. 17 ff, 21). Es besteht die soweit ersichtlich einhellige Auffassung, dass einer Behörde als Gläubigerin von Steuerverbindlichkeiten oder Gebühren aufgrund § 87 InsO verboten ist, rechtsgestaltend durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) Insolvenzforderungen festzusetzen. Auch das BSG hat für das Konkursverfahren geklärt, dass es keine Befugnis oder gar Verpflichtung der Versicherungsträgers — konkret der Einzugsstelle — gibt, Beitragsforderungen als Konkursforderungen vor Anmeldung zur Konkurstabelle durch einen Verwaltungsakt gegenüber dem Konkursverwalter festzustellen (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 32/00 R – juris Rdnr. 15).

Diesen Vorrang des Insolvenzrechts will auch die Beklagte beachtet wissen, indem sie mit dem streitgegenständlichen Bescheid keine Zahlungsaufforderung verbunden hat.

Dissens besteht allerdings bei der Frage, ob der Rentenversicherungsträger — hier die Beklagte — auch für Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die bis zur Insolvenzeröffnung entstanden sind und die deshalb Insolvenzforderungen i. S. d. § 138 InsO darstellen, einen Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid in Form eines Grundlagenbescheides nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV mit rechtsgestaltender Wirkung erlassen darf, oder ob auch dem §§ 87, 174ff InsO entgegenstehen.

Nach der Auffassung der Beklagten hat der Prüfbescheid im Insolvenzverfahren vor allem die Funktion, den Einzugsstellen die Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen zu ermöglichen, wenn Beitragsnachweise und/oder Meldungen des Arbeitgebers fehlten bzw. unvollständig oder unzutreffend seien. Die Betriebsprüfung erfülle insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge unternehmen könnten. In diesem Sinne regele ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Prüfbescheid des Rentenversicherungsträgers für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug. Erst der Prüfbescheid des Rentenversicherungsträgers schaffe die Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis und vermittele insoweit den Nachweis einer Rechtsstellung, ohne gleichzeitig bereits die Funktion eines Vollstreckungstitels im engeren Sinne zu haben, der Verwaltungsakten mit einem Leistungs- bzw. Zahlungsgebot üblicherweise zukomme (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R – Rdnr. 23, ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Oktober 2023 –L 14 BA 47/21 -, LSG Sachsen, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 – juris Rdnr. 31).

Hingegen sind der Kläger und ihm folgend das SG der Auffassung, die Befugnis zum Erlass von Leistungs- oder Zahlungsbescheiden über Ansprüche auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zu entscheiden werde bei Insolvenzforderungen durch die Regelungen der InsO zur Gänze verdrängt. Die angeführte Rechtsprechung des BSG könne sich nur auf Masseverbindlichkeiten beziehen (vgl. auch LSG Hessen, Urteil vom 30. Januar 2020 – L 1 KR 683/18 – juris Rdnr. 52; SG Berlin, Urteil vom 18. August 2021 – S 198 BA 135/20). Die Rentenversicherungsträger dürften in solchen Fällen alleine sogenannte Prüfmitteilungen erlassen, anhand derer die Einzugsstellen als Insolvenzgläubiger in der Lage seien, Ansprüche im Insolvenzverfahren anzumelden. Feststellungsberechtigt sei der Gläubiger, also bei Gesamtsozialversicherungsbeiträgen die Einzugsstelle. Der Bestreitende könne hiergegen vorgehen und Rechtsbehelfe einlegen. Diese Systematik würde durchbrochen, wenn man es zuließe, dass der Rentenversicherungsträger einen Betriebsprüfungsbescheid erlasse, da dann außerhalb des Insolvenzverfahrens eine Forderung verbindlich festgestellt werde. Unabhängig von der Systemwidrigkeit würden Rechte anderer Gläubiger, die im Betriebsprüfungsverfahren nicht beteiligt seien, aber im Insolvenzverfahren bestreiten könnten, beschnitten. Dies widerspreche dem Grundsatz, dass Sozialversicherungsbeiträge in der InsO keine Sonderstellung einnähmen. Die Befugnis ergebe sich auch nicht aus der Zweistufigkeit des Verfahrens zur Durchsetzung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Rahmen der Betriebsprüfung. Zwar sei der Betriebsprüfungsbescheid nur ein Grundlagenbescheid jedoch regele ein Betriebsprüfungsbescheid ebenfalls verbindlich für die beteiligten Sozialversicherungsträger und den Arbeitgeber als Schuldner der Beiträge, in welcher Höhe Gesamtsozialversicherungsbeiträge geschuldet seien. Ein Betriebsprüfungsbescheid, der eine konkrete Forderungshöhe in seinem Verfügungssatz bestimme, gehe daher über eine reine Berechnungsgrundlage für die Einzugsstellen hinaus. Die materielle Bindungswirkung sei das essentielle Wesen des Verwaltungsaktes. Sie bedeute, dass die Regelung für das Erlassen der Behörde und für die Beteiligten grundsätzlich verbindlich sei. Soweit eine bestrittene Forderung, die zur Tabelle angemeldet worden sei, durch einen Verwaltungsakt festgestellt sei, gelte dieser als vollstreckbarer Schuldtitel i. S. d. §§ 179 Abs. 2, § 184 Abs. 2 InsO. Die durch Verwaltungsakt festgestellte angemeldete Forderung gelte bei Bestreiten als vollstreckbarer Schuldtitel (Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 15. März 2019 – VII B 49/12 – Rdnr. 7 m.w.N).

