L 6 AS 397/23 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 83/23 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 397/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ein Anordnungsgrund für weitere Bedarfe für Unterkunft und Heizung besteht nicht, solange die geltend gemachte Differenz durch Freibeträge aus Erwerbstätigkeit (§ 11b SGB II) sowie anrechnungsfreies Einkommen (§ 11a SGB II, hier Mutterschaftsgeld) gedeckt werden kann.

2. Ein Anordnungsanspruch auf Übernahme einer Mietkaution als Darlehen besteht nicht, wenn sich der Leistungsberechtigte bereits vor Antragstellung rechtlich zur Übernahme der Kaution verpflichtet hat (vgl. § 22 Abs. 6 SGB II.
 


Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 19. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.


Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes mehrere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Die Antragstellerin wohnte zunächst mit ihrem Ex-Freund zusammen. Sie wurde schwanger und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Anschließend wohnte sie vorübergehend bei ihrer Mutter B. in B-Stadt. Zum 1. August 2023 zog sie nach A-Stadt in eine 75 qm große Wohnung (laut Mietvertrag vom 3. August 2023 Nettokaltmiete 550 Euro, Betriebskosten 230 Euro, ein Heizkostenabschlag ist nicht vereinbart). Es wurde eine Mietkaution von 1.500 Euro vereinbart. 

Die Antragstellerin ist bei H. beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 16. Mai 2023) und erhielt ein Entgelt für Juli 2023 i.H.v. 1.459,16 Euro brutto (1.168,82 Euro netto). Wegen der Einzelheiten der Entgeltabrechnung wird auf 60 f. der in elektronischer Form vorliegenden Leistungsakte des Antragsgegners, Teil I (im Folgenden eLA I) Bezug genommen. Gleiches gilt für die weiteren nachfolgend unter Angabe der Aktenfundstelle aufgeführten Unterlagen. Die Lohnauszahlung erfolgte im Folgemonat. Seit spätestens 10. Juli 2023 bestand aufgrund der Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot. 

Die Antragstellerin beantragte mit unter dem 10. Juli 2023 unterzeichnetem Hauptantrag Bürgergeld nach dem SGB II. Der Antrag enthielt die ebenfalls am 10. Juli 2023 unterzeichnete Anlage zur Feststellung der Kosten der Unterkunft und Heizung für die inzwischen bewohnte Wohnung. Zudem beantragte die Antragstellerin eine Erstausstattung für Bekleidung und Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt sowie Schwangerschaftskleidung (unterzeichnet mit Datum vom 13. Juni 2023). Mit auf den 23. Juli 2023 datiertem Anschreiben (angesprochen werden ausdrücklich das „Jobcenter Kassel“ und das „Jobcenter Witzenhausen“) schilderte die Antragstellerin ihre Situation und beantragte laufende Leistungen nach dem SGB II sowie die Übernahme der Mietkaution i.H.v. 1.500 Euro. Sie habe sich um eine Wohnung gekümmert, die sie jetzt auch habe und zum 1. August 2023 beziehen werde. Daher übersende sie nun die „Anträge, Mietvertrag, Anträge für meine Baby Erstausstattung, Schwangerschaftskleidung“. Die Antragstellerin wies auf die Dringlichkeit aufgrund der Schwangerschaft hin. Die Antragsunterlagen enthielten zudem einen auf den 27. Juli 2023 datierten Darlehensantrag auf Übernahme der Mietkaution. Überdies waren ein mit Datum vom 24. Juli 2023 versehener und von der Antragstellerin, nicht jedoch vom Vermieter unterzeichneter Mietvertrag sowie Gehaltsabrechnungen beigefügt (alle Unterlagen Bl. 1 – 42 eLA I). Soweit anhand der in der Verwaltungsakte befindlichen Dokumente nachvollziehbar gelangten die Antragsunterlagen am 27. Juli 2023 zunächst per Fax an eine Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit Kassel (Bl. 4 eLA I), von dort am 27. Juli 2023 an das Jobcenter des Landkreises Kassel und wurden von dort am 28. Juli 2023 an den Antragsgegner weitergeleitet (Bl. 3 eLA I). Auf den Unterlagen selbst befindet sich in der Absenderkennung des Faxschreibens eine Faxnr. mit Vorwahl XXXX1, welche die Vorwahl von B-Stadt ist, der Name B. (Nachname der Mutter der Antragstellerin) sowie das Datum 30. März 2018. Der auf den Antragsformularen enthaltene Posteingangsstempel des Antragsgegners weist das Datum 27. Juli 2023 aus.

Am 1. August 2023 bezog die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Wohnung (vgl. Amtliche Meldebestätigung vom 17. August 2023, Bl. 64 eLA I, sowie die Mietbescheinigung des Vermieters vom 16. August 2023, Bl. 73 eLA I). Am 17. August 2023 ging erneut ein Mietvertrag für die angemietete Wohnung beim Antragsgegner ein (Bl. 89 ff. eLA I). Dieser enthält nun das Datum 3. August 2023 und die Unterschrift der Antragstellerin sowie des Vermieters. Im weiteren Verlauf beantragte die Antragstellerin zudem einen Heizkostenzuschuss i.H.v. 2.000 Euro. Sie teilte mit, ein monatlicher Heizkostenabschlag sei ihr vom Anbieter noch nicht mitgeteilt worden.

