L 9 BA 909/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 BA 950/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 BA 909/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein behördlicher Ausspruch über das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist ausnahmsweise isoliert anfechtbar, wenn eine Verwaltungsmaßnahme nach dem Empfängerhorizont in der äußeren Form eines Verwaltungsaktes erlassen worden ist.
2. Materiell-rechtlich ist die isolierte Feststellung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses durch die Deutschen Rentenversicherung Bund als "Clearingstelle" erst mit Inkrafttreten der Änderung des § 7a Abs. 1 SGB IV zum 01.4.2022 (BGBl. I 2021, Seite 2990, 2992) zulässig; für die Zeit davor bestand keine Rechtsgrundlage für eine (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer abhängigen Beschäftigung. § 7a Abs. 1 SGB IV a.F. berechtigte und verpflichtete (nur) zur Feststellung des Vorliegens der Versicherungspflicht (im Anschluss an BSG, Urteil vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - juris, Rn. 11 ff. und Urteil vom 26.2.2019 - B 12 R 8/18 R - juris, Rn. 16 ).

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Februar 2020 teilweise, unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen, aufgehoben und der Tenor wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2015 wird insoweit aufgehoben, wie die Beklagte hiermit festgestellt hat, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für die Beklagte seit dem 7. Juli 2001 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden im Verhältnis von Klägerin und Beklagter gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladene hat ihre Kosten selbst zu tragen.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Beigeladenen bei ihren Arbeitseinsätzen als voruntersuchende Ärztin im Blutspendedienst für die Klägerin seit dem 07.07.2001 streitig.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und des Wohlfahrtswesens sowie der Wissenschaft, Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin und verwandten Gebieten sowie die aktive Mitwirkung bei der Katastrophenvorsorge mit menschlichem Blut und Bestandteilen des menschlichen Blutes. Zur Verwirklichung dieser Zwecke sind Gegenstand des Unternehmens u.a. die Sammlung, Aufbereitung (Konservierung) und Verteilung von menschlichem Blut und Bestandteilen des menschlichen Blutes. Hierzu führt die Klägerin in B1 und H1 überörtliche Blutspendeaktionen durch. Für deren Organisation waren verschiedene Mitarbeiter der Klägerin zuständig (sog. Werbereferenten). Die Blutspendeaktionen wurden in öffentlichen Gebäuden (Schulen, Turnhallen, Bürgerhäuser, usw.) sowie in Immobilien der DRK-Ortsvereine durch eigenes Personal (angestellte Mitarbeiter) und ehrenamtliche Mitarbeiter der örtlichen Vereine (Ortsverein, Ortsbereitschaft) durchgeführt. Da die Klägerin für die Blutspendetermine über keine eigenen Ärzte verfügte, rekrutierte sie durch die Werbereferenten die nach § 5 des Gesetzes zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz - TFG -, BGBl. I 2007, Seite 2169) für die Zulassung zur Spendeentnahme voruntersuchenden ärztlichen Personen überwiegend aus dem Kreis der hierzu bereiten niedergelassenen Ärzte oder im Ruhestand befindlichen Ärzte.

Aufgabe der voruntersuchenden Ärzte war es, die Spendentauglichkeit der zur Blutspende erschienenen Personen, der potentiellen Spender (nachfolgend einheitlich Spender), zu klären, zum einen im Hinblick auf deren Gesundheitszustand und zum anderen im Hinblick auf die - auf Grund der anamnestischen Angaben zur eventuellen Medikation und zu Krankheitsrisiken zu beurteilende - Verwendbarkeit deren Blutes.