Nach Auffassung des Senats lässt sich ein Prüfbescheid als Verwaltungsakt mit Regelungscharakter (§ 31 SGB X) nach § 28p Abs. 1. S. 5 SGB IV mit dem Vorrang der Regelungen der InsO für die ausschließliche und abschließende Klärung des Umfangs von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen als Insolvenzforderungen vereinbaren:

Ausgangspunkt ist zunächst der Umstand, dass § 28p SGB IV nicht nur eine Ermächtigungsgrundlage dafür ist, dass der Arbeitgeber — in dessen Funktion der Insolvenzverwalter mit allen Rechten und Pflichten eintritt (vgl. BSG, Urt. vom 15. September 2016 Rdnr. 22) — die ad-hoc Prüfung aufgrund Unterrichtung der Einzugsstelle (§ 28p Abs. 1 S. 3 SGB IV) zu dulden und dabei mitzuwirken hat, § 10 Beitragsverfahrensverordnung (BVV). Am Ende steht regelmäßig nicht nur eine Prüfmitteilung, vielmehr erlassen die Prüfbehörden Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe, § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV.

Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat aus eigener Überzeugung folgt, handelt es sich bei § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV weiter auch nicht nur um eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts, soweit Nachforderungen festgestellt werden, sondern um einen verpflichtenden Auftrag, Umfang und Ergebnis der durchgeführten Prüfung anzugeben. Denn nach § 7 Abs. 4 S. 1 BVV ist dem Arbeitgeber das Ergebnis der Prüfung innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung "mitzuteilen". § 28p Abs.1 S. 5 SGB IV spricht auch allgemein von Verwaltungsakten "zur Versicherungspflicht". Die Vorschrift ist deshalb im Lichte von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und im Einklang mit § 7 Abs. 4 S. 1 und 2 BVV dahingehend auszulegen, dass auch bei beanstandungsfreiem Abschluss einer Betriebsprüfung das Verfahren mit einer rechtswirksamen Feststellung zum (Nicht-)Bestehen von Versicherungs- oder Beitragspflicht in den stichprobenweise geprüften Auftragsverhältnissen und zum Ergebnis der übrigen geprüften Sachverhalte abzuschließen ist. Es entspricht grundrechtsschonender Auslegung, auch das Ergebnis beanstandungsfreier Betriebsprüfungen in dem Sinne "rechtssicher" auszugestalten, dass die Arbeitgeber sich hierauf berufen können und beschränkt sich nicht auf deren positive Feststellung (BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, BSGE 129, 95-106, Rdnr. 33 - 34). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt insoweit den nach einer Betriebsprüfung ergangenen Verwaltungsakten (dadurch) eine materielle Bindungswirkung zu, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht und Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume festgestellt worden sind (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 R 7/20 R – Rdnr. 13 mit Bezugnahme auf das Urteil vom 19. September 2019).