Die Antragstellerin hat am 21. September 2023 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie hat vorläufige Leistungen nach dem SGB II, eine Erstausstattung für Schwangere, eine Erstausstattung bei Geburt, ein Darlehen in Höhe von 1.500,00 Euro für die Mietkaution und vorläufig Leistungen für die Unterkunft und Nebenkosten beantragt.

Der Antragsgegner hat dem im Verlauf des Eilverfahrens entgegengehalten, dem Begehren der Antragstellerin sei bereits zu einem Großteil nachgekommen worden (siehe die nachfolgend aufgeführten Bescheide). Im Übrigen bestehe kein weiterer Anspruch. Für den Wohnort der Antragstellerin sei für einen Zwei-Personen-Haushalt eine monatliche Miete i.H.v. 396,80 Euro angemessen. Hier sei noch der zehnprozentige Aufschlag dazu gerechnet worden. 

Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. September 2023 (Bl. 155 ff eLA I) vorläufig Leistungen für die Monate August bis Dezember 2023 in Höhe von jeweils 132,19 Euro und 46,85 Euro für Januar 2024 bewilligt. Hierbei wurde das Erwerbseinkommen der Antragstellerin vorläufig i.H.v. 1.459,16 Euro brutto (1.168,82 Euro netto) unter Berücksichtigung eines Absetzbetrages i.H.v. 348,00 Euro angerechnet. Berücksichtigt wurde zudem ein Mehrbedarf für werdende Mütter i.H.v. 85,34 Euro sowie ein Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung i.H.v. 11,55 Euro. 

Ebenfalls mit Bescheid vom 26. September 2023 (Bl. 162 f. eLA I) hat der Antragsgegner Leistungen für die Beschaffung einer Erstausstattung bei Schwangerschaft in Höhe von 280,00 Euro bewilligt. In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass über den Antrag auf eine Erstausstattung bei Geburt sechs bis acht Wochen vor dem errechneten Geburtstermin entschieden werde.

Mit Schreiben vom 26. September 2023 (Bl. 161 eLA I) hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass ein einmaliger Heizkostenzuschuss nur gewährt werden könne, wenn keine monatlichen Abschläge für die Heizkosten zu zahlen seien. Vorliegend könnten nur die monatlichen Gas-Abschläge berücksichtigt werden, worüber noch ein Nachweis fehle.

Mit Bescheid vom 29. September 2023 (Bl. 165 eLA I) hat der Antragsgegner die Übernahme der Mietkaution abgelehnt.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 (Bl. 174 eLA I) hat die Antragstellerin Widerspruch „gegen den Bescheid“ eingelegt. Der fünfprozentige Stromanteil bei der Bewilligung fehle, die Heizkosten fehlten und im August habe sie weniger verdient als angerechnet. Sie habe nach vielen erfolglosen Wohnungsanfragen die angemietete Wohnung bekommen. Die Leistungen, auch für die Wohnung, seien bereits am 10. Juli 2023 beantragt worden. Die bewilligten 280,00 Euro reichten nicht für eine Schwangerschafts- und eine Babyerstausstattung. Es fehle eine Entscheidung über den Antrag auf Erstausstattung bei Geburt. Die Antragstellerin hat die Lohnabrechnung für August 2023 vorgelegt, aus der sich ein Lohn i.H.v. 1.398,17 brutto (1.134,34 Euro netto) ergibt (Bl. 168 f. eLA I). Im weiteren Verlauf hat sie vorgetragen, es sei schwer, als Schwangere und Alleinerziehende eine Wohnung zu finden, da man ständig abgelehnt werde (Bl. 185, 230 ff. eLA I). 

Den von der Antragstellerin eingelegten Widerspruch hinsichtlich des Mietkautionsdarlehens hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2023 (Bl. 190 ff. eLA I) zurückgewiesen. Fraglich sei bereits, ob vorab eine Zusicherung beantragt worden sei. Ein Anspruch auf die Mietkaution als Darlehen bestehe aber jedenfalls nicht, da die Wohnungsgröße und Kosten unangemessen seien. Die Wohnungskosten lägen mit 780,00 Euro deutlich über dem anerkannten Betrag i.H.v. 441,30 Euro. Aufgrund des Erwerbseinkommens könne die Unterdeckung vorübergehend über den Absetzbetrag ausgeglichen werden. Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin Klage erhoben.

