L 7 SO 3406/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SO 2405/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3406/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Leistungen der Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand


Zwischen den Beteiligten ist (noch) ein Anspruch des Klägers auf die Erstattung von Pflegekosten aus dem Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis zum 31. August 2021 streitig.

Der 1965 geborenen Kläger war im Jahr 2019 zunächst in O1 bzw. E1, jeweils Landkreis O2, wohnhaft. Während eines Familienbesuchs in B1 erlitt er in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 2019 multiple Hirninfarkte (Bericht L1, SRH Klinikum K1, vom 11. Februar 2020). Insbesondere aufgrund der Folgebeeinträchtigungen, u.a. einer Hemiparese rechts und Einschränkungen der neuropsychologisch-kognitiven Funktionen, ist bei ihm der Pflegegrad 3, bzw. bis zum 1. Dezember 2021 noch Pflegegrad 4, festgestellt (Pflegegutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaft Bahn See vom 5. März 2020; Bescheid vom 23. November 2021, Bl. 951 f. elektr. Verw.-Akte, Widerspruchsbescheid vom 2. März 2022, Bl. 954 ff. elektr. Verw.-Akte) sowie ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 nebst den Merkzeichen B, G und H (Schwerbehindertenausweis vom 23. November 2020, Bl. 561 elektr. Verw.-Akte).

Der Kläger lebt – im Anschluss an die notfallmäßige stationäre Aufnahme im Städtischen Klinikum K2 und nachfolgender stationärer Rehabilitationsbehandlung im SRH Klinikum K1 – in der Pflegeeinrichtung „M1“ der Heimstiftung K2, zunächst in Kurzzeitpflege ab dem 12. Februar 2020 und seit dem 2. März 2020 in vollstationärer Pflege (s. Heimvertrag vom 30. März 2020, Bl. 188 ff. elektr. Verw.-Akte). Jedenfalls ab Jahresanfang 2021 und bis zum 31. August 2021 betrug das tägliche Heimentgelt insgesamt 166,42 Euro (108,47 Euro Entgelt für allgemeine Pflegeleistungen für Bewohner mit Pflegegrad 4 einschließlich Ausbildungsumlage, 16,52 Euro Entgelt für Unterkunft, 13,23 Euro Entgelt für Verpflegung und 28,20 Euro Investitionskostenanteil, s. Heimrechnungen Bl. 525, 528, 531, 534, 537, 748. elektr. Verw.-Akte), zuzüglich einer monatlichen Telefonpauschale von 19,90 Euro. Nach dem Heimvertrag erfolgt die Abrechnung mit 30,42 Tagen je Kalendermonat und ist das Entgelt jeweils im Voraus am dritten Werktag eines Monats fällig (§ 8 Abs. 2, § 11 Abs. 1 Heimvertrag). Die diesbezüglich von seiner gesetzlichen Pflegeversicherung gewährten Leistungen (Bescheid vom 17. März 2020, Bl. 26 f. elektr. Verw.-Akte) beliefen sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf eine monatliche Höhe von 1.775,00 Euro.

Der Kläger bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, in der Zeit ab dem 1. Juli 2020 in einer monatlichen Höhe von 722,35 Euro (Bl. 112 ff. elektr. Verw.-Akte) und im Weiteren bis 1. Juli 2022 von 719,51 Euro (Bl. 239 SG-Akte) – wobei ihm nach den vorliegenden Kontoauszügen im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 720,32 EUR ausbezahlt worden sind – sowie von der Stadt K2 Wohngeld, nach Nachzahlungen über 1.294,00 Euro vom 25. Februar 2021 und über 1.414,00 Euro am 30. März 2021 in einer laufenden monatlichen Höhe von 307 Euro ab April 2021 im streitgegenständlichen Zeitraum (Bescheide vom 9. und 23. Februar 2021, Bl. 607 ff., 618 ff. 623 ff., 772 ff. elektr. Verw.-Akte; Umsatzaufstellung S1-Bank für den Zeitraum 1. Januar 2021 bis 3. Januar 2022, Bl. 253 ff., 261 SG-Akte). Der Kläger verfügt über eine Privathaftpflichtversicherung mit einem jeweils im Februar fälligen Jahresbeitrag von 39 Euro und eine Zahnzusatzversicherung mit einem Monatsbeitrag von 19,74 Euro, daneben bespart er einen „Riester“-geförderten Bausparvertrag mit monatlich 20,00 Euro (Bl. 208 f., 215, 210 ff. elektr. Verw.-Akte).

Der Kläger – bzw. dessen bereits mit Vorsorgevollmacht vom 25. Februar 2013 (Bl. 20 ff. elektr. Verw.-Akte) u.a. zur Erledigung von Vermögensangelegenheiten und zur Vertretung gegenüber Behörden bevollmächtigter Bruder – kündigte zum 31. März 2020 seine bis dahin bei der P2 gehaltenen Spar- und Girokonten (u.a. mit der Kontonr. xxx 01) und ließ sich die dortigen Guthaben auf ein – neben einem Genossenschaftsanteilkonto mit einem Guthaben von 52,00 Euro (Kontonr.: xxx 22, Bl. 352 ff. elektr. Verw.-Akte) – neueröffnetes Girokonto bei der S1-Bank (Kontonr. xxx 22) überweisen (Kündigungsbestätigung vom 16. März 2020, Bl. 171 elektr. Verw.-Akte, Kontoauszüge 1 und 2/2020, Bl. 161, 163 elektr. Verw.-Akte). Vor der Auflösung der bei der P2 geführten Konten erfolgten in der Zeit vom 5. Februar 2020 bis zum 31. März 2020 Bargeldabhebungen in Höhe von insgesamt 5.180 Euro (Bl. 356 f., 358, 393 f., 455 f. elektr. Verw.-Akte). Bei der V1-Bank hielt der Kläger einen am 20. April 2020 fälligen Sparbrief (Kontonr. xxx 37) und einen am 28. April 2021 fälligen Sparbrief (Kontonr. xxx 94), der am 2. April 2020 ein Saldo von 11.189,25 Euro aufwies (Bl. 176 elektr. Verw.-Akte). Der Erlös des erstgenannten Sparbriefs floss nach Fälligkeit auf ein ebenfalls bei der V1-Bank geführtes Tagesgeldkonto, dessen Guthaben mit Kündigung zum 1. Mai 2021 ebenso wie das Guthaben aus dem dann fälligen zweiten Sparbrief am 4. Mai 2021 auf das S1-Bank-Girokonto – insgesamt 16.489,43 Euro – überwiesen wurde (Auftrag vom 30. März 2020 und Bestätigung der V1-Bank, Bl. 174 f. elektr. Verw.-Akte, Kontoauszug 5/2021 Girokonto S1-Bank, Bl. 708 elektr. Verw.-Akte). Von dem bei der V1-Bank geführten Tagesgeldkonto erfolgte am 10. Dezember 2019 eine Überweisung über 25.000 Euro (Verwendungszweck: Umschuldung) und am 19. Dezember 2019 von 20.000 Euro (Verwendungszweck: Umschuldung Wohnung O1) auf das P2konto mit der Nr. xxx 01 (Bl. 723 elektr. Verw.-Akte), welches bereits am 30. Januar 2020 nur noch einen Kontostand von 1.221,52 Euro aufwies (Bl. 326 elektr. Verw.-Akte). Auf das S1-Bank-Girokonto erfolgte bereits am 29. Juni 2020 eine Überweisung des Vaters des Klägers über 11.189,25 Euro mit der Angabe „Ablosung V1-Sparbrief, fallig 28.07.2021“ (Kontoauszug 4/2020, Bl. 167 elektr. Verw.-Akte). Nach Zufluss des u.a. aus dem Sparbrief mit der Kontonr. xxx 94 stammenden Guthabens auf das S1-Bank-Girokonto erfolgte von dort am 6. Mai 2021 eine Überweisung an den Vater des Klägers in Höhe von 11.487,86 Euro mit dem Verwendungszweck „Rueckzahlung VorschussV1-Bank Sparbrief Juni 2020“ (dortiger Kontoauszug 5/2021 a.a.O). Am 6. Juli 2021 erfolgten auf das S1-Bank-Girokonto zwei Bareinzahlungen von 3.450,00 Euro und 50 Euro, am 22. November 2021 eine weitere Bareinzahlung von 1.500 Euro auf ein zwischenzeitlich bei der I1 eröffnetes Girokonto des Klägers (Bl. 78 SG-Akte, Bl. 802 elektr. Verw.-Akte). Im streitgegenständlichen Zeitraum wies das S1-Girokonto jeweils zum dritten Werktag des Monats nach den vorliegenden Kontoauszügen ein Guthaben von 1.998,79 Euro am 3. März 2021, von 2.196,19 am 7. April 2021, von 17.605,10 Euro am 5. Mai 2021, von 6.030,64 Euro am 4. Juni 2021, von 6.059,30 Euro am 5. Juli 2021 und von 9.622,70 Euro am 4. August 2021 auf (Bl. 702, 705, 708, 711, 822, elektr. Verw.-Akte, Bl. 80 SG-Akte). Zum Februar 2021 liegt kein Kontoauszug vor, jedoch betrug der Kontostand am 31. Januar 2021 742,58 Euro und ist nach der vorliegenden Umsatzübersicht bis zum 3. Februar 2021 eine Überweisung von 143,92 Euro aus diesem Konto erfolgt (Bl. 557, 1030 elektr. Verw.-Akte).