Die Beigeladene ist approbierte Ärztin und arbeitete ab 1995 als Ärztin im Blutspendedienst der Klägerin. Am 07.07.2001 schloss sie mit der Klägerin einen „Rahmenvertrag über freie Mitarbeit“ (RV). In diesem wurde unter anderem vereinbart, dass die Beigeladene die Aufgaben einer voruntersuchenden ärztlichen Person (Voruntersuchung von Blutspendern auf öffentlichen Blutspendeaktionen, Beurteilung der Spendefähigkeit entsprechend den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sowie ärztliche Erstversorgung von Notfällen, z.B. Kollaps, Nachblutungen, sonstige Unfälle der Blutspender) übernahm (§ 1 RV). Nach § 2 RV unterlag sie bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen der Klägerin und hatte gegenüber den anderen Angestellten der Klägerin keine Weisungsbefugnis. Weisungen der Aufsichtsbehörden sollten bindend sein und die übrigen gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien waren zu beachten. Nach § 3 Satz 3 RV blieb die Vereinbarung der genauen Termine „einer gesonderten Vereinbarung vorbehalten, die der freie Mitarbeiter mit dem zuständigen Vertreter des Auftraggebers rechtzeitig vorher trifft“. Vereinbart war zunächst ein Honorar von 40 DM pro Stunde und im Falle einer leitenden Tätigkeit eine Vergütung in Höhe von 48 DM pro Stunde (§ 5 Abs. 1 RV). Später wurden diese Stundensätze erhöht (Mitte 2014: 26 Euro je Stunde, für den leitenden Arzt 29 Euro je Stunde). Nach § 5 Abs. 2 RV war eine Kostenpauschale in Höhe des steuerfreien Satzes pro tatsächlich mit eigenem Fahrzeug gefahrenen Kilometer vereinbart, die auf Nachweis abgerechnet werden sollte.

Die Beigeladene war auf Grund dieses Rahmenvertrages in der Folge im Rahmen der Organisation für die Klägerin an vor Ort durchgeführten Blutspendeterminen tätig und zwar auch als leitende Ärztin. Die Beigeladene kam durchschnittlich 30 bis 40 Mal im Jahr zum Einsatz. Sie erhielt von der Klägerin in den Jahren 2009 bis 2019 einschließlich der Fahrtkosten jährliche Einnahmen überwiegend zwischen 4.000 Euro und 6.000 Euro. Im Jahr 2019 endeten ihre Einsätze für die Klägerin. Den letzten Arbeitseinsatz leistete sie am 31.10.2019.

Mit im Januar 2015 bei der Beklagten eingegangenem Antragsvordruck beantragten die Beigeladene und die Klägerin festzustellen, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt sei. Mit getrennten Bescheiden an die Klägerin und die Beigeladene vom 19.05.2015 traf die Beklagte folgende Feststellungen: Die Tätigkeit der Beigeladenen als Ärztin im Blutspendedienst der Klägerin seit 07.07.2001 wird im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. In dem Beschäftigungsverhältnis besteht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2015 zurück. Die Beigeladene trage kein unternehmerisches Risiko und sei in den Betrieb der Klägerin im Sinne einer dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess eingegliedert.

Mit ihrer deswegen am 30.10.2015 zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung der ergangenen Verwaltungsentscheidung und die Feststellung begehrt, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit bei der Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, die Beigeladene sei selbstständig als freie Mitarbeiterin tätig gewesen. Sie habe keinen Weisungen der Klägerin unterlegen. Sie sei nicht in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden gewesen und auch nicht im betriebsorganisatorischen Zusammenhang der Klägerin tätig geworden.

Mit Beschluss vom 29.01.2016 hat das SG die Beigeladene zum Verfahren notwendig beigeladen.

Mit Beschluss vom 21.06.2016 hat das SG wegen örtlicher Unzuständigkeit die Klage an das SG Mannheim verwiesen.


Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, die Beigeladene sei Teil der gesamten Arbeitsorganisation der Klägerin. Durch die Erbringung der ärztlichen Tätigkeit erfülle sie auf klassische Weise die funktionsgerecht dienende Teilhabe an dem auf Durchführung der Blutspendeaktion ausgerichteten Arbeitsprozess der Klägerin.

Im Hinblick auf ein weiteres vor dem SG Mannheim anhängiges Verfahren, das den sozialversicherungsrechtlichen Status eines bei Blutspendeaktionen der Klägerin voruntersuchenden Arztes zum Gegenstand hatte, hat das SG auf Antrag der Beteiligten durch Beschluss vom 27.04.2017 das Ruhen des vorliegenden Rechtsstreits angeordnet. Mit Schriftsatz vom 28.03.2018, eingegangen beim SG am 03.04.2018, hat die Klägerin das Verfahren wieder angerufen.

