L 3 U 142/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 U 57/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 142/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

 

Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

 

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob der Kläger beim Aufstellen eines Baugerüstes einen bei der Beklagten oder bei der Beigeladenen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.

 

Der im Jahr 1982 geborene Kläger ist gelernter Maurer und war zum Zeitpunkt des streitbefangenen Ereignisses bei der Firma  C in Br als Bauhelfer mit Bau- und Montagearbeiten beschäftigt. Den streitgegenständlichen Unfall erlitt er während seiner Freizeit am Samstag, den 14. April 2018, beim Aufstellen eines ihm gehörenden Baugerüsts an dem eineinhalbgeschossigen Wohnhaus des Zeugen W in 1 W.

 

Die gegen 9:00 Uhr begonnenen Arbeiten führte der Kläger gemeinsam mit dem Zeugen W und dessen Schwiegersohn, dem Zeugen Sch aus. Das Baugerüst hatte der Kläger auf einem Anhänger mit seinem privaten Fahrzeug zu der Baustelle transportiert. Gegen 11:00 Uhr stürzte er aus fünf Metern Höhe in die Tiefe und wurde zwischen dem Baugerüst und der Hauswand eingeklemmt. Bei dem Sturz erlitt er ein Polytrauma. Er wurde zunächst in die Rettungsstelle des Städtischen Klinikums in Br transportiert.

 

Der dort tätige Durchgangsarzt Dr. R stellte in seinem Bericht vom 14. April 2018 die folgenden Diagnosen: komplettes Querschnittssyndrom, instabile Berstungsfrakur Brustwirbelkörper (BWK) 12, Deckplattenfraktur mit Bogenwurzelfraktur rechts Lendenwirbelkörper (LWK) 1, Querfortsatzfrakturen L1 bis L4 links und L1 bis L3 rechts, Dornfortsatzfrakturen L3, Gelenkfortsatzfraktur L4 rechts, Kalottenfraktur rechts temporal, epidurales Hämatom rechts temporal, traumatische subarachnoidale Blutung, Kopfplatzwunde okzipital, Rippenserienfraktur links dorsal 6.-11. Rippe, Lungenkontusion peripher links. Seither ist der Kläger unterhalb des 12. BWK komplett querschnittsgelähmt.

 

Am 19. April 2018 wurde der Kläger von der Intensivstation des Städtischen Klinikums in Br in das Unfallkrankenhaus in B verlegt.

 

Bereits am 18. April 2018 hatte sich die Beklagte telefonisch mit dem Zeugen W in Verbindung gesetzt. Ausweislich des gefertigten Telefonvermerks gab der Zeuge W an, dass der Kläger ein Freund und ehemaliger Arbeitskollege sei. Man habe lange Zeit zusammengearbeitet. Die Rüstung sei aufgestellt worden, da er, der Zeuge W, einen Sturmschaden an seinem Dach habe ausbessern bzw. neue Schindeln habe setzen lassen wollen. Hierzu habe er sich bereits einen Kostenvoranschlag erstellen lassen, sei aber noch nicht sicher gewesen, ob er die Firma tatsächlich beauftragen werde. Der Kläger habe nur gefälligkeitshalber die Rüstung aufstellen sollen, man helfe sich ab und zu gegenseitig. Er selbst könne nicht mehr auf Rüstungen gehen, da er selbst schon abgestürzt sei. Als der Kläger gestürzt sei, habe er selbst sich bereits wieder im Haus befunden.

 

Am 20. April 2018 befragten zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten den Zeugen W bei einem Ortstermin in seinem Haus zu den Umständen des Unfalls. Für die Befragung des Zeugen W kam ein Fragebogen zum Einsatz, in welchem eine der Mitarbeiterinnen der Beklagten die Antworten des Zeugen W schriftlich festhielt. Anschließend wurden die einzelnen Seiten des Fragebogens von dem Zeugen W unterschrieben, wobei offensichtlich noch Änderungen und Streichungen vorgenommen wurden. In dem Fragebogen gab der Zeuge W unter anderem an, er habe bei dem Kläger nachgefragt, wo er eine Rüstung bekommen könne. Hierauf hin habe der Kläger angeboten, eine Rüstung zu besorgen und mitzubringen. Der Zeitpunkt, zu dem die Arbeiten durchgeführt werden sollten, sei ein paar Tage vorher abgesprochen worden. Beim Aufstellen des Gerüstes sei der Kläger durch den Zeugen Sch, der einzelne Teile angereicht habe, unterstützt worden; der Kläger habe aber „den Hut auf“ gehabt. Für die Ausführung der Arbeiten seien in etwa zwei Stunden veranschlagt worden. Als sich der Unfall ereignet hatte, seien die Arbeiten auf der obersten Etage der Rüstung bereits fast abgeschlossen gewesen. Zu dem Kläger habe ein „sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis“ bestanden, dies auch „mit der Mutti“ des Klägers. Man habe ca. zehn Jahre zusammen in einer Hochbaufirma gearbeitet. Er, der Zeuge W, sei ein sogenannter „Ziehvater“ des Klägers gewesen. Auf die Frage, ob es sich bei der unfallbringenden Tätigkeit um einen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst gehandelt habe, gab der Zeuge W an, davon ausgegangen zu sein, dass ihm der Kläger durch das Besorgen und Aufstellen der Rüstung helfen werde, weil aufgrund der langen Zusammenarbeit auch privat ein sehr enges Verhältnis bestehe. Der Kläger sei für die Familie des Zeugen „fast wie ein Sohn“. Auf die Nachfrage, ob zwischen dem Kläger und dem Zeugen W bereits wechselseitig Gefälligkeitsleistungen erbracht worden seien, gab der Zeuge an, man sei füreinander dagewesen. Gegenseitige Hilfen seien auch ohne Gegenleistungen selbstverständlich gewesen. Wörtlich findet sich in dem von der Mitarbeiterin der Beklagten ausgefüllten und von dem Zeugen W unterschriebenen Fragebogen die Angabe: „Vater + Sohn ähnlich“. Das gute Verhältnis sei über die Jahre gewachsen. Es seien gelegentlich auch Besuche erfolgt, situationsbedingt, auch spontan und auch innerhalb der beiden Familien. Ein Entgelt habe der Kläger für seine Tätigkeit nicht bezogen, es sei auch keine Gegenleistung vereinbart worden. Der Kläger habe in seiner beruflichen Tätigkeit größere Rüstungen sicherheitstechnisch abgenommen und kleinere Rüstungen selbst aufgestellt. Die Rüstung habe der Kläger selbst mitgebracht. Er, der Zeuge W, habe Bohrmaschine, Schlagdübel und Kabeltrommel zur Verfügung gestellt.