Mit Änderungsbescheid vom 11. Oktober 2023 (Bl. 221 ff. eLA I) hat der Antragsgegner für August 2023 Leistungen i.H.v. 219,37 Euro, für September 2023 i.H.v. 253,85 Euro, für Oktober bis Dezember 2023 i.H.v. 219,37 Euro und für Januar 2024 i.H.v.134,03 Euro vorläufig bewilligt. Nunmehr hat er Kosten der Unterkunft in Höhe von 441,30 Euro berücksichtigt sowie einen Lohn im Monat August i.H.v. 1.459,16 Euro brutto (1.168,82 Euro netto), im Monat September i.H.v. 1.398,17 Euro brutto (1.134,34 Euro netto) und in den Monaten Oktober bis Dezember 2023 sowie Januar 2024 i.H.v. 1.459,16 Euro brutto (1.168,82 Euro netto) angerechnet, unter Berücksichtigung eines für alle Monate gleichbleibenden Absetzbetrages i.H.v. 348,00 Euro. Der Mehrbedarf für werdende Mütter und für die Warmwassererzeugung haben weiterhin Berücksichtigung gefunden. Die nunmehr bewilligten Kosten der Unterkunft entsprechen den nach dem Konzept des Antragsgegners angemessenen Kosten eines Zwei-Personen-Haushaltes mit einem 10 %-igen Zuschlag.

Mit weiterem Bescheid vom 11. Oktober 2023 (Bl. 219 eLA I) hat der Antragsgegner eine Erstausstattung der Wohnung i.H.v. 1.740,00 Euro und mit Bescheid vom 20. Oktober 2023 (Bl. 241 f. eLA I) eine Beihilfe für die Erstausstattung bei Geburt i.H.v. insgesamt 649,00 Euro bewilligt.

Bereits vor Erlass des letzten Bescheides hat das Sozialgericht Kassel den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 19. Oktober 2023 abgelehnt.
Hinsichtlich des Antrages auf vorläufige Leistungen nach dem SGB II sei mit Bescheid vom 26. September 2023 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. Oktober 2023 eine Abhilfe erfolgt. Ein weitergehender Anspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden, eine Fehlerhaftigkeit des Bescheides sei nicht ersichtlich. Der Mehrbedarf für werdende Mütter sei berücksichtigt worden. Dass die Miete nicht in tatsächlicher Höhe, sondern nur in angemessener Höhe berücksichtigt werde, sei rechtmäßig. Die Antragstellerin habe sich vor dem Umzug am 1. August 2023 nicht um eine Zusicherung bemüht. Daher seien auch die tatsächlichen Kosten nicht auf Basis des § 22 Abs. 1 Sätze 2 bis 7 SGB II zu übernehmen. Sei bei Anmietung einer Wohnung klar, dass die Kosten nur mit Hilfe von Sozialleistungen bestritten werden könnten, so müsse und könne die Kostenübernahme vorab mit dem zuständigen Leistungsträger abgeklärt werden.
Der Antragsgegner habe daher – wie geschehen – nur die angemessenen Kosten entsprechend seines schlüssigen Konzepts zu übernehmen. Es sei inzwischen, aufgrund der anstehenden Geburt, ein 2-Personenhaushalt berücksichtigt worden. Zudem sei ein Aufschlag i.H.v. zehn Prozent erfolgt. Das Gericht habe im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Anlass, die Angemessenheit der bewilligten Unterkunftskosten anzuzweifeln. 
Dem Antrag auf eine Erstausstattung für Schwangere sei mit Bescheid vom 26. September 2023 abgeholfen worden. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe daher nicht.
Hinsichtlich des Antrags auf Erstausstattung bei Geburt bestehe jedenfalls keine Eilbedürftigkeit. Es erscheine sachgerecht, diesen Antrag erst sechs bis acht Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin zu bescheiden.
Für den Antrag auf Gewährung eines Mietkautionsdarlehens sei kein Anordnungsgrund gegeben, da die Wohnsituation durch die fehlende Kaution nicht gefährdet sei. Ein Anordnungsanspruch fehle überdies aufgrund fehlender Zusicherung (unter Verweis auf § 22 Abs. 6 SGB II). 
Hinsichtlich des Antrags auf Leistungen für Unterkunft und Nebenkosten bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin könne dies auf einfacherem Weg, nämlich durch Mitwirkung gegenüber dem Antragsgegner erreichen. 
Sofern die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch die Erstausstattung für die Wohnung verfolgt haben sollte, so sei hier jedenfalls mit der Bewilligung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. 

Gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat die Antragstellerin am 27. Oktober 2023 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. 

Während des Beschwerdeverfahrens ist am 6. November 2023 die Tochter der Antragstellerin geboren worden. Es handelt sich um eine Frühgeburt mit einem Geburtsgewicht unter 2.500 g (vgl. Bescheinigung der Hebamme, Bl. 142 der Gerichtsakte L 6 AS 397/23 B ER (GA)). Für die Zeit des Mutterschutzes vom 6. November 2023 bis 11. März 2024 erhält die Antragstellerin Mutterschaftsgeld i.H.v. 13,00 Euro kalendertäglich von der Krankenkasse (Schreiben der SBK vom 20. November 2023, Bl. 143 GA). Zudem erhält sie von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Dieser betrug für November 2023 879,36 Euro brutto bzw. 823,75 Euro netto (Bl. 209 f. GA). Die Antragstellerin hat mitgeteilt, dass sie keinen Unterhalt vom Kindsvater erhalte und beabsichtige, Elterngeld zu beantragen.
Im Dezember 2023 hat die Antragstellerin einen Weiterbewilligungsantrag gestellt (Bl. 25 ff. der in elektronischer Form vorliegenden Leistungsakte, Teil II – eLA II).

