L 5 KR 3223/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2984/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3223/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Das Gesetz gibt in § 137i Abs. 1 Satz 3 SGB V (eingefügt durch das Pflegepersonalstärkungsgestz vom 11.12.2018) zwingend vor, dass für jeden pflegesensitiven Bereich im Krankenhaus die Pflegepersonaluntergrenzen differenziert nach Schweregradgruppen nach dem jeweiligen Pflegeaufwand, der sich nach dem von der InEK entwickelten, jährlich zu aktualisierenden Katalog zur Risikoadjustierung für Pflegeaufwand (sog. Pflegelast-Katalog) betimmt, festzulegen "sind". Die allein pauschalierte, fachabteilungsbezogene Festlegung von pflegesensitiven Bereichen, wie sie § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV in der Fassung vom 09.11.2020 vorsieht, verstößt in Zusammenschau mit der nach § 6 Abs. 1 PpUGV ebenfalls pauschalierten Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen gegen höherrangiges Recht.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.10.2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.



Tatbestand

Im Streit steht die Feststellung der pflegesensitiven Bereiche des klägerischen Krankenhauses für das Jahr 2021.

Die Klägerin ist Rechtsträgerin der R1Klinik, eines Plankrankenhauses, welches zuletzt durch Feststellungsbescheid des Regierungspräsidiums K1 vom 31.01.2011 in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen worden ist. Krankenhausplanerisch anerkannte Fachgebiete des Krankenhauses sind die Chirurgie sowie die Neurologie. Die in dem Feststellungsbescheid anerkannten bedarfsgerechten Betten und Plätze werden mit einer Anzahl von 70 angegeben. Ausweislich des Feststellungsbescheides kommt dem Krankenhaus ein besonderer Versorgungsauftrag insoweit zu, als in Bezug auf die krankenhausplanerischen Festlegungen zum Fachgebiet Chirurgie der Versorgungsauftrag auf konservative Behandlungen im Bereich der Facharztkompetenz Orthopädie und Unfallchirurgie eingeschränkt wird.

Das in der Rechtsform einer GmbH geführte, beklagte Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus stellte mit Schreiben vom 12.11.2020 auf Grundlage der Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – PpUGV) einen pflegesensitiven Bereich im Krankenhaus der Klägerin im Fachgebiet der Neurologie für das Kalenderjahr 2021 fest. Die Feststellung beruhte ausschließlich auf der Ausweisung einer Fachabteilung für Neurologie nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV. Nach den weiteren in der Verordnung vorgesehenen Kriterien, insbesondere zu den sog. Indikatoren-DRGs erfolgte keine Feststellung eines pflegesensitiven Bereichs.

Mit Schriftsatz vom 22.04.2021 erhob die Klägerin umfassend Einwendungen. Sie wies darauf hin, dass die in einer typischen neurologischen Fachabteilung eines Krankenhauses anzutreffenden Krankheitsbildern der Neurologie (Hirninfarkt, Epilepsie, Entzündungen des Nervensystems) von ihrem Krankenhaus nicht behandelt würden. Hohe Fallzahlen pflegeintensiver Prozeduren wie beispielsweise bei der neurologischen Komplexbehandlung seien überhaupt nicht anzutreffen. Auf der Grundlage der Pflegepersonal-Regelungen (PPR-Werte) sei eine Zuordnung der Krankheitsbilder, die in ihrem Krankenhaus versorgt würden, ganz überwiegend lediglich in dem Bereich pflegerischen Grundversorgung (A 1) erfolgt. Zu keinem Zeitpunkt sei in den letzten Jahren ein Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) nach dem PKMS (Pflege-Komplex-Maßnahmen-Score) abgerechnet worden. Allerdings habe sich im Rahmen der beklagtenseitigen Kalkulation in der Vergangenheit neben einem vergleichsweise sehr geringen Pflegekostenanteil ein hoher Therapiekostenanteil ergeben. Auf diese Besonderheit habe auch schon ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr G1, in der Vergangenheit hingewiesen. Auch eine Darlegung auf Basis der Indikatoren-DRGs, deren Einschlägigkeit für einen pflegesensitiven Bereich im Fachgebiet der Neurologie sprechen könnte, sei eindeutig. Diese Fallpauschalen würden in dem Krankenhaus der Klägerin lediglich zu einem sehr geringen Anteil abgerechnet.

Nach Prüfung der vorgetragenen Einwände teilte die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2021 mit, dass es bei der Festlegung des pflegesensitiven Bereichs Neurologie bleibe. Der pflegesensitive Bereich im Fachgebiet der Neurologie sei auf Basis der Datenübermittlung nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) für das Datenjahr 2019 ermittelt worden. Im Jahr 2019 seien Leistungen unter Ansatz des Fachabteilungsschlüssels für Neurologie von der klägerischen Klinik erbracht worden. Insoweit habe sie sich bei der Auswertung an die gesetzlichen Vorgaben gehalten und habe diesbezüglich auch keinen Ermessensspielraum.

Den hiergegen mit Schreiben vom 25.08.2021 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2021 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Verpflichtungsbescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Sie handle bei Erlass der Bescheide als Beliehene. Dies habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich klargestellt. Der pflegesensitive Bereich im Krankenhaus der Klägerin sei auf Grundlage der Rechtsverordnung zutreffend ermittelt worden. Hierbei kämen ihr keinerlei Spielräume zu, weil sie die PpUGV gesetzesgebunden umzusetzen habe. Auch der erhobene Einwand eines Verstoßes nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sei nicht stichhaltig. Es sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Bedürfnissen der Massenverwaltung auch durch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen Rechnung tragen dürfe. Insoweit handle es sich bei den Pflegepersonaluntergrenzen um ein vom Gesetzgeber gewähltes praktikables System. Es liege eine zulässige Typisierung im Rahmen der vom Verordnungsgeber gewählten Kriterien zur Feststellung pflegesensitiver Bereiche vor.

Am 05.11.2021 hat die Klägerin zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass ihr Krankenhaus in der Neurologie über einen besonderen Versorgungsauftrag verfüge: Es würden Krankheitsbilder behandelt, die zwar der Neurologie zuzuordnen seien und in neurologischen Fachbüchern abgehandelt würden, die aber in üblichen akutneurologischen Abteilungen nicht oder nur sehr selten anzutreffen seien. Diese neurologischen Krankheitsbilder wie z.B. verschiedene Kopfschmerzsyndrome, Wurzelreizsyndrome bei Wirbelsäulenerkrankungen, neuropathische Schmerzsyndrome (Post-Zoster-Neuralgie, Trigeminusneuralgie, Phantomschmerz, CRPS, zentraler Schmerz nach Querschnittslähmung oder Hirninfarkt) sowie Schmerzen bei MS, Spastik oder M. Parkinson würden ein anderes Behandlungskonzept mit einer hohen Anzahl von Therapien durch Physiotherapeuten und Psychologen erfordern, weshalb die durchschnittliche Verweildauer in der klägerischen Klinik wesentlich länger sei als in anderen neurologischen Abteilungen (etwa elf Tage anstatt üblicherweise etwa 5,5 Tage). Die Abrechnung der Krankheitsbilder erfolge hierbei häufig über den OPS zur multimodalen Schmerztherapie (OPS 8-918). Dieser OPS werde in anderen neurologischen Akutkrankenhäusern praktisch nicht abgerechnet. Anders als in Krankenhäusern mit typischen neurologischen Fachabteilungen – wie etwa der neurologischen Abteilung des H1-Klinikums P1 – würden in ihrem Krankenhaus insbesondere Hirninfarkte, epileptische Syndrome oder Entzündungen des Nervensystems nicht behandelt, welche aber durchweg einen hohen pflegerischen Aufwand verursachten. Der besondere Auftrag des Krankenhauses komme auch dadurch zum Ausdruck, dass sie über keine für Neurologien übliche Stroke-unit verfüge und keine neurologische Intensivstation vorhanden sei. Eine weitere Besonderheit ergebe sich daraus, dass ihr Krankenhaus auch nicht nach dem Stufenkonzept des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) an der Notfallversorgung teilnehme und deshalb mit finanziellen Abschlägen bei Abrechnung der Krankenhausleistungen belastet werde. All diese Besonderheiten führten dazu, dass bei der Versorgung der Patienten ein wesentlich geringerer Personaleinsatz im Bereich der Pflege erforderlich sei, hingegen ein deutlich höherer Anteil von Therapeuten, insbesondere von Physiotherapeuten und Psychologen. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ergebe sich entgegen der Argumentation im Widerspruchsbescheid sehr wohl aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil die von der Beklagten angeordnete Anwendung der Pflegepersonaluntergrenzen auf das Krankenhaus der Klägerin auf einer verfassungswidrigen generalisierenden und typisierenden Behandlung von Sachverhalten beruhe und im Übrigen auch ein Verstoß gegen die Selbstbindung der Verwaltung festgestellt werden könne, wie sich aus dem vorgelegten Schreiben der Beklagten an ein anderes Krankenhaus vom 11.12.2020 ergebe. Schließlich habe der Beklagten zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung auch die notwendige Beleihung kraft Gesetzes gefehlt. Sie sei erst im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Art. 5, § 31 Krankenhausfinanzierungsgesetz <KHG> des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes – GVWG) vom 11.07.2021 für die Zukunft erfolgt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, sie sei ordnungsgemäß beliehen worden. Sie habe den pflegesensitiven Bereich der Neurologie im Haus der Klägerin rechtmäßig entsprechend den zwingenden Regelungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV ermittelt. Dass das Vorliegen einer entsprechenden Fachabteilung ausreiche, folge aus dem klaren Wortlaut, der Systematik sowie dem Willen des Verordnungsgebers der PpUGV. Eine bestimme Anzahl von Indikatoren-DRGs sei nicht Voraussetzung. Auch habe sie sich nicht durch ein entgegenstehendes Verhalten selbst gebunden; der von der Klägerin angeführte Fall eines anderen Hauses sei nicht vergleichbar. Auch die Klägerin könne nichts dazu vorbringen, woher sich für sie als Beliehene aus der PpUGV im vorliegenden Fall ein Entscheidungsspielraum ergeben sollte. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin sei nicht erkennbar. Jedenfalls handele es sich um eine zulässige Typisierung durch den Gesetzgeber.

Mit Urteil vom 10.10.2022 hat das SG die Bescheide der Beklagten vom 12.11.2020 und 06.05.2021, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bescheide seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Die Bescheide seien sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Beleihung der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Ausgangsbescheide vom 12.11.2020 und vom 06.05.2021. Auch die spätere Rechtsänderung habe diesen Zustand nicht rückwirkend heilen können. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien darüber hinaus materiell rechtswidrig, da sie eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage vermissen ließen. § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV sei rechtswidrig. Die Norm verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gleichbehandlung des Krankenhauses der Klägerin mit anderen neurologischen Abteilungen der Akutversorgung mit allgemeiner Ausrichtung des Versorgungsauftrags stelle im Hinblick auf die Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen eine unzumutbare Härte auf Seiten der Klägerin dar, weil bei ihr ein atypischer Sachverhalt im Hinblick auf die bei ihr anzutreffenden Krankheitsbilder mit dem insoweit maßgeblichen Versorgungsbedarf festgestellt werden könne, der gerade nicht den in der Verordnung unterstellten hohen Pflegebedarf begründe.
Die Feststellungen der Beklagten ließen rechtswidrig unberücksichtigt, dass im Krankenhaus der Klägerin ein im Vergleich mit anderen Fachabteilungen der Neurologie atypischer Sachverhalt im Hinblick auf die Krankheitsbilder, den Versorgungsbedarf und das Behandlungsgeschehen vorliege, der auf dem besonderen Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin beruhe. Im Bereich der neurologischen Abteilung des klägerischen Krankenhauses würden ausschließlich Krankheitsbilder versorgt, die in üblichen akut-stationären neurologischen Abteilungen nicht oder sehr selten anzutreffen seien (Kopfschmerzsyndromen, Wurzelreizsyndromen bei Wirbelsäulenerkrankungen, neuropathische Schmerzsyndrome, Schmerzen bei multipler Sklerose, Spastik oder Morbus Parkinson). Auch eine neurologische Intensivstation sei im Krankenhaus der Klägerin aufgrund des besonderen Leistungsspektrums nicht vorhanden. Dementsprechend verwundere nicht, dass ein für die akut-neurologischen Fachabteilungen unüblicher Abschlag bei dem Krankenhaus der Klägerin für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung erfolge. Die stationäre Krankenhausbehandlung im Krankenhaus der Klägerin erfordere nicht die in anderen neurologischen Kliniken typische hohe pflegerische Präsenz. Dies sei ohne Weiteres aus der von R1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2022 mitgeteilten personellen Aufstellung der R1 -Klinik erkennbar. Des Weiteren stellten sich Umfang und Schwere der erforderlichen pflegerischen Leistungen im Krankenhaus der Klägerin nach den PPR-Werten als weit unterdurchschnittlich gegenüber den PPR-Werten anderer Krankenhäuser mit Fachabteilungen der Neurologie dar. Besonders deutlich werde der atypische Sachverhalt der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus der Klägerin auch bei einer Betrachtung der Indikatoren-DRGs nach der Anlage zur PpUGV. In der Fachabteilung Neurologie werde die in § 3 Abs. 2 Nr. 2 PpUGV vorgesehene Quote von 40 % der typischen Fälle mit jeweiligen Indikatoren-DRGs bei Weitem nicht erreicht. Sie liege vielmehr zwischen 17,4 % und 22,5 %. Die Beklagte verkenne die besondere Bedeutung des Kriteriums der Indikatoren-DRG bei Ausweisung pflegesensitiver Bereiche (unter Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.10.2021, L 16 KR 221/21 B ER). Gerade die Indikatoren-DRGs stellten zur Ermittlung der pflegesensitiven Krankenhausbereiche ein geeignetes Instrument dar, da sie regelmäßig Aufschluss über das Vorhandensein eines pflegesensitiven Bereichs in einem Krankenhaus gäben. Hingegen sei das alleinige Kriterium zur Fachabteilungsbezeichnung für den Beleg eines pflegesensitiven Bereichs nicht ohne Weiteres aussagekräftig, insbesondere in Fällen einer von den Krankenhäusern praktizierten interdisziplinären Belegung oder auch – wie hier – in Fällen eines besonderen Versorgungsauftrags der jeweiligen Fachabteilung. Es wäre erkennbar unsachlich und daher im Lichte des Art. 3 GG verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn unter Berücksichtigung des atypischen Sachverhalts auf Seiten des Krankenhauses der Klägerin die von der Beklagten festgestellten Personaluntergrenzen Anwendung fänden. Eine typisierende Behandlung von Sachverhalten durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber könne nur in den Fällen hingenommen werden, in denen die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßige kleine Zahl von Personen betroffen sei und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. All diese Voraussetzungen lägen auf Seiten des Krankenhauses der Klägerin nicht vor. Insbesondere sei die auf Seiten der Klägerin zu verzeichnende Härte ohne Weiteres vermeidbar. Die Vermeidbarkeit dieser Härte ergebe sich bereits daraus, dass der Zweck der Normierung von Pflegepersonaluntergrenzen auch ohne das in der Verordnung angelegte Kriterium zur Bezeichnung der Abteilung erreicht werden könne. § 3 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 PpUGV stellten taugliche Abgrenzungskriterien zwischen Krankenhäusern mit pflegesensitiven Bereichen und Krankenhäusern ohne solche dar (unter Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.10.2021, L 16 KR 221/21 B ER). Hätten die angefochtenen Bescheide zu Lasten des Krankenhauses der Klägerin Bestand, so wäre sie zu wirtschaftlich unsinnigem Verhalten mit den Krankenhausbetrieb existentiell bedrohlichen Folgen gezwungen, weil sie entgegen des konkret in dem Krankenhaus anzutreffenden Versorgungsbedarfs in hohem Umfang Pflegekräfte vorhalten müsste, obwohl diese für die patientengerechte Versorgung nicht benötigt würden. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte sich durch ihr in der Vergangenheit liegendes Verhalten selbst gebunden habe. Wenn die Beklagte in eigener Ermessensausübung zu dem Ergebnis komme, dass § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV in einer zu hiesigem Fall gleichgelagerten Konstellation nicht zur Anwendung kommen dürfe, im vorliegenden jedoch nicht, so liege ein weiterer Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Zu einem vergleichbaren Sachverhalt sei auf das Schreiben der Beklagten an ein Krankenhaus vom 11.12.2020 verwiesen. Das Gericht sei der Überzeugung, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handele. Der Grundsatz „keine Gleichbehandlung im Unrecht“ stehe dem nicht entgegen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigen am 24.10.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.11.2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht ergänzend geltend, sie sei entgegen der Rechtsauffassung des SG bereits bei Erlass der Bescheide ordnungsgemäß beliehen gewesen. Darüber hinaus sei der Bescheid auch materiell rechtmäßig. § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine unzulässige Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem liege nicht vor. Auf Rechtsfolgenseite sehe die PpUGV erhebliche Unterscheidungen vor. Zunächst stünde die Pflegepersonaluntergrenze in Abhängigkeit von der Patientenzahl. Weiter legten die Pflegepersonaluntergrenzen nur einen absoluten Mindeststandard an pflegerischer Versorgung fest. Die Ermittlung der Pflegepersonaluntergrenzen diene nicht zur genauen Bestimmung des Pflegeaufwandes im jeweiligen Haus, sondern zeige lediglich auf, dass dort ein Bereich bedient werde, für den aufgrund seiner grundsätzlichen Pflegesensitivität jedenfalls ein Mindestmaß an Pflegepersonal verpflichtend festgelegt werden solle.
Eine Differenzierung im Hinblick auf Krankenhäuser mit unterdurchschnittlichem Pflegeaufwand sei gerade auch deshalb nicht vorgesehen. Weiterhin seien die PpUG als immer weiter auszubauendes, jährlich lernendes System zu charakterisieren. Es sollten sukzessive immer mehr Bereiche erfasst werden; insofern liege auch kein atypischer „wesentlich ungleicher“ Sachverhalt zu anderen Häusern vor. Die Pflegepersonaluntergrenzen würden jährlich durch den Erlass einer neuen, veränderten PpUGV weiterentwickelt. Mit den Pflegepersonalquotienten nach § 137j SGB V und dem neuen § 137k SGB V, der die Entwicklung eines wissenschaftlichen Verfahrens vorsehe, stünden weitere – laufend weiterentwickelte – Instrumente neben den Pflegepersonaluntergrenzen nach § 137i SGB V. Die endgültige Lösung der Pflegeproblematik sei seit langer Zeit Gegenstand laufender politischer Diskussionen. Pflegesensitive Bereiche seien deshalb weit zu verstehen, was wegen der Eigenschaft der Pflegepersonaluntergrenzen als bloße Mindestwerte, die ins Verhältnis mit dem Patientenaufkommen gesetzt würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Eine „wesentliche Ungleichheit“ sei dabei, auch im Hinblick auf die dahinter stehenden Themen des Mangels an Pflegekräften und der Vermeidung von Verlagerungseffekten, nicht erkennbar. Auch die Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung seien erfüllt. Vorliegend sei das Verfahren der Ermittlung pflegesensitiver Bereiche nach § 3 PpUGV bereits deshalb gerechtfertigt, weil es für die Verwaltung praktikabel sei, einheitlich angewendet werden könne, unverhältnismäßig aufwendige individuelle Ermittlungen und Absicherung gegen Erhebungsdefizite vermeide sowie zugleich für die betroffenen Krankenhäuser transparent und rechtssicher sei. Möglicherweise damit einhergehende Härten im Einzelfall wären umgekehrt nur durch ein unpraktikables und (bisher) auch nicht etabliertes System individueller Betrachtung und Bewertung der vielfältigen Organisation und Struktur der jeweiligen Krankenhäuser zu vermeiden, welches die Erreichung der gesetzgeberischen Ziele der Pflegepersonaluntergrenzen, nämlich der schnellen und flächendeckenden Verbesserung der Patientenversorgung und Entlastung der Pflegekräfte (unter Verweis auf BT-Drs. 19/5593, S. 2 sowie auch oben I. 2. zu § 137i Abs. 4c SGB V) aufgrund der dringlichen Pflegeproblematik, unverhältnismäßig erschweren würde. Auch eine unzumutbare Härte oder ein atypischer Sachverhalt wegen des möglicherweise tatsächlich geringeren Pflegebedarfs im Haus der Klägerin im Vergleich zur Akutneurologie liege nicht vor. Das BMG bzw. die dort eingerichtete Expertenkommission habe S1 mit einem Gutachten beauftragt, um zu klären welche Fachabteilungen besonders sensitiv für eine Unterbesetzung der Pflege seien. Diese komme zu dem Ergebnis, dass u.a. bei Fachabteilungen für Neurologie ein signifikanter Zusammenhang zwischen Personalbelastungszahl und dem Auftreten von pflegesensitiven Ergebnisparametern habe erkannt werden könne. Eine Beschränkung auf die Akutneurologie nehme das Gutachten dabei nicht vor. Das Gutachten habe sich auch in wissenschaftlich valider Weise am Kriterium der Fachabteilung(sbezeichnung) orientiert, was sich in § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV niedergeschlagen habe. Das Kriterium habe auch praktisch eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung. Entscheidend sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV die Ausweisung der Fachabteilung mit dem entsprechenden Namen des Bereiches als Schwerpunkt. Maßgeblich sei somit die Organisationsstruktur des Hauses. Eine interdisziplinäre Belegung sei insofern problematisch, als damit eigentlich pflegesensitive Bereiche nicht erfasst würden, wenn die Bezeichnung der Fachabteilung nicht berücksichtigt werde. Würde auf das Kriterium der Fachabteilungsbezeichnung verzichtet, werde damit ein Anreiz geschaffen, dass die Krankenhäuser ihre Fachabteilungen optimiert so zusammenstellten, dass alle pflegesensitiven Bereiche jeweils unter 40% der Fälle der Fachabteilung ausmachten. Mit den verschiedenen Kriterien des § 3 Abs. 2 PpUGV werde gewährleistet, dass die pflegesensitiven Bereiche vollständig erfasst würden. Von der vorliegenden Konstellation seien zudem nur relativ wenige Krankenhäuser betroffen. Schließlich wäre auch der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv, weil nur ein allgemein zu gewährleistendes Mindestniveau an Personalausstattung Gegenstand der Personaluntergrenzen sei. Überdies müssten die Kosten zur Einstellung zusätzlichen Pflegepersonals nicht die Krankenhäuser tragen, sondern die Kassen, sodass auch vor diesem Hintergrund eine Grundrechtsbeeinträchtigung der Häuser zu vernachlässigen sei. Durch die seit dem Jahr 2020 zu vereinbarende, krankenhausindividuelle Pflegepersonalkostenvergütung werde sichergestellt, dass die in den Krankenhäusern anfallenden Pflegepersonalkosten vollständig von den Kostenträgern finanziert würden. Darüber hinaus würden die Tarifsteigerungen für die Pflegekräfte sowie jede zusätzliche oder aufgestockte Pflegestelle am Krankenhausbett von den Kostenträgern vollständig refinanziert. Insgesamt liege somit eine zulässige Typisierung und damit kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Beklagte habe sich auch nicht selbst gebunden. Eine Ausnahme von den Regelungen der PpUGV zugunsten der Klägerin aufgrund des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung scheide bereits deshalb aus, weil der von der Klägerin angeführte Fall tatsächlich nicht mit der Situation der Klägerin vergleichbar sei, sondern sich die zugrundeliegenden Sachverhalte erheblich unterschieden. Im diesem Fall könne eine Ausnahme vom § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV gerechtfertigt gewesen sein, weil dort lediglich 0,5 bis 1% der Behandlungen in der Fachabteilung Indikatoren-DRGs betroffen hätten. Ein solcher Bagatellfall liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Bei der Klägerin beträfen 20 bis 25% der Behandlungen Indikatoren-DRGs, also das 20 bis 50fache. Jedenfalls sei eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht möglich. Ergänzend hat die Beklagte zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts der Sach- und Rechtslage zur Beurteilung des Bestehens einer gesetzlichen Beleihung auf Urteile der Verwaltungsgerichtsbarkeit verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des SG dem Krankenhaus der Klägerin ein Versorgungsauftrag mit allgemeiner Ausrichtung zugewiesen sei; der vom SG erwähnte „besondere“ Versorgungsauftrag beziehe sich nur auf das Fachgebiet der Chirurgie. Dass die Klägerin ihr Leistungsangebot im Bereich der Neurologie eigenständig einschränke, führe nicht dazu, dass aus einem allgemeinen Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin im Fachgebiet der Neurologie ein besonderer Versorgungsauftrag der jeweiligen Fachabteilung werde bzw. dem Krankenhaus nunmehr eine besondere Aufgabenstellung zukomme. Dass sich die Klägerin aufgrund eigener Entscheidung für die Subspezialisierung mit einem deutlich eingeschränkten Leistungsangebot und einem möglicherweise abweichenden Patientenspektrum entschieden habe, müsse sich der Verordnungsgeber nicht entgegenhalten lassen. Er habe jedenfalls für das Jahr 2021 unter Berücksichtigung der ihm zukommenden Typisierungs- und Pauschalisierungsbefugnis sowie mit Rücksicht auf das Erprobungsrecht bei der als lernendes System konzipierten Feststellung pflegesensitiver Bereiche an das Vorliegen von Fachabteilungen anknüpfen dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.10.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Einwendungen der Beklagten seien nicht stichhaltig. Bis zum Inkrafttreten des GVWG habe keine wirksame Beleihung der Beklagten vorgelegen. § 137i Abs. 3 sowie Abs. 4c SGB V enthielten keine hinreichenden Regelungen zur ausdrücklichen Beleihung. Auch aus der Gesetzesbegründung zum GVWG ergebe sich keine andere rechtliche Beurteilung. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Ausführungen des SG zur materiellen Rechtmäßigkeit der Bescheide überzeugten ebenfalls nicht. Gegen die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG spreche nicht, dass die Pflegepersonaluntergrenzen ein „jährlich lernendes System" seien und die Pflegepersonaluntergrenzen Mindeststandards in Abhängigkeit von der Patientenzahl normierten. Streitgegenständlich sei allein die der Festsetzung von Personaluntergrenzen vorgreifliche Rechtsfrage, ob überhaupt ein pflegesensitiver Bereich im Krankenhaus der Klägerin allein auf Grundlage des verwendeten Fachabteilungsschlüssels und unter Berücksichtigung der bei ihr anzutreffenden Besonderheiten festgestellt werden dürfe. Der Vortrag der Beklagten, es liege eine zulässige Typisierung vor und die Härten hätten nur unter Schwierigkeiten vermieden werden können, sei unrichtig. Die Beklagte habe sich schon nicht mit den vom SG ausgeführten, vorliegenden Unterschieden zu anderen Krankenhäusern mit einer Fachabteilung Neurologie auseinandergesetzt. Auch die von der Beklagten vorgelegte Stellungnahme von S1/M1 vom 10.11.2016 könne den Vortrag der Beklagten mit der Annahme eines pflegesensitiven Bereiches bezogen auf die Fachabteilung Neurologie im Krankenhaus der Klägerin nicht zu stützen.
Die vom BMG in Auftrag gegebene Stellungnahme leiste keinen Beitrag zur Frage, inwieweit eine vom Krankenhausträger gewählte Fachabteilungsbezeichnung Rückschlüsse auf das Vorhandensein eines pflegesensitiven Bereichs erlaube. Vielmehr sei Auftrag dieser Stellungnahme gewesen, Fachabteilungen zu ermitteln, die nach Auswertung der Daten und nach Einschätzung der Gutachter im Durchschnitt Rückschlüsse auf pflegesensitive Krankenhausbereiche zuließen. Hiermit stehe im Einklang, dass diese Untersuchung selbst eine äußerst heterogene Personalbelastung pro Fachabteilung in der Neurologie von im Minimum 0,002 Patienten pro Pflegekraft bis zu 14,27 Patienten pro Pflegekraft ausweise (unter Verweis auf Tabelle 3 auf Seite 19 der Stellungnahme). Die Beklagte habe sich auch nicht damit auseinandergesetzt, dass bei der Ermittlung eines pflegesensitiven Bereichs ohne Weiteres auf das Fachabteilungskriterium nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV verzichtet werden könne, weil unter Heranziehung von Indikatoren-DRGs und OPS-Prozeduren auf konkrete Krankenhausleistungen mit hoher Aussagekraft zur Feststellung pflegesensitiver Bereiche verwiesen werde. Nicht überzeugend sei auch der Vortrag der Beklagten, wonach lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen sei und demnach ein intensiver Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht vorliege. In diesem Zusammenhang weise das SG zutreffend darauf hin, dass die Klägerin in ihrem Krankenhausbetrieb zu wirtschaftlich unsinnigem Verhalten mit existenziell bedrohlichen Folgen gezwungen werde. Auch die Selbstbindung werde durch den Vortrag der Beklagten nicht ernsthaft in Frage gestellt. Es sei zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits unstreitig, dass die Beklagte in eigener Ermessensausübung zumindest in Einzelfällen von der Anwendung des Fachabteilungsschlüssels nach § 3 Abs. 2 Nr.1 PpUGV absehe, um zu einer aus ihrer Sicht sachgerechten Bewertung bei der Feststellung pflegesensitiver Bereiche zu kommen. Wende aber die Beklagte in vergleichbaren Fällen den Fachabteilungsschlüssel nicht an, weil bei einzelnen Krankenhäusern besondere Versorgungsaufträge anzutreffen seien und auch die Indikatoren-DRGs jeweils nur in geringem Umfang einschlägig seien, verstoße sie gegen Art. 3 GG, wenn sie den Fachabteilungsschlüssel zu Lasten des Krankenhauses der Klägerin bei einem entsprechenden Sachverhalt zur Anwendung bringe. Hierbei spiele es keine Rolle, dass bei dem Krankenhaus, welches von der Klägerin im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens zur Selbstbindung der Beklagten vorgetragen worden sei, möglicherweise eine noch geringere Quote von Indikatoren-DRGs anzutreffen gewesen sei. Maßgeblich sei allein, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung von der Feststellung eines pflegesensitiven Bereichs auf Grundlage des Fachabteilungsschlüssels Abstand nehme, soweit ein aus ihrer Sicht nicht sachgerechtes Ergebnis eintreten würde, weil die Indikatoren-DRGs als sachgerechtes Kriterium deutlich in eine andere Richtung (Verneinung eines pflegesensitiven Bereiches) deuteten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.



Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.

Das SG hat die
Bescheide der Beklagten vom 12.11.2020 und 06.05.2021 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021 zu Recht aufgehoben. Sie sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

1. Offen bleiben kann, ob für die Anfechtung der Maßnahmen der Beklagten wegen des Fehlens einer speziellen Rechtswegzuweisung an die Sozialgerichte (wie z.B. in § 17c Abs. 4 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz <KHG>) der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet ist (so Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, Stand: 27.02.2023, § 137i Rn. 65), denn nach § 202 SGG iVm § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) wird der Rechtsweg in einer höheren Instanz nicht mehr geprüft. Das gilt auch, wenn das SG den Rechtsweg nur inzident bejaht hat (BSG, Urteil vom 23.03.2011 - B 6 KA 11/10 R -, in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 51 Rn 65). Die Festlegung eines pflegesensitiven Bereichs im Sinne von § 137i Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfte aber als Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung über § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sein.

2. Die Klage ist zulässig.

a) Die Klägerin hat insbesondere mit der erhobenen Anfechtungsklage nach § 54 SGG die richtige Klageart gewählt. Bei den Schreiben der Beklagten vom
12.11.2020 und 06.05.2021 handelt es sich um Verwaltungsakte nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte ist eine juristische Person des Privatrechts, die hinsichtlich der Ermittlung der pflegesensitiven Bereiche in den Krankenhäusern aufgrund gesetzlicher Ermächtigung in § 137i SGB V (hier in der Fassung des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vom 09.08.2019, BGBl. I 1202) als Beliehene (vgl. Dettling in Dettling/Gerlach, BeckOK KHR, SGB V § 137i, Rn. 65) befugt ist, Verwaltungsakte gegenüber Krankenhäusern bzw. dem jeweiligen Krankenhausträger zu erlassen (so schon Urteil des Senats vom 19.04.2023 - L 5 KR 1586/21 -, n.v.). Nach § 137i Abs. 3 S. 6 SGB V gilt die Beklagte für u.a. durch die PpUGV übertragene Aufgaben als von den Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG beauftragt und zum Erlass von Verwaltungsakten befugt (vgl. Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 137i SGB V, Rn. 47 ff). Auch aus der Regelung des § 137i Abs. 4c SGB V lässt sich schließen, dass die Beklagte zum Erlass von Verwaltungsakten befugt ist, da ansonsten der Hinweis, dass Widerspruch und Klage gegen Maßnahmen zur Ermittlung der pflegesensitiven Bereiche in den Krankenhäusern sowie zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen keine aufschiebende Wirkung haben, ins Leere gehen würde (vgl. Roters in BeckOGK, SGB V § 137i Rn. 34). Vor diesem Hintergrund kann der Einwand der Klägerin, es handle sich bei der Beklagten um eine Körperschaft des privaten Rechts ohne hoheitliche Befugnisse, die keine Verwaltungsakte erlassen könne, nicht überzeugen. Insbesondere unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen in § 137i Abs. 3 S. 6 und Abs. 4c SGB V ergibt sich Gegenteiliges auch nicht aus den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.04.2019 - 13 B 1431/18 - und nachfolgend Urteil vom 05.02.2020 - 13 A 3354/18 -, beide in juris), die die Regelung des § 17b Abs. 3 S. 4 KHG a.F. betreffen (vgl. Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 137i SGB V, Rn. 38 ff.).

b) Ein Vorverfahren hat stattgefunden. § 137i SGB V regelt zwar nicht ausdrücklich die Notwendigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens als Prozessvoraussetzung (inzident § 137i Abs. 4c SGB V). Da aber in der Festsetzung der pflegesensitiven Bereiche eines Krankenhauses durch die Beklagte ein Verwaltungsakt zu sehen ist, bedarf es vor Erhebung der Anfechtungsklage grundsätzlich der Durchführung des Vorverfahrens (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG); eine Ausnahmeregelung sieht das Gesetz nicht vor.

c) Für die Klage ist auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Das betreffende Jahr 2021 ist zwar mittlerweile abgelaufen. Anders als in dem vom Senat am 19.04.2023 entschiedenen Fall (L 5 KR 1586/21 -, n.v) kann die Festsetzung der pflegesensitiven Bereiche aber vorliegend noch Rechtswirkungen insoweit entfalten, als die aus der Festsetzung der pflegesensitiven Bereiche folgenden Pflegepersonaluntergrenzen – nach dem eigenen Vortrag der Klägerin – nicht eingehalten werden konnten und deshalb Sanktionen nach der PpUGV-Sanktionsvereinbarung nach § 137 i Abs. 1 Satz 10 i.V.m. Abs. 5 SGB V drohen.

2. Die Klage ist auch begründet.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidungen ist § 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1
PpUGV in der Fassung vom 09.11.2020 (BGBl. I 2357). Danach ermittelt die Beklagte die pflegesensitiven Bereiche in Krankenhäusern auf Grundlage der nach § 21 KHEntgG übermittelten Daten des jeweiligen Vorjahres und der in der Anlage der PpUGV enthaltenen Zusammenstellung der sog. Indikatoren-DRGs. Nach § 3 Abs. 2 PpUGV verfügt ein Krankenhaus über einen pflegesensitiven Bereich, wenn gemäß den nach § 21 KHEntgG übermittelten Daten des Vorjahres (1.) eine Fachabteilung der Geriatrie, der Unfallchirurgie, der Kardiologie, der Neurologie, der Inneren Medizin, der allgemeinen Chirurgie oder der Herzchirurgie oder eine Fachabteilung mit einer entsprechenden Schwerpunktbezeichnung ausgewiesen ist, (2.) mindestens 40 Prozent der Fälle einer Fachabteilung in die jeweiligen Indikatoren-DRGs entweder der Geriatrie, der Unfallchirurgie, der Kardiologie, der Neurologie, der Inneren Medizin, der allgemeinen Chirurgie oder der Herzchirurgie einzugruppieren sind oder (3.) die Anzahl an Belegungstagen in den jeweiligen Indikatoren-DRGs der Geriatrie, der Unfallchirurgie, der Kardiologie, der Neurologie, der Inneren Medizin, der allgemeinen Chirurgie oder der Herzchirurgie mindestens 5 000 beträgt.

§ 3 Abs. 2 PpUGV sieht demnach unterschiedliche Ermittlungskriterien vor, anhand derer die pflegesensitiven Bereiche in Krankenhäusern ermittelt werden können. Die Varianten der Nrn. 1 bis 3 stehen dabei in einem Alternativverhältnis zueinander, wie sich aus dem „oder“ am Ende der Nr. 2 und auch aus § 3 Abs. 4 PpUGV ergibt, worin zwischen den pflegesensitiven Bereichen nach Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 differenziert wird. In den nach § 21 KHEntgG von der Klägerin übermittelten Daten des Vorjahres ist – unstreitig – mit dem entsprechenden Fachabteilungsschlüssel eine Fachabteilung für Neurologie ausgewiesen. Unter Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV verfügte die Klägerin demnach im streitgegenständlichen Zeitraum über den in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesenen pflegesensitiven Bereich einer neurologischen Fachabteilung.

Die Rechtsgrundlage verstößt jedoch gegen höherrangiges Recht.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der PpUGV ist § 137i Abs. 3 Satz 1 SGB V, wonach das BMG die Vorgaben des Abs. 1 Satz 1 bis 9 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates erlässt, wenn eine Vereinbarung nach § 137i Abs. 1 SGB V ganz oder teilweise nicht zustande kommt. Der GKV-Spitzenverband und die DKG waren ihrem gesetzgeberischen Auftrag nach § 137i Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten vom 17.07.2017 (BGBl. I 2615) zum 30.06.2018 mit Wirkung zum 01.01.2019, pflegesensitive Bereiche im Krankenhaus und Pflegepersonaluntergrenzen zu bestimmen, nicht nachgekommen. Das BMG erließ daraufhin im Wege der Ersatzvornahme die PpUGV
in der Fassung vom 05.10.2018 (BGBl. I 1632). In Folge wurde § 137i Abs. 1 SGB V ab 01.01.2020 (MDK-Reformgesetzes vom 14.12.2019, BGBl. I 2789) dahingehend angepasst, dass die Vertragsparteien bis zum 31.08.2019 im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung die in § 6 PpUGV (in der Fassung vom 05.10.2018, BGBl. I 1632) festgelegten Pflegepersonaluntergrenzen zu überprüfen und im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung mit Wirkung zum 01.01.2020 eine Weiterentwicklung der in der PpUGV festgelegten pflegesensitiven Bereiche in Krankenhäusern sowie der zugehörigen Pflegepersonaluntergrenzen zu vereinbaren hatten. Auch diesem Auftrag kamen die Vertragspartner nicht nach, so dass im Wege weiterer Ersatzvornahmen das BMG die für das Jahr 2020 gültige PpUGV vom 28.10.2019 (BGBl. I 1492) und die vorliegend einschlägige, für das Jahr 2021 gültige PpUGV vom 09.11.2020 erließ.

Bei Erlass der einschlägigen PpUGV vom 09.11.2020 waren vom BMG die Vorgaben des § 137i SGB V in der damals gültigen Fassung des Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetzes vom 01.04.2020 (BGBl. I 604) zu beachten. Danach waren neben der Überprüfung und Weiterentwicklung der pflegesensitiven Bereiche und Pflegepersonaluntergrenzen nach § 137i Abs. 1 Satz 2 SGB V unter anderem zum 01.01.2020 Pflegepersonaluntergrenzen mit Wirkung für alle gemäß § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser für die pflegesensitiven Bereiche der Neurologie und Herzchirurgie festzulegen. Außerdem waren gemäß § 137i Abs. 1 Satz 3 SGB V für jeden pflegesensitiven Bereich im Krankenhaus die Pflegepersonaluntergrenzen nach den Sätzen 1 und 2 differenziert nach Schweregradgruppen nach dem jeweiligen Pflegeaufwand, der sich nach dem vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus entwickelten Katalog zur Risikoadjustierung für Pflegeaufwand bestimmt, festzulegen. Für die Ermittlung der Pflegepersonaluntergrenzen waren nach § 137i Abs. 1 Satz 5 SGB V alle Patientinnen und Patienten gleichermaßen zu berücksichtigen. Die Mindestvorgaben zur Personalausstattung nach § 136a Absatz 2 Satz 2 SGB V blieben nach § 137i Abs. 1 Satz 6 SGB V unberührt. In den pflegesensitiven Bereichen waren nach § 137i Abs. 1 Satz 7 SGB V die dazugehörigen Intensiveinheiten, in begründeten Fällen auch Intensiveinheiten außerhalb von pflegesensitiven Krankenhausbereichen, sowie die Besetzungen im Nachtdienst zu berücksichtigen. Nach § 137i Abs. 1 Satz 8 SGB V waren geeignete Maßnahmen vorzusehen, um Personalverlagerungseffekte aus anderen Krankenhausbereichen zu vermeiden. Nach § 137i Abs. 1 Satz 9 SGB V waren notwendige Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen sowie die Anforderungen an deren Nachweis festzulegen.

An der Verfassungsmäßigkeit der vorliegend anzuwendenden Regelungen des § 137i SGB V bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Die Bestimmungen zur Festlegung von pflegesensitiven Bereichen und Pflegepersonaluntergrenzen betreffen die Qualität der Versorgung der gesetzlich Versicherten als ein zentrales sozialversicherungsrechtliches Gebot (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 SGB V) und halten sich damit im Rahmen der dem Bundesgesetzgeber zukommenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Die mittelbaren Folgen der Norm für die Bedarfsplanung, die bei einem z.B. durch Fachkräftemangel verursachten Bettenabbau betroffen ist und für die allein den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zusteht, sind unschädlich, weil es sich um eine im Schwerpunkt sozialversicherungsrechtliche Regelung handelt (vgl. zur Maßgeblichkeit des Schwerpunkts des Regelungsgehalts: BVerfG, Urteil vom 07.10.2014 - 2 BvR 1641/11 -, in juris; zu Pflegepersonaluntergrenzen: BayVerfGH, Urteil vom 16.07.2019 - Vf. 41-IX-19 -, in juris). Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG ist in § 137i SGB V nicht zu sehen. Die Festlegung pflegesensitiver Bereiche und die damit verbundenen Pflegepersonaluntergrenzen greifen zwar in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung ein. Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sind (vgl. nur BVerfGE 106, 181, 192). Die Regelungen des § 137i SGB V dienen aber der Sicherung des Patientenschutzes und der Versorgungsqualität in der pflegerischen Patientenversorgung (BT-Drs. 18/12604, S. 78), wobei nach dem gesetzgeberischen Willen pflegesensitive Krankenhausbereiche nur solche Bereiche sein sollen, für die ein Zusammenhang zwischen der Zahl an Pflegepersonen und dem Vorkommen pflegesensitiver Ergebnisindikatoren, sogenannter unerwünschter Ereignisse, besonders evident ist (BT-Drs. 18/12604, S. 79). In Abwägung mit dem Interesse der Krankenhausbetreiber, Pflegepersonal im Krankenhaus eigenbestimmt einzusetzen, ergibt sich insoweit ein Vorrang für die Qualitätssicherung als Gemeinwohlbelang. Die gesetzgeberischen Vorgaben erscheinen insgesamt verhältnismäßig. Darüber hinaus genügt § 137i Abs. 3 Satz 1 SGB V den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG.

Die vorliegend einschlägigen Normen der PpUGV halten sich allerdings nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage und genügen damit selbst nicht verfassungsrechtlichen Maßstäben.

Der Senat berücksichtigt dabei, dass dem Verordnungsgeber – wie auch den originär gesetzgeberisch beauftragten Vertragspartnern – ein normativer Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung des gesetzgeberischen Auftrags zusteht. Allerdings kommt ihm kein originäres Normsetzungsrecht zu. Seine Befugnisse beruhen allein auf dem ihn ermächtigenden Gesetz, dessen Vorgaben einzuhalten sind (Art. 20 Abs. 3 GG). 

Isoliert betrachtet hält sich zwar die fachabteilungsbezogene Festlegung von pflegesensitiven Bereichen noch im Rahmen der Vorgaben des § 137i Abs. 1 SGB V, wenn auch der Begriff der „Bereiche“ darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber nicht pauschalierend die Unterwerfung ganzer Fachabteilungen unter Pflegepersonaluntergrenzen vor Augen hatte. Mit dem im Referentenentwurf zur PpUGV für 2019 vom 23.08.2018 in Bezug genommenen, vom BMG in Auftrag gegebene Gutachten von S1 und
M1 vom 10.11.2016, das die Beklagte in das Verfahren eingeführt hat, und der darin aufgezeigten fachabteilungsbezogenen Untersuchung von Pflegeverhältniszahlen und pflegesensitiven Parametern lässt sich die Ausweisung ganzer Fachabteilungen als pflegesensitive Bereiche begründen. Dies gilt auch für die vorliegend betroffene Fachabteilung der Neurologie, die im Gutachten ausdrücklich als „pflegesensitiv“ im Sinne eines evidenten Zusammenhangs zwischen der Zahl an Pflegepersonen und dem Vorkommen pflegesensitiver Ergebnisindikatoren, sogenannter unerwünschter Ereignisse, beurteilt wird. Die Ausweisung ganzer Fachabteilungen verstößt dem Grunde nach auch nicht gegen die Grenzen zulässiger Typisierung und Pauschalierung. Sie lässt zwar die konkrete Pflegesensitivität im Einzelfall außen vor, weshalb auch Sachverhalte wie der vorliegende mit einbezogen werden. Da die betroffenen Krankenhäuser, wie das der Klägerin, aber mit der Ausweisung einer entsprechenden Fachabteilung im Krankenhausplan gewährleisten müssen, dass das jeweilige Fachgebiet die Versorgung entsprechend den Anforderungen in der jeweils gültigen Weiterbildungsordnung der Landesärztekammern insgesamt abgedeckt wird, und sich daran auch ihr Versorgungsauftrag nach § 109 SGB V bemisst, ist es – isoliert betrachtet – durchaus sachlich begründet, nicht auf die konkrete Ausrichtung der Behandlungen im einzelnen Krankenhaus abzustellen, schon um die für die Weiterentwicklung der Pflegepersonaluntergrenzen notwendigen Daten, die für pflegesensitive Bereich zu übermitteln sind (s. § 21 Abs. 1 Nr. 1e KHEntgG), erheben zu können.

Die pauschalierte, fachabteilungsbezogene Festlegung von pflegesensitiven Bereichen, wie sie § 3 Abs. 2 Nr. 1 PpUGV vorsieht, verstößt aber in Zusammenschau mit der nach § 6 Abs. 1 PpUGV ebenfalls pauschalierten Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen gegen höherrangiges Recht. Die Pflegepersonaluntergrenzen folgen ohne weiteren Umsetzungsakt aus der Festsetzung von pflegesensitiven Bereichen und sind deshalb mit in die Beurteilung einzubeziehen, ob die Festsetzung des pflegesensitiven Bereichs rechtmäßig ist. § 6 Abs. 1 Nr. 7 PpUGV 2021 sieht für das Fachgebiet der Neurologie ab dem 01.02.2021 Pflegepersonaluntergrenzen von 10 Patienten zu 1 Pflegekraft in der Tagesschicht und 20 Patienten zu 1 Pflegekraft in der Nachtschicht vor und berücksichtigt nicht unterschiedliche Schweregradgruppen. Die Möglichkeit, pauschalierte, vom jeweiligen Pflegeaufwand unabhängige Pflegepersonaluntergrenzen festzusetzen, sieht das Gesetz in der seit 01.01.2019 gültigen Fassung aber nicht vor. Es eröffnet den Vertragspartnern und damit auch dem Verordnungsgeber kein dahingehendes Normsetzungsermessen. Das Gesetz gibt vielmehr in § 137i Abs. 1 Satz 3 SGB V (eingefügt durch das Pflegepersonalstärkungsgesetz vom 11.12.2018, BGBl. I 3294) zwingend vor, dass für jeden pflegesensitiven Bereich im Krankenhaus – und damit auch für die Neurologie als eigenständigen pflegesensitiven Bereich – die Pflegepersonaluntergrenzen differenziert nach Schweregradgruppen nach dem jeweiligen Pflegeaufwand, der sich nach dem von der Beklagten entwickelten, jährlich zu aktualisierenden Katalog zur Risikoadjustierung für Pflegeaufwand (sog. Pflegelast-Katalog) bestimmt, festzulegen „sind“. Die Ausgangsfassung des § 137i SGB V enthielt noch keine entsprechende Vorgabe, weshalb auch in der PpUGV für das Jahr 2019 von einer weiteren Untergliederung nach dem Pflegeaufwand abgesehen werden konnte. In der Anfangsphase war ein vergleichsweise geringer Differenzierungsgrad noch sachgerecht, um den Umsetzungsaufwand zu begrenzen; bereits damals wurde aber die Notwendigkeit gesehen, zukünftig unterschiedliche Pflegeaufwände auf erweiterter Datenbasis zu berücksichtigen (vgl. Referentenentwurf zur PpUGV 2019 vom 23.08.2018, S. 26). Entgegen dieser Absicht und der zwischenzeitlich klaren gesetzlichen Vorgabe hat der Verordnungsgeber der PpUGV für das Jahr 2021 auf eine Untergliederung der Pflegepersonaluntergrenzen nach dem Pflegeaufwand „verzichtet“, weil eine Differenzierung nach der Datenauswertung „nicht angezeigt“ gewesen sei (vgl. Referentenentwurf zur PpUGV 2021 vom 01.10.2020, S. 44). Dies ist mit § 137i Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht vereinbar, zumal schon dem Pflegelast-Katalog in der Version 2020 für DRGs u.a. im Fachbereich der Neurologie erkennbar unterschiedliche Pflegelast-Werte zu entnehmen waren. Es hätten mit diesem Datenmaterial ohne Weiteres nach dem Schweregrad differenzierte Pflegeaufwandgruppen gebildet werden können. Die sich daraus ergebenden, abgestuften Pflegepersonaluntergrenzen entsprächen den gesetzlichen Vorgaben und wären in der Lage die pauschalierte (d.h. fachabteilungsbezogene) Festlegung pflegesensitiver Bereiche auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. 

Die fachabteilungsbezogene Festlegung von pflegesensitiven Bereichen mit pauschalierten Pflegepersonaluntergrenzen entspricht auch nicht Sinn und Zweck des § 137i SGB V. Denn Sinn und Zweck der Vorschrift ist es nicht, Krankenhäuser entsprechend ihres Versorgungsauftrags zur Vorhaltung einer bestimmten Mindestanzahl an Pflegekräften pro Patient zu veranlassen, um etwa die Versorgung in einzelnen Fachbereichen sicherzustellen. Sinn und Zweck ist es vielmehr, sog. unerwünschte Ereignisse infolge zu weniger Pflegepersonen, also Gesundheitsgefährdungen für die Patienten zu verhindern (BT-Drs. 18/12604 S. 79). Zur Erreichung dieses Ziels kommt es aber maßgeblich auf den jeweiligen Pflegeaufwand im einzelnen Krankenhaus an.

Soweit die Beklagte einwendet, die Rechtsverletzung wiege jedenfalls nicht schwer, weil ohnehin die Krankenkassen die Kosten für zusätzliche Pflegepersonen über die Pflegepersonalvergütung zu tragen hätten, übersieht sie, dass zwar der Mindererlös, der in Folge von Kosten für die Vorhaltung von nicht benötigtem Pflegepersonal entstehen kann, über § 6a Abs. 5 KHEntgG voll ausgeglichen wird, die Krankenhäuser aber das Risiko des Fachkräftemangels allein zu tragen haben, da die PpUG-Sanktions-Vereinbarung nach § 137i Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ab 01.01.2021 gültigen Fassung keine Ausnahme von den Sanktionen (Vergütungsabschlag, Verringerung der Fallzahl) für eine unverschuldete Nichteinhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen infolge des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt vorsieht (obwohl dieser Umstand nach den Vorstellungen des Gesetzgebers einen Ausnahmefall darstellt, vgl. BT-Drs. 18/12604, S. 79).  


3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).


 

Rechtskraft
Aus
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