Weiter war der Kläger versicherte Person einer am 1. November 2021 fälligen Kapitallebensversicherung bei der P1 Lebensversicherung aG, Versicherungsnehmer war jedenfalls seit 1999 sein Vater (Bl. 437 ff. elektr. Verw.-Akte). Die Beiträge zu dieser Versicherung zahlte jedenfalls teilweise der Kläger (Konto Auszug Girokonto P2 02/2020, Bl. 326 f. elektr. Verw.-Akte). Am 7. Februar 2020 bescheinigte der Versicherungsgeber eine Änderung des Bezugsrechts auf den Versicherungsnehmer (Bl. 529 elektr. Verw.-Akte). Daneben hielt der Kläger eine private Rentenversicherung bei der H1 mit einem Rückkaufswert von 7.485,79 Euro am 1. Februar 2020 (Bl. 1003 elektr. Verw.-Akte). Diesbezüglich erfolgten am 25. und am 26. November 2020 Überweisungen auf das S1-Bank-Girokonto des Klägers durch seinen Vater in Höhe von 5.000 Euro und 2.745,45 Euro, jeweils unter Angabe des Verwendungszwecks „Ablosung C1 RV xxx, Ruckkaufwert z. 01.02.2020“ (Bl. 522 elektr. Verw.-Akte).

Am 2. Februar 2020 wandte sich der Kläger – bzw. dessen bevollmächtigter Bruder (im Weiteren einheitlich: der Kläger) – an den Beklagten, bat um Mitteilung der nächsten Schritte wegen eines „Antrags auf Sozialhilfe“ und teilte mit, dass der Kläger in ein Pflegeheim verlegt werden müsse, die zu erwartenden Unterbringungskosten jedoch nicht werde decken können. Nach zwischenzeitlicher Mitteilung, dass die ersten Zahlungen möglicherweise über vorhandenes Vermögen geleistet werden könnten (E-Mail vom 9. Februar 2020), stellte der Kläger einen auf den 20. Juli 2020 datierten und am 21. Juli 2020 per E-Mail übersandten Antrag auf Gewährung von Hilfe in einem Heim. Hierin gab er u.a. an, die Eigentumswohnung in O1 gehöre seinem Vater und sei ihm mietzinsfrei zur Verfügung gestellt worden. Die letzten fünf Jahre habe er zur Unterstützung im elterlichen Haus in E1 gelebt. Im Weiteren übersandte der Kläger Unterlagen, insbesondere Heimrechnungen und Bankdokumente, an den Beklagten.

Der Beklagte teilte dem Kläger im Weiteren per E-Mail und postalisch für die Monate August 2020 bis Januar 2021 mit, dass dessen vorhandenes Vermögen zur Bedarfsdeckung ausreiche und forderte wiederholt weitere Erläuterungen und Unterlagen an (Bl. 314, 377f., 426 f., 430 f., 527 f. elektr. Verw.-Akte).

Mit Bescheid vom 16. Februar 2021 lehnte der Beklagte die Übernahme nicht gedeckter Heimkosten des Klägers ab (Bd. 586 f. elektr. Verw.-Akte), da ein Nachweis der Hilfebedürftigkeit nicht erbracht worden sei. Es seien keine vollständigen Nachweise über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingereicht worden. Hierzu führte der Beklagte insbesondere fehlende Nachweise der Verwendung der im Februar und März 2020 getätigten Barabhebungen an.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 1. März 2021 Widerspruch ein (Bl. 643 f. elektr. Verw.-Akte) und benannte als Ausgaben u.a. Spenden, Brillen- und Zahnarztrechnungen.

Nach Anforderung weiterer Erläuterungen und Nachweise mit Schreiben vom 17. Mai 2021 und Beratung mit sozial erfahrenen Dritten am 25. Juli 2021 (Bl. 786 ff. elektr. Verw.-Akte) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2021 zurück, da die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht feststehe. Trotz wiederholter Aufforderungen habe er nicht alle zur Prüfung seiner finanziellen Verhältnisse erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Die Höhe des Barvermögens sei unklar. Selbst ohne Barvermögen habe das Vermögen am 1. Februar 2021 24.956,11 Euro betragen, wovon 19.956,11 Euro einzusetzen seien. Es finde keine Verrechnung von Aktiva und Passiva statt. Solange das Vermögen vorhanden sei, werde es Monat für Monat berücksichtigt. Dabei ging der Beklagte von folgenden Positionen (Stand 1. Februar 2021) aus:

Girokonto Nr. xxx 22 S1 Bank:                                              742,58 Euro
Konto Nr. xxx 22
S1 Bank:                                                    52,00 Euro
Konto Nr. xxx 33
V1 Bank:                                                   5.001,04 Euro
Konto Nr. xxx 94
V1 Bank:                                                    11.413,04 Euro
Lebensversicherung
C1, Rückkaufswert 02/20:                   7.747,45 Euro
BHW Bausparvertrag, geschütztes Vermögen (§ 90 Absatz 2 Nr. 2 SGB XII)
Hinzu komme noch nicht geklärtes Barvermögen.


