L 10 SF 2707/23 E-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 SF 1772/23 E
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 SF 2707/23 E-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem LSG (Nr. 3204 VV RVG) ist orientierend an der Mittelgebühr nicht allein auf ein „typisches“ Eilbeschwerdeverfahren abzustellen, sondern auf das gesamte von der Gebührennummer umfasste Tätigkeitsfeld, also auch auf Berufungsverfahren.
2. Dem Gebührentatbestand der Nr. 3204 VV RVG ist eine Differenzierung zwischen Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und Berufungen nicht zu entnehmen, der Gesetzgeber hat vielmehr beides zu einem einheitlichen gebührenrechtlichen Tätigkeitsfeld zusammengefasst („Verfahren vor dem Landessozialgericht“) und demselben Betragsrahmen zugeordnet.
3. Damit kommt es für die Frage, ob für die Tätigkeit des (beigeordneten) Rechtsanwalts in einem Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Mittelgebühr (oder eine höhere bzw. geringere Gebühr) in Ansatz zu bringen ist, auf die Umstände des Einzelfalls an, dabei aber eben auch darauf, wie sich die konkrete Tätigkeit in Ansehung eines durchschnittlichen Berufungsverfahrens vor dem LSG darstellt.

Auf die Beschwerde des Erinnerungsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 13.09.2023 (S 15 SF 1772/23 E) sowie der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Kostenbeamten dieses Gerichts vom 05.06.2023 - unter Zurückweisung der Erinnerung im Übrigen - abgeändert.

Die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse für das Eilbeschwerdeverfahren L 12 AS 1110/23 ER-B wird auf 328,92 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.



Gründe

Über die Beschwerde des Erinnerungsgegners entscheidet der Berichterstatter des allein für Kostensachen zuständigen 10. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg als Einzelrichter ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 und 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -); die Streitsache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).

Die form- und fristgerecht einlegte (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 7 RVG) Beschwerde des Erinnerungsgegners ist statthaft (§ 56 Abs. 2 Satz 1 und § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) sowie auch ansonsten zulässig. Die Beschwerdeberechtigung des Erinnerungsgegners (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) ergibt sich daraus, dass ihn der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 05.06.2023 (erstmalig) beschwert (vgl. dazu nur LSG Sachsen-Anhalt 30.03.2020, L 3 R 319/18 B, in juris, Rn. 33 m.w.N.).

Verfahrensrechtlich kommt dem Umstand, dass der Erinnerungsgegner bereits im Erinnerungsverfahren auf eine fehlerhafte - weil zu Lasten des Erinnerungsführers zu niedrige - Vergütungsfestsetzung hingewiesen hat, keine weitergehende Bedeutung zu. Insbesondere ist sein diesbezügliches Schreiben vom 26.07.2023 bei verständiger Würdigung nicht als eigene Erinnerung zu verstehen gewesen (auch nicht als sog. Anschlusserinnerung; zur Unzulässigkeit einer solchen mit beachtlichen Gründen etwa Thüringer LSG, 03.12.2019, L 1 SF 729/18 B, in juris, Rn. 4 f. m.w.N.; im Ergebnis offengelassen Kammergericht - KG - 26.09.2011, 1 Ws 52/10, in juris, Rn. 4 ff. m.w.N.), sondern als Sachvorbringen innerhalb der Erinnerung des Erinnerungsführers, eben weil der Erinnerungsgegner in Übereinstimmung mit dem Rechtsanwalt die Vergütungsfestsetzung des Kostenbeamten des SG i.H.v. 175,93 € als rechtsfehlerhaft zu niedrig angesehen hat - weswegen mit einer gerichtlichen Höherfestsetzung zu rechnen gewesen ist -, nachdem der Kostenbeamte im Rahmen der Bemessung der Verfahrensgebühr (und damit wegen der Bezugnahme in Nr. 1006 i.V.m. Nrn. 1005, 1001 Nr. 1 Vergütungsverzeichnis [VV RVG] auch zugleich der Einigungsgebühr) fälschlich den Betragsrahmen der Nr. 3501 (24,00 € bis 250,00 €, Mittelgebühr: 137,00 €) und nicht den hier für Eilbeschwerdeverfahren vor dem LSG zutreffenden nach Nr. 3204 VV RVG (i.V.m. Vorbem. 3.2.1 Nr. 3a und Vorbem. 3.5 VV RVG; s. dazu nur Toussaint in ders., a.a.O. Vorbem. 3.2.1 VV RVG Rn. 8 m.w.N.; Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, Vorbem. 3.2.1 VV RVG Rn. 18; s. auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/11471 [neu], S. 148, 277) zugrundgelegt hat (Betragsrahmen: 72,00 bis 816,00 €, Mittelgebühr: 444,00 €). Eine Erinnerung des Erinnerungsgegners zugunsten des Erinnerungsführers wäre nach ganz überwiegender Auffassung auch mangels Beschwer unzulässig (s. etwa Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 56 Rn. 7; Bücherl in Graf, BeckOK OWiG, § 56 RVG Rn. 2, Stand 01.10.2023; Hartung in ders./Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 56 Rn. 14; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 56 Rn. 4, 9; ohne weitere Begr. eine Zulässigkeit bejahend z.B. Toussaint in ders., a.a.O. § 56 Rn. 5; wohl auch Kießling in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10).

Demgemäß hat das SG auch zutreffend allein auf Erinnerung des Erinnerungsführers entschieden und der Senat hat allein über die Beschwerde des Erinnerungsgegners und in diesem Rahmen über die Erinnerung des Erinnerungsführers zu befinden.

Die Beschwerde ist überwiegend begründet.

Zwar hat das SG den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Kostenbeamten vom 05.06.2023 in Ansehung des unzutreffenden Betragsrahmens (s.o.) zu Recht abgeändert. Indes ist das SG im Rahmen seiner Festsetzung von einer zu hohen Verfahrensgebühr (und damit auch zugleich Einigungsgebühr, s.o.) ausgegangen; die Inansatzbringung einer Mittelgebühr i.H.v. 444,00 € ist überhöht und hält der beschwerdegerichtlichen Überprüfung nicht stand. Der Erinnerungsführer hat für seine Tätigkeit als nach dem Recht der Prozesskostenhilfe (PKH) in dem Eilbeschwerdeverfahren L 12 AS 1110/23 ER-B beigeordneter Rechtsanwalt (Beschluss des 12. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 25.04.2023) lediglich einen Anspruch auf eine PKH-Vergütung i.H.v. insgesamt 328,92 €. In diesem Umfang ist der angefochtene Beschluss des SG sowie der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Kostenbeamten im Rahmen der Beschwerde des Erinnerungsgegners abzuändern und die Erinnerung des Erinnerungsführers insoweit zurückzuweisen. Soweit der Erinnerungsgegner eine weitergehende Abänderung (auf einen Betrag i.H.v. insgesamt 268,94 €) begehrt, ist seine Beschwerde hingegen unbegründet.

Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor den Gerichten eines Landes die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. In den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, entstehen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren. Da der Beschwerdeführer des Ausgangseilbeschwerdeverfahrens L 12 AS 1110/23 ER-B ein kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 SGG war, scheidet die Anwendung des GKG vorliegend aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).

Gemäß § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem VV RVG (Anlage 1). Nach der Vorbem. 3 Abs. 1 und 2 VV RVG erhält ein Rechtsanwalt, dem ein unbedingter Auftrag als Verfahrensbevollmächtigter in einem gerichtlichen Verfahren erteilt worden ist, eine Verfahrensgebühr, die für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entsteht. Die Verfahrensgebühr ist vorliegend - wie oben dargelegt - aus dem Betragsrahmen der Nr. 3204 VV RVG zu bilden.

Innerhalb des (Verfahrens-)Gebührenrahmens wird die konkrete Höhe einer Gebühr gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG durch den Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt, wobei ggf. auch ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen ist.

Dabei ist in der Praxis grundsätzlich von der sog. Mittelgebühr auszugehen (s. dazu ausführlich Bundessozialgericht - BSG - 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, in juris, Rn. 22 ff. m.w.N.; Senatsbeschluss vom 09.04.2020, L 10 SF 4170/18 E-B, in juris, Rn. 23, st. Rspr.). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sog. Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet; dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Maßstab der konkreten Gebührenbemessung - und damit auch der Frage, ob ein „Durchschnittsfall“ i.S.d. Mittelgebühr anzunehmen ist - ist das in der jeweiligen Gebührennummer umschriebene Tätigkeitsfeld (vgl. BSG 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, in juris, Rn. 28 m.w.N.). Dies ist vorliegend hinsichtlich der Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV RVG die Tätigkeit des Rechtsanwalts „vor dem Landessozialgericht“ und zwar sowohl in einem Berufungs(hauptsache)verfahren als auch in einem Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Vorbem. 3.2.1 Nr. 3a i.V.m. Vorbem. 3.5 VV RVG, s.o.).
Dabei ist bei der Bewertung, ob ein eine Mittelgebühr i.H.v. hier 444,00 € (s.o.) auslösender „Durchschnitts- bzw. Normfall“ gegeben ist, nicht nur ein typisches Eilbeschwerdeverfahren vor dem LSG in den Blick zu nehmen, sondern auch ein typisches Berufungshauptsacheverfahren, eben weil der Betragsrahmen für beide Verfahrensarten einheitlich vorgegeben ist und die Mittelgebühr gerade das gesamte Tätigkeitsfeld „Verfahren vor dem Landessozialgericht“ abdeckt (so auch Bayerisches LSG 05.10.2016, L 15 SF 282/15, in juris, a.a.O. Rn. 24; 11.04.2013, L 15 SF 43/12 B, in juris, Rn. 16 m.w.N.); eine Differenzierung nach einzelnen Teilrechtsgebieten (z.B. Grundsicherung für Arbeitsuchende oder gesetzliche Rentenversicherung) scheidet ohnehin aus (BSG 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, a.a.O. Rn. 24, 35). Die Mittelgebühr dient gerade dazu (auch nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.07.2013, vgl. BSG 12.12.2019, B 14 AS 48/18 R, in juris, Rn. 18; 25.04.2018, B 5 R 22/18 B, in juris, Rn. 2 ff.), die Tätigkeit des Rechtsanwalts im gebührenrechtlich vorgegebenen Rahmen ausgehend vom „Routinefall“ im Einzelfall zu bestimmen und trägt Vereinfachungs- und Zweckmäßigkeitsgründen sowie dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) Rechnung (BSG 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, a.a.O. Rn. 24 m.w.N.).