Mit Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2023 hat der Antragsgegner laufende Leistungen für Januar 2024 i.H.v. 196,43 Euro unter Berücksichtigung des ab 2024 erhöhten Regelsatzes bewilligt (Bl. 52 ff. eLA II). Ein Mehrbedarf für werdende Mütter oder Alleinerziehende wird darin nicht genannt. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, da ihre Tochter keine Berücksichtigung in der Leistungsberechnung gefunden habe und kein Mehrbedarf für Alleinerziehende berücksichtigt werde. Zudem fehlten weiterhin die Heizkosten und die Miete werde in zu geringem Umfang berücksichtigt. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2023 hat der Antragsgegner der Antragstellerin mitgeteilt, dass mit dem Änderungsbescheid lediglich über den erhöhten Regelsatz entschieden worden sei.

Mit einem zweiten Änderungsbescheid vom 27. Dezember 2023 hat der Antragsgegner für die Zeit ab 6. November 2023 bis Januar 2024 nunmehr – ebenfalls vorläufig – auch laufende Leistungen für die Tochter der Antragstellerin bewilligt (Bl. 78 ff. eLA II). Den Mehrbedarf für werdende Mütter hat er durch den Mehrbedarf für Alleinerziehende ersetzt. Es wurde ein Bruttoeinkommen i.H.v. 1.459,16 Euro bzw. 1.168,82 Euro netto unter Berücksichtigung eines Absetzbetrages i.H.v. 373,92 Euro angerechnet.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 3. Januar 2024 hat der Antragsgegner für den Monat Dezember 2023 nunmehr Einkommen i.H.v. nur noch 879,36 Euro brutto bzw. 823,75 Euro netto angerechnet sowie einen Freibetrag i.H.v. 291,81 Euro berücksichtigt (Bl. 100 ff. eLA II) und daher – weiterhin vorläufig – Leistungen in Höhe von insgesamt 924,17 Euro bewilligt.

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin vorgetragen, der Umzug habe aufgrund der Schwangerschaft und drohenden Obdachlosigkeit einen absoluten Sonderfall dargestellt. Es sei zudem schwer, mit Kind eine Wohnung zu finden. Sie habe auch am 10. Juli 2023 bereits einen schriftlichen Antrag auf Leistungen gestellt. Niemand habe ihr gesagt, dass sie eine Zusicherung für den Umzug brauche. Hinsichtlich der Kaution sei bekannt, dass kein Vermieter auf diese verzichte. Den Heizkostenabschlag habe sie vom Anbieter noch nicht mitgeteilt bekommen. Im August sei fehlerhaft ein Bruttolohn von 1.459,00 Euro statt des richtigen Betrages i.H.v. 1.391,11 Euro angerechnet worden.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 19. Oktober 2023 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als bereits bewilligt sowie ein Darlehen wegen der Mietkaution für die von ihr bewohnte Wohnung zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses verwiesen. Ergänzend hat er ausgeführt, Heizkosten könnten derzeit noch nicht anerkannt werden, da die Antragstellerin vom Gasanbieter die konkrete Höhe noch nicht mitgeteilt bekommen habe. Der Heizstrom berechne sich auf Basis des Abschlags und könne noch nicht berechnet werden. Nachdem die Antragstellerin darauf hingewiesen hatte, dass bisher noch keine Kosten für einen Kinderwagen bewilligt worden seien (Bl. 77 GA), hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 6. November (Bl. 78 GA) mitgeteilt, dass die Kosten für diesen bereits in der bewilligten Erstausstattung bei Geburt enthalten gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen elektronischen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.


II.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Antragstellerin stehen im Wege der einstweiligen Anordnung durchsetzbare Ansprüche auf weitere vorläufig zu gewährende Leistungen nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.

1. Ein Anspruch auf die vorläufige Gewährung eines Heizkostenzuschusses i.H.v. 2.000,00 Euro ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Ihren diesbezüglichen Antrag hat die Antragstellerin nach Übersendung des Schreibens des Antragsgegners vom 26. September 2023 nicht weiterverfolgt. Vielmehr begehrt sie die monatliche Berücksichtigung eines Heizkostenabschlags. Ein Anspruch auf einen einmaligen Heizkostenzuschuss bestünde im Übrigen – aus den zutreffenden Gründen des Schreibens – nicht.