Hiergegen hat der Kläger am 27. August 2021 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und u. a. vorgetragen, dass die Bareinzahlungen vom 6. Juli 2021 von insgesamt 3.500 Euro aus einem Gesamtbetrag von 5.180 Euro stammten, der in der Zeit Februar/März 2020 von den P2-Konten des Klägers u.a. für die erforderliche Sanierung seiner Schneidezähne nach dem Sturz vom 9. bzw. 10. Oktober 2019 abgehoben worden sei. Eine weitere Bareinzahlung von 1.340 Euro sei am 15. November 2021 erfolgt. Weiter hat der Kläger insbesondere einen zwischen ihm und seinem Vater geschlossenen Vertrag über ein ihm gewährtes Darlehen von 15.000 Euro zur Deckung offener Heimkosten, eine Kontoaufstellung der Heimstiftung K2 vom 3. August 2021, die bereits unter Einbeziehung der für den August 2021 anfallenden Kosten und Entgelte ein Soll von 1.563,56 Euro ausweist, sowie Umsatzübersichten zu dem bei der S1-Bank geführten Girokonto für die Zeiträume 1. Januar bis 31. Dezember 2020 und 1. Januar 2021 bis 3. Januar 2022 vorgelegt, wobei sich letzteren u.a. Überweisungen an die Heimstiftung K2 i.H.v. 1.000 Euro am 10. August 2021 und von 800 Euro am 8. September 2021 (jeweils mit dem Verwendungszweck „Abschlagszahlung“) entnehmen lassen.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2022 hat der Beklagte dem Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme der ungedeckten Heimkosten rückwirkend ab dem 1. September 2021 bewilligt. Darauf hat der Kläger, der ursprünglich die Verurteilung des Beklagten zur Leistung von Hilfe zur Pflege ab dem 3. Februar 2020, dann ab dem 20. Juli 2020 begehrt hatte, als noch streitigen Zeitraum die Zeit vom 1. Februar 2021 bis 31. August 2021 benannt (Schreiben vom 12. August 2022, Bl. 201 SG-Akte).

Nachdem ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag seitens des Klägers nicht angenommen worden war, hat das SG die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2022 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege in Form stationärer Pflege nach § 65 SGB XII. Der maßgebliche Bedarf setze sich zusammen aus dem Entgelt, dass der Betroffene der stationären Einrichtung aufgrund des Heimvertrags schulde, sowie dem Barbetrag nach § 27b Abs. 2 SGB XII. Hiervon seien die Leistungen der Pflegekasse abzusetzen. Insgesamt habe der Kläger der Heimstiftung K2 monatlich 3.307,40 Euro zahlen müssen. Zusammen mit dem sog. Barbetrag in Höhe von 120,42 Euro folge daraus ein Bedarf in Höhe von 3.427,82 Euro. Der Kläger sei in der Lage gewesen, diesen Bedarf mit seinem Vermögen zu decken. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 des Heimvertrages sei die Entgeltforderung jeweils am dritten Werktag eines Monats fällig gewesen. An diesen Tagen habe der Kläger bei der V1-Bank zum einen ein Konto (xxx 33), zum anderen einen Sparbrief (xxx 94) gehabt. Laut Übersicht vom 3. Januar 2021 habe der Wert des Kontos 5.001,04 Euro und der Wert des Sparbriefs 11.413,04 Euro betragen, zusammen 16.414,08 Euro. Selbst nach Abzug eines Freibetrags von 5.000 Euro habe das Vermögen bei weitem den Bedarf von 3.427,82 Euro überstiegen. Das Vermögen sei auch „verwertbar“ gewesen, obwohl der Kläger die Verträge erst zum 28. April 2021 (Sparbrief) bzw. 1. Mai 2021 (Konto) gekündigt habe: Sparanlagen, die eine kürzere Kündigungsfrist als ein Jahr hätten, seien verwertbar. Die Kündigungsfrist betrage bei einem Sparbrief typischerweise nur drei Monate. An den maßgeblichen Zeitpunkten von Mai bis August 2021 habe der Kläger über Guthaben bei der S1-Bank und Bargeld verfügt, die einen Anspruch ausschlössen. Das Girokonto des Klägers bei der S1-Bank habe am 5. Mai 2021 einen Stand von 17.605,10 Euro gehabt, am 3. Juni 2021 von 6.030,64 Euro, am 5. Juli 2021 von 6.059,30 Euro und am 4. August 2021 von 9.622,70 Euro. Schon allein dieses Guthaben habe nach Abzug eines Freibetrags von 5.000 Euro in den Monaten Mai und August 2021 ausgereicht, um damit den Bedarf von 3.427,82 Euro zu decken. Zu dem (für sich genommen nicht bedarfsdeckenden) Guthaben auf dem Girokonto bei der S1-Bank am 3. Juni und 5. Juli 2021 sei noch Barvermögen in Höhe von mindestens 3.500 Euro hinzugekommen – mit der Folge, dass auch in den Monaten Juni und Juli 2021 das Vermögen des Klägers den Bedarf überstiegen habe: Diese 3.500 Euro seien als Vermögen zu berücksichtigen, selbst wenn man unterstelle, dass bereits eine Zahlungspflicht für zahnärztliche Leistungen entstanden sei – die Rechnungen datierten allerdings nach den Angaben des Klägers erst vom 5. August, 22. November und 22. Dezember 2021. Denn bei der Berechnung des Vermögens seien etwaige Verbindlichkeiten des Betroffenen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; es erfolge keine Saldierung von Aktiva und Passiva.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 5. Dezember 2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das Guthaben des Sparbriefs xxx 94 von 11.189,25 Euro sei von dem Vater des Klägers am 29. Juni 2020 ausgelegt worden, da dieser Sparbrief, entgegen der Auffassung des SG, nicht kündbar gewesen sei. Sämtliche Bankverbindungen zwischen dem Kläger und der V1 Bank seien zum 3. Mai 2021 beendet und der Gesamtbetrag von 16.489,43 Euro auf das Referenzkonto bei der S1-Bank überwiesen worden. Dieser Betrag setze sich zusammen aus Schonvermögen sowie dem ausgezahlten Sparbrief von 11.487,86 Euro, der allerdings an den Vater habe zurückgezahlt werden müssen. Der Hinweis auf dem Überweisungsträger „Ablösung V1-Sparbrief, fällig 28.07.2021“ sei in der Auslegung der Erklärung dahingehend zu modifizieren, dass er den streitbefangenen Betrag an seinen Vater im rechtlichen Sinne abgetreten habe und mithin nicht mehr verfügungsbefugt gewesen sei. In dem auf dem Kontoauszug 5/2021 ausgeworfenen Betrag von 6.030,64 Euro sei nunmehr das Schonvermögen enthalten. Weitere Konten habe es zu dem Zeitpunkt nicht mehr gegeben. Mit Schreiben vom 10. November 2020 sei dem Kläger durch die H1der Rückkaufwert zzgl. Überschussguthaben von insgesamt 7.747,45 Euro mitgeteilt worden. Dieser Betrag sei in zwei Überweisungen am 25./26. November 2020 dem S1-Bank-Konto gutgeschrieben und für weitere Zahlungen der Heimkosten verwendet worden. Er verweist insbesondere auch auf die sturzbedingte Erforderlichkeit der Zahnbehandlung und die diesbezüglich entstandenen Kosten. Zu diesem Zweck seien schon frühzeitig Geldbeträge abgehoben worden, um die erwarteten Zuzahlungskosten – zunächst zumindest in Teilen – zahlen zu können. Die so durchgeführte Finanzierung dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Wäre die indizierte Implantatbehandlung vor Antragstellung im Juli 2020 abgeschlossen oder im Wege von Vorschussrechnungen bezahlt gewesen, wäre die streitige Summe rechtlich unerheblich.