Soweit das Hessische LSG (26.10.2015, L 2 SO 95/15 B, in juris, Rn. 29 m.w.N.) im Rahmen seiner Rechtsprechung davon ausgeht, dass für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Grund der Charakteristika jener Verfahren (gegenüber Hauptsacheverfahren) grundsätzlich eine Mittelgebühr i.H.v. 2/3 (bezogen auf einen Durchschnittsfall des einstweiligen Rechtsschutzes) in Ansatz zu bringen sei (krit. dazu etwa Bayerisches LSG, 05.10.2016, L 15 SF 282/15, a.a.O. Rn. 22 f.; 15.11.2018, L 12 SF 124/14 E, in juris, Rn. 37; Schütz in jurisPR-SozR 7/2017, Anm. 4), hilft dies in dieser Allgemeinheit schon deshalb nicht weiter, weil auch das Hessische LSG einräumt, dass „selbstverständlich auch in Eilverfahren der gesamte Gebührenrahmen zur Verfügung steht“ (a.a.O.) und weil es ohnehin von Gesetzes wegen auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Unabhängig davon lässt sich dem Gebührentatbestand gerade keine Differenzierung zwischen Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und Berufungen entnehmen, der Gesetzgeber hat vielmehr beides zu einem einheitlichen gebührenrechtlichen Tätigkeitsfeld zusammengefasst („Verfahren vor dem Landessozialgericht“) und demselben Betragsrahmen zugeordnet.

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG beschreibt den zeitlichen Umfang, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste (BSG 12.12.2019, B 14 AS 48/18 R, a.a.O. Rn. 18, 20 m.w.N.). Diesen bewertet der Senat entsprechend der obigen Maßstäbe vorliegend als deutlich unterdurchschnittlich.

Der Erinnerungsführer reichte im Eilbeschwerdeverfahren lediglich die Beschwerdeschrift (ohne Rubrum rund 2,5 Seiten, wobei ca. eine Seite auf die Sachverhaltsdarstellung entfällt) ein und erklärte mit weiterem Schriftsatz die Annahme des verfahrensbeendenden Vergleichs des dortigen Beschwerdegegners. Zu Besprechungen mit seinem Mandanten hat sich der Erinnerungsführer nicht erklärt, geschweige denn zu deren zeitlichem Umfang. Auch Akteneinsicht in die Verwaltungsakten bzw. die Prozessakte des SG nahm der Erinnerungsführer nicht, vielmehr teilte er in seiner Beschwerdeschrift mit, dass sich seiner Kenntnis entziehe, „ob das erstinstanzliche Gericht den - seinerzeit nicht anwaltlich vertretenen - Bf. diesbzgl. überhaupt zu weiterer Substantiierung aufgefordert hat“. Sein Beschwerdevorbringen in der Sache erschöpfte sich im Wesentlichen darin, dass er die Gewährung „angemessener Aufwendungen“ geltend machte, ohne dass der Erinnerungsführer die Aufwendungen seines Mandanten überhaupt konkretisierte, geschweige denn diese Aufwendungen bezifferte; eine rechnerische Ermittlung auf der Grundlage des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) nahm er ebenfalls nicht vor und nannte in diesem Zusammenhang allein und pauschal die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ohne jegliche Subsumtion (s. dazu im Zusammenhang mit der Bestimmung des objektiven Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit nur Senatsbeschlüsse vom 30.04.2020, L 10 SF 3795/18 E-B und 02.04.2020, L 10 SF 3999/18 E-B, beide n.v. und unter Hinweis auf BSG 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, a.a.O. Rdnr. 30 sowie Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -17.08.2005, 6 C 13/04, in juris, Rdnr. 28).

Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die die Intensität der Arbeit meint, bewertet der Senat vorliegend als unterdurchschnittlich, freilich nicht - wie vom Erinnerungsgegner zugrundgelegt - als deutlich unterdurchschnittlich (zum Bezugspunkt s. bereits oben).

Bei der Schwierigkeit der Tätigkeit ist von einem objektiven Maßstab auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, regelmäßig unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dabei namentlich die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne „umfangreichere“ Beweiswürdigung und „eingehende“ Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur (BSG 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, a.a.O. Rn. 35).

Wie schon oben ausgeführt, erfolgte vorliegend schon keine Darlegung der konkreten Aufwendungen des Mandanten und auch keinerlei Subsumtion unter die Regelung des § 22 SGB II, erst recht keinerlei Berechnung oder nur Mitteilung, was unter Berücksichtigung der einschlägigen rechtlichen Maßstäbe und der dazu ergangenen Rechtsprechung im Falle des Mandanten als „angemessen“ anzusehen ist. Eine Beweiswürdigung erfolgte ebenso wenig wie eine „Auseinandersetzung“ mit Rechtsprechung und Literatur. Hinsichtlich der Frage, was unter einer „tauglichen Unterkunft im Sinne des Gesetzes“ zu verstehen ist, verwies der Erinnerungsführer lediglich pauschal auf zwei Kommentarfundstellen (eine davon nur unter Angabe des Namens des Gesamtkommentars und der Auflage, also ohne Angabe des einschlägigen Gesetzes/Paragraphen und ohne Angabe einer Randnummer).

Die Bedeutung der Angelegenheit i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG für den Mandanten ist vorliegend als überdurchschnittlich zu werten, was indes durch unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten, dokumentiert schon durch den PKH-Bewilligung, kompensiert wird (s. dazu nur BSG 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, a.a.O. Rn. 38 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 09.04.2020, L 10 SF 4170/18 E-B, a.a.O. Rn. 26 m.w.N.).

Ein gebührenerhöhendes „besonderes“ Haftungsrisiko des Erinnerungsführers ist weder ersichtlich, noch dargetan; Nämliches gilt hinsichtlich etwaiger (gebührenerhöhender) unbenannter Kriterien.

Mithin sind für die Bemessung der konkreten Verfahrensgebühr vorliegend - ausgehend von der Mittelgebühr (444,00 €) - der deutlich unterdurchschnittliche Umfang und die unterdurchschnittliche Schwierigkeit der Tätigkeit des Erinnerungsführers im Eilbeschwerdeverfahren L 12 AS 1110/23 ER-B maßgeblich. Beide Faktoren, die sich jeweils von einem Durchschnittfall in einem Verfahren vor dem LSG i.S.d. Nr. 3204 VV RVG nach unten abheben, rechtfertigen keinen Gebührenansatz nach der Mittelgebühr, aber entgegen der Beschwerde auch keinen i.H. eines Betrags von lediglich 216,00 €, eben weil nur ein Kriterium deutlich unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Im vorliegenden Einzelfall erachtet der Senat deswegen eine Verfahrensgebühr i.H.v. 3/5 der Mittelgebühr (266,40 €) - Entsprechendes gilt dann von Gesetzes wegen auch für die Einigungsgebühr - für angemessen und ausreichend. Die vom Erinnerungsführer geltend gemachte Gebühr i.H.v. (jeweils) 444,00 € übersteigt den Toleranzrahmen von 20 v.H. und ist damit unbillig und nicht verbindlich.

Unter Zugrundelegung all dessen ist die PKH-Vergütung des Erinnerungsführers für das Eilbeschwerdeverfahren L 12 AS 1110/23 ER-B somit insgesamt auf 328,92 € festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV RVG)                                 266,40 €
Einigungsgebühr (Nrn. 1006, 1005, 1000 VV RVG)            266,40 €
pauschale Entgelte für Post/Telekommunikation                   20,00 €
(Nr. 7002 VV RVG)               
Zwischensumme                                                                   552,80 €
zzgl. 19 v.H. Umsatzsteuer daraus (Nr. 7008 VV RVG)      105,03 €
Zwischensumme                                                                   657,83 €
abzgl. 50 v.H. (gemäß Vergütungsfestsetzungsantrag)      328,915 €
insgesamt                                                                              328,915 €
            gerundet (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RVG analog; s. dazu nur         328,92 €
            Schneider in ders./Volpert, AnwK-RVG, 9. Aufl. 2021,
            § 2 Rn. 45 f.)

Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG; die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).




 

Rechtskraft
Aus
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