2. Unklar ist, ob sich die Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über die Bewilligung einer Erstausstattung für Schwangere sowie einer Erstausstattung bei Geburt richtet. Wie das Sozialgericht im angegriffenen Beschluss bereits zutreffend entschieden hat, wurde dem Antrag auf eine Erstausstattung für Schwangere mit Bescheid vom 26. September 2023 entsprochen. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht daher nicht, da die Antragstellerin nicht deutlich gemacht hat, ob und ggf. inwieweit die Bewilligung hinter dem gestellten Antrag zurückbleibt. Der diesbezügliche Antrag auf weitere (vorläufige) Leistungen wurde vom Sozialgericht daher zutreffend als unzulässig angesehen. Auch dem Antrag auf eine Erstausstattung bei Geburt wurde jedoch mit Bescheid vom 20. Oktober 2023 entsprochen. Daher ist hier ebenso wenig ein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar. Zwar war die Antragstellerin zwischenzeitlich der Ansicht, der Antragsgegner habe den Kinderwagen im Rahmen der Bewilligung der Erstausstattung bei Geburt nicht berücksichtigt. Der Antragsgegner hat jedoch mitgeteilt und belegt, dass dieser im Rahmen des bewilligten Gesamtbetrages Berücksichtigung gefunden hat. Hiergegen hat die Antragstellerin nichts vorgetragen. Mangels Einlegung von Rechtsmitteln sind die Bescheide bestandskräftig geworden, weshalb eine einstweilige Anordnung auch aus diesem Grunde ausscheidet.

Gleiches gilt für den Antrag auf Wohnungserstausstattung. Diesem hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 11. Oktober 2023 entsprochen, weshalb kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist.

3. Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes.
Dabei begründet der Anordnungsgrund die besondere Dringlichkeit der Anordnung. Es muss also ein Sachverhalt vorliegen, der eine Eilentscheidung notwendig macht und ein weiteres Zuwarten – insbesondere das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache – unzumutbar erscheinen lässt.
Der Anordnungsanspruch entspricht hingegen dem materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll. Abzustellen ist hier auf den voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG von dem Antragsteller glaubhaft zu machen. 

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander, es besteht eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderung an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Wenn danach der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dann, auch wenn ein Anordnungsgrund gegeben ist, abzulehnen. Ist hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, muss anhand einer die grundrechtlichen Belange einbeziehenden Güter- und Folgenabwägung entschieden werden. Es handelt sich insgesamt um ein im funktionalen Zusammenhang stehendes bewegliches System (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, Rn. 26, juris); Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 27 und 29 m.w.N.). Grundsätzlich besteht jedoch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Die Regelungsanordnung hat nur vorläufigen Charakter, welchem die Gerichte z.B. durch eine Bewilligung nur im Rahmen eines Darlehens oder auch durch eine zeitliche Befristung gerecht werden können (vgl. z.B. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG (Stand: 15. Dezember 2023), Rn. 506 ff., 520 f.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist teilweise ein Anordnungsanspruch, teilweise ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Geltendmachung eines höheren Regelbedarfs nicht gegeben (hierzu a). Hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Kosten der Unterkunft fehlt es an einem Anordnungsgrund (Kaltmiete und Heizkostenabschlag) und teilweise an einem Anordnungsanspruch (Heizstrom; hierzu b). Auch für die Folgezeit ab Februar 2024 fehlt es, sofern man überhaupt davon ausgeht, dass diese Leistungen zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens geworden sind, jedenfalls an einem Anordnungsanspruch sowie Anordnungsgrund (hierzu c). Für die geltend gemachte Übernahme der Mietkaution ist ein Anordnungsanspruch zu verneinen (hierzu d).

a) Die Antragstellerin hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf einen höheren Regelbedarf. Die ergangenen Bewilligungsbescheide stellen sich nach summarischer Prüfung hinsichtlich Regelbedarf und Mehrbedarfen als rechtmäßig dar.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Bürgergeld. Nach dessen Satz 2 umfassen die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach den Absätzen 1 und 2 erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld als Einkommen anzurechnen abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge. 

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Antragstellerin nach summarischer Prüfung keinen weitergehenden Anspruch.

Hinsichtlich der Monate August bis November 2023 sind Fehler in der Leistungsberechnung lediglich hinsichtlich des im September 2023 vom Arbeitgeber ausbezahlten und vom Antragsgegner angerechneten Lohn für den Monat August 2023 geltend gemacht. Anders als die Antragstellerin meint, hat der Antragsgegner jedoch kein falsches Entgelt zugrunde gelegt. Denn aus der Lohnabrechnung für den Monat August 2023 ergibt sich ein Lohn i.H.v. 1.398,17 Euro brutto bzw. 1.134,34 Euro netto. Genau diese Beträge hat der Antragsgegner der Leistungsberechnung für September 2023 in seinem Bescheid vom 11. Oktober 2023 zugrunde gelegt und sogar einen Absetzbetrag unter Berücksichtigung eines höheren Bruttoeinkommens entsprechend der übrigen Monate berücksichtigt, woraus sich eine Besserstellung der Antragstellerin ergibt. Sollte die Antragstellerin der Ansicht sein, der Lohn für den Monat August 2023 sei in der Leistungsberechnung für eben diesen Monat falsch angesetzt, so verkennt sie, dass vorliegend der Zufluss im September relevant ist und der Lohn für den Monat August daher erst im September angerechnet wird. Hinsichtlich der Monate August, Oktober und November sind Fehler in der Leistungsberechnung weder ersichtlich noch vorgetragen. 