Allerdings ist der Prüfbescheid als Ergebnis der Ad-hoc-Prüfung kein normaler sofort vollziehbarer Leistungsbescheid, sondern ein Grundlagenbescheid im Rahmen eines zweigeteilten Verfahrens (BSG, Urt. vom. 28. Mai 2015, Rdnr. 23 sowie vom 15. September 2016 Rdnr. 24). Anders als in der Steuerverwaltung und in der allgemeinen Verwaltung besteht jedenfalls formal gerade keine Identität zwischen Festsetzungsbehörde und der Gläubigerstellung. Die Aufteilung der Beitragserhebungsverfahren ist im Fall einer Betriebsprüfung durch die Träger der Rentenversicherung bewusst aufgeteilt. Seit 1. Januar 1996 liegt die Überprüfung von Arbeitgebern nicht mehr — wie bis dahin — bei den Krankenkassen als Einzugsstellen, sondern obliegt den Rentenversicherungsträgern, die diese grundsätzlich in alleiniger Verantwortung durchzuführen haben (vgl. BSG, Urt. v. 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 Rdnr. 22 mit Nachweis aus dem Gesetzgebungsverfahren). In der Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger liegt die Prüfung der ordnungsgemäßen Erledigung der melde- und beitragsrechtlichen Pflichten der Arbeitgeber. Hingegen ist die laufende Überwachung des Meldeverfahrens (vgl. § 28a SGB IV) und — in diesem Zusammenhang — der Einreichung der Beitragsnachweise und der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Beitragseinzug, hier die Geltendmachung von (rückständigen) Beiträgen, weiterhin den Einzugsstellen übertragen (vgl. § 28h Abs. 1 S. 2 und 3 SGB IV). Die Betriebsprüfung hat insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge (vgl. § 28h Abs. 1 S. 3 SGB IV) unternehmen können. Im Insolvenzverfahren hat der Nachforderungsbescheid des Rentenversicherungsträgers vor allem die Funktion, den Einzugsstellen die Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen zu ermöglichen, wenn Beitragsnachweise und/oder Meldungen des Arbeitgebers fehlen bzw. unvollständig oder unzutreffend sind (vgl. § 28f Abs. 3 S. 3 SGB IV). In diesem Sinne regelt ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid des Rentenversicherungsträgers für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015, Rdnr. 23). Der Prüfbescheid ersetzt im Insolvenzverfahren typischerweise — wie vorliegend — die für die Zeit kurz vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits fehlenden Arbeitgebermeldungen.

Eine rechtsgestaltende Wirkung der Feststellung mit Bindung der weiteren Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren tritt dadurch aber nicht ein. Denn die zwingenden Regelungen der InsO schließen einen Widerspruch gegen die auf Grundlage des Prüfbescheides erfolgenden Forderungsanmeldung der Einzugsstelle selbst bei dessen Bestandskraft nicht aus. Damit das Bestreitensrecht nicht von vornherein leerläuft, darf von Gesetzes wegen auch die Einzugsstelle im Feststellungsverfahren nach § 185 InsO nicht bereits durch den Prüfbescheid vollumfänglich gebunden sein.