Der Kläger beantragt, sachgerecht gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2022 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2021 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis 31. August 2021 Pflegekosten in Höhe von zumindest 17.486,77 Euro zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hebt hervor, dass auch ohne Berücksichtigung des Sparbriefs xxx 94 eine Bedarfsdeckung aus dem Vermögen im streitgegenständlichen Zeitraum möglich gewesen sei. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 6. Dezember 2023 auf eine telefonische Anfrage des Senats eine Aufstellung über die bundesweiten durchschnittlichen Warmmieten von Einpersonenhaushalten im Jahr 2021 vorgelegt, aus der sich für den Landkreis O2 ein Betrag von 371,70 Euro ergibt.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 11. Mai 2023 einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf dessen Protokoll wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2023 bzw. 5. Juni 2023 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen auf die Prozessakten beider Instanzen sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig, da der Wert des Streitgegenstands 750 Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Vorliegend ist insoweit auf die monatlichen Pflegekosten nach Abzug der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung, des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen sowie ohne Berücksichtigung der aus dem Barbetrag zu begleichenden monatlichen Telefonkostenpauschale abzustellen, vorliegend 2.498,11 Euro (s. dazu im Weiteren) über sieben Monate, insgesamt mithin 17.486,77 Euro.

Gegenstand des Verfahrens ist, neben der erstinstanzlichen Entscheidung, der Bescheid des Beklagten vom 16. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2021 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege zugunsten des Klägers abgelehnt hat, begrenzt – wie der Kläger im Schreiben vom Schreiben vom 12. August 2022 gegenüber dem SG erklärt und auch im Erörterungstermin vom 11. Mai 2023 bestätigt hat – auf den Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis zum 31. August 2021. Das Klagebegehr ist dabei auszulegen. Denn nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. Juni 2002 – B 11 AL 23/02 R – juris Rdnr. 21; BSG, Beschluss vom 8. November 2005 – B 1 KR 76/05 BSozR 4-1500 § 158 Nr. 2). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nach Maßgabe des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl. etwa BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 9 Rdnr. 16). Der Kläger hat in erster Instanz schriftlich, neben einem auf den vorgenannten Bescheid bezogenen Anfechtungsantrag, zuletzt und vor der Begrenzung auf den Zeitraum bis einschließlich August 2021 den Antrag formuliert: „Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen Hilfe zur Pflege in Form stationärer Pflege nach § 65 SGB XII ab dem 01.02.2021 zu bewilligen.“ Dies ist als auf die Verpflichtung des Beklagten zum Schuldbeitritt hinsichtlich der pflegebedingten Zahlungspflicht des Klägers gegenüber der Heimstiftung K2 gerichteter Klageantrag zu verstehen. Auf diesen Antrag hat der Kläger auch in der Berufungsinstanz verwiesen. Der Kläger hat jedoch die im streitigen Zeitraum entstandenen Kosten der Pflege bei der Heimstiftung K2 (inzwischen) vollständig beglichen und die laufende Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege im Weiteren ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die vollständige Begleichung der fraglichen Rückstände ergibt sich zum einen aus der Kontoaufstellung der Heimstiftung K2 vom 3. August 2021, die unter Einbeziehung der für den Monat August 2021 anfallenden – am 4. August 2021 fällig werdenden – Entgelte und Kosten ein Gesamtsoll von 1.563,56 Euro ausweist. Zum anderen ergibt sich dies daraus, dass der Kläger ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Umsatzübersicht zu seinem damaligen Girokonto bei der S1-Bank im August und September 2021 weitere Zahlungen an die Heimstiftung K2 i.H.v. insgesamt 1.800 Euro ausdrücklich mit dem Verwendungszweck „Abschlagszahlung“ geleistet hat. Mangels anderweitiger Zweckbestimmungen haben diese Zahlungen gemäß § 366 Abs. 2 BGB zuerst die älteren Schulden getilgt und mithin die bis einschließlich August 2021 bei der Heimstiftung K2 entstandenen vollständig. Ein Schuldbeitritt zu dieser getilgten Schuld kommt daher nicht (mehr) in Betracht. Vielmehr ist das Begehr nunmehr dahingehend zu verstehen, dass der Kläger die Erstattung der sein anrechenbares Einkommen und Leistungen Dritter übersteigenden Kosten der Pflege im Zeitraum vom 1. Februar bis 31. August 2021 ohne die Berücksichtigung von Vermögen begehrt. Dabei ist es gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird – wie hier anstelle des ursprünglich zutreffend begehrten Schuldbeitritts die Kostenerstattung (vgl. Guttenberger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 99 SGG, Stand: 15. Juni 2022, Rdnr. 37). Da die Klage nicht (mehr) auf einen Schuldbeitritt gerichtet ist, ist auch die Beiladung der Heimstiftung K2 als Leistungserbringer nicht notwendig gewesen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 10/12 R –, SozR 4-1500 § 130 Nr. 4, SozR 4-1500 § 75 Nr. 16, juris Rdnr. 10 m.w.N.)

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Die von ihm in Anbetracht des dargestellten Klagebegehrs statthaft erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG) ist zwar zulässig, sie ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung der von ihm aufgrund der Leistungsablehnung des Beklagten im Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis zum 31. August 2021 entstandenen Pflegekosten. Ein solcher Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die – im Ergebnis selbstbeschaffte – Leistung allgemein als Sach- oder Dienstleistung hätte erbracht werden müssen (BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 30/10 R –, BSGE 110, 301-310, SozR 4-3500 § 54 Nr. 8, SozR 4-3500 § 53 Nr 3, SozR 4-3540 § 12 Nr. 1, juris Rdnr. 12). Der hier zugrundeliegende und ursprünglich geltend gemachte Anspruch auf Hilfe zur Pflege mittels Kostenübernahme der ungedeckten Heimkosten (Schuldbeitritt durch einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung) stellt eine Sachleistung in diesem Sinne dar (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 10/12 R –, SozR 4-1500 § 130 Nr. 4, SozR 4-1500 § 75 Nr. 16, juris Rdnr. 10).

Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Hilfe zur Pflege nach § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 61 ff SGB XII für den Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis zum 31. August 2021 jedoch zu Recht abgelehnt. Der Bescheid des Beklagten vom
16. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2021 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Neunten und des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs [Nds. AG SGB IX/XII]) sachlich zuständig, wobei die Entscheidung durch den gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nds. AG SGB IX/XII herangezogenen Landkreis
O2 als örtlichem Träger erfolgt ist. Gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung hat oder – sofern es einen solchen zu diesem Zeitpunkt nicht gab – in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt hatte. War bei Einsetzen der Sozialhilfe der Leistungsberechtigte aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist hingegen der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (§ 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII; BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 17/12 R – BSGE 114, 147 = SozR 4-3500 § 92a Nr. 1, juris Rdnr 19). Der Kläger hatte vor seiner stationären Aufnahme in das Städtische Klinikum K2 am 10. Oktober 2019als Beginn der nahtlos nachfolgenden stationären Aufenthalte bis zuletzt und hier maßgeblich in dem Pflegeheim „M1“ – seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Landkreis O2 – entweder in O1 als der von ihm benannten Wohnanschrift oder nach dem weiteren Angaben im Antragsformular vom 20. Juli 2020 in E1 – und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des von dem Beklagten herangezogenen örtlichen Trägers.

Der Bescheid des Beklagten vom
16. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2021 ist insbesondere auch insoweit formell rechtmäßig ergangen, als vor der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers die gemäß § 116 Abs. 2 SGB XII vorgesehene beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter erfolgt ist.

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege gegen den Beklagten, denn er konnte seinen Bedarf aus seinem Vermögen decken.


Der geltend gemachte Anspruch bestimmt sich nach § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 61a SGB XII (jeweils i.d.F. vom 23. Dezember 2016). Danach ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung im Sinne der §§ 61a ff. SGB XII für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten, die auch stationäre Pflege umfasst (§ 63 Abs. 1 Nr. 5, § 65 SGB XII). Diese besonderen Leistungen der Sozialhilfe umfassen neben den eigentlichen Maßnahmekosten den in der Einrichtung erbrachten (inkludierten) notwendigen Lebensunterhalt in Höhe normativer Vorgaben (§ 27b Abs. 1 SGB XII), deren Wert sich weder an den tatsächlichen Kosten noch den Pflegesätzen (§ 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 84 SGB XI) orientiert, sowie daneben als ergänzende Leistungen (§ 27b Abs. 2 SGB XII) den weiteren notwendigen Lebensunterhalt, der allerdings nur als Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt wird (BSG, Urteil vom 27. Februar 2019 – B 8 SO 15/17 R – SozR 4-3500 § 102 Nr. 3 Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 8 SO 25/14 RBSGE 121, 129 = SozR 4-3500 § 92 Nr. 2, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 15. November 2012 – B 8 SO 25/11 R – SozR 4-3500 § 35 Nr. 3 Rdnr. 13).

Für die Höhe der Leistungen bei stationärer Unterbringung ist zwischen den Kosten für den inkludierten Lebensunterhalt (Einkommensberücksichtigung nach §§ 82 bis 84, § 92 SGB XII), dem weiteren notwendigen Lebensunterhalt (Einkommensberücksichtigung nach §§ 82 bis 84 SGB XII) und den sonstigen Maßnahmekosten (Einkommensberücksichtigung nach §§ 85 bis 88 SGB XII) zu unterscheiden. Die Bedürftigkeitsprüfung (dazu nachfolgend) spaltet sich insoweit in die beiden unterschiedlichen Teile der Kosten für den notwendigen (inkludierten und weiteren) Lebensunterhalt einerseits und die restlichen Kosten der Maßnahme andererseits auf (Eicher in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Anhang zu § 19 SGB XII, Stand 22. November 2023, Rdnr. 5), wobei sich eine mehrfache Berücksichtigung des Einkommens verbietet (§ 89 Abs. 1 SGB XII). Das Einkommen des jeweiligen Antragstellers – im Falle des Klägers das Renteneinkommen sowie das Wohngeld – wird zunächst beim inkludierten Lebensunterhalt (§§ 43, 27b Abs. 1 SGB XII) gemäß §§ 43, 82 bis 84 SGB XII berücksichtigt; bleibt Einkommen darüber hinaus frei, wird dieses beim zu zahlenden weiteren notwendigen Lebensunterhalt (§ 27b Abs. 1 Satz 1 Nummer 2, Absatz 2 SGB XII) gemäß §§ 82 bis 84 SGB XII berücksichtigt. Nur ein danach noch verbleibender Einkommensüberschuss ist schließlich für die Fachleistung nach §§ 85 bis 88 SGB XII zu berücksichtigen. Nur diese Reihenfolge der Einkommensberücksichtigung ist ermessensfehlerfrei, weil die Grundsicherungsleistung der Hilfe zum Lebensunterhalt vorgeht (§ 19 Abs. 2 Satz 2 SGB XII) und Einkommen, das für Zwecke des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen muss, nicht bei der Prüfung der §§ 85 ff. SGB XII berücksichtigt werden darf (BSG, Urteil vom 23. März 2021 – B 8 SO 16/19 R – juris Rdnr. 14; Eicher in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Anhang zu § 19 SGB XII, Stand 22. November 2023, Rdnr. 5).

Der Kläger gehört zunächst zum Kreis der dem Grunde nach Leistungsberechtigten im Sinne von §§ 61 Satz 1, 61a SGB XII. Er erlitt 2019 multiple Hirninfarkte, welche als Folgebeeinträchtigungen insbesondere eine komplette spastische Hemiparese rechts, die erhebliche Bewegungseinschränkungen bedingt, und Einschränkungen der neuropsychologisch-kognitiven Funktionen, welche u.a. eine Störung sämtlicher Aufmerksamkeitsfunktionen, Orientierungs- und Gedächtnisfunktionen wie auch der Visusmodalitäten umfassen und in dem Bericht des L1 vom 11. Februar 2020 nachvollziehbar als „massiv“ beschrieben worden sind. Aufgrund der diesbezüglichen Beeinträchtigungen ist bei dem Kläger zuletzt der Pflegegrad 3 und für den streitgegenständlichen Zeitraum noch ein Pflegegrad 4 festgestellt worden (zur Bindungswirkung der Feststellung des Pflegegrades durch die Pflegekasse s. § 62a SGB XII) und auch eine häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich (§ 65 SGB XII).

Der zu berücksichtigende notwendige Lebensunterhalt als in die stationäre Leistung eingeschlossener Bedarf gemäß § 27b SGB XII (i.d.F. vom 23. Dezember 2016) entspricht als Rechenposten (vgl. dazu nur BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 17/12 RBSGE 114, 147 = SozR 4-3500 § 92a Nr. 1, Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 8 SO 11/12 R – SozR 4-3500 § 106 Nr. 1 Rdnr. 26) insgesamt dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Nrn. 1, 2 und 4 SGB XII (hier i.d.F. vom 10. Dezember 2019, im Weiteren a.F.). Gemäß § 27b Abs. 1 Satz 2 SGB XII entspricht der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen dem Umfang (1.) der Regelbedarfsstufe 3 nach der Anlage zu § 28 bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, und den Regelbedarfsstufen 4 bis 6 nach der Anlage zu § 28 bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2.) der zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels, (3.) der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 42 Nummer 4 Buchstabe b. Vorliegend ist daher ein Regelbedarf von 357,00 Euro und hinsichtlich des dem Kläger zuerkannten Merkzeichens G ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII in Höhe von 17% der maßgebenden Regelbedarfsstufe, mithin 60,69 Euro anzusetzen. Die Bedarfe der Unterkunft und Heizung sind gemäß § 42 Nr. 4 b SGB XII a.F. für Personen, deren notwendiger Lebensunterhalt sich u.a. – wie für den Kläger – nach § 27b Absatz 1 Nummer 2 SGB XII ergibt, nach der Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushalts im Bereich des nach § 46b SGB XII zuständigen Trägers zu bestimmen. Nach § 46b Abs. 1 und 3 Satz 3 SGB XII i.V.m. § 8 Satz 2 Nds. AG SGB IX/XII ist dies in entsprechender Anwendung von § 98 Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt des Beginns des stationären Aufenthalts oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gelegen hat. Vorliegend ist dies der Landkreis O2, in dem die durchschnittliche Warmmiete eines Einpersonenhaushalts im Jahr 2021 monatlich 371,70 Euro betragen hat, wie der Senat der entsprechenden, von dem Beklagten vorgelegten Aufstellung entnimmt (der Beklagte hat dagegen in seinen Berechnungsbögen einen Betrag von 485,17 Euro angesetzt, was der durchschnittlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts im Bereich der Stadt K2 als dem für den Einrichtungsort zuständigen Träger im Jahr 2021 entsprochen hat). Der notwendige Lebensunterhalt ist damit insgesamt monatlich mit einem Betrag von 789,39 Euro zu bemessen.

Der weitere notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (§ 27b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB XII). Vorliegend ist daher die Bekleidungspauschale nach § 27b Abs. 4 SGB XII i.H.v. 23,50 Euro und ein Barbetrag zu berücksichtigen, der bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mindestens 27 v.H. der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII beträgt (§ 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII) und damit im Jahr 2021 120,42 Euro betragen hat. Hierbei ist dem Wort „mindestens“ in § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII zu entnehmen, dass es sich bei dem pauschalierten Barbetrag nur um einen Sockelbetrag handelt, der im Einzelfall auch zu erhöhen ist, wenn die dem Barbetrag zuzuordnenden Bedarfe sonst nicht gedeckt werden können. Da die Regelung auf die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zielt, kann davon ausgegangen werden, dass der Barbetrag insbesondere Aufwendungen umfasst, die zur Befriedigung der Bedürfnisse auf Erhaltung der Beziehungen mit der Umwelt, nach Information, zur allgemeinen Bildung sowie zur Teilnahme am kulturellen und politischen Leben in angemessenem Umfang dienen, er also insbesondere Schreibmaterial, Postgebühren, Aufwendungen für Nahverkehrsmittel, Tageszeitungen, Zeitschriften, Bücher, Kinobesuche, Geschenke, Vereinsbeiträge und Genussmittel umfasst (BSG, Urteil vom 23. März 2021 – B 8 SO 16/19 R –, BSGE 132, 41-55, SozR 4-3500 § 27b Nr. 2, juris Rdnr. 25). Vorliegend bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine weitergehende Bemessung. Bei der Berechnung des Barbetrags ist jedenfalls nicht zusätzlich der Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 SGB XII bei Zuerkennung des Merkzeichens G zu berücksichtigen, weil dieser in die Berechnung des (inkludierten) Lebensunterhalts (§ 27b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 42 Nr. 2 SGB XII) einfließt (BSG, a.a.O., Rdnr. 23 f.). Insbesondere sind Hilfen zur Mobilität nach § 1 Abs. 3 des Heimvertrages, der den Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg und mithin die dortige Regelung in § 1 c) einbezieht, Teil der durch das Pflegeheim zu erbringenden Versorgung. Für einen von § 30 Abs. 1 SGB XII erfassten, ungedeckten Mobilitätsbedarf außerhalb des Pflegeheims (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23. Februar 2023 – B 8 SO 2/22 R –, SozR 4 (vorgesehen), juris Rdnr. 14 ff.) ist nichts vorgetragen und auch im Übrigen nichts ersichtlich. Auch etwaige Beiträge für angemessene Versicherungen sind nicht als weiterer notwendiger Lebensunterhalt zu berücksichtigen, sondern gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII vom einzusetzenden Einkommen in Abzug zu bringen. Die dem Kläger von der Heimstiftung K2 in Rechnung gestellte Telefonkostenpauschale von 19,90 Euro monatlich ist dagegen nach den vorstehenden Ausführungen aus dem Barbetrag zu begleichen.

Als eigentlicher Fachleistungs- bzw. Maßnahmebedarf verbleiben zuletzt die Pflegeheimkosten, soweit diese nicht von der gesetzlichen Pflegeversicherung des Klägers gedeckt worden sind, abzüglich des bereits berücksichtigten notwendigen Lebensunterhalts und ohne Einbeziehung der aus dem Barbetrag zu deckenden Telefonpauschale. Aus dem den vorliegenden Heimrechnungen zu entnehmenden täglichen Heimentgelt von 166,42 Euro im Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis 31. August 2021 (108,47 Euro Entgelt für allgemeine Pflegeleistungen für Bewohner mit Pflegegrad 4 einschließlich Ausbildungsumlage, 16,52 Euro Entgelt für Unterkunft, 13,23 Euro Entgelt für Verpflegung und 28,20 Euro Investitionskostenanteil) folgen unter Ansatz von monatlich 30,42 Tagen (§ 8 Abs. 2 Heimvertrag) Pflegeheimkosten von 5.062,50 Euro. Hiervon hat die gesetzliche Pflegeversicherung des Klägers monatlich 1.775,00 Euro getragen und sind als notwendiger Lebensunterhalt 789,39 Euro in Abzug zu bringen, so dass ein Maßnahmebedarf von 2.498,11 Euro verbleibt.

Auf die dargestellten Bedarfe sind dann Leistungen zu erbringen, soweit der notwendige Bedarf nicht durch einzusetzendes Einkommen und Vermögen gedeckt werden kann. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird Volljährigen Hilfe zur Pflege nämlich nur geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist.

Der alleinstehende Kläger bezog im Jahr 2021 eine Rente wegen Erwerbsminderung mit einem (jedenfalls tatsächlichen) monatlichen Zahlbetrag von 720,32 Euro sowie Wohngeld, neben Nachzahlungen von 1.294,00 Euro am 25. Februar 2021 und von 1.414,00 Euro am 30. März 2021 in einer monatlichen Höhe von 307 Euro ab April 2021. Die Berücksichtigung dieser laufenden Einnahmen – zu denen in Ermangelung einer § 11 Abs. 3 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.d.F. vom 26. Juli 2016 entsprechenden Regelung auch Nachzahlungen einer laufenden Leistung zählen – erfolgt in dem Monat, in dem die Leistung für den Hilfeempfänger oder zum Einsatz Verpflichteten zugeflossen ist (Schmidt in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 82 SGB XII, Stand 1. Februar 2020, Rdnr. 16; Siebel-Huffmann in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 70. Edition, Stand 1. Dezember 2021, SGB XII § 82 Rdnr. 4). Von dem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes einzusetzenden Einkommens sind gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes (EStG), soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 EStG nicht überschreiten, abzusetzen. Angemessen sind hierbei Beiträge für in der Bevölkerung weitgehend übliche Versicherungen, die vernünftigerweise ein Risiko absichern, bei deren Eintritt die weitere Lebensführung außerordentlich belastet wäre. Maßgebend ist, ob ein in bescheidenen Verhältnissen lebender, aber nicht sozialhilfebedürftiger Bürger in einer vergleichbaren Lage den Abschluss einer Haftpflichtversicherung auch als sinnvoll erachtet hätte (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 2008 – L 9 SO 12/06 – unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 28. Mai 2003 – 5 C 8/02 –). Unter § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII fällt die Privathaftpflichtversicherung des Klägers mit einem jeweils im Februar fälligen Jahresbeitrag von 39 Euro sowie der „Riester“- bzw. nach § 82 EStG als Altersvorsorge geförderte Bausparvertrag mit monatlichen Beiträgen von 20 Euro, nicht jedoch die Zahnzusatzversicherung. Denn bei dieser handelt es sich weder um eine gesetzlich vorgeschriebene, noch eine aufgrund des Versicherungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung angemessene freiwillige Versicherung (vgl. Schlette in Hauck/Noftz SGB XII, 5. Ergänzungslieferung 2023, § 82 SGB 12 Rdnr. 91; Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 7 SO 1475/15 – juris Rdnr. 27 m.w.N.). Schließlich wird hinsichtlich des notwendigen Lebensunterhalts der Einkommenseinsatz nach § 92 SGB XII modifiziert. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.d.F. kann von einer Person, die nicht in einer Wohnung nach § 42a Abs. 2 Satz 2 SGB XII lebt und u.a. Leistungen nach dem Siebten Kapitel – der Hilfe zur Pflege – erhält und den übrigen in § 19 Absatz 3 SGB XII genannten Personen eine Aufbringung der Mittel für die Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Bei vollstationärer Betreuung ist jedoch der gesamte Lebensunterhalt einschließlich der Unterkunftskosten betroffen (vgl. Kokemoor in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 92 SGB XII, Stand 1. Februar 2020, Rdnr. 44). So verhält es sich hier, da der Kläger vorliegend umfassend in der Pflegeeinrichtung „M1“ versorgt wird und daneben keine Aufwendungen für den häuslichen Unterhalt mehr anfallen. Der Kläger hat daher im Februar 2021 über ein einsetzbares Einkommen von 1.955,32 Euro verfügt, im März 2021 von 2.114,32 Euro und von April bis August 2021 jeweils von 1.007,32 Euro.

Dieses Einkommen ist, soweit es reicht, zunächst für den notwendigen und den weiteren notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen und den Maßnahme- bzw. Unterbringungsbedarf einzusetzen. Vorliegend hat der Kläger den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen von monatlich 789,39 Euro und den weiteren notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen von monatlich 143,92 Euro im maßgeblichen Zeitraum vollständig aus seinem Einkommen decken können. Hinsichtlich des Einkommenseinsatzes für die Pflegekosten als Maßnahmebedarf ist zu berücksichtigen, dass dieses Einkommen jedenfalls im Zeitraum ab April 2021 – bei Berücksichtigung des nach §§ 82 ff. SGB XII bereinigten Einkommens (so etwa Giere in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Auflage 2024, § 85 SGB XII Rdnr. 14) – oder sogar durchgängig – wenn auf das bereinigte und um den notwendigen sowie den weiteren notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen abgestellt wird (so BSG, Urteil vom 12. Mai 2017 – B 8 SO 23/15 R – juris Rdnr. 37 ff.) – unter der sich aus § 85 Abs. 1 SGB XII auch für Leistungen der Hilfe zur Pflege ergebenden Grenze aus dem zweifachen Betrag der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII, den angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und einem – vorliegend nicht anfallenden – Familienzuschlag gelegen hat. Diese Einkommensgrenze beträgt vorliegend 1394,54 Euro, wobei der Senat die von der Heimstiftung K2 abgerechneten Unterkunftskosten als angemessen zugrunde legt (2x 446 Euro + 30,42x 16,52 Euro). Ein Einkommenseinsatz in angemessenem Umfang ist dem Kläger jedoch auch hinsichtlich des unter der Einkommensgrenze liegenden Einkommens zuzumuten, da er voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) – wie sich in der hiesigen Sache bereits daraus ergibt, dass der Kläger bereits seit März 2020 und damit seit fast einem Jahr vor Beginn des Zeitraums ab Februar 2021 befunden hat, ohne dass Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung des stationären Pflegebedarfs vorgelegen haben. Bei einem umfassenden Einsatz des nach Berücksichtigung des notwendigen und weiteren notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen noch verbliebenen Einkommens – 1.022,01 Euro im Februar 2021, 1.181,01 Euro im März 2021 und 74,01 Euro monatlich ab April 2021 – würde sich für den Februar 2021 ein noch zu deckender Betrag von 1.476,10 Euro, von 1.317,10 Euro für den März 2021 und von monatlich 2.424,10 Euro ab April 2021 ergeben. Im Ergebnis kann jedoch vorliegend dahinstehen, welcher Einkommenseinsatz als angemessen i.S.v. § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bzw., hinsichtlich etwaigen über der Grenze aus § 85 Abs. 1 SGB XII liegenden Einkommens, i.S.v. § 87 SGB XII anzusehen ist, da der Kläger selbst ohne jeglichen Einkommenseinsatz für die Pflegekosten in der Lage gewesen ist, diesen Bedarf durch einzusetzendes Vermögen zu decken.

Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte (BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R –, BSGE 100, 131-138, SozR 4-3500 § 90 Nr. 3, SozR 4-5910 § 88 Nr. 2, juris Rdnr. 15) Bei der Ermittlung des vorhandenen zu verwertenden und verwertbaren Vermögens ist dabei jeweils auf den Zeitpunkt des Bedarfsanfalls, hier auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Leistungserbringers abzustellen (BSG, Urteil vom 20. September 2012 – B 8 SO 20/11 R – SozR 4-3500 § 19 Nr. 4 Rdnr.17; BSG, Urteil vom 5. September 2019 – B 8 SO 20/18 R – SozR 4-3500 § 18 Nr. 5 Rdnr.18). Die Übernahme der Unterbringungskosten (im Wege eines Schuldbeitritts), die als sozialhilferechtlicher Bedarf zu decken sind, setzt an der Entstehung dieser Schuld an, mithin ihrer Fälligkeit. Für die Vermögensprüfung ist allein dieser Zeitpunkt maßgeblich, obwohl von der Einrichtung die existenznotwendigen Bedarfe an jedem Tag des Monats gedeckt werden. Anders als für die Berücksichtigung von Einkommen fehlt eine abweichende Zuordnungsregel für Vermögen, sodass Veränderungen im Vermögensbestand nach Eintritt der jeweiligen Fälligkeit unerheblich sind (BSG, Urteil vom 16. Februar 2022 – B 8 SO 17/20 R –, SozR 4 (vorgesehen), juris Rdnr. 20). Etwaige Schulden oder sonstige Verbindlichkeiten des Klägers sind unbeachtlich, eine Saldierung von Aktiva und Passiva erfolgt nicht (Urteil des Senats vom 25. September 2019 – L 7 SO 4349/16 –, juris Rdnr. 41; Urteil des Senats vom 4. August 2016 – L 7 SO 1394/16 – juris Rdnr. 32; zum SGB II BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 28/09 R – juris Rdnr. 22; BSG, Beschluss vom 2. November 2011 – B 4 AS 154/11 B – juris Rdnr. 7). Allein die Absicht, das Vermögen zur Schuldentilgung verwenden zu wollen, schließt dessen Berücksichtigung nicht aus (vgl. zur entsprechenden Problematik im Bereich des SGB II insbesondere BSG, Urteil vom 20. Februar 2020 – B 14 AS 52/18 R –, SozR 4-4200 § 12 Nr. 32, SozR 4-4200 § 37 Nr. 10, juris Rdnr. 31) und ein fiktiver Vermögensverbrauch findet nicht statt (BSG, a.a.O. Rdnr. 32; BSG, Urteil vom 20. September 2012 – B 8 SO 20/11 R – juris).

Zunächst hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum – auch ohne Berücksichtigung des Sparbriefs xxx 94 – über Bankguthaben verfügt, das den im Jahr 2021 maßgeblichen Vermögensfreibetrag von 5.000 Euro (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des SGB XII i.d.F. vom 22. März 2017) überstiegen hat und das alleine im August 2021 ausreichend gewesen ist, den verbliebenen
Maßnahmebedarf von 2.498,11 Euro auszugleichen. So wies das S1-Bank-Girokonto jeweils zum dritten Werktag des Monats nach den vorliegenden Kontoauszügen ein Guthaben von 1.998,79 Euro am 3. März 2021, von 2.196,19 am 7. April 2021, von 17.605,10 Euro am 5. Mai 2021, von 6.030,64 Euro am 4. Juni 2021, von 6.059,30 Euro am 5. Juli 2021 und von 9.622,70 Euro am 4. August 2021 auf. Bis zum Mai 2021 hatte der Kläger bei der V1-Bank ein Tagesgeldkonto, auf welchem sich neben dem Erlös des am 28. April 2021 fällig gewordenen Sparbriefs xxx 94 von 11.487,86 Euro ein weiteres Guthaben von 5.001,57 Euro befunden hat, wie sich insbesondere aus dem diesbezüglichen Kontoauszug 5/2021 des S1-Bank-Girokontos ergibt, welches den Zufluss des vorherigen V1-Bank-Guthabens aufweist. Ein Guthaben von 5.001,04 Euro wies das Tagesgeldkonto bei der V1-Bank dabei bereits im Januar 2021 auf, wie sich aus der diesbezüglichen Kontoübersicht vom 3. Januar 2021 ergibt, weswegen der Senat keinen Zweifel daran hat, dass ein vergleichbarer Bestand auch im Februar 2021 vorgelegen hat. Weiter ist als Bankguthaben das genossenschaftliche Anteilskonto bei der S1-bank mit einem Guthaben von durchgängig 52 Euro zu berücksichtigen.

Zu diesen Bankguthaben kommt für den Zeitraum bis einschließlich des für die Heimkosten maßgeblichen 5. Juli 2021 ein Barvermögen von zumindest 5.000 Euro hinzu, das nach den Angaben des Klägers aus im Wesentlichen im Hinblick auf zukünftige Zahnbehandlungskosten erfolgten Abhebungen stammt. Die Höhe des Barvermögens wird dadurch belegt, dass a
m 6. Juli 2021 auf das S1-Bank-Girokonto zwei Bareinzahlungen von 3.450,00 Euro und 50 Euro erfolgten und am 22. November 2021 eine weitere Bareinzahlung von 1.500 Euro auf ein zwischenzeitlich bei der I1 eröffnetes Girokonto des Klägers. Unter Berücksichtigung dieses Barvermögens ist der Kläger daher in der Lage gewesen, auch in den Monaten Februar bis Juli 2021 die Pflegekosten von jeweils 2.498,11 Euro zu begleichen. Denn das vorhandene Vermögen ist, wie dargestellt, dem jeweiligen Bedarf ohne Ansatz eines fiktiven Verbrauchs für vorher entstandene Bedarfe gegenüberzustellen. Da keine Saldierung von Aktiva und Passiva erfolgt sind auch etwaige den Kläger treffende Forderungen – hier etwa wegen der vorgetragenen Zahnsanierung – nicht zu berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, welchen Charakter die am 10. und am 19. Dezember 2019 erfolgten Überweisungen über 25.000 Euro (Verwendungszweck: Umschuldung) bzw. von 20.000 Euro (Verwendungszweck: Umschuldung Wohnung O1) hatten und ob insofern ein Schenkungsrückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB in Betracht kommt, nachdem die von dem Kläger ursprünglich in O1 bewohnte Wohnung nach seinen Angaben (bzw. den Angaben seines Bruders) im Eigentum des Vaters stand und dem Kläger unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sei. Ebenso kann die entsprechende Frage hinsichtlich der auf die inzwischen den Vater des Klägers begünstigende Kapitallebensversicherung bei der P1 Lebensversicherung aG von dem Kläger geleisteten Beiträge dahinstehen. Weiterhin kann offenbleiben, ob der Kläger tatsächlich den Sparbrief xxx 94 auf seinen Vater im Jahr 2020 übertragen hat, wogegen die Auszahlung auf ein Konto des Klägers spricht, oder sein Vater ihm insoweit lediglich ein Darlehen gegeben hat, welches mit Fälligkeit des vorgenannten Sparbriefs zurückzuzahlen war. Entsprechendes gilt hinsichtlich der vormaligen privaten Rentenversicherung des Klägers bei der C1.

Da der Kläger keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege im Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis zum 31. August 2021 gegen den Beklagten gehabt hat, steht ihm auch kein entsprechender Kostenerstattungsanspruch zu. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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