L 3 SB 2883/23 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 2176/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2883/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist das Beschwerdegericht nicht an das Ergebnis der Ermessensausübung durch das Sozialgericht gebunden, vielmehr steht ihm ein eigenes Auswahl- und Entschließungsermessen zu.

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2023 insoweit abgeändert, als das gegen ihn festgesetzte Ordnungsgeld von 300,00 Euro auf 100,00 Euro herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.



Gründe


I.

Der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 300,00 Euro wegen seines Ausbleibens in einem Erörterungstermin am 24.08.2023.

In dem zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren S 12 SB 2176/22 vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 80 auf 50 seit dem 18.04.2021 streitig.

Nachdem der Beschwerdeführer bereits zu einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 30.03.2023 trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erschienen war, hat das SG Freiburg am 18.07.2023 einen weiteren Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 24.08.2023 bestimmt und ebenfalls das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers angeordnet.
Auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens ist er durch Hinweis auf das der Ladung beigefügte Merkblatt hingewiesen worden. Die Ladung ist dem Beschwerdeführer ausweislich der Postzustellungsurkunde am 22.07.2023 zugestellt worden. Zu dem Termin am 24.08.2023 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen. Nach dem Protokoll hat der Termin um 14:30 Uhr begonnen und hat nach erneutem Aufruf um 14:50 Uhr geendet. Das SG Freiburg hat dem Beschwerdeführer in dem Protokoll, das diesem am 30.08.2023 ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde zugestellt worden ist, schriftlich Gelegenheit gegeben, sein Nichterscheinen gegenüber dem Gericht schriftlich zu entschuldigen. Die Verhinderungsgründe seien zu belegen und die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 500,00 Euro sowie die Auferlegung der Kosten des Termins bleibe vorbehalten.

Mit Fax vom 28.08.2023 hat der Beschwerdeführer ein ärztliches Attest der Praxis „Hausärztliches MVZ K1“ vom 28.08.2023 eingereicht, nach dem der Beschwerdeführer am 28.08.2023 in der Praxis erschienen sei. Er habe am Donnerstag versucht, jemanden in der Praxis zu erreichen; der Concierge habe „da wohl aber ein Problem“ gehabt. Der Beschwerdeführer habe zu diesem Zeitpunkt mehrere Cluster Attacken gehabt, weshalb ihm das Aufsuchen der Praxis nicht möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer leide an einem bekannten Cluster Kopfschmerz seit 2005.

Mit Beschluss vom 02.10.2023 hat das SG Freiburg gegen den Beschwerdeführer wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin am 24.08.2023 ein Ordnungsgeld i.H.v. 300,00 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat das SG Freiburg im Wesentlichen ausgeführt, im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens habe sich das Gericht entschlossen, ein Ordnungsgeld festzusetzen, da zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung die Vernehmung des Beschwerdeführers erforderlich sei. Es würden kaum Nachweise über ärztliche Behandlungen vorliegen, sodass die Entwicklung des Gesundheitszustandes offen sei und insoweit Angaben des Beschwerdeführers benötigt würden. Hinsichtlich der angeordneten Höhe des Ordnungsgeldes hat das Gericht dargelegt, dass es zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt habe, dass er wahrscheinlich Grundsicherungsleistungen erhalte. Zu Lasten des Beschwerdeführers sei allerdings zu berücksichtigen, dass er bereits das zweite Mal nicht zu einem Termin erschienen sei. Auch bereits im Verwaltungsverfahren habe er nicht mitgewirkt. Insoweit liege hier zumindest der Verdacht nahe, dass der Beschwerdeführer das Verfahren – um die Rechtskraft der Herabsetzung seines GdB hinauszuzögern – bewusst verzögere. Das vorgelegte Attest sei auch nicht geeignet, um eine Verhandlungsunfähigkeit darzulegen, denn die Ärzte der Hausarztpraxis hätten den Beschwerdeführer an dem Verhandlungstag überhaupt nicht untersucht und könnten insoweit keine Aussage zu seinem Gesundheitszustand treffen. Insoweit sei auch völlig unklar, was das „Problem“ des „Concierge“ gewesen sein solle. Der Anruf sei auch von der Arztpraxis nicht dokumentiert worden, sondern werde lediglich vom Beschwerdeführer selbst berichtet. Im Zweifel hätte der Beschwerdeführer eine andere Arztpraxis kontaktieren müssen. Auch sei zu Lasten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass er offenbar in der Lage gewesen sei, die Hausarztpraxis am Verhandlungstag anzurufen, nicht aber bei Gericht. Insoweit habe der Beschwerdeführer bewusst – bereits zum zweiten Mal -– die Ressourcen des Gerichts und auch des Beklagten (Zeitaufwand, Anreiseweg) verschwendet.