Durch Gerichtsbescheid vom 21.02.2020 hat das SG den Bescheid vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2015 aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Klägerin seit dem 07.07.2001 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beigeladene sei in ihrer Tätigkeit als Ärztin für die Klägerin nicht abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen. Sie habe nicht funktionsgerecht an der betrieblichen Organisation der Klägerin teilgenommen, da sie ihre Tätigkeit nicht in einem Betriebsgebäude der Klägerin ausgeübt habe und ihre Tätigkeit abgrenzbar von der eigentlichen Blutspendeaktion gewesen sei. Zudem habe sie keinen Weisungen unterlegen.

Gegen den ihr am 27.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 16.03.2020 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei dem zwischen der Beigeladenen und der Klägerin geschlossenen Dienstvertag
der übereinstimmende Willen zu entnehmen, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, die tatsächlichen Verhältnisse wichen aber maßgeblich von diesem Willen ab. Die Beigeladene sei tatsächlich weisungsgebunden in die arbeitsteilige Betriebsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen. Die von der Beigeladenen zu erbringende Leistung (Feststellung der Spendefähigkeit) diene unmittelbar dem Betriebszweck der Klägerin.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Februar 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Klägerin hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens führt sie ergänzend aus, der streitgegenständliche Bescheid sei schon in formeller Hinsicht rechtswidrig, weil in Fällen, in denen -  allenfalls - zu den konkreten Einsatzterminen Versicherungspflicht bestanden habe, die Feststellung einer durchgehenden Versicherungspflicht rechtswidrig sei. Vielmehr sei eine Konkretisierung der jeweiligen Einsatztage erforderlich. Sie hat u.a. eine Übersicht über Einsatzzeiten und Einnahmen der Beigeladenen seit dem Jahr 2009 vorgelegt.

Während des vorliegenden Berufungsverfahrens hat der 10. Senat des LSG Baden-Württemberg in zwei von der Beklagten geführten Berufungsverfahren die ebenfalls den sozialversicherungsrechtlichen Status von Ärzten, die im Rahmen von Blutspendeaktionen der Klägerin die Voruntersuchungen der Spender durchgeführt haben, durch Urteile vom 12.11.2020 (L 10 BA 3314/18 und L 10 BA 4259/18) die erstinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben und die Klagen gegen die die Sozialversicherungspflicht feststellenden Statusbescheide abgewiesen. Die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden blieben erfolglos (Beschlüsse vom 01.02.2022 - B 12 R 41/20 B und B 12 R 42/20 B).

Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.04.2021 ausgeführt, aus welchen Gründen die Urteile des 10. Senats nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar seien.

Mit Schreiben vom 21.06.2022 hat der Senat die Deutsche Rentenversicherung B1, die Bundesagentur für Arbeit, die Techniker Krankenkasse und die Techniker Krankenkasse – Pflegeversicherung über die mögliche Beiladung auf Antrag benachrichtigt. Entsprechende Anträge haben die Versicherungsträger nicht gestellt.

