L 6 AS 305/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 731/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 305/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Gegen eine Rückwirkung eines Antrags auf Leistungen über den Monatsersten hinaus spricht neben dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II die Systematik der Vorschrift.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II um eine gesetzliche Frist handelt. § 26 Abs. 3 SGB X jedenfalls dann nicht anzuwenden, sondern wird durch die spezifische Regelung von § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II verdrängt.


1.    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juni 2023 wird zurückgewiesen. 

2.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. 

3.    Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Monat Juli 2021.

Der im Jahr 1960 geborene Kläger bezog beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 28. Januar 2021 vorläufige monatliche Leistungen vom 1. Januar 2021 bis 30. Juni 2021 in Höhe von 807,84 Euro, wovon 446,00 Euro auf den Regelbedarf und 361,84 Euro auf die Kosten der Unterkunft und Heizung entfielen. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: „Beachten Sie bitte, dass Leistungen ab dem Ersten des Monats gewährt werden, in dem der Antrag gestellt wird. Um Unterbrechungen des Leistungsbezugs zu vermeiden, müssen Sie rechtzeitig vor Ablauf des aktuellen Bewilligungsabschnittes bei dem zuständigen Leistungsträger einen weiteren Antrag stellen“.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2021 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass der aktuelle Bewilligungsabschnitt zum 30. Juni 2021 ende und ein Weiterbewilligungsantrag dem Leistungsträger frühzeitig vor Ablauf des aktuellen Bewilligungszeitraums vorliegen müsse.

Am Sonntag, den 1. August 2021 stellte der Kläger beim Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag für Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab Juli 2021 per E-Mail. Er teilte mit, dass er sich außerstande sehe, irgendwelche Unterlagen zu erstellen oder zu scannen, da er am Freitag einen Schlüsselbeinbruch erlitten habe und sich auch nicht mehr an seine Zugangsdaten für das Online-Portal erinnere. Eine Operation des Schlüsselbeinbruchs finde am 4. August 2021 statt – bis dahin bestehe auch Arbeitsunfähigkeit. 

Mit einer weiteren E-Mail vom 2. August 2021 teilte er mit, dass es ihm gerade gelungen sei, seinen Wiederholungsantrag online zu stellen. Er möchte, dass dieser gemäß § 26 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf den Juli 2021 zurückwirke.

Im Nachgang übersandte er Kontoauszüge.

Mit Bescheid vom 30. August 2021 bewilligte der Beklagte dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 1. August 2021 vorläufige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. August 2021 bis zum 31. Januar 2022 in Höhe von monatlich insgesamt 807,84 Euro. 

Mit weiterem Bescheid vom 30. August 2021 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 1. August 2021 hinsichtlich der Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Juli 2021 ab und führte aus, dass Leistungen gemäß § 37 SGB II erst ab Antragstellung erbracht werden würden. Insofern könnten Leistungen nach dem SGB II erst ab dem 1. August 2021 erbracht werden. Auch § 27 SGB X ändere hieran nichts. Der Kläger habe zwar nachgewiesen, dass er am 30. Juli 2021 für die Zeit vom 2. August bis 4. August 2021 eine Krankmeldung erhalten habe, jedoch finde § 27 SGB X nur auf behördlich gesetzte Fristen Anwendung und komme somit hier nicht zur Anwendung. Bei dem Ablauf des Bewilligungszeitraumes handele es sich nicht um eine behördlich gesetzte Frist, sondern lediglich um das Ende einer Bewilligung. Jedoch könnte auch bei Annahme der Anwendbarkeit des § 27 SGB X keine Rückwirkung erfolgen, da diese Bestimmung eine dauerhafte Verhinderung für den Zeitraum zwischen der Kenntnis der gesetzten Frist und dem Ablauf der Frist voraussetze. Eine lediglich temporäre Verhinderung im Sinne von wenigen Tagen falle nicht unter die Verhinderung im Sinne des § 27 SGB X.

Der Kläger erhob per E-Mail am 4. September 2021 Widerspruch mit der Begründung, dass das Ende der Frist, um seinen Weiterbewilligungsantrag zu stellen, der 31. Juli 2021 und somit ein Samstag gewesen sei. Daher ende der Ablauf dieser Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages, also am Montag, den 2. August 2021. 