Dies folgt rein praktisch bereits aus der fehlenden Einbeziehung Dritter in das Prüfverfahren. Rechtswirkungen gegenüber diesen scheiden deshalb aus. Zwar folgt aus den Worten in § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV "gegenüber den Arbeitgebern" nicht, dass der prüfende Rentenversicherungsträger ausschließlich zu Feststellungen über die Versicherungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber berechtigt ist. Diese dürfen auch gegenüber den (vermeintlich bzw. potentiell) Versicherten ergehen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – juris Rdnr. 21). Regelmäßig beteiligen die prüfenden Rentenversicherungsträger aber weder die betroffenen Beschäftigten noch bei laufendem Insolvenzverfahren die Gemeinschuldner, geschweige denn andere Insolvenzgläubiger. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Verfahren nur gegenüber dem Kläger geführt.

In dieser Konstellation werden deshalb weder die Versicherten als Insolvenzgläubiger noch der Gemeinschuldner, geschweige denn andere Gläubiger, welche sich gegen die aus ihrer Sicht bestehende rechtswidrige Gläubigerkonkurrenz zu Lasten der Insolvenzquote wenden, durch den Prüfbescheid (indirekt) in ihren Rechten im Insolvenzverfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter oder gegenüber anderen Gläubigern wie den Einzugsstellen gebunden. Der Insolvenzverwalter kann und muss, beispielsweise bei einer Forderungsanmeldung eines Dienstleisters dessen Anmeldung prüfen, unabhängig davon, ob der Prüfbescheid des Rentenversicherungsträgers insoweit bereits eine Beitragspflicht aufgrund Beschäftigung feststellt hat. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach §§ 179, 185 InsO gilt dies auch im Verhältnis des bestreitenden Gläubiger zu der hierfür zuständigen Einzugsstelle. Gegenüber den Einzugsstellen kann der Prüfbescheid deshalb nur eine relative Bindungswirkung entfalten. Soweit der bestreitende Gläubiger — wie regelmäßig — am Prüfverfahren nach § 28p SGB IV nicht beteiligt gewesen ist, darf sich die Einzugsstelle nicht auf die Bestandskraft des Prüfbescheides beziehen, sondern muss nach Recht und Gesetz entscheiden und zum Beispiel ihr neue Sachverhalte zugrunde legen. Eine Bindung der Einzugsstelle im Feststellungsverfahren nach §§ 179, 185 InsO an den Prüfbescheid verstieße gegen den Vorrang des § 87 InsO. Eine solche anzuerkennen, führte der Intention der InsO widersprechend auf dem Weg des Prüfbescheides einen Vorrang für die Insolvenzforderung Gesamtsozialversicherungsbeiträge ein. Nach der Grundregel der §§ 1, 38 und 87 InsO gibt es jedoch keine verschiedenen Klassen von Insolvenzgläubigern, bewusst im Unterschied zur Konkursordnung (KO), unter deren Geltung Gesamtversicherungsbeiträge vorrangig befriedigt wurden (vgl. §§ 57, 59 Abs.1 Nr. 3 lit. e, 60 KO).

Hinzu kommt, dass anmeldende Gläubigerin zwar die Einzugsstelle ist, diese aber auch die Rentenversicherungsbeiträge einzieht und an die Träger der Rentenversicherung weiterleitet, §§ 28h Abs. 1, 28k Abs. 1 SGB IV. Nicht selten sind prüfender Rentenversicherungsträger und letztlich begünstigter Rentenversicherungsträger identisch. Eine gewisse Privilegierung der Einzugsstellen findet bereits durch die Pflicht des Insolvenzverwalters zur Duldung und Mitwirkung an der Ad-hoc-Prüfung statt, weil die damit praktisch zwangsläufig verbundenen Kosten die Masse belasten. Auch im vorliegenden Fall erfolgte die Prüfung ausweislich des Bescheides bei der vom Insolvenzverwalter beauftragten Abrechnungsstelle.

Der Vorrang des Feststellungsverfahrens nach §§ 179, 185 InsO verbietet es auch, dieses zunächst aussetzen und zuerst eine Aufhebung des Prüfbescheides nach § 44 SGB X initiieren oder gar selbst beantragen zu müssen. Es stellte eine Umgehung der Regelungen der InsO dar, wenn der Insolvenzverwalter im Rahmen der Prüfung der Insolvenzforderungen, bzw. die Einzugsstelle oder gar der widersprechende Insolvenzgläubiger im Feststellungsverfahren zunächst eine solche Abänderung des Prüfbescheides erwirken müssten.