 

Ebenfalls am 20. April 2018 suchten die beiden Mitarbeiterinnen die Lebensgefährtin

des Klägers, die Zeugin M, im Haus des Klägers in R auf. Auch hier hielten die Mitarbeiterinnen der Beklagten die Angaben der Zeugin in einem Fragebogen fest, dessen einzelne Seiten anschließend von der Zeugin M, offensichtlich nach Streichung einiger Angaben, unterschrieben wurden. Nach den von den Mitarbeiterinnen der Beklagten festgehaltenen Angaben gab die Zeugin M an, zwischen dem Kläger und dem Zeugen W habe ein freundschaftliches Verhältnis bestanden. Der Kläger habe den Zeugen W als „Ziehvater“ bezeichnet. Beide würden sich lange kennen und seien lange Zeit Arbeitskollegen gewesen. Auf die Frage, ob in der Vergangenheit zwischen dem Kläger und dem Zeugen W bereits wechselseitig Gefälligkeitsleistungen erbracht worden seien, gab die Zeugin M an, man sei füreinander dagewesen. Gegenseitige Hilfen seien selbstverständlich und ohne Gegenleistungen erbracht worden. Es habe ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Vater und Sohn bestanden. Der Kläger habe bei einer Frage des Zeugen W nach Hilfe nicht „nein gesagt.“ Mit dem Aufbau von Rüstungen sei der Kläger aufgrund seiner Arbeit auf dem Bau vertraut gewesen. Die Rüstung habe in seinem Eigentum gestanden.

 

Am 24. April 2018 übersandte die Beklagte dem Zeugen W und der Zeugin M jeweils eine Kopie des von ihnen unterschriebenen Fragebogens zur Kenntnis.

 

In einem Aktenvermerk vom 02. Mai 2018 hat eine der bei dem Ortstermin anwesenden Mitarbeiterinnen der Beklagten, Frau M, zu dem am 20. April 2018 mit dem Zeugen W geführten Gespräch unter anderem festgehalten, dieser habe angegeben, er und der Kläger hätten ca. 10 bis 12 Jahre zusammen in einer Hochbaufirma gearbeitet, die Eigenheime gebaut habe. Der Kläger sei gelernter Maurer und habe nach seiner Ausbildung in dieser Firma angefangen. Der Zeuge W habe sich seiner angenommen und ihn eingearbeitet. Auch die Kollegen des Zeugen W hätten diesen umgangssprachlich Ziehvater des Klägers genannt. Zu den Arbeitsaufgaben des Zeugen W und des Klägers habe unter anderem auch das Aufstellen von und das Arbeiten auf kleineren Rüstungen gezählt, zum Beispiel im Innenbereich von Häusern, aber auch das Arbeiten auf großen Rüstungen an Häuserwänden. Mit diesen Tätigkeiten sei der Kläger vertraut gewesen. Da er später auch als Vorarbeiter fungiert habe, habe er zudem die Befähigung besessen, Rüstungen hinsichtlich ihrer Sicherheit abzunehmen. Später habe der Kläger dann die Firma verlassen und sich einen anderen Arbeitgeber gesucht. Der enge Kontakt und das sehr gute freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden sei aber geblieben und mit den Jahren gewachsen.