Nach einem Hinweis des Beklagten auf die für einen Widerspruch geltenden Formvorschriften bestätigte der Kläger mit einem unterschriebenen Schreiben, dass er den Widerspruch per E-Mail verfasst habe.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers am 6. Oktober 2021 mit der Begründung zurück, dass ein Leistungsanspruch für Juli 2021 nicht bestanden habe, da der Weiterbewilligungsantrag des Klägers erst am 1. August 2021 bei ihm eingegangen sei. § 26 SGB X sei nicht anwendbar, da es sich bei der Antragsfrist nach § 37 SGB II nicht um eine behördliche oder gesetzliche Frist im Sinne des § 26 SGB X handele. Daher könne § 27 SGB X ebenfalls keine Anwendung finden. § 37 SGB II regele keine Frist, sondern das Verhältnis zwischen dem Leistungsbeginn und der Antragstellung. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe auch nicht, da dem Beklagten kein Fehler bei Beratung oder der Erteilung von Auskünften vorzuwerfen sei. Der Kläger sei im Bescheid vom 28. Januar 2021 und mit Schreiben vom 5. Mai 2021 darauf hingewiesen worden, dass rechtzeitig vor Ablauf des Bewilligungszeitraums bis zum 30. Juni 2021 ein Weiterbewilligungsantrag gestellt werden müsse. Auch die nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit ändere daran nichts, da der Kläger im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit den Antrag per E-Mail tatsächlich gestellt habe.

Der Kläger hat am 4. November 2021 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. 

Er hat vorgetragen, § 37 SGB II in der aktuellen Fassung setze eine Frist für die Antragstellung. Die §§ 26, 27 SGB X seien anzuwenden. Da der 31. Juli 2021 ein Samstag gewesen sei, habe die Frist zur Antragstellung auf Leistungen für den Monat Juli 2021 erst am Montag, 2. August 2021, geendet. Der Antrag vom 1. August 2021 sei rechtszeitig beim Beklagten eingegangen. Neben dem Verweis auf Rechtsprechung hat er ausgeführt, dass ihm auf seinen Antrag vom 1. August 2021 auch Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) ab 1. Juli 2021 bewilligt worden seien.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Juni 2023 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, da der Antrag des Klägers vom 1. August 2021 nicht auf den 1. Juli 2021 zurückwirke. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen nach dem SGB II auf Antrag erbracht. § 37 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 SGB II bestimme, dass Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden würden und der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirke. Aus dem Regelungszusammenhang und dem Wortlaut von § 37 Abs. 2 SGB II ergebe sich zunächst, dass die Rückwirkung auf den Monatsersten als Ausnahme zur Regel – keine Leistungsgewährung vor Antragstellung – nur im Falle von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes greife. Auch der Monatserste sei nach Auffassung der Kammer eindeutig und nicht auslegungsfähig festgelegt als der erste Tag des Monats, in dem der Antrag auf Leistungen gestellt worden sei.

Hier habe der Kläger – unstreitig – seinen Leistungsantrag am 1. August 2021, dem Monatsersten des Antragsmonats August gestellt. Eine Rückwirkung auf den 1. Juli 2021 sei nach Überzeugung der Kammer aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 37 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen. 

Selbst wenn man davon ausginge, dass § 37 Abs. 2 SGB II eine Frist regele, lägen auch die Voraussetzungen des § 27 SGB X nicht vor, da beim Kläger kein dauerhafter Verhinderungsgrund vorgelegen habe. Zudem habe er den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II tatsächlich am 1. August 2021 – während seiner Arbeitsunfähigkeit – gestellt.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Klägers bestehe ebenfalls nicht, da der Beklagte seinen Beratungs- und Auskunftspflichten nachgekommen sei und den Kläger frühzeitig davon in Kenntnis gesetzt habe, dass ein Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bis zum Ablauf des aktuellen Bewilligungszeitraumes beim Beklagten eingehen müsse, um Unterbrechungen der Leistungsgewährung zu vermeiden. Ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln sei vorliegend für die Kammer nicht erkennbar.