Keine Bestandswirkung kann im Übrigen auch im Verhältnis der Einzugsstellen zum Gemeinschuldner selbst entstehen, gerade auch nicht in den Fällen, in denen der Schuldner seinen gesetzlichen Verpflichtungen als Arbeitgeber vor der Insolvenz nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist und deshalb sogar eine Haftung über die Insolvenzquote hinaus nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in Betracht kommt (vgl. bei der Insolvenz einer GmbH und bei natürlicher Personen einerseits die deliktische Haftung des Geschäftsführers gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. § 266a Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch gegenüber dem Sozialversicherungsträger auf Schadensersatz, wenn und soweit Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abgeführt worden sind bzw. andererseits den Ausschluss von der Restschuldbefreiung bei vorsätzlich begangener unerlaubten Handlung nach § 302 Nr. 1 InsO). Nicht nur eine Gläubigerin und der Insolvenzverwalter können Forderungen widersprechen, sondern auch der Schuldner, § 178 Abs. 1 S. 2 InsO, mit der Rechtsfolge, dass nach § 201 Abs. 2 InsO dem Insolvenzgläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kein Auszug aus der Tabelle zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt wird. (vgl. Depré in: Kayser/Thole, Insolvenzordnung [Heidelberger Kommentar], § 184 Rdnr. 1). Ein Feststellungsverfahren nach §§ 184 Abs. 1, 185 InsO kann und muss auch in diesem Fall geführt werden.

Eine Bindungswirkung des Prüfbescheides tritt deshalb ausschließlich im Innenverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Einzugsstelle ein. Dies führt auch nicht dazu, dass — wie es das SG im angegriffenen Urteil angenommen hat — das Ergebnis der Prüfung nur in Form einer bloßen Prüfmitteilung ohne Verwaltungsaktcharakter ergehen darf. Vielmehr bleibt die Beklagte als prüfender Träger der Rentenversicherungsträger dennoch befugt, eine zum Abschluss der Betriebsprüfung einen Verwaltungsakt zu erlassen.

Dieser ersetzt zum einen die fehlende Arbeitgebermeldung. Nach dem Gesetz hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle einen Beitragsnachweis zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge durch Datenübertragung zu übermitteln (§ 28f S. 1 SGB IV). Dieser Beitragsnachweis gilt ausdrücklich für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle und im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderungen der Einzugsstelle, § 28f S. 3 SGB IV. Nach dem Insolvenzrecht ist die Glaubhaftmachung der eigenen Forderungen neben einem rechtlichen Interesse sowie der Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes nach § 14 InsO die Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Insolvenzantrag. Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Prüfbescheid nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV ersetzt als Grundlagenbescheid auch für Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die Insolvenzforderungen darstellen, eine fehlende Arbeitgebermeldung. Insoweit ist ein Verwaltungsakt erforderlich und keine unnötige Formalbelastung. Auch die noch während des Insolvenzverfahrens erfolgende Arbeitgebermeldung stellt nach § 28f S. 3 SGB IV einen vollstreckbaren Titel dar, so dass im Widerspruchsfall § 179 Abs. 2 InsO einschlägig ist. Nichts anderes gilt für den Prüfbescheid als Grundlagenbescheid. Dieser regelt — im Verhältnis zwischen Einzugsstelle und Insolvenzverwalter — zum Abschluss des Prüfverfahrens als Ersatz für die Arbeitgebermeldung bei Insolvenzforderungen für die Einzugsstellen verbindlich allerdings nur die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug im Insolvenzverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R – Rdnr. 23).

Formelle oder materielle Fehler des Prüfbescheides in der Sache selbst sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Rechtskraft
Aus
Saved