Gegen den ihm ausweislich der Postzustellungsurkunde am 05.10.2023 zugestellten Beschluss vom 02.10.2023 richtet sich die am 10.10.2023 per Fax bei dem SG Freiburg eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers, zu deren Begründung er vorträgt, zum ersten Termin am 30.03.2023 sei er nicht erschienen, weil er den Termin verwechselt habe. Dieses durch ihn selbst verschuldete Versäumnis räume er ein. Zum Termin am 24.08.2023 sei er nicht erschienen, weil er Cluster Attacken erlitten habe, also krankheitsbedingt der Vorladung nicht habe Folge leisten können. Er habe dann mit Datum vom 28.08.2023 ein Attest einer Hausärztlichen Praxis per Fax an das SG Freiburg übersandt. Der Inhalt des Attests sei zutreffend. Tatsächlich sei eine Kommunikation mit der Arztpraxis nicht möglich gewesen. Dies habe er, der Beschwerdeführer, sodann auch beim persönlichen Erscheinen in der Arztpraxis der zuständigen Praxishilfe so mitgeteilt. Die Behauptung, er habe bereits im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend mitgewirkt, sei unzutreffend. Der Schriftsatz vom 06.11.2020 beinhalte lediglich eine Tatsache, nämlich dass keine neuerlichen Kenntnisse über den Krankheitsverlauf des Beschwerdeführers bekannt seien. Es sei nicht klar, wo er denn hätte mitwirken sollen oder können. Er erhalte derzeit Bürgergeld in Höhe von 502,00 Euro monatlich. Das Ordnungsgeld sei für ihn in der festgesetzten Höhe unmöglich zu bestreiten. Dass er den Rechtsstreit verzögern wolle, bestreite er. Zudem habe er am 28.08.2023 nach mehrmaligen Versuchen schließlich die Geschäftsstelle des SG Freiburg erreicht. Auf Nachfragen bei der Geschäftsstelle, ob das übersandte Attest ausreichend sei, habe sie gegenüber dem Antragsteller erwidert, dass sie Rücksprache mit der Richterin halten müsse. Eine Rückmeldung sei seitens der Geschäftsstelle ausgeblieben. Der Beschwerdeführer habe dann erneut bei der Geschäftsstelle angerufen und nachgefragt. Daraufhin habe die Geschäftsstelle ihm mitgeteilt, das vorgelegte Attest sei ausreichend, weitere Unterlagen bzw. Beweismittel seien nicht erforderlich.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2023 aufzuheben.


II.

Die nach den §§ 172 Abs. 1, 173 SGG statthafte und zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des SG Freiburg vom 02.10.2023 ist insoweit unbegründet, als die Verhängung eines Ordnungsgeldes dem Grunde nach rechtmäßig erfolgt ist. Der Senat hat allerdings in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens entschieden, das Ordnungsgeld auf 100,00 Euro abzusenken.