Der Senat hat die Akten des 10. Senats des LSG zu den Berufungsverfahren L 10 BA 3314/18 und L 10 BA 4259/18 zum Verfahren beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 23.11.2023, 28.11.2023 und 04.12.2023 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Akten der Berufungsverfahren L 10 BA 3314/18 und L 10 BA 4259/18 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Einer Beiladung der Fremdversicherungsträger bedurfte es nicht, da der Senat hiervon nach § 75 Abs. 2b SGG absehen konnte. Nach dieser Vorschrift sind in Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Abs. 1 Satz 3, § 28h Abs. 2 und § 28p Abs. 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen (Satz 1). Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag (Satz 2). Vorliegend liegt dem Berufungsverfahren eine Entscheidung der Beklagten nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV zugrunde. Der Senat hat die Fremdversicherungsträger, namentlich die Deutsche Rentenversicherung B1, die Bundesagentur für Arbeit, die Techniker Krankenkasse und die Techniker Krankenkasse – Pflegeversicherung über die mögliche Beiladung auf Antrag unter Fristsetzung bis zum 18.07.2022 mit Schreiben vom 21.06.2022 benachrichtigt, welches diesen mit Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Keiner der benachrichtigten Versicherungsträger hat die Beiladung beantragt.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem erstinstanzlichen Gerichtsbescheid der Bescheid der Beklagten vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2015, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin seit dem 07.07.2001 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und dass in dem Beschäftigungsverhältnis wegen Geringfügigkeit Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Die Klägerin hat ihr auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Feststellung der Versicherungsfreiheit gerichtetes Begehren prozessual statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG geltend gemacht. Nicht zu beanstanden ist, dass das SG auf diese Klage den Bescheid vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2015 insoweit aufgehoben hat, wie die Beklagte hiermit festgestellt hat, dass die Tätigkeit der Beigeladenen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Insoweit war der Bescheid rechtswidrig und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt, weshalb die Berufung der Beklagten insoweit erfolglos ist (dazu 1.). Soweit das SG den Bescheid auch in Bezug auf die Feststellung, dass „in dem Beschäftigungsverhältnis (…) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit“ besteht, aufgehoben und festgestellt hat, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Klägerin seit dem 07.07.2001 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt, ist die Berufung der Beklagten erfolgreich (dazu 2.).

1. Die Feststellung
, dass die Tätigkeit der Beigeladenen im Blutspendedienst der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird, ist isoliert anfechtbar und kann damit zulässiger Gegenstand einer Anfechtungsklage sein. Zwar kann der Ausspruch, dass ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, im Grundsatz nicht isoliert angefochten werden, wenn die Beschäftigung lediglich als ein Tatbestandsmerkmal von Versicherungspflicht (mit)genannt wird
(BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 12 R 8/18 R - juris, Rn. 16). Die „Feststellung“ abhängiger Beschäftigung ist nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt dann nicht darauf gerichtet, eine Rechtsfolge zu setzen; Rechtsfolgenausspruch ist allein die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Versicherungspflicht (BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 12 R 8/18 R - juris, Rn. 16). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor, weil die Beklagte das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ausdrücklich neben dem Nichtbestehen von Versicherungspflicht festgestellt hat.

Ein solcher Ausspruch des Vorliegens von Beschäftigung ist ausnahmsweise isoliert anfechtbar, wenn eine Verwaltungsmaßnahme nach dem Empfängerhorizont in der äußeren Form eines Verwaltungsaktes erlassen worden ist. In diesem Fall wird die Verwaltungsmaßnahme schon wegen des von der Behörde gesetzten Rechtsscheins jedenfalls hinsichtlich ihrer Anfechtbarkeit als Verwaltungsakt behandelt. Vorliegend hat die Beklagte den Rechtsschein einer verbindlichen Regelung gesetzt (vgl. zur Anfechtbarkeit wegen Setzens eines Rechtsscheins BSG, Urteile vom 24.06.2003 - B 4 RA 60/02 R - juris, Rn 18; vom 05.09.2006 - B 4 R 71/06 R - juris, Rn. 19; vom 13.08.2014 - B 6 KA 6/14 R - juris, Rn. 26). Aus dem angefochtenen Verwaltungsakt und den Umständen seines Erlasses war für die Klägerin vorliegend objektiv erkennbar, dass eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung über das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses von der Beklagten gewollt war. So ist die Darstellung in dem Bescheid, insbesondere die sprachlich und optisch geteilte Darstellung der beiden Verfügungssätze vor der „Begründung“, geeignet, beim Empfänger den Eindruck zu erwecken, die Beklagte habe zwei eigenständige Regelungen treffen wollen, nämlich einerseits die Feststellung von Beschäftigung, andererseits die des Nichtbestehens von Versicherungspflicht (vgl. BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 12 R 8/18 R - juris, Rn. 18). Dass sie eine verbindliche Feststellung über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses treffen wollte, ergibt sich auch aus dem Widerspruchsbescheid, in welchem sie ausführt: „Die Feststellung, dass Sie die Tätigkeit als Ärztin im Blutspendedienst der DRK-Blutspendedienst B1 - H1 gGmbH seit dem 07.07.2001 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausüben, bleibt bestehen.“ Denn nur eine rechtlich selbstständige Feststellung kann „bestehen bleiben“.