Überdies wurden im gesamten Zeitraum (auch in den Monaten Dezember 2023 und Januar 2024) alle derzeit in Betracht kommenden Mehrbedarfe berücksichtigt. Der Antragsgegner hat einen Mehrbedarf für werdende Mütter (§ 21 Abs. 2 SGB II) bis zur Geburt und anschließend einen Mehrbedarf für Alleinerziehende (§ 21 Abs. 3 SGB II) berücksichtigt. Daneben hat er einen Mehrbedarf für eine dezentrale Warmwasseraufbereitung (§ 21 Abs. 7 SGB II) anerkannt.

Der Antragsgegner hat im zuletzt ergangenen Änderungsbescheid vom 3. Januar 2024 nunmehr auch für Dezember 2023 das inzwischen niedrigere Einkommen und daher einen niedrigeren Absetzbetrag zugrunde gelegt und daraus folgend einen höheren Leistungsanspruch zuerkannt. Denn seit der Geburt der Tochter der Antragstellerin bezieht diese nicht mehr den vorher vom Arbeitgeber gezahlten Lohn (1.459,16 Euro brutto bzw. 1.168,82 Euro netto), sondern Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse sowie einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld vom Arbeitgeber. Nach § 11a Abs. 1 Nr. 6 SGB II ist das Mutterschaftsgeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Der vom Arbeitgeber unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes zu zahlende Zuschuss zu diesem stellt hingegen Erwerbseinkommen dar, weshalb er nach § 11 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen ist und auch die Absetzbeträge nach § 11b SGB II zu berücksichtigen sind (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, 10. Ergänzungslieferung 2023, § 11b SGB 2, Rn. 495). Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld fällt jedoch deutlich niedriger aus als das bisherige Einkommen der Antragstellerin. Für den Monat November 2023, ausgezahlt im Dezember 2023, betrug der Zuschuss 879,36 Euro brutto bzw. 823,75 Euro netto. Ein entsprechendes Einkommen hat der Antragsgegner nunmehr berücksichtigt. Da Berechnungsfehler nicht ersichtlich sind, ist ein Anordnungsanspruch zu verneinen. 

Die Beschwerde hat aber auch für Januar 2024 keinen Erfolg. Zwar wird ausweislich des Bescheides vom 27. Dezember 2023 weiterhin ein höheres Erwerbseinkommen berücksichtigt und nicht der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Hier ist jedoch kein Anordnungsgrund gegeben. Denn der Antragsgegner hat auf die Vorlage der Entgeltabrechnung für den Monat November zeitnah den Änderungsbescheid vom 3. Januar 2024 erlassen und das niedrigere Einkommen berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Reaktion zeitnah auf die Einreichung der Entgeltabrechnung für Dezember 2023 erfolgen wird und eine einstweilige Anordnung nicht notwendig ist.

Soweit der Regelbedarf für die Tochter der Antragstellerin erst mit Bescheid vom 27. Dezember 2023 bewilligt wurde, dürfte dieser bereits nicht (zulässiger) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein. Jedenfalls aber besteht über den bereits bewilligten Betrag hinaus kein Anspruch. Fehler sind hier weder ersichtlich noch dargetan. 

b) Ein Anspruch auf die vorläufige Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung weiterer Bedarfe für Unterkunft und Heizung besteht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren derzeit nicht. 

Hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Bedarfe für Miete sowie kalte Nebenkosten ist unter Zugrundelegung der oben genannten Grundsätze derzeit kein Anordnungsgrund gegeben. Es muss derzeit als offen angesehen werden, ob die Antragstellerin in der Hauptsache höhere Leistungen wegen des Unterkunftsbedarfs geltend machen kann, obwohl viel dafürspricht, dass die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die angemessene Höhe im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II überschreiten. Ein Anordnungsanspruch erscheint insoweit als zumindest fraglich.