Auch sprächen nach Überzeugung der Kammer keinerlei Anhaltspunkte dafür, dem Kläger im Wege des richterrechtlichen Instituts der Nachsichtgewährung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Monat Juli 2021 zuzusprechen.

Das Urteil ist dem Kläger am 4. August 2023 zugestellt worden. Er hat am 4. September 2023 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Urteil sich nicht damit auseinandersetze, was gelte, wenn das Monatsende auf z.B. einen Samstag falle. Das Gesetz liefere da keine Alternative zu § 26 SGB X. Er verweist darauf, dass es derzeit drei verschiedene Übermittlungsformen gebe, einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II zu stellen. In der derzeitig praktizierten "Regelung" existierten in seinem Fall dazu drei verschiedene letzte Termine: 1.) Mündlich zur Niederschrift: Bis zum Ende der Öffnungszeit des Jobcenters am Freitag, dem 30. Juli 2021, 2.) Elektronisch (Fax oder Internet): Am Samstag, dem 31. Juli 2021 um 23:59 Uhr, 3.) Schriftlich per Einwurf in den Briefkasten des Jobcenters: Am Montag, dem 2. August 2021 morgens, kurz bevor der zuständige Mitarbeiter des Jobcenters den Briefkasten leere. 

Zudem verweist er auf das auch schon in seiner Klagebegründung erwähnte Urteil vom OVG Sachsen-Anhalt, 21. März 2012 – 3 L 176/09. Das OVG Sachsen-Anhalt begründe darin sehr umfassend, warum § 26 SGB X im Wohngeldgesetz gelte. Dort gelte dieselbe Antragsfrist wie im SGB II.

Weiterhin sei das SG der Auffassung, dass, selbst wenn der § 37 SGB II eine Frist setzte, letztlich § 26 SGB X nicht anwendbar sei, weil sich dadurch der Zeitraum für die rechtzeitige Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II über das ursprünglich vom Gesetzgeber definierte Maß verlängerte. Hierbei habe das Gericht jedoch nicht beachtet, dass dies für jede gesetzlich definierte Frist gelte, wenn § 26 SGB X zur Anwendung komme. 

Außerdem habe der Gesetzgeber die ursprünglich geltende Regelung, dass keine Hilfen für Zeiträume vor der Antragstellung zu gewähren seien, aufgeweicht, da seit dem 1. Januar 2011 Leistungen schon ab dem Monatsersten zu gewähren seien. 

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juni 2023 und den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 30. August 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für den Monat Juli 2021 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung des Antrags verweist der Beklagte auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger mitgeteilt, dass er für Juli 2021 Leistungen in Höhe von 807,84 Euro begehre.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. 

Sie ist form- und fristgemäß eingelegt worden. Sie ist nach § 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft, da der Kläger für Juli 2021 Leistungen in Höhe von 804,84 Euro begehrt und damit der Berufungswert von über 750 Euro erreicht wird. Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG statthaft (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R –, Rn. 11, juris).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. 

Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig, da der Kläger keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten für den Monat Juli 2021 hat.

Zwar ist der Kläger im Juli 2021 leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Allerdings fehlt es an einer wirksamen Antragstellung für diesen Monat. 

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag und nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG – vom 24. März 2011, BGBl I 453) bestimmt zudem, dass der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R –, Rn. 14, juris).

a) Der Kläger hat am 1. August 2021 per E-Mail einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten gestellt. Einer wirksamen Antragstellung steht das nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BSG, ist der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach § 37 SGB II grundsätzlich an keine Form gebunden, weil insofern der (allgemeine) Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens gilt (vgl. § 9 SGB X; BSG vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 56/08 R – Rn. 14 m.w.N., juris). § 37 SGB II verlangt weder i.S. des § 126 Abs. 1 BGB die schriftliche Form noch wie der Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 141 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – SGB III) eine persönliche Meldung bei der Behörde. Aus diesem Grund ist eine Antragstellung auch per E-Mail möglich (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R –, Rn. 16 m.w.N., juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. September 2017 – L 19 AS 360/17 –, juris). 
Der vom Kläger gestellte Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ist dem Beklagten am Sonntag, den 1. August 2021 zugegangen, wobei es nach der Rechtsprechung des BSG auf den Zugang in dessen Macht- oder Willensbereich ankommt, nicht aber auf einen Zugang zu den üblichen Dienstzeiten (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R –, Rn. 18, juris).

b) Der per E-Mail gestellte Antrag wirkt als Antrag auf Leistungen ab August 2021. Er wirkt nicht auf den 1. Juli 2021 zurück.

Soweit der Kläger sich hinsichtlich der Rückwirkung auf das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2017 (Az.: L 19 AS 360/17) und die daran anschließende Revisionsentscheidung des BSG vom 11. Juli 2019 (B 14 AS 51/18 R) beruft, kann mit diesen ein Anspruch nicht begründet werden. Beide Entscheidungen beschäftigen sich nicht mit der über den Monatsersten hinausreichenden Rückwirkung. Vielmehr stellen beiden klar, dass der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach § 37 SGB II an keine Form gebunden ist und er deshalb mündlich, fernmündlich und per Email ohne eigenhändige Unterschrift gestellt werden kann (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. September 2017 – L 19 AS 360/17 –; BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R, juris), was – wie bereits ausgeführt – im Fall des Klägers unproblematisch ist. 

Der am 1. August 2021 vom Kläger gestellte Antrag wirkt nicht auf den 1. Juli 2021 zurück. Gegen eine solche Rückwirkung spricht neben dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II die Systematik der Vorschrift.

§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II normiert: „Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht“. In § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist formuliert: „Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht“. In § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II heißt es: „Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück“.

Nach dem Willen des Gesetzgebers hat der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung, so dass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (BT-Drucksache 15/1516, S. 62). 

Bei Einführung der Vorschrift war zunächst der Leistungsbeginn auf den Tag der Antragstellung begrenzt. Bei der Einführung des § 37 SGB II war der Gesetzgeber noch davon ausgegangen, dass bei fehlender Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit der Antrag eines Hilfebedürftigen, der am nächsten Tag der Dienstbereitschaft gestellt wird, auf den Tag zurückwirkt, an dem der Antrag eigentlich gestellt werden sollte. Die schlüssige Erklärung, an einem bestimmten Tag den Antrag gestellt haben zu wollen, sei nach der Gesetzesbegründung in der Regel ausreichend (BT-Drucksache 15/1516, S. 62). Nach dem Willen des Gesetzgebers hätte ein Antrag maximal auf den letzten Tag der Dienstbereitschaft zurückwirken können. 

Seit 2011 wirkt die Antragstellung auf den Monatsersten zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung dem geltenden Nachranggrundsatz stärker als bislang Rechnung getragen wollte, indem Einnahmen, die vor Antragstellung im Antragsmonat zufließen, als Einkommen bei der Feststellung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen sind (BT-Druck 17/3404, S. 114). Die Rückwirkung des Antrags bezweckte daher die Harmonisierung des im SGB II geltenden Monatsprinzip und bewirkt den Gleichlauf von Leistungsanspruch und Einkommenszufluss und der Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R –, Rn. 27, juris). 

Der Gesetzesbegründung kann damit gerade nicht entnommen werden, dass der gesetzgeberische Wille darauf zielte, den Leistungsbeginn über den Monatsersten ausdehnen zu wollen. Für den bezweckten Gleichlauf von Leistungsanspruch und Einkommenszufluss und der Abgrenzung von Einkommen und Vermögen war eine darüber hinausreichende Ausdehnung nicht erforderlich.

Unter Zugrundlegung der Entstehungsgeschichte, der Wortlautauslegung und bei Anwendung der teleologischen Auslegung ist im Fall des Klägers von einer konstitutiven Wirkung seines Antrages ab 1. August 2021 auszugehen.

Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen für Juli 2021 folgt auch nicht aus § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.V.m.  § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X

In § 26 Abs. 3 SGB X ist folgendes geregelt: „Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist “. 

Die Anwendung des § 26 Abs. 3 SGB X setzt zunächst voraus, dass es sich bei der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II um eine gesetzliche Frist handelt. Nur dann wäre die Anwendung von § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X eröffnet.  

Das BSG kam zur alten Rechtslage zum Ergebnis, dass § 37 SGB II keine Frist festsetze, sondern lediglich das Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung regele. Die Antragstellung selbst sei nicht an eine Frist gebunden und der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stelle keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 99/10 R –, Rn. 23, juris). 

Ausgehend von dieser Rechtsprechung wäre die Anwendung von § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X gar nicht eröffnet.

Ob es sich bei § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II um eine gesetzliche Frist handelt, kann allerdings offenbleiben, da im Fall des Klägers auch unter der Annahme, es handele sich um eine gesetzliche Frist, § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X nicht zur Anwendung kommen kann. 

Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei Fristen um abgegrenzte, also bestimmt angegebene oder wenigstens bestimmbare Zeiträume schlechthin, auch wenn sie nicht zusammenhängend zu verlaufen brauchen (BSG, Urteil vom 27. Juni 1961 – 3 RK 64/58 –, Rn. 15, juris).

Zunächst ist festzustellen, dass das SGB X neben gesetzlichen Fristen, behördliche Fristen und Verfahrensfristen kennt (vgl. hierzu: Freiling in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 26 SGB X (Stand: 1. November 2020), Rn. 12-14).

Gesetzliche Fristen sind in einer Rechtsnorm festgelegt und entziehen sich der Verfügungsgewalt der Behörde (Freiling in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 26 SGB X (Stand: 1. November 2020), Rn. 13; Vogelgesang in: Hauck/Noftz SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 27 SGB 10, Rn. 5). Sie sind von Amts wegen zu beachten und die Verwaltung kann sie ohne eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage nicht verlängern (Freiling in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 26 SGB X (Stand: 1. November 2020), Rn. 13; Klaus Vogelgesang in: Hauck/Noftz SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 27 SGB 10, Rn. 5). Der § 27 SGB X regelt für den Fall der Säumnis einer gesetzlichen Frist die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Aus dem Wortlaut von § 26 Abs. 3 SGB X ergibt sich nicht, auf welche Fristen er anwendbar ist. Es wird vertreten, dass die Regelung sowohl für behördliche als auch gesetzliche Fristen gilt (Apel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 26 SGB X (Stand: 15. November 2023); Freiling in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 26 SGB X (Stand: 1. November 2020), Rn. 34; für alle Fristen: Vogelgesang in: Hauck/Noftz SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 26 SGB 10, Rn. 31). 

Dem kann für den hiesigen Fall mit Verweis auf die Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 2 SGB X allerdings nicht gefolgt werden. Wenn es sich um eine gesetzliche Frist handelt, ist die Behörde nicht befugt, davon abweichende Fristen zu setzen (so selbst: Freiling in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl, § 26 SGB X (Stand: 01.11.2020), Rn. 13). Die Regelung des Satz 2 macht somit nur Sinn, wenn es sich um eine behördliche Frist handelt oder wenn eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für eine abweichende Fristsetzung besteht (vgl. Freiling in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl, § 26 SGB X (Stand: 01.11.2020), Rn. 34). Als Ermächtigungsgrundlage kann aber § 26 Abs. 3 SGB X nicht dienen. Denn die Vorschrift regelt nur die Berechnung der Fristen, beinhaltet aber nicht die Befugnis, Fristen zu setzen (Klaus Vogelgesang in: Hauck/Noftz SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 26 SGB 10, Rn. 3). Eine Ermächtigungsgrundlage im SGB II findet sich nicht. 

Bei einer gesetzlichen Frist besteht daher gerade keine Befugnis der Behörde, eine längere Frist einzuräumen (vgl. in diesem Sinne: BSG, Urteil vom 7. November 1996 – 12 RK 10/96 –, Rn. 21, juris; BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 36/18 R –, Rn. 27, juris). Das BSG hat im Urteil vom 22. September 1988 ausgeführt, dass eine gesetzliche Ausschlussfrist einer Verlängerung nicht zugänglich sei (BSG, Urteil vom 22. September 1988 – 12 RK 55/86 –, SozR 1200 § 14 Nr. 29, Rn. 13).

Bei Versäumnis einer gesetzlichen Frist kommt damit lediglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X in Betracht (BSG, Urteil vom 7. November 1996 – 12 RK 10/96 –, Rn. 22, juris). Hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter c) verwiesen.

Im Übrigen ist § 26 SGB X jedenfalls dann nicht anzuwenden, sondern wird durch die spezifische Regelung aus den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuchs verdrängt, wenn diese die im jeweiligen Zusammenhang auftretenden Fragen abschließend regeln: § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II dient aber, wie bereits ausgeführt, (nur) der konsequenten Durchführung des Monatsprinzips bei der Bemessung der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Damit würde sich eine Rückwirkung über eine Monatsgrenze, wie der Kläger sie geltend macht, (gerade) nicht vertragen.

Soweit der Kläger sich zur Begründung seines Anspruches auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. März 2012 (Az.: 3 L 176/09, juris) beruft, folgt der Senat dieser nicht. 

Das OVG war in dem Urteil zur Wirkung der Antragstellung nach dem WoGG zum Ergebnis gekommen, die Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X sei auch anwendbar, wenn nach den materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ein Anspruch nur begründet werde, wenn er innerhalb eines vom Gesetzgeber hierfür bestimmten Zeitraumes geltend gemacht werde. Der Bewilligungszeitraum beginnt nach § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG am Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt worden ist (§ 27 WoGG in der Fassung vom 15. Dezember 2004). Das OVG Sachsen-Anhalt kam in seiner Entscheidung vom 21. März 2012 zum Ergebnis, dass eine Fristverlängerung bis zum Ablauf des nächstfolgenden Werktags eintrete, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag falle. 

Das OVG erkennt an, dass die Antragsfrist für die zurückliegenden Zeiträume die Wirkungen einer Anschlussfrist habe (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. März 2012 – 3 L 176/09 –, Rn. 23, juris). Unter Verweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) (Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 38.95 - NJW 1997, 2966 ff. = juris) und von Literatur führt es weiter aus, dass es sich beim Wohngeldantrag um eine fristgebundene Erklärung handele, so dass mit § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG zugleich eine (gesetzliche) „Antragsfrist“ bzw. „Ausschlussfrist“ normiert werde. Dann verweist es darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG möglich ist, in seinem Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 38.95 – (Rdnr. 10 <zitiert nach Juris>) festgestellt hat:
„...Der in § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG festgesetzte Beginn des Bewilligungszeitraums verdeutlicht nicht nur die Antragsabhängigkeit des Wohngeldanspruchs. Begründet wird vielmehr zugleich für die Stellung des Wohngeldantrages eine gesetzliche Frist im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB X (vgl. Heise, in: Buchsbaum/ Driehaus/ Großmann/ Heise, Wohngeldrecht, Erl. WoGG § 27 Rn. 17; Stadler/ Gutekunst/ Forster, WoGG, § 27 Rn. 3). Gesetzliche Fristen im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften sind Fristen, die kraft Gesetzes ohne besondere behördliche Festsetzung allein aufgrund eines bestimmten Ereignisses zu laufen beginnen und deren Dauer das Gesetz bestimmt (vgl. Beschluss vom 5. September 1985 – BVerwG 5 C 3.85 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 149 S. 49; Urteil vom 23.Juni 1993 – BVerwG 11 C 16.92 – Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 15 S. 17 <8>; BSGE 64, 153 <155>). § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG enthält eine solche vom Gesetzgeber selbst bestimmte Frist für die Antragstellung. Diese Frist beginnt kraft Gesetzes mit dem ersten und endet mit dem letzten Tag des Monats, von dessen Beginn an Wohngeld begehrt wird (vgl. Nr. 26.01 WoGVwV). Denn um einen Wohngeldanspruch für einen bestimmten Monat geltend zu machen, muss der Wohngeldberechtigte innerhalb dieses Monats einen Antrag stellen. Entsprechendes gilt für den rückwirkenden Beginn des Bewilligungszeitraumes nach § 27 Abs. 3 WoGG in Verbindung mit § 29 Abs. 2 WoGG und in den Fällen des § 27 Abs. 4 WoGG. In allen Fällen ist der Beginn des Bewilligungszeitraumes antragsabhängig und sind die Anträge innerhalb der gesetzlich bezeichneten Fristen zu stellen (vgl. Urteil vom 20. August 1993 – BVerwG 8 C 8.92 – Buchholz 454.71 § 29 WoGG Nr. 1 S. 1 <2 ff.>).“

Aus diesen Ausführungen schließt das OVG sodann, bei § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG handele es sich um eine Vorschrift mit einer durch einen Schluss- bzw. Endtermin begrenzten Frist (sog. Ausschlussfrist), weshalb auf diese Frist zugleich § 26 SGB X anwendbar sei. In seiner Entscheidung kommt dann das OVG konsequenter Weise zum Ergebnis, dass mit dem Eingang des Antrages am Montag, den 1. November 2004, die Frist gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG für die Beantragung von Wohngeld für den Monat Oktober noch gewahrt worden sei (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. März 2012 – 3 L 176/09 –, Rn. 26, juris).
Dem vermag der Senat jedenfalls für § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht zu folgen, da die Regelung, wie ausgeführt, ausschließlich der konsequenten Durchführung des Monatsprinzips dient und nicht den Zeitraum möglicher Rückwirkung um ihrer selbst willen und noch dazu über eine Monatsgrenze hinweg erweitern sollte.

Das Ergebnis begründet das OVG des Weiteren auch mit dem Verweis darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. April 1997 (Az.: 8 C 38.97) zu der Frage, ob bei der Versäumung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei, Stellung bezogen und dies für das Wohngeldrecht ausdrücklich bejaht habe (so schon BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1976 - V C 87.74 - BVerwGE 51, 80). (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. März 2012 – 3 L 176/09 –, Rn. 29, juris). 
Warum aus der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, die Anwendbarkeit von § 26 Abs. 3 SGB X folgen soll, legt das OVG nicht dar. 

c) Ein Anspruch auf Leistungen für den Monat Juli folgt auch nicht aus § 27 SGB X. Auch eine Wiedereinsetzung kommt von vornherein nicht in Frage, wenn § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X auch in seiner aktuellen Fassung nur das Verhältnis von Antragstellung und möglicher Rückwirkung klärt, aber keine Fristenregelung begründet. Gleiches gilt, wenn man mit Blick auf den Zweck der Vorschrift und das Aktualitätsprinzip – das auch im SGB II, wenn auch nur eingeschränkt, gilt – davon ausgeht, dass der Gesetzgeber eine Leistungsgewährung für einen bereits vollständig abgeschlossenen Monat auch durch § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II (gerade) nicht ermöglichen wollte.
Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II regele eine gesetzliche Frist, wäre das Sozialgericht jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger im konkreten Fall keine Wiedereinsetzung zu gewähren ist. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Frist ohne Verschulden versäumt worden ist (BSG, Urteil vom 7. November 1996 – 12 RK 10/96 –, Rn. 22, juris). Dies ist vorliegend nicht ersichtlich. Zwar war der Kläger Ende Juli 2021 bis Anfang August 2021 arbeitsunfähig, allerdings war es ihm zum einem im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit möglich, den Antrag bei dem Beklagten zu stellen. Zum anderen sind keine Gründe vorgetragen worden, warum er zuvor an einer Antragstellung gehindert gewesen sein soll.

d) Ein Anspruch kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet werden. Im Bescheid vom 21. Januar 2021 und im Schreiben vom 5. Mai 2021 war der Kläger von dem Beklagten auf die Fristen entsprechend hingewiesen worden.

Nach allem besteht kein Leistungsanspruch des Klägers für den Monat Juli 2021, weshalb die Berufung zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist nicht geklärt, ob es sich bei der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II um eine Fristenregelung handelt. Während das BSG zu § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. die Ansicht vertrat, es handele nicht um eine Fristenregelung (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 99/10 R –, Rn. 23, juris), hat es diese Frage für die neugefasste Regelung § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II ausdrücklich offengelassen (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R –, Rn. 23, juris). 
 

Rechtskraft
Aus
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