Materiell-rechtlich erweist sich die isolierte Feststellung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses als rechtswidrig. Sie ist nicht von der von der Beklagten herangezogenen Rechtsgrundlage des § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gedeckt. Maßgeblich ist hier die Fassung vom 12.11.2009, da im Rahmen von Anfechtungssituationen die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung geltende Rechtslage zugrunde zu legen ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rn. 33). Die mit Wirkung zum 01.04.2022 eingefügte Änderung des § 7a Abs. 1 SGB IV (BGBl. I 2021, Seite 2990, 2992), wonach nunmehr eine Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens eines Beschäftigungsverhältnisses möglich ist, kann damit vorliegend keine Berücksichtigung finden.

Nach § 7a Abs. 1 SGB IV in der hier maßgeblichen Fassung können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet, wofür hier aber keine Anhaltspunkte bestehen. Zuständig für die Entscheidung über diesen Antrag ist nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV - abweichend von § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV, der ansonsten die Zuständigkeit der Einzugsstelle begründet - die Beklagte. Sie entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV).
Gegenstand der Prüfung und der Entscheidung der Beklagten ist allerdings - über den Wortlaut der zitierten Regelung hinaus - nicht die isolierte Entscheidung und Feststellung, ob eine Beschäftigung vorliegt, sondern ob und inwieweit für die einzelnen Zweige der Sozialversicherung wegen des Vorliegens einer Beschäftigung Versicherungspflicht besteht. § 7a SGB IV ermächtigt nicht zur bloßen Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung, sondern verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung zur Feststellung der Versicherungspflicht (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 12/17 R - juris, Rn 15; grundlegend BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R - juris, Rn. 11 ff.). Die Entscheidungskompetenz der Deutschen Rentenversicherung Bund als „Clearingstelle“ über das (Nicht-)Vorliegen einer Beschäftigung ist im Zusammenhang der Beurteilung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und hierauf begrenzt eröffnet. Das Gesetz kennt eine reduzierte Feststellung der „Versicherungspflicht dem Grunde nach“ ebenso wenig wie die isolierte Feststellung, dass eine unselbstständige Tätigkeit vorliegt (BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R - juris, Rn. 16 f.). Das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist, neben der Entgeltlichkeit, lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für Versicherungspflicht i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III (BSG, Urteil vom 26.02.2019 -  B 12 R 8/18 R - juris, Rn. 21).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die bloße Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in Fällen wie dem Vorliegenden keine endgültige Klärung aller beitragsrechtlich relevanten Folgefragen bringt und deshalb für eine isolierte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer abhängigen Beschäftigung durchaus ein Bedürfnis bestehen kann. Denn eine Rechtsgrundlage für eine solche Feststellung besteht weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren (BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 12 R 8/18 R - juris, Rn. 23).

2. Soweit das SG
den Bescheid vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2015 auch in Bezug auf die Feststellung, dass „in dem Beschäftigungsverhältnis (…) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit“ besteht, aufgehoben und festgestellt hat, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Klägerin seit dem 07.07.2001 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt, ist die Berufung der Beklagten erfolgreich.

Die Klage der Klägerin war, soweit sie hiermit den zweiten Verfügungssatz angefochten und die Feststellung der Versicherungsfreiheit begehrt hat, bereits unzulässig, da insoweit für die Aufhebung des Bescheides und die begehrte Feststellung kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Antragstellers nicht verbessern würde (BeckOGK/Bieresborn, Stand 01.11.2023, SGG § 54 Rn. 127). Dies ist vorliegend der Fall.

Die Beklagte hat die Feststellung der Versicherungsfreiheit bereits in dem zweiten Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids getroffen. So heißt es dort: „In dem Beschäftigungsverhältnis besteht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit.“ Der Ausspruch, dass in dem Beschäftigungsverhältnis „in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit“ besteht, setzt eine Rechtsfolge nur in Bezug auf das Bestehen von Versicherungsfreiheit. Soweit der Ausspruch zudem die Zusätze „in dem Beschäftigungsverhältnis“ und „wegen Geringfügigkeit“ enthält, handelt es sich lediglich um Begründungselemente der Entscheidung über die Versicherungsfreiheit und nicht um eine nach der hier maßgeblichen Rechtslage (unzulässige) Elementenfeststellung über das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl. BSG, Urteil vom
26.02.2019 - B 12 R 8/18 R - juris, Rn. 16). Insoweit kommt dem Ausspruch deshalb keine Regelungswirkung zu.

Soweit die Klägerin ausweislich ihres wörtlichen Klageantrags beantragt hat, die Versicherungsfreiheit der Beigeladenen „im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit bei der Klägerin“ festzustellen, war dies nicht als eigener (Elementen-)Feststellungsantrag über das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit auszulegen, wovon das SG auch nicht ausgegangen ist. Vielmehr kommt auch diesem Zusatz nur die Bedeutung eines Begründungselements zu. Dies entnimmt der Senat zunächst dem Umstand, dass die anwaltlich vertretene Klägerin keinen entsprechenden gesonderten Feststellungsantrag gestellt hat. Zudem berücksichtigt der Senat bei der Auslegung des klägerischen Begehrens, dass während der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens eine Elementenfeststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses kein zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage war, da § 7a Abs. 1 SGB IV erst mit Wirkung zum 01.04.2022 entsprechend geändert wurde (siehe oben), was dem Rechtsbeistand der rechtskundig vertretenen Klägerin bekannt war und die Beigeladene bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit im Jahr 2019 keine Einsätze für die Klägerin unter Geltung der neuen Rechtslage erbracht hat.

Nachdem damit die Beklagte bereits mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2015 die begehrte Feststellung getroffen hatte, konnte die Klägerin insoweit mit ihrer Klage ihre rechtliche Position nicht weiter verbessern. Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass sie die Feststellung mit einer anderen Begründung begehrt hat. Denn das Verfahrensrecht sieht keinen einklagbaren Anspruch auf eine andere Begründung eines Verwaltungsaktes bei Beibehaltung des Verfügungssatzes vor. Vielmehr schließt § 42 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) selbst im Fall einer mangel- oder fehlerhaften Begründung bei - wie der auch hier gegenständlichen - gebundenen Entscheidungen eine Aufhebung des Verwaltungsaktes aus (vgl. BSG, Urteil vom 06.07.2022 - B 5 R 21/21 R - juris, Rn. 34). Für eine Änderung der Begründung besteht auch kein Bedürfnis, da die für die Adressaten eines Verwaltungsaktes maßgebliche Regelung aus dem Verfügungssatz und nicht aus der allenfalls zu dessen Auslegung heranzuziehenden Begründung folgt (vgl. zur Auslegung des Verfügungssatzes BSG, Urteil vom 15.06.2023 - B 9 SB 2/22 R - juris, Rn. 24). Aus der Begründung als solcher können keine weiteren Rechtspositionen abgeleitet werden.

Vor diesem Hintergrund fehlen einer auf Aufhebung des die Versicherungsfreiheit feststellenden Verfügungssatzes gerichteten Anfechtungsklage und einer auf Feststellung der Versicherungsfreiheit gerichteten Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis und damit die in jeder Lage des Verfahrens vom Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen (Keller, in Meyer/Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, Vor § 51 Rn. 20), weshalb die Klage insoweit bereits unzulässig gewesen ist. Dass das SG dennoch ein Sachurteil erlassen hat, begründet einen wesentlichen Verfahrensmangel, der die Beklagte beschwert und insoweit zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils führt (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG 14. Aufl. 2023, vor §143 Rn. 2c).


Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und - im Hinblick auf die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt hat - auf §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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