Eine besondere Dringlichkeit, welche das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen würde und den Erlass einer einstweiligen Anordnung trotz der insoweit bestehenden Bedenken hinsichtlich des Anordnungsanspruchs rechtfertigen könnte, ist nicht gegeben. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterkunft in von ihm als angemessen erachteter Höhe unter Berücksichtigung eines 2-Personenhaushalts sowie eines zusätzlichen Aufschlags i.H.v. zehn Prozent (insgesamt 441,30 Euro) bewilligt. Tatsächlich liegt die an den Vermieter zu zahlende Kaltmiete bei insgesamt 780,00 Euro, weshalb eine Unterdeckung i.H.v. 338,70 Euro monatlich besteht. Im Rahmen der Berechnungen der Leistungen hat der Antragsgegner für die Monate August bis November jedoch einen Absetzbetrag aus Erwerbseinkommen i.H.v. 348,00 Euro nach § 11b Abs. 3 SGB II berücksichtigt, welcher der Antragstellerin daher monatlich zusätzlich zur Verfügung steht. Anschließend ist aufgrund des geringeren Zuschusses zum Mutterschaftsgeld zwar ein geringerer Absetzbetrag zu berücksichtigen (siehe hierzu unter aa). Ihr steht jedoch zusätzlich das anrechnungsfreie Mutterschaftsgeld i.H.v. 13,00 Euro kalendertäglich (390,00 Euro monatlich) zur Verfügung. Mit diesen Beträgen kann die Antragstellerin die Unterdeckung jedenfalls vorübergehend ausgleichen, weshalb ein Anordnungsgrund zu verneinen ist. Bei der Prüfung des Anordnungsgrundes kommt es gerade auf die Zumutbarkeit eines Leistungsaufschubs im Einzelfall an. Daher kann sogar bei höheren Fehlbeträgen ein Anordnungsgrund verneint werden, wenn z.B. Schonvermögen, Einkommensfreibeträge oder die Hilfe Dritter dazu führen, dass die Betroffene vorläufig ihre Existenz auch ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung sichern kann (Kallert in: BeckOGK, 1. Dezember 2019, SGB II Vorbemerkung vor § 39 Einstweiliger Rechtsschutz im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rn. 90, 91, m.w.N.). So liegt der Fall gerade hier, da der Antragstellerin die Freibeträge sowie das Mutterschaftsgeld zur Verfügung stehen. Es bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der (ggf. vorübergehenden) Verwendung des Absetzbetrages aus Erwerbseinkommen für die Differenz der Mietkosten. Insbesondere hatte die Antragstellerin im relevanten Zeitraum keine besonderen, mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Ausgaben, da sie im Beschäftigungsverbot war. Ausgaben im Sinne des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB II wurden nicht geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. 

Hinsichtlich der geltend gemachten Heizkosten besteht ebenfalls kein Anordnungsgrund. Diese sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zwar grundsätzlich in angemessener Höhe zu übernehmen. Jedoch ist die Antragstellerin – wie sie selbst mitgeteilt hat – derzeit noch gar keinen Forderungen des Gasanbieters ausgesetzt. Damit fehlt es aktuell an einem berücksichtigungsfähigen Bedarf und insoweit an einem Anordnungsanspruch. Umso weniger ist eine besondere Dringlichkeit gegeben. Hinsichtlich der Stromkosten für den Betrieb der Heizung ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass diese in Höhe von 5 Prozent der Brennstoffkosten anzusetzen sind (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 06. Februar 2023), Rn. 161, m.w.N.). Eine entsprechende Festsetzung kann aber regelmäßig erst erfolgen, wenn die Höhe des monatlichen Heizkostenabschlags bekannt ist. Der Senat hat hier auch keine Bedenken, dass der Antragsgegner nach Bekanntwerden der Höhe des Gasabschlags darauf reagieren und entsprechende Beträge bewilligen wird. Jedenfalls ein Anordnungsgrund besteht auch insoweit nicht.

c) Die Antragstellerin hat im Dezember 2023 einen Weiterbewilligungsantrag gestellt, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Hinsichtlich der Folgezeit ab Februar 2024 ist jedoch ebenso wenig ein Anordnungsgrund gegeben, da nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner über die Leistungsbewilligung anders als bisher entscheidet und es daher keiner einstweiligen Anordnung bedarf bzw. die vorgenannten Gründe jedenfalls bis zum Ende des Mutterschutzes am 11. März 2024 weiter gelten. Im Anschluss daran wird sich aller Voraussicht nach das Einkommen der Antragstellerin erneut ändern. Sie beabsichtigt, Elterngeld zu beantragen. Für diesen Zeitraum bedarf es einer einstweiligen Anordnung derzeit noch nicht. Es sei jedoch bereits an dieser Stelle auf die Anrechnungsregelung des § 10 Abs. 5 BEEG hingewiesen.

d) Hinsichtlich der von der Antragstellerin begehrten Mietkaution als Darlehen ist die Beschwerde unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 19. Oktober 2023 ist nicht zu beanstanden. Ein Anordnungsanspruch besteht nicht.

Nach § 22 Abs. 6 Satz 1, 2. HS SGB II können Aufwendungen für u.a. eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (Satz 2). Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden (Satz 3). Die Zusicherung ist ein Verwaltungsakt. Sie ist vor dem Zeitpunkt einzuholen, zu dem die ersetzbaren Kosten in rechtlich relevanter Weise begründet werden, und damit eine Anspruchsvoraussetzung (vgl. Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 06. Februar 2023), Rn. 243; Luthe in: Hauck/Noftz SGB II, 10. Ergänzungslieferung 2023, § 22 SGB II, Rn. 362). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der die vorherige Zusicherung vorsieht. Nach summarischer Prüfung hat die Antragstellerin die Zusicherung jedoch nicht eingeholt, bevor sie sich hinsichtlich der Mietkaution gegenüber dem Vermieter rechtlich gebunden hat. Ein solcher Antrag auf eine Zusicherung dürfte darin zu sehen sein, dass die Antragstellerin mit der Antragstellung die relevanten Daten für die streitgegenständliche Wohnung mitgeteilt und auch die Übernahme der Mietkaution beantragt hat. Der Zeitpunkt der Antragstellung ist jedoch – anders als die Antragstellerin mitgeteilt hat – nicht der 10. Juli 2023, sondern der 27. Juli 2023. Denn ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Dokumente wurden die Antragsunterlagen am 27. Juli 2023 von einer Faxnr. mit der Vorwahl XXXX1, welche die Vorwahl von B-Stadt ist, an die Bundesagentur Kassel gesendet, von dort am 27. Juli 2023 an das Jobcenter des Landkreises Kassel und von dort am 28. Juli 2023 an den Antragsgegner weitergeleitet. Auf den Unterlagen selbst befindet sich ebenfalls die Faxnr. mit Vorwahl XXXX1. Es ist davon auszugehen, dass die Unterlagen von dem Faxanschluss der Mutter der Antragstellerin am 27. Juli 2023 übersandt wurden. Denn diese ist in B-Stadt wohnhaft. Überdies befindet sich auf den Antragsunterlagen neben der dort aufgedruckten Faxnr. der Name B., was der Nachname der Mutter der Antragstellerin ist. Damit ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass die Unterlagen erstmals am 27. Juli 2023 vom Anschluss der Mutter der Antragstellerin (wohl) an ein (unzuständiges) Jobcenter übersandt wurden. Soweit die Unterlagen neben der aufgedruckten Faxnr. das Datum 30. März 2018 enthalten, so kann dies offensichtlich nicht das Datum der Übersendung sein. Dieses Datum dürfte vielmehr aus einem fehlerhaft eingestellten Faxanschluss herrühren. Bestätigt wird diese Einschätzung letztlich dadurch, dass den Antragsunterlagen ein Antrag auf Übernahme der Mietkaution, datiert auf den 27. Juli 2023 beigefügt war. Demgegenüber ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin bereits vor dem 27. Juli 2023 rechtlich zur Übernahme der Mietkaution verpflichtet hat. Zwar hat der Vermieter den Mietvertrag wohl ausweislich des zweiten übersandten Mietvertrages erst am 3. August 2023 unterzeichnet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin bereits am 24. Juli 2023 gegenüber dem Vermieter rechtlich gebunden hat. Denn der zunächst von ihr eingereichte und unterzeichnete Mietvertrag datiert auf eben diesen Tag. Die Antragstellerin hat zudem schon mit den Antragsunterlagen mitgeteilt, die Wohnung bereits angemietet zu haben. Die Annahme, dass die Antragstellerin nicht erst am 3. August 2023 ihre rechtlichen Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis eingegangen sein wird, wird zudem gestützt von der Tatsache, dass sie die Wohnung bereits zum 1. August 2023 bezogen hat. Dies hat sie selbst vorgetragen und es wird bestätigt durch die Angaben des Vermieters in der Mietbescheinigung sowie die vorgelegte amtliche Meldebestätigung, welche ebenfalls als Umzugsdatum den 1. August 2023 benennen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Vermieter die Wohnungsschlüssel schon vor Eingehen einer rechtlichen Verpflichtung durch die Antragstellerin an diese übergeben und einen Einzug geduldet hätte. Demnach scheidet die Übernahme der Mietkaution als Darlehen nach summarischer Prüfung aus, da sich die Antragstellerin bereits vor Beantragung der Zusicherung beim Antragsgegner hinsichtlich der Mietkaution rechtlich gebunden hat. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Einholung der Zusicherung im konkreten Einzelfall aus wichtigen Gründen nicht zumutbar gewesen oder die Zusicherung in treuwidriger Weise vom Leistungsträger verzögert worden wäre (vgl. Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 35 SGB XII (Stand: 25. Mai 2021), Rn. 179, m.w.N.; vgl. zur Notwendigkeit der vorherigen Zusicherung bezogen auf Umzugskosten BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 7/09 R -, Rn. 12 f.). Eine treuwidrige Verzögerung durch den Antragsgegner ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig sind Gründe ersichtlich, weshalb der Antragstellerin – auch unter Berücksichtigung ihrer besonderen Situation der Wohnungslosigkeit sowie bestehender Schwangerschaft – die Einholung der Zusicherung aus wichtigen Gründen nicht zumutbar gewesen sein sollte. 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das Obsiegen der Antragstellerin hinsichtlich des anzurechnenden Einkommens ab Dezember 2023 sowie ihr Unterliegen im Übrigen. Dass anteilige Kosten nur für das Beschwerdeverfahren zu erstatten sind, ist dem Umstand geschuldet, dass die fehlerhafte Einkommensanrechnung aus einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse resultiert, die erst während des Beschwerdeverfahrens eingetreten ist. 

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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