1. Rechtsgrundlagen für die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen Beteiligte sind §§ 141 Abs. 3, 380, 381 Abs. 1 ZPO jeweils i.V.m. § 202 SGG. Danach kann das Gericht gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war (
§§ 111 Abs. 1, 106 Abs. 2 und 3 Nr. 7 SGG), ein Ordnungsgeld festsetzen, wenn er ohne genügende Entschuldigung zum Termin nicht erschienen ist.

a) Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist zunächst eine ordnungsgemäße Ladung und Belehrung nach § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG über die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens im Termin. Mit der Terminsbestimmung vom 18.07.2023, die dem Beschwerdeführer ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde am 22.07.2023 zugestellt worden ist, hat das SG Freiburg sowohl das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers zum Termin am 24.08.2023 angeordnet, als auch diesen gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG durch Verweis auf das beigefügte Merkblatt für Beteiligte, deren persönliches Erscheinen angeordnet ist, auf die Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes bei unentschuldigtem Nichterscheinen zum Termin hingewiesen.

b) Somit war über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens („kann“) zu entscheiden.

aa) Hierbei steht den Sozialgerichten nicht nur ein die Höhe des zu verhängenden Ordnungsgeldes betreffendes Auswahl-, sondern auch ein Entschließungsermessen zu (vgl. dazu B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 111 Rn. 6a). Das SG Freiburg hat insoweit in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der Möglichkeit der Festsetzung des Ordnungsgeldes um eine Ermessensentscheidung und nicht um eine gebundene Entscheidung handelt und sodann als tragende Erwägung für die Verhängung des Ordnungsgeldes genannt, dass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung die Vernehmung des Beschwerdeführers erforderlich sei, denn es würden kaum ärztliche Behandlungen vorliegen, sodass die Entwicklung des Gesundheitszustandes offen sei und insoweit Angaben des Beschwerdeführers zur weiteren Aufklärung benötigt werden würden.

bb) Die Ausübung des Entschließungsermessens durch das SG Freiburg ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat ist als Beschwerdeinstanz allerdings an das Ergebnis der Ermessensausübung durch das SG Freiburg nicht gebunden. Auf eine zulässige Beschwerde prüft das Landessozialgericht den Sachverhalt entsprechend § 157 SGG in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 176 Rn. 4). Ob derselbe Prüfungsumfang auch im Falle gerichtlicher Ermessensentscheidungen besteht, ist umstritten, im Ergebnis jedoch zu bejahen (wie hier umfassend und mit überzeugenden Gründen Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 19.12.2012 – L 15 SB 123/12 B, juris Rn. 14 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.06.2016 – L 11 KA 22/16 B, juris Rn. 11; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.08.2018 – L 11 R 183/18 B, juris Rn. 12; Thüringer LSG, Beschluss vom 25.09.2019 – L 5 SB 746/17 B, juris Rn. 13 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.07.2023 – L 3 AS 39/23 B, juris Rn. 5; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 176 Rn. 4; Böttiger in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 176, Rn. 17; a.A.: Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.07.2015 – L 3 BK 2/13 B, juris Rn. 25; ohne nähere Begründung LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.08.2020 – L 14 AS 870/20 B, juris Rn. 13 ff.; Jungeblut in: BeckOK Sozialrecht, SGG [Stand: 01.09.2023] § 176 Rn. 5 m.w.N.; differenzierend Hahn in: Roos/Warendorf/Müller in: BeckOGK-SGG [Stand: 01.08.2023], § 176 Rn. 16: nur bei neuer Tatsachengrundlage und bei Ermessensfehlern der ersten Instanz).

Zur Begründung der Auffassung, eine fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung durch das Sozialgericht könne nicht durch das Landessozialgericht als Beschwerdegericht nachholt werden, wird im Wesentlichen vorgebracht, das Beschwerdegericht prüfe zwar gemäß § 157 SGG den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Diese Regelung betreffe allerdings den Regelfall des sozialgerichtlichen Verfahrens, in dem bereits das Sozialgericht eine Entscheidung, eine Maßnahme oder ein Unterlassen einer Behörde geprüft habe. Im Fall der Verhängung eines Ordnungsgeldes sei aber Gegenstand des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung des Sozialgerichts in einer Angelegenheit, die der Gesetzgeber nicht einer Behörde, sondern originär dem Gericht zur Entscheidung zugewiesen habe. In einem solchen Fall ähnele die Verfahrenssituation derjenigen, in der das Sozialgericht eine Ermessensentscheidung einer Behörde zu prüfen habe. Hierbei sei das Sozialgericht auf eine Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung beschränkt. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kontrollumfang in Bezug auf eine gerichtliche Ermessensentscheidung ein anderer sein sollte als in Bezug auf eine behördliche Ermessensentscheidung (Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.07.2015 – L 3 BK 2/13 B, juris Rn. 25). Sinn des Beschwerdeverfahrens sei es zudem nicht, dem Beschwerdeführer eine zweite Chance auf eine ihm günstige Ermessensentscheidung zu verschaffen, sondern die Korrektur von Rechtsfehlern (so Jungeblut, in: BeckOK Sozialrecht, SGG [Stand: 01.09.2023] § 176 Rn. 5).

Der Fall der eingeschränkten gerichtlichen Prüfungskompetenz von behördlichen Ermessensentscheidungen kann aber nicht dem Fall der Prüfung der Ermessensentscheidung durch das Beschwerdegericht innerhalb des Instanzenzugs gleichgestellt werden. Vielmehr gehört die volle und jedenfalls in der Berufungsinstanz als letzter Tatsacheninstanz uneingeschränkte Überprüfbarkeit gerichtlicher Entscheidungen im Instanzenzug gerade zu den wesenstypischen Merkmalen des Rechtsstaatsprinzips (vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.12.2012 – L 15 SB 123/12 B, juris Rn. 20).

Für den Senat ist darüber hinaus entscheidend, dass es für einen eingeschränkten Prüfungsumfang systematisch bereits an einer Rechtsgrundlage fehlt, die ein Abweichen von dem durch § 157 SGG normierten umfänglichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren überhaupt rechtfertigen könnte (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 176 Rn. 4). Hätte der Gesetzgeber eine nur eingeschränkte Überprüfbarkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung durch die zweite Instanz, nämlich auf Ermessensfehler, gewollt, hätte er dies durch eine gesetzgeberische Entscheidung zum Ausdruck bringen können, die sich jedoch im SGG gerade nicht findet (vgl. mit weiterer Begründung Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.12.2012 – L 15 SB 123/12 B, juris Rn. 21).

c) Auch nach eigener Ausübung des dem Senat demnach zustehenden Entschließungsermessens war gegenüber dem Beschwerdeführer wegen des unentschuldigten Fernbleibens vom Erörterungstermin des SG Freiburg am 24.08.2023 ein Ordnungsgeld zu verhängen, wie mit zutreffender, wenn auch knapper, Begründung durch das SG Freiburg erfolgt.

Bei der Entscheidung, ob ein Ordnungsgeld verhängt wird, ist zunächst zu berücksichtigen, welchen Zweck die Anordnung des persönlichen Erscheinens hatte (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.07.2023 – L 3 AS 39/23 B, juris Rn. 6). Das SG Freiburg führt in dem angefochtenen Ordnungsgeldbeschluss aus, es halte das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts für erforderlich. Dem schließt sich der erkennende Senat aus eigener Überzeugung an. Die hinsichtlich des Klagebegehrens (Aufhebung der erfolgten Herabsetzung des GdB von 80 auf 50) notwendige Aufklärung des Sachverhalts wurde durch das Ausbleiben des Beschwerdeführers im Erörterungstermin vereitelt. Der Cluster Kopfschmerz des Beschwerdeführers stellt nach der bisherigen Beurteilung des GdB den Schwerpunkt seiner Behinderungen dar. Der Beschwerdeführer trägt in seiner Klagebegründung selbst vor, er habe feststellen müssen, dass seine Kopfschmerzen behandlungsresistent seien, sodass er deutlich weniger oft Ärzte konsultiert habe als in der Vergangenheit. Entsprechend stellt sich die Befundlage nicht ergiebig dar, sodass schon aufgrund der wenigen ärztlichen Aussagen eine Befragung des Beschwerdeführers zur Ermittlung des Sachverhalts angezeigt ist. Darüber hinaus sind Häufigkeit und Intensität der Cluster Kopfschmerzen kaum objektivierbar, sodass es für die Frage, ob bei dem Beschwerdeführer eine Besserung der Beschwerden und Funktionseinschränkungen eingetreten ist, durchaus auf eine persönliche Beschwerdeschilderung des Beschwerdeführers auch im Hinblick auf eine Glaubhaftigkeits- und Plausibilitätsprüfung ankommt.

d) Die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe für sein Ausbleiben können dieses nicht hinreichend entschuldigen. Er macht im Wesentlichen geltend, dass er am 24.08.2023 eine Cluster Attacke erlitten habe, also krankheitsbedingt der Vorladung nicht habe Folge leisten können, und verweist auf das eingereichte Attest vom 28.08.2023. Der Verhinderungsgrund muss gegenüber dem Gericht allerdings grundsätzlich so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungsunfähigkeit besteht (Bayerisches LSG, Beschluss vom 17.05.2022 – L 2 KR 74/22 B, juris Rn. 41; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2013 – L 11 R 2450/13 B, juris Rn. 16 unter Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 13.10.2010 – B 6 KA 2/10 B, juris). Das vorgelegte Attest entspricht den vorgenannten Anforderungen bereits nicht. Der Beschwerdeführer ist am 24.08.2023 nicht persönlich untersucht worden oder hat immerhin telefonisch ärztlichen Kontakt gehabt, um seine Verhandlungsunfähigkeit feststellen zu können. Das ärztliche Attest vom 28.08.2023 beschränkt sich sodann auch lediglich darauf, die Schilderung des Beschwerdeführers wiederzugeben und auf den seit 2005 bestehenden Cluster Kopfschmerz hinzuweisen. Der Senat hat zudem berücksichtigt, dass selbst in dem Fall, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sein sollte, mit einem Arzt der Praxis telefonisch in Kontakt zu treten, es aber jedenfalls zu fordern gewesen wäre, bei Gericht anzurufen, sich für den Termin zu entschuldigen und die Umstände darzulegen. Nach dem eigenen Vortrag des Beschwerdeführers ist dieser auch in der Lage gewesen, am 24.08.2023 bei der Praxis MVZ K1 anzurufen, wo er niemanden erreicht habe. Aus welchem Grund er zuvor oder nach dem Anrufversuch nicht bei dem SG Freiburg angerufen hat um sich zu entschuldigen, ist nicht erklärlich. In der Akte des SG Freiburg ist des Weiteren kein Telefonvermerk enthalten, aus dem hervorgeht, dass die Geschäftsstelle dem Beschwerdeführer mitgeteilt habe, das von ihm vorgelegte Attest sei ausreichend und weitere Unterlagen bzw. Beweismittel seien nicht erforderlich.

e) Der Senat hat sich in Ausübung des ihm auch insoweit zustehenden Auswahlermessens allerdings entschieden, das gegen den Beschwerdeführer festgesetzte Ordnungsgeld auf 100,00 Euro abzusenken. Droht, wie hier, ein Bundesgesetz Ordnungsgeld oder Zwangsgeld an, ohne dessen Mindest- oder Höchstmaß zu bestimmen, so beträgt das Mindestmaß 5,00 Euro und das Höchstmaß 1.000,00 Euro (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch - EGStGB). Maßgeblich für die Höhe sind der Grad des Verschuldensvorwurfs und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beteiligten. Die Umstände, die für oder gegen den Betroffenen sprechen, sind gegeneinander abzuwägen. In der Regel bedarf es keiner eingehenden Begründung der Ermessensentscheidung, wenn sich das Ordnungsgeld im unteren Mittel des vorgegebenen Rahmens bewegt (Bayerisches LSG, Beschluss vom 10.03.2014 – L 2 AL 23/13 B, juris, Rn. 22, Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.04.2017 – L 7 AS 919/16 B, juris Rn. 18). Zwar schließt sich der Senat den Ausführungen des SG Freiburg in dem angefochtenen Beschluss an, dass zu Lasten des Beschwerdeführers zu berücksichtigten ist, dass er nunmehr zum zweiten Mal nicht zu einem Erörterungstermin in demselben Klageverfahren erschienen ist und damit wiederholt sowohl Zeit des Gerichts als auch des Beklagtenvertreters unnötig gebunden hat. Dies betrifft nicht nur die Zeit des konkreten Termins, sondern auch die für die erneute Vorbereitung und gedankliche Befassung mit dem Fall erforderliche Tätigkeit. Der Senat hält aber in Anbetracht der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers als, wie er glaubhaft geltend gemacht hat, Empfänger von Bürgergeld ein Ordnungsgeld von lediglich 100,00 Euro für angemessen und ausreichend. In Anbetracht dessen, dass für einen Bürgergeldempfänger ein Ordnungsgeld von 100,00 Euro eine empfindliche Einbuße darstellt, weist der Senat darauf hin, dass für den Beschwerdeführer grundsätzlich auf Antrag die Möglichkeit einer Zahlungserleichterung nach Art. 7 EGStGB besteht (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 111 Rn. 6b).

2. Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 07.09.2010 – L 8 KR 231/09 B, juris Rn. 13; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 08.03.2010 – L 5 AS 1114/09 B, Rn. 15 und vom 21.05.2012 – L 10 AS 423/12 B, juris Rn. 9; a.A. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 12.06.2007 – VI ZB 4/07, juris Rn. 23). Eine (anteilige) Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers kann nicht dem am Beschwerdeverfahren nicht beteiligten Beklagten, sondern nur der Staatskasse auferlegt werden. Dies folgt schon aus dem in § 21 Abs. 1 GKG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass Kosten, die durch fehlerhaftes Verhalten des Gerichts verursacht werden, den Beteiligten nicht zur Last fallen dürfen. Allerdings enthält das SGG keine dahingehende Rechtsgrundlage. § 193 SGG und § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO finden keine entsprechende Anwendung, da diese Vorschriften die Kostenerstattung im kontradiktorischen Verfahren regeln (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 07.09.2010 – L 8 KR 231/09 B, juris Rn. 13; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2010 – L 5 AS 1114/09 B Rn. 17; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2009 – L 13 AS 5633/08 B, juris Rn. 5; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.04.1997 – L 11 S 2/97, juris Leitsatz Nr. 4). Eine auf die vorliegende Konstellation anwendbare Kostenerstattungsvorschrift findet sich auch nicht in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere nicht im GKG. Im Hinblick auf die Wesensnähe des mit einem Ordnungsmittel belegten Fehlverhaltens zur Ordnungswidrigkeit findet daher § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO entsprechende Anwendung (so bereits Senatsbeschluss vom 08.01.2020 – L 3 AS 4074/19 B, nicht veröffentlicht; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.01.2016 – L 1 AS 4045/15 B, juris Rn. 31 zu einem Beschwerdeverfahren betreffend die Auferlegung von Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG; ausführlich mit weiteren Nachweisen Hessisches LSG, Beschluss vom 14.03.2017 – L 9 AS 110/17 B, juris Rn. 8; vgl. zudem B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 111 Rn. 6c). Denn nur durch die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften wird sichergestellt, dass ein im Beschwerdeverfahren Erfolgreicher, der im Hauptsacheverfahren unterliegt, nicht schließlich doch die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen hat, und wird ausgeschlossen, dass der am Beschwerdeverfahren nicht beteiligte Gegner im Falle des Unterliegens im Hauptsacheverfahren auch die Kosten des das Ordnungsgeld betreffenden Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).



 

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