Zu den Umständen am Unfalltag hätten der Zeuge W und dessen Ehefrau berichtet, dass ihr gemeinsames Wohnhaus an der Giebelseite vom Dach her einen kleineren Sturmschaden gehabt habe, der repariert werden sollte. Der Zeuge W habe bereits einen Kostenvoranschlag von einer Dachdeckerfirma, die diesen Schaden habe reparieren sollen, eingeholt gehabt. Vorbereitend habe auf Bitten des Dachdeckers eine Rüstung gestellt werden sollen, woraufhin er, der Zeuge W, rund eine Woche vor dem Unfall den Kläger kontaktiert und dieser seine Bereitschaft erklärt habe, am 14. April 2018 eine Rüstung mitzubringen und aufzustellen. An diesem Tag habe der Kläger eine in seinem Eigentum stehende Rüstung auf einem Anhänger mit einem privaten Kraftfahrzeug angeliefert und um 9:00 Uhr mit den Arbeiten begonnen. Er habe seinen 5-jährigen Sohn mitgebracht, der durch die Tochter der Familie W beaufsichtigt worden sei. Den Aufbau der Rüstung habe der Kläger geleitet. Der Zeuge W und der Zeuge Sch hätten ihm die einzelnen Bau- bzw. Rüstungsteile zugereicht. Zwischen dem Kläger und dem Zeugen W habe ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis bestanden. Auch zu der Mutter des Klägers habe ein sehr guter Kontakt bestanden. Der Kläger habe wohl schon sehr frühzeitig seinen Vater verloren. Der Zeuge W habe beschrieben, dass der Kläger fast wie ein Sohn für seine Familie gewesen sei. Man sei immer füreinander dagewesen und gegenseitige Hilfen seien selbstverständlich und ohne Gegenleistung erbracht worden. Darüber hinaus habe der Zeuge W berichtet, dass der Kläger für eine gewisse Zeit keine Fahrerlaubnis besessen habe und er ihn daher täglich zur Arbeit gefahren habe. Dafür habe er auch kein Spritgeld verlangt, da diese Hilfeleistung für ihn aufgrund des sehr guten Verhältnisses eine Selbstverständlichkeit gewesen sei. Der Kläger und der Zeuge Sch hätten sich aus der Schulzeit gekannt. Sie seien zusammen in die Gesamtschule in W gegangen, hätten danach aber keinen Kontakt mehr zueinander gehabt.

 

Zu dem am 20. April 2018 mit der Zeugin M geführten Gespräch ist in dem Aktenvermerk vom 02. Mai 2018 unter anderem festgehalten, dass auch sie das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen W als sehr eng und freundschaftlich bezeichnet habe. Der Kläger selbst habe den Zeugen W seinen Ziehvater genannt. Beide würden sich schon lange kennen und seien lange Zeit Arbeitskollegen gewesen. Man sei immer füreinander da gewesen, gegenseitige Hilfen ohne Gegenleistung seien selbstverständlich gewesen, man habe sich auch gegenseitig spontan bzw. situationsbedingt besucht. Geburtstage seien nicht zusammen gefeiert worden, da jeder seine eigene Familie gehabt habe und auch der Altersunterschied zu groß gewesen sei.

 

Mit Schreiben vom 04. Mai 2018 teilte die Beklagte dem Unfallkrankenhaus B mit, ihre Entschädigungspflicht für den Unfall vom 14. April 2018 sei nicht gegeben. Das Heilverfahren zu ihren Lasten sei mit sofortiger Wirkung abzubrechen und zu Lasten der zuständigen Krankenkasse fortzuführen. Zugleich meldete sie gegenüber der Krankenkasse des Klägers, der TKrankenkasse, einen Erstattungsanspruch nach § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an.

 

Mit Bescheid vom 04. Mai 2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 14. April 2018 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) gestanden. In der Gesamtschau sei festzustellen, dass die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Familie W für die Tätigkeit am Ereignistag prägend gewesen seien und somit eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung für die Familie W nicht angenommen werden könne. In Auswertung der von der Familie W und der Lebensgefährtin des Klägers, der Zeugin M gemachten Angaben habe zwischen dem Kläger und der Familie W eine sehr enge Freundschaft bestanden, die aus der langjährigen Zusammenarbeit mit dem Zeugen W in einem Bauunternehmen resultiere und die mit den Jahren ständig gewachsen und durch gegenseitige unentgeltliche Hilfen bzw. Unterstützung gekennzeichnet gewesen sei. Die zum Unfall am 14. April 2018 führende Tätigkeit habe daher ein deutliches freundschaftliches Gepräge gehabt. Die Tätigkeit habe etwa zweieinhalb Stunden andauern sollen. Dies sei unter sehr guten Freunden nicht über das zu erwartende Maß hinausgehend. Dafür spreche auch die Tatsache, dass der Kläger und der Zeuge W sich schon öfters gegenseitig unentgeltlich geholfen hätten und die sozialen Beziehungen tatsächlich gelebt würden. Zudem habe der Kläger das fachliche Wissen und handwerkliche Geschick für das Aufstellen der Rüstung gehabt. Nach Prüfung der Gesamtumstände sei daher ein Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII abzulehnen.

 

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2018 legte der Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 2018, bei der Beklagten eingegangen am 24. Mai 2018, Widerspruch ein. In seinem Widerspruchsschreiben teilte der Kläger mit, zur Familie W gebe es zwar ein freundschaftliches Verhältnis, nicht aber im Sinne des von der Beklagten angenommenen engen Verhältnisses. Deshalb habe es sich bei den erbrachten kostenfreien Leistungen auch nicht um eine Gefälligkeit gehandelt, sondern um eine Leistung von Wert „wie ein Beschäftigter“. Der Gesetzgeber habe fremde oder befreundete Personen unter den kostenfreien gesetzlichen Unfallversicherungsschutz gestellt, wenn diese unentgeltlich eine Arbeit auf Gegenseitigkeit im Sinne einer Nachbarschaftshilfe erbrächten.

 

Unabhängig von der Beklagten erlangte auch die Beigeladene Kenntnis von dem Arbeitsunfall und leitete ebenfalls Ermittlungen ein. Am 27. April 2018 suchte ein Rehabilitationsberater der Beigeladenen den Kläger im Unfallkrankenhaus B auf. Hierbei gab der Kläger an, der Zeuge W habe durch einen größeren Sturm Schäden an seinem Dach gehabt und habe ihn gebeten, ihm bei der Schadensausbesserung zu helfen. Hierfür habe zunächst ein Gerüst am Haus montiert werden müssen. Die Arbeiten hätten am Unfalltag begonnen. Zuvor habe er nicht geholfen. Der Unfall habe sich nach ca. zweistündiger Arbeit ereignet. Er schätze ein, dass der Gerüstaufbau ca. zwei Tage in Anspruch genommen hätte. Wie lange die Arbeiten am Dach gedauert hätten, könne er schlecht beurteilen, da dies keine alltägliche Arbeit sei. Eingeplant hätte er für sich zunächst 4 bis 6 Arbeitstage. Der Zeuge W habe nach der Dachausbesserung auch noch die Dämmung seines Hauses vornehmen wollen. Hier hätten sie bereits grob über die Zusammenarbeit gesprochen, ohne ins Detail gegangen zu sein. Er und der Zeuge W hätten beruflich zusammengearbeitet und würden sich dadurch kennen. Daraus resultiere jetzt aber erstmals die private Unterstützung des einen beim anderen. Das Material und das Werkzeug habe er vom Zeugen W erhalten. In dem Bericht wurde weiter festgehalten, dem Kläger sei mitgeteilt worden, die Frage der Zuständigkeit sei zwischen der Beklagten und der Beigeladenen noch offen. Grundsätzlich könne auch die Ablehnung des Versicherungsschutzes möglich sein, wofür sich aber bislang kein Anhalt ergeben habe.

 

In einem von der Beigeladenen überlassenen Fragebogen gab der Zeuge W am 28. Mai 2018 unter anderem an, dass für die geplanten Arbeiten (Aufbau der Rüstung, Dachreparatur, Austausch der Fensterbänke, Dämmung) von dem Kläger voraussichtlich über 50 Arbeitsstunden in den kommenden Monaten zu leisten gewesen wären, nachdem am Unfalltag selbst bereits zweieinhalb Stunden Arbeit geleistet worden seien. Die Rüstung habe der Kläger selbst mitgebracht gehabt, das weitere Material sei von ihm gestellt worden. Als Werkzeug seien eine Bohrmaschine, Schlüssel, Dübel, ein Hammer und eine Kabelrolle benötigt worden, dieses habe er, der Zeuge W, gestellt. Die Arbeiten habe man gemeinsam miteinander abgesprochen. Grundsätzlich sei der Kläger bei der Einteilung seiner Arbeitszeit frei gewesen. Man habe sich in der Vergangenheit nur zufällig ca. 5 bis 7mal im Jahr getroffen, etwa beim Abholen des Enkels aus dem Kindergarten. Früher habe der Kläger ihm bereits einmal beim Einbau einer Fensterbank geholfen gehabt.

 

Am 29. Mai 2018 führten Mitarbeiter der Beigeladenen einen Ortstermin auf dem Grundstück des Zeugen W durch. In dem Unfallermittlungsbericht vom 31. Mai 2018 ist festgehalten, dass der Zeuge W angegeben habe, dass im Jahr 2017 durch einen Sturm ein kleinerer Schaden an der Dacheindeckung seines Einfamilienhauses entstanden sei. Die Schadenssumme habe 750 € betragen, sei durch die Wohngebäudeversicherung reguliert und von einer Fachfirma behoben worden. Bei den Reparaturarbeiten habe der Dachdecker den Zeugen W darauf hingewiesen, dass am Ortgang, unabhängig vom Sturmschaden, weitere Reparaturarbeiten nötig seien, um lose und teilweise gebrochene Schindeln zu befestigen bzw. zu ersetzen. Diese Arbeiten habe der Zeuge W gemeinsam mit zwei Helfern selbst erledigen wollen und außerdem geplant, die Fensterbänke an der Fassade auszuwechseln und die Fassade insgesamt mit einer Wärmedämmung zu versehen. Bei dem Ortstermin hätten die Fensterbänke bereits auf dem Grundstück gelagert. In dem Ermittlungsbericht ist außerdem festgehalten, dass der Zeuge W bereits am 10. April 2018 ein Angebot für Dämmmaterial eingeholt habe. Von dem Gerüst aus habe zunächst die Dachreparatur ausgeführt werden sollen und sodann der Austausch der Fensterbänke und die Dämmung der Giebelseite. Anschließend habe das Gerüst an eine andere Fassadenseite versetzt werden sollen, um die letztgenannten Arbeiten auch dort auszuführen. Neben dem Kläger sei auch der Zeuge Sch als Helfer eingesetzt worden. Da die beiden Helfer sich jeweils in einem Anstellungsverhältnis befänden, hätten die Arbeiten vornehmlich an den Wochenenden ausgeführt werden sollen.

 

Mit Schreiben vom 20. Juni 2018 gab die Beigeladene ihren Vorgang an die Beklagte

als erstangegangenem Unfallversicherungsträger ab.

 

Mit Schriftsatz vom 03. Juli 2018 ließ der Kläger über seinen vormaligen Bevollmächtigten gegenüber der Beklagten vortragen, das Gerüst sei zur Behebung eines Sturmschadens für das vom Zeugen W beauftragte Dachdeckerunternehmen aufgestellt worden. Im Nachgang zu diesen Arbeiten habe es dazu genutzt werden sollen, den Giebel des Hauses zu dämmen. Diese Arbeiten habe er erledigen sollen. Es gehöre zu den wesentlichen Tätigkeiten der Maurer, Arbeits- und Schutzgerüste aufzustellen. Er habe somit etwas für den Maurerberuf Typisches und Wesentliches verrichtet. Hierbei sei er im Pflichtenkreis der Familie W tätig geworden. Mit dem Zeugen W habe er früher zusammengearbeitet und sei mit diesem befreundet. Die Freundschaft sei aber nicht so weit gegangen, dass beide ihre Freizeit miteinander verbracht hätten. Unentgeltlichkeit sei nicht vereinbart worden. Die Frage der Entlohnung sei zwischen beiden noch gar nicht ausgehandelt worden. Erst im Rahmen der Dämmarbeiten hätte über die Höhe der Entlohnung verhandelt werden sollen.

 

Ausweislich eines Telefonvermerks der Beklagten vom 10. Juli 2018 über zwei Telefonate vom 06. und vom 09. Juli 2018 zwischen einem Vertreter der Beklagten und dem (nunmehr tätig werdenden) Bevollmächtigten des Klägers teilte dieser mit, der Kläger und der Zeuge W hätten noch nicht abschließend über die Höhe der Vergütung gesprochen gehabt.   

 

Nach einem weiteren Telefonvermerk der Beklagten vom 10. Juli 2018 über ein Telefonat vom 10. Juli 2018 zwischen einem Vertreter der Beklagten und dem Bevollmächtigten habe der Kläger diesem mitgeteilt, die von ihm einzusetzenden Fensterbänke hätten sich am Unfalltag schon auf dem Grundstück befunden, wo er sie liegen gesehen hätte.

 

Mit Schriftsätzen vom 22. Januar 2019 und vom 06. März 2019 ließ der Kläger über seinen Bevollmächtigten zur weiteren Begründung seines Widerspruchs vortragen, der Zeuge W sei derjenige gewesen, der ihn auf seiner früheren Arbeitsstelle eingearbeitet und ihm viel über das Maurerhandwerk beigebracht habe. Für die anstehenden Arbeiten, die abhängig von seinen zeitlichen Kapazitäten gemeinsam mit einem weiteren Helfer neben seiner Berufstätigkeit ausgeführt werden sollten, seien 50 Stunden angesetzt gewesen. Unentgeltlichkeit seiner Tätigkeit sei nicht vereinbart worden. Die Frage der Entlohnung sei vielmehr zwischen den Vertragsparteien noch nicht ausgehandelt gewesen. Erst im Rahmen der Arbeiten habe über die Höhe der Entlohnung verhandelt werden sollen. Zwar sei es früher vorgekommen, dass man einander gegenseitig im kleinen Rahmen geholfen habe, wobei die Hilfe aber eher von ihm, dem Kläger, ausgegangen sei. Die Arbeiten an dem Haus des Zeugen W hätten diesen Rahmen deutlich gesprengt. Am Unfalltag hätten er, der weitere Helfer und der Zeuge W gemeinsam mit dem Aufstellen des Gerüsts begonnen, welches er, der Kläger, mitgebracht habe. Das Werkzeug habe der Zeuge W gestellt. Die Fensterbänke seien am Unfalltag bereits bestellt gewesen und geliefert worden und hätten auf dem Grundstück gelagert. Ein Angebot für Dämmmaterial habe der Zeuge W ebenfalls schon eingeholt gehabt.

Im Übrigen sei die Zuständigkeit der Beigeladenen gegeben. Zwar werde die Schwelle des § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII derzeit möglicherweise noch nicht überschritten. Angesichts der fest geplanten weiteren Ausführung der Bauarbeiten sei aber mit Sicherheit zu erwarten gewesen, dass diese Grenze überschritten werde, wenn die Arbeiten fortgeführt würden. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen vor, eine Wie-Beschäftigung anzunehmen. Die diesbezüglichen Ermittlungen der Beklagten seien nur bedingt verwertbar. Denn die Antworten in den Fragebögen vom 20. April 2018 habe eine Mitarbeiterin der Beklagten formuliert gehabt, sie entsprächen nicht den vom Zeugen W gegebenen Antworten. Dieser habe den Fragebogen unterschrieben, ohne ihn zuvor zu lesen. Darüber hinaus sei zu vermuten, dass die tatsächlich gestellten Fragen von den im Fragebogen schriftlich fixierten Fragen abgewichen und möglicherweise – bewusst oder unbewusst – suggestiv formuliert worden seien. Eine Rücksprache mit dem Zeugen W habe ergeben, dass dieser auf die Frage der Mitarbeiterin der Beklagten zum Bestehen einer Freundschaft erwidert habe, dass sich für ihn die Frage stelle, wie man Freundschaft definiere. Der Zeuge W habe angegeben, man habe durch die lange Zusammenarbeit ein gutes Verhältnis zueinander gehabt und sei gut miteinander bekannt gewesen. Mit der Bezeichnung „Ziehvater“ habe der Zeuge W nur frühere Arbeitskollegen zitiert und dies auch gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten deutlich gemacht. Sofern der Zeuge W angegeben habe, dass zum Unfallzeitpunkt noch kein Entgelt vereinbart worden sei, treffe dies zu. Richtig sei aber auch, dass die Vergütung bei den nachfolgenden Arbeiten hätte besprochen werden sollen. Auch den Angaben im Aktenvermerk vom 02. Mai 2018 sei entgegenzutreten. So habe der Kläger sein Kind nur deshalb nach W mitgebracht, weil es in denselben Kindergarten wie das Enkelkind des Zeugen W gegangen sei, nicht aber wegen eines von der Beklagten angenommenen engen Verhältnisses zwischen dem Kläger und der Familie W.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 02. Mai 2019, dem Bevollmächtigten des Klägers zugegangen am 09. Mai 2019, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es sei weiterhin davon auszugehen, dass die zum Unfall führende Tätigkeit im Rahmen eines freundschaftlichen Verhältnisses verrichtet worden sei, dessen Handlungstendenz durch die Sonderbeziehung zu dem Zeugen W und dessen gesamter Familie geprägt gewesen sei. Hieran änderten auch die teilweise modifizierten Angaben im Widerspruchsverfahren nichts. Den Erstangaben im Verwaltungsverfahren komme insoweit besondere Bedeutung zu, weil diese unbeeinflusst von rechtlichen Erwägungen getätigt worden seien. Es spreche zudem viel dafür, dass der Kläger am Unfalltag unternehmerähnlich tätig geworden sei, was im Ergebnis aber offenbleiben könne. Für eine Unternehmerähnlichkeit spreche, dass das Gerüst Eigentum des Klägers gewesen sei, die Tätigkeit ohne Entgelt und frei von Weisungen erfolgt sei und der Kläger den Ablauf der Arbeiten bestimmt habe.

 

Am 11. Juni 2019 (Dienstag nach Pfingsten) hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und neu vorgetragen, der Zeuge W habe beabsichtigt, die Arbeiten vor deren Beginn bei der Beigeladenen anzumelden. Mit den Arbeiten sei dann ungeplant früher begonnen worden. Bei den für die Zeit nach dem Unfalltag geplanten Arbeiten hätte aufgrund seiner Erfahrung und Fachkunde der Zeuge W die Anweisungen und Vorgaben übernommen. Lediglich die Arbeiten beim Aufbau des Gerüsts habe der Zeuge W wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr leisten können. Man habe daher am Unfalltag arbeitsteilig Hand in Hand gearbeitet. Hierbei sei er als Wie-Beschäftigter versichert gewesen. Er habe eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert für ein fremdes Unternehmen verrichtet. Diese Tätigkeit sei auch unter arbeitnehmerähnlichen Bedingungen vorgenommen worden. Denn er habe fremdwirtschaftlich gehandelt und nicht durch die Pflege von Freundschaft eigene Zwecke verfolgt. Für das Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit spreche auch, dass der Zeuge W als Hauseigentümer Art und Weise der Ausführung der Arbeiten maßgeblich bestimmt habe und habe bestimmen sollen. Dies sei auch wegen dessen beruflicher Erfahrung und des Altersunterschieds selbstverständlich gewesen. Darüber hinaus habe mit dem Zeugen W nur eine gute Bekanntschaft bestanden. Man habe sich nur ca. viermal im Jahr für kurze Besuche getroffen. Gemeinsame Unternehmungen habe es nie gegeben. Im Übrigen gehe eine mehrtägige Mithilfe bei Bauarbeiten über das Maß dessen hinaus, was im Rahmen einer zwischen guten Bekannten bestehenden Beziehung typisch, üblich und deshalb zu erwarten sei. Die geplante Tätigkeit sei daher über eine bloße Freundschaftshilfe hinausgegangen. Darüber hinaus habe es auch an einem Gegenseitigkeitsverhältnis gefehlt, da auch in der Vergangenheit geleistete kleine Hilfen regelmäßig vom Kläger ausgegangen seien. Der Zeuge W bestreite ausdrücklich die von der Beklagten dokumentierten Aussagen im Verwaltungsverfahren. Diese angeblichen Aussagen des Zeugen deckten sich auch nicht mit den Ermittlungen der Beigeladenen. Es sei erneut darauf hinzuweisen, dass die Befragung der Zeugen durch die Beklagte nicht ordnungsgemäß durchgeführt und nicht ordnungsgemäß protokolliert worden sei.

 

Mit Beschluss vom 03. Februar 2020 hat das SG die Beigeladene nach § 75 Abs. 2, 1. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren notwendig beigeladen.

 

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2021 hat das SG die Zeugen W und Sch sowie die Zeuginnen M und K (Mutter des Klägers) vernommen.

 

Der Zeuge W hat im Wesentlichen bekundet, dass der Kläger am Unfalltag zur Betreuung seines Sohnes am Mittag nach Hause gewollt habe. Er habe mit dem Kläger ein paar Tage vor dem Unfall besprochen, soweit er sich erinnere, telefonisch, dass der Kläger das Gerüst aufstellen und an einem der nachfolgenden Wochenenden auch die Ortgänge und Schindeln habe befestigen sollen. Er habe den Kläger gefragt, weil man sich schon lange gekannt habe. Man habe sich in der Vergangenheit nur während der gemeinsamen Arbeitszeit wechselseitig geholfen. Ansonsten habe man sich nett unterhalten, wenn man sich gesehen habe. Man habe sich nicht wechselseitig besucht. Er habe den Kläger gefragt gehabt, ob er ihm mit einer Rüstung aushelfen könne. Selbst sei er körperlich nicht mehr in der Lage gewesen, eine Rüstung zu stellen. Bis zum Jahr 2016 habe er in der gleichen Firma wie der Kläger gearbeitet und sei vorher schon 36 Monate krank gewesen. Über Geld hätten der Kläger und er noch nicht gesprochen gehabt, dazu seien sie noch nicht gekommen. Über die Ausführung weiterer Arbeiten (Dämmen und Armieren der Fassade sowie Anbringen von Sohlbänken) habe man entweder im Vorfeld oder am Unfalltag gesprochen. Man habe wohl über die Dämmung gesprochen, als der Kläger mit der Rüstung gekommen sei. Es habe aber noch keine konkrete Absprache gegeben. Er habe noch kein Dämmmaterial bestellt gehabt. Über das Dämmen der anderen Hausseiten und das hierfür erforderliche Umstellen der Rüstung habe man noch nicht konkret gesprochen. Es habe keine konkreten Absprachen gegeben, was zu tun sein und womit das Ganze abgeschlossen sein sollte. Über Geld sei nicht gesprochen worden. Er habe nicht gewusst, ob der Kläger Geld für seine Arbeiten wolle. Darüber habe er sich keine Gedanken gemacht. Er habe dem Kläger ja auch ein anderes Angebot machen können, zum Beispiel Wildbret oder Wildwurst. Bei der Beantwortung der Fragen aus dem Fragebogen am 20. April 2018 hätten ihm die Mitarbeiterinnen der Beklagten die Antworten praktisch in den Mund gelegt. Zu der Mutter des Klägers habe er entgegen der Angaben im Fragebogen kein besonders enges Verhältnis gehabt. Es sei ein einfaches menschliches Verhältnis zu jemanden, den man kenne und von dem man wisse, das sei die Mutter des Klägers. Die Bezeichnung als Ziehvater sei aus Jux von Kollegen auf dem Bau erfunden worden. Die geplanten Arbeiten seien dann in den Jahren nach dem Unfall ausgeführt worden. Das habe sich auch deshalb hingezogen, weil die Rüstung ein halbes Jahr zur Begutachtung habe stehen bleiben müssen. Es habe dann eine Fachfirma eine neue Rüstung aufgestellt und die Arbeiten am Ortgang und den Schindeln ausgeführt. Dann sei die Fassade armiert und gedämmt worden, was unter Mithilfe von vier ehemaligen Arbeitskollegen geschehen sei. Für das Dämmen des Giebels, an dem der Unfall erfolgte, habe man etwa einen Tag gebraucht und für das Armieren etwa 3 bis 4 Stunden. An den weiteren Seiten des Hauses habe man das genauso gemacht. Sein Schwiegersohn, der Zeuge Sch, habe beim Grundieren geholfen.

 

Die Zeugin M hat im Wesentlichen bekundet, den Zeugen W nur vom Sehen zu kennen. Die Ehefrau des Zeugen W sei ihr unbekannt. Die Bezeichnung als Ziehvater sei mal von einem Bekannten verwendet worden und so in den Fragebogen reingekommen. Es stimme, dass sie gesagt habe, dass ein enges Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen W bestehe. Es treffe auch zu, dass der Kläger nicht nein sagen könne, wenn der Zeuge W nach etwas frage. Der Kläger sei jemand, der nicht nein sagen könne. Der Zeuge W habe Probleme mit seiner Schulter gehabt. Sie habe die konkrete Hilfestellung nicht so toll gefunden, weil dadurch Zeit mit der Familie gefehlt habe. Die Absprachen zwischen dem Kläger und Herrn W seien ihr unbekannt. Der Kläger habe ihr aber schon gesagt, dass das lange dauern würde. Sie habe gewusst, dass der Kläger da eine Rüstung aufstellen sollte. Sie glaube, ohne das noch genau zu wissen, dass sich der Kläger und Herr Weinen Tag vor dem Unfall getroffen hätten. Im Übrigen habe sie am 20. April 2018 nicht wörtlich gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten angegeben, „man sei füreinander dagewesen“. Die Mitarbeiterin hätte ihr das so in den Mund gelegt. Sie sei fertig mit der Welt gewesen und habe unterschrieben. Sie habe sich nichts mehr durchgelesen. Bei der Befragung habe die eine Mitarbeiterin gefragt, die andere habe geschrieben.

 

Der Zeuge Sch hat ausgesagt, er sei von seinem Schwiegervater nur um Hilfe beim Aufstellen des Gerüsts gebeten worden. Weitere Absprachen zu weiteren Bauarbeiten habe es mit ihm nicht gegeben. Er wisse auch nicht, welche weiteren Arbeiten geplant gewesen seien und wie der weitere Werdegang habe sein sollen. Es sei nur klar gewesen, dass irgendetwas mit der Fassade habe passieren sollen. Zum Verhältnis zwischen dem Zeugen W und dem Kläger könne er nur sagen, dass die beiden Arbeitskollegen gewesen seien. Er selbst kenne den Kläger von der Gesamtschule, habe aber keinerlei Kontakt zu diesem.

 

Die Zeugin K hat ausgesagt, den Zeugen W nur als Arbeitskollegen ihres Sohnes zu kennen. Sie könne nicht sagen, dass es ein enges Verhältnis zwischen ihrem Sohn und dem Zeugen W gegeben habe.

 

Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, er habe die Fassade dämmen und die Fensterbänke außen einbauen sollen, während die Dachreparatur durch eine Fachfirma habe ausgeführt werden sollen. Die Rüstung sei zunächst für den Sturmschaden am Dach gestellt worden. Dann sollte die Fachfirma den Schaden am Dach beheben. Wann genau das sein sollte, wisse er nicht mehr. Erst danach habe zunächst die Dämmung an der Giebelseite, an der die Rüstung stand, vorgenommen werden sollen. Die weiteren Dämmungsarbeiten hätten je nachdem, wie er Zeit gehabt hätte, im Anschluss erfolgen sollen. Über eine Vergütung hätten sich der Zeuge W und er noch nicht geeinigt gehabt.

 

Hinsichtlich der Einzelheiten der Aussagen der Zeugen und der Angaben des Klägers wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Unfallereignis vom 14. April 2018 ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sei, er sei insbesondere nicht als Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen. Die Handlungstendenz des Klägers sei durch das freundschaftliche Verhältnis zum Zeugen W geprägt gewesen. Auch wenn die Kammer annehme, dass die Angaben des Zeugen W und der Zeugin M in den Fragebögen vom 20. April 2018 von einer Mitarbeiterin der Beklagten formuliert worden seien, worauf unter anderem ein teilweise verwendeter juristischer Sprachgebrauch hindeute, gehe die Kammer dennoch davon aus, dass das freundschaftliche Verhältnis des Klägers zu dem Zeugen W in den Fragebögen im Kern zutreffend beschrieben werde und man sich wechselseitig geholfen habe. Hierauf deuteten auch die Angaben des Klägers gegenüber dem Reha-Berater der Beigeladenen am 27. April 2018 und zudem die Aussage der Zeugin M in der mündlichen Verhandlung hin, wonach es zutreffe, dass ein „enges Verhältnis“ zwischen dem Kläger und dem Zeugen W bestanden habe und der Kläger dem Zeugen W keinen Wunsch habe abschlagen können. Im Übrigen fänden sich in den Fragebögen und im Aktenvermerk vom 02. Mai 2018 konkrete und detaillierte Angaben zu den Lebens- und Arbeitsverhältnissen des Klägers und des Zeugen W (zum Beispiel lange Zusammenarbeit, Anlernen des Klägers durch den Zeugen, Bezeichnung des Zeugen als Ziehvater etc.), die durch die Einlassungen in der mündlichen Verhandlung letztlich bestätigt und hier lediglich relativiert worden seien, was interessengeleitet erscheine. Darüber hinaus habe der Zeuge W seine schriftlichen Angaben auch mit seiner Unterschrift bestätigt. Die Angaben des Klägers und der Zeugen zu einer angeblich lockeren Bekanntschaft zwischen Arbeitskollegen seien nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck der Kammer insgesamt von dem menschlich nachvollziehbaren Interesse geleitet, für den schwerbehinderten Kläger Unfallversicherungsschutz zu bewirken. Die Angaben des Klägers und des Zeugen W zu den getroffenen Vereinbarungen und Absprachen seien in der mündlichen Verhandlung wenig detailliert und in zahlreichen Punkten (zum Beispiel Vergütungsvereinbarung, Umfang der vereinbarten Tätigkeiten) widersprüchlich gewesen. Alle Aussagen seien nach dem Eindruck der Kammer dadurch geprägt gewesen, nