L 1 U 708/22

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 6 U 876/20
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 708/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§ 47 SGB VII, § 82 SGB VII, § 14 SGB IV

Verletztengeldanspruch - Versicherungspflicht - Bemessungszeitraum - Bemessungsentgelt - Arbeitsentgelt –  Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII - Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes

1. Das Verletztengeld ist bei Ableistung eines Freiwilligendienstes auf der Grundlage des Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) nach dem dort bezogenen Taschengeld zu bemessen. Das Taschengeld aus der Beschäftigung als Freiwilliger nach dem BFDG ist als Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB IV zu qualifizieren.

2. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 2 SGB VII ist ausgeschlossen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 13. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 

Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Der Kläger begehrt höheres Verletztengeld für die Zeit vom 24. Mai 2019 bis 10. Juni 2020.

Der 1965 geborene Kläger war aufgrund einer Vereinbarung mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, über die Ableistung eines Freiwilligendienstes auf der Grundlage des Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) vom 18. Januar 2019, seit dem 1. März 2019 bei der Stadtverwaltung Z mit einer wöchentlichen Dienstzeit von 20,1 Stunden im dortigen Tiergehege tätig. Der Dienst als Freiwilliger war bis zum 29. Februar 2020 befristet. Laut der Vereinbarung wird hierdurch kein Arbeitsverhältnis begründet. Die Einsatzstelle verpflichtete sich zur Gewährung eines Taschengeldes in Höhe von monatlich 200,00 €. Ebenso verpflichtete sie sich, den Freiwilligen zur gesetzlichen Sozial- und Unfallversicherung anzumelden und die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von monatlich derzeit 80,00 € abzuführen. Am 11. April 2019 verletzte sich der Kläger während seiner Tätigkeit im Tiergehege bei Arbeiten mit der Kreissäge an der rechten Hand. Er war seitdem bis zum 10. Juni 2020 arbeitsunfähig.

Vor dieser Tätigkeit bezog der Kläger seit dem 1. Januar 2018 Arbeitslosengeld in Höhe von 29,21 € netto täglich bzw. 876,30 € monatlich (Bemessungsentgelt: 71,28 € täglich), das ihm für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. März 2019 mit einer Anspruchsdauer von 450 Tagen von der Bundesagentur für Arbeit bewilligt worden war. Vom 28. August 2018 bis 28. Februar 2019 bezog er Krankengeld. Vor dem Bezug von Arbeitslosengeld war der Kläger als Dachdecker beschäftigt.

Die A zahlte ihm im Auftrag der Beklagten entsprechend der Verwaltungsvereinbarung über die generelle Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes für den Zeitraum vom 24. Mai 2019 bis 10. Juni 2020 Verletztengeld in Höhe von monatlich 160,20 € brutto (144,18 € netto) aus.

Am 22. Januar 2020 wandte sich der Kläger telefonisch an die Beklagte und bat um Überprüfung der Höhe des Verletztengeldes. Er habe zuvor Arbeitslosengeld bezogen und wesentlich mehr Einkommen gehabt. Mit Bescheid vom 21. Februar 2020 lehnte die Beklagte die Zahlung eines höheren Verletztengeldes ab. § 47 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) enthalte eine Verweisung auf § 47 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach berechne sich das Verletztengeld bei Versicherten, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, nach den für das Krankengeld geltenden Grundsätzen, also insbesondere nach dem Regelentgelt. Arbeitsentgelt seien dabei alle Bruttoeinkünfte aus einer abhängigen Beschäftigung. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V sei für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltzeitraum (Bemessungszeitraum, der mindestens vier Wochen umfassen müsse) erzielte Arbeitsentgelt heranzuziehen. Er habe zum Unfallzeitpunkt einen Bundesfreiwilligendienst absolviert, der am 1. März 2019 begonnen habe. Für diese Tätigkeit sei ihm von der Einsatzstelle ein Taschengeld in Höhe von monatlich 200,00 € gezahlt worden. Bemessungszeitraum sei der März 2019. Die Berechnung des Verletztengeldes sei auf der Grundlage des bezogenen Entgelts von 200,00 € vorgenommen worden. Ein Rückgriff auf einen früheren Abrechnungszeitraum, in dem ein höheres Arbeitsentgelt erzielt worden sei, scheide aus.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, er habe seit dem 1. Januar 2018 Arbeitslosengeld bezogen. Aufgrund einer Erkrankung der Schulter habe er jedoch vom 28. August 2018 bis 28. Februar 2019 Krankengeld bezogen. Er erhalte aufgrund des anerkannten Arbeitsunfalls monatlich ein Verletztengeld in Höhe von 144,18 € netto. Es sei nicht korrekt, dass für die Berechnung des Verletztengeldes das Entgelt von 200,00 € aus dem Bundesfreiwilligendienst zu Grunde gelegt werde. Hierbei handle es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis. Es würden für ihn lediglich die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften gelten. Das Entgelt von 200,00 € sei kein Arbeitsentgelt im eigentlichen Sinne, sondern lediglich ein „Taschengeld“, auch wenn die Sozialversicherungsbeiträge von der Einsatzstelle komplett getragen würden. Da er vor dem Bundesfreiwilligendienst Krankengeld bezogen habe, sei nach § 47 Abs. 4 SGB V bei Berechnung des Verletztengeldes von dem bisher zugrunde gelegten Regelentgelt für das Krankengeld auszugehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2020 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Anspruch auf ein höheres Verletztengeld als bisher festgestellt bestehe nicht. Unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit habe er 200,00 € als Freiwilliger nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz erhalten. Die Klassifizierung, ob das „Taschengeld“ aus dem Bundesfreiwilligendienst Arbeitsentgelt darstelle, richte sich nach § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und der - aufgrund der Ermächtigung des § 17 SGB IV - erlassenen Sozialversicherungsentgeltverordnung. Ferner sei der Arbeitsentgeltkatalog der gesetzlichen Unfallversicherung zu berücksichtigen. Danach seien Einnahmen im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV. Ein Rückgriff auf das bis Februar 2019 bezogene Krankengeld, welches aus dem Arbeitslosengeld berechnet worden sei, könne nicht erfolgen. Auf die Regelungen des § 47 Abs. 4 SGB VII könne nur zurückgegriffen werden, wenn unmittelbar vor dem Versicherungsfall Krankengeld bezogen worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Nur bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung könne nach vorliegender Satzung der Unfallkasse Thüringen (§ 19) von der regulären Berechnung des Verletztengeldes abgewichen werden. Die Entscheidung, im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes tätig zu sein, sei ausweislich der vorliegenden Vereinbarung für einen längeren Zeitraum (12 Monate) beabsichtigt gewesen. Eine nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung liege bei einer konstanten längeren Änderung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage nicht vor. Ein Anspruch auf Zahlung des Verletztengeldes in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II bestehe nicht (§ 47 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Voraussetzung dieser Regelung sei, dass nicht nur darlehnsweise Arbeitslosengeld II bezogen worden sei. Er habe unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit kein Arbeitslosengeld II bezogen.

Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und erneut darauf verwiesen, dass er hinsichtlich des bewilligten Verletztengeldes schlechter gestellt sei, als jemand, der unmittelbar zuvor Arbeitslosengeld II erhalten habe.

Das Sozialgericht hat den Kläger mit Verfügungen vom 20. August 2020, 17. Februar 2021 und 17. November 2021 auf die Aussichtslosigkeit der Klage hingewiesen.

Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem von ihm bezogenen Taschengeld und eventuellen Sachleistungen nicht um Arbeitsentgelt handle. Er hat auf die Regelungen des § 82 Abs. 2 SGB VII verwiesen, die analog für die Ermittlung der Höhe des Verletztengeldes anzuwenden sei, d.h. es sei auf seine an sich zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Dachdecker und das dort erzielbare Einkommen abzustellen. Die vom Sozialgericht zitierten Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) bezögen sich sämtlich auf Arbeitslosengeld. Aus dem Urteil des BSG vom 23. Februar 2017 - B 11 AL 1/16 R ergebe sich zudem, dass es sich beim Bundesfreiwilligendienst wie auch beim Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) gerade nicht um eine entgeltliche Erwerbstätigkeit, insbesondere nicht um ein Arbeitsverhältnis handle. Eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV liege nicht vor. Es bestehe lediglich eine entsprechende Gleichstellung, um einen gewissen Versicherungsschutz zu gewährleisten.

Mit Urteil vom 13. Juli 2022, zugestellt am 24. August 2022, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach § 47 Abs. 1 SGB VII erhielten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder ein Arbeitseinkommen erzielt haben, Verletztengeld entsprechend § 47 Abs. 1 und 2 SGB V. Der Kläger habe während des von ihm geleisteten Bundesfreiwilligendienstes in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und Taschengeld erhalten, das als Arbeitsentgelt einzuordnen sei. Die Beklagte habe deshalb zu Recht das Taschengeld, dass der Kläger unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielt habe, als Berechnungsgrundlage für das Verletztengeld herangezogen. Aus § 82 Abs. 2 Satz 2 SGB VII ergebe sich kein anderes Ergebnis. Das Verletztengeld werde nicht nach dem Jahresarbeitsverdienst berechnet. Sofern - wie die Prozessbevollmächtigten des Klägers meinen - das Taschengeld nicht als Arbeitsentgelt zu qualifizieren wäre, stünde dem Kläger kein Verletztengeld zu, weil Kranken- bzw. Verletztengeld nur zu gewähren sei, wenn vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt bezogen worden sei.

Hiergegen hat der Kläger am 22. September 2022 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Auch nach dem Urteil des BSG vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 54/15 R handle es sich bei dem Bundesfreiwilligendienst nicht um eine entgeltliche Erwerbstätigkeit, insbesondere nicht um ein Arbeitsverhältnis.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 13. Juli 2022 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2020 abzuändern und dem Kläger ab dem 24. Mai 2019 bis zum 10. Juni 2020 höheres Verletztengeld zumindest in Höhe der Regelleistung nach dem SGB II zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Gründe der angefochtenen Bescheide sowie die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Verletztengeldes in dem streitigen Zeitraum. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage.

Die Höhe des Verletztengeldes hängt entscheidend von den Verhältnissen unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung ab. Dies ist allerdings in § 47 Abs. 4 SGB VII nur für die Bezieher von Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld und Übergangsgeld ausdrücklich bestimmt, ergibt sich für die übrigen Versicherten aber aus § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII (vgl. Westermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 47 SGB VII [Stand: 15. März 2023], Rn. 22, nach juris). Insofern ist zunächst hierauf einzugehen.

Wäre dem Kläger zu Unrecht Verletztengeld bewilligt worden, würde ein Anspruch auf höheres Verletztengeld allerdings schon aus diesem Grund scheitern.

Nach § 45 Abs. 1 SGB VII in der Fassung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23. Dezember 2014 (BGBl I S. 2462) wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte (1) infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und (2) unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Verletztengeld ist demnach zunächst, dass der Kläger in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen bzw. einer der in § 45 Abs. 1 SGB VII genannten Leistungen hatte. Weitere Voraussetzung ist das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger war aufgrund seiner Verletzungen der rechten Hand unstreitig arbeitsunfähig. Dies bedarf keiner weiteren Prüfung. Er hat jedoch nicht unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 11. April 2019 eines der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII genannten Erwerbsersatzeinkommen - auch keine aufstockenden Leistungen nach dem SGB II - bezogen, sodass nur der Bezug von Arbeitsentgelt als Grundlage für die Gewährung von Verletztengeld in Betracht kommt.

Der Kläger hatte zuletzt am 28. Februar 2019 Krankengeld bezogen und war seit dem 11. April 2019 arbeitsunfähig erkrankt. Der Krankengeldbezug ging demnach der Arbeitsunfähigkeit nicht unmittelbar voraus.

Dabei ist hinsichtlich der Erfüllung des Merkmals der Unmittelbarkeit kein nahtloser zeitlicher Anschluss der Arbeitsunfähigkeit an den Bezug von Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder Entgeltersatzleistung erforderlich. Entscheidend ist, dass aufgrund der Gesamtumstände angenommen werden kann, dass der Versicherte auch während der Zeitdifferenz von einer der im Gesetz genannten Einkünfte gelebt hat. Stellt er seinen Lebensunterhalt vorübergehend aus anderen Quellen, etwa aus Kapitaleinkünften oder Altersrente sicher, liegt kein unmittelbarer Anschluss vor. Die tolerable Zeitdifferenz ist folglich ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls abhängig, dürfte aber in aller Regel nicht mehr als vier Wochen betragen (vgl. Dr. Schur in: Hauck/Noftz SGB VII, Stand: 2023, § 45 SGB VII Rn. 15, m.w.N., nach juris).

Zwischen dem letzten Bezug von Krankengeld und der Arbeitsunfähigkeit lagen mehr als vier Wochen; zudem hatte der Kläger die Tätigkeit als Freiwilliger nach dem BFDG gemäß der Vereinbarung vom 18. Januar 2019 für einen Zeitraum von einem Jahr geplant. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass er plante, für diesen Zeitraum seinen Lebensunterhalt aus dem bis Februar 2019 bezogenen Krankengeld zu bestreiten. 

Der Kläger hat demnach nur Anspruch auf Verletztengeld, wenn er unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 11. April 2019 Arbeitsentgelt bezogen hat. Dies ist hier zu bejahen.

Als Freiwilliger nach dem Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst (Bundesfreiwilligendienstgesetz - BFDG) vom 3. Mai 2011 gehört er vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zum versicherten Personenkreis der Beschäftigten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Freiwilliger nach dem BFDG im Tiergehege der Stadt Z (Einsatzstelle) tätig war. Dies ergibt sich auch aus der Vereinbarung vom 18. Januar 2019.

Nach § 13 BFDG finden, soweit keine ausdrückliche sozialversicherungsrechtliche Regelung vorhanden ist, auf den Bundesfreiwilligendienst die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen entsprechende Anwendung, die für die Jugendfreiwilligendienste nach dem Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (Jugendfreiwilligendienstegesetz - JFDG) vom 16. Mai 2008 gelten.

Das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses hat das BSG für Freiwillige nach dem JFDG in seinem Urteil vom 6. Oktober 2020 - B 2 U 13/19 R (m.w.N., nach juris) bejaht. Das Urteil findet für Freiwillige nach dem BFDG - wie hier - entsprechend Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 - B 11 AL 21/17 R, nach juris). Das BSG hat in seinem Urteil vom 6. Oktober 2020 ausgeführt, dass für Freiwillige nach dem JFDG über § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die Legaldefinition der Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV gilt. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine Beschäftigung liegt daher immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein („insbesondere“), wenn der Versicherte sich in ein fremdes Unternehmen eingegliedert und dem Weisungsrecht eines Unternehmers vor allem in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung untergeordnet hat. Anhaltspunkte dafür, dass dies bei dem Kläger nicht der Fall gewesen wäre, bestehen hier nicht. Ebenso hat das BSG klargestellt, dass Freiwillige nach dem JFDG bzw. hier nach dem BFDG zum Träger in keinem Arbeitsverhältnis, sondern in einem Rechtsverhältnis sui generis stehen (vgl. hierzu auch: BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 - B 11 AL 1/16 R, nach juris).

Ergänzend zur Begründung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses hat das BSG in seinem Urteil vom 6. Oktober 2020 - B 2 U 13/19 R weiter ausgeführt, dass die Regelungen des § 10 Abs. 1 SGB IV und § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV begrifflich voraussetzen, dass die Tätigkeit im FSJ als Beschäftigung anzusehen ist. So bestimmt § 10 Abs. 1 SGB IV den Ort der Beschäftigung für Personen, die ein FSJ ableisten und § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV trifft ausdrücklich für Versicherte im FSJ - ebenso für Versicherte, die ein Bundesfreiwilligenjahr nach dem BFDG leisten - eine abweichende Regelung von den besonderen Vorschriften für Beschäftigte bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Damit soll eine aus dem Wert der Geld- und/oder Sachleistungen faktisch nicht zu finanzierende Beitragslast des Beschäftigten vermieden und der besonderen Schutzbedürftigkeit dieser sich in die Dienste der Allgemeinheit stellenden Personengruppe Rechnung getragen werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 a.a.O., m.w.N.). Der Annahme einer Beschäftigung im FSJ - hier Bundesfreiwilligenjahr - steht auch nicht die geringe Höhe der Gegenleistungen sowie die Bezeichnung als Verpflegungskostenzuschuss bzw. Taschengeld entgegen. Die Zahlung eines Arbeitsentgelts für die erbrachte Arbeitsleistung ist keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer Beschäftigung. Vielmehr setzt ein Arbeitsentgelt das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses voraus, begründet ein solches aber nicht (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 a.a.O.).

Weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Verletztengeld als versicherter Beschäftigter ist die Erzielung von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Anknüpfungspunkt hierfür ist die versicherte Tätigkeit unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, die erst den Versicherungsschutz begründet.

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 23. Februar 2017 (a.a.O.) unabhängig davon, dass es das FSJ nicht als Arbeitsverhältnis ansieht, das hieraus erzielte Taschengeld als Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB IV, einer Vorschrift, die nicht nur für die Arbeitslosenversicherung, sondern allgemein im Sozialversicherungsrecht gilt, qualifiziert (vgl. ebenso BSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 - B 11 AL 21/17 R). Dem schließt sich der Senat an. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Danach ist das Taschengeld aus der Beschäftigung als Freiwilliger nach dem BFDG Arbeitsentgelt. Dementsprechend haben die gesetzlichen Unfallversicherungsträger in ihrer Arbeitsentgeltverordnung das Taschengeld als Arbeitsentgelt berücksichtigt. Wäre das Taschengeld kein Arbeitsentgelt, wäre mangels Vorliegens der Voraussetzungen ein Anspruch auf Verletztengeld bei einer - hier ausschließlich in Betracht kommenden - Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht gegeben. 

Nach § 47 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, Verletztengeld entsprechend § 47 Abs. 1 und 2 SGB V mit der Maßgabe, dass

1. das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist,

2. das Verletztengeld 80 vom Hundert des Regelentgelts beträgt und das bei Anwendung des § 47 Abs. 1 und 2 des Fünften Buches berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigt.

Arbeitseinkommen ist bei der Ermittlung des Regelentgelts mit dem 360. Teil des im Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Maßnahmen der Heilbehandlung erzielten Arbeitseinkommens zugrunde zu legen. Die Satzung hat bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung abweichende Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Verletztengeldes vorzusehen, die sicherstellen, dass das Verletztengeld seine Entgeltersatzfunktion erfüllt.

Maßgebend für die Berechnung des Verletztengeldes ist demnach § 47 Abs. 1 SGB V und nicht § 82 SGB VII. Nach § 81 SGB VII gelten die Vorschriften über den Jahresverdienst für Leistungen in Geld, die nach dem Jahresarbeitsverdienst - wie z.B. die Verletztenrente für Versicherte - berechnet werden. Das Verletztengeld wird dagegen nach § 47 SGB VII i.V.m. § 47 SGB V berechnet. Für eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 2 SGB VII ist daher kein Raum.

Nach § 47 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 (BGBl I S. 2940) bestimmt sich das Regelentgelt nach dem erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt. Nach § 47 Abs. 2 SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (Satz1). Das Ergebnis ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen (Satz 2). Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt (Satz 3). Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem gezahlten Arbeitsentgelt entspricht (Satz 5).

Maßgeblich ist dann für die Berechnung des Regelentgelts nach § 47 Abs. 2 SGB V das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum), erzielte Arbeitsentgelt.

Insoweit wird die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes - hier des Verletztengeldes - in den Vordergrund gestellt. Dem Versicherten soll das wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit entgehende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen ersetzt werden (Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 47 SGB V [Stand: 05. Januar 2022], Rn. 18, nach juris).

Maßgeblicher Abrechnungszeitraum ist aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab dem 11. April 2019 und dem Beginn der Beschäftigung am 1. März 2019, der Abrechnungszeitraum März 2019. Hinsichtlich der Höhe der Berechnung des Verletztengeldes auf der Grundlage des erzielten Arbeitsentgelts in Höhe von 200,00 € hat der Kläger keine Einwände erhoben; eine fehlerhafte Berechnung ist insoweit auch nicht ersichtlich.

Eine Berechnung des Verletztengeldes nach § 47 Abs. 2 SGB VII, wonach Versicherte, die nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch bezogen haben, Verletztengeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II erhalten, kommt nicht in Betracht, weil der Kläger keine Leistungen nach dem SGB II, möglicherweise, weil hierauf von vornherein kein Anspruch bestand, bezogen hat. Insofern bildeten Leistungen nach dem SGB II auch nicht seine Lebensgrundlage. Eine Gleichstellung mit Leistungsbeziehern nach dem SGB II ist daher nicht geboten.

Eine Berechnung des Verletztengeldes nach § 47 Abs. 4 SGB VII, wonach bei Versicherten, die unmittelbar vor dem Versicherungsfall u.a. Krankengeld bezogen haben, bei der Berechnung des Verletztengeldes von dem bisher zugrunde gelegten Regelentgelt ausgegangen wird, kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der Kläger unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit kein Krankengeld bezogen hat und wie bereits oben ausgeführt, er damit vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit auch nicht seinen Lebensunterhalt bestritten hat.

Ebenso lag auch keine nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung und -vergütung vor, die eine Abweichung von der regulären Berechnung des Verletztengeldes aufgrund der Satzung der Beklagten begründen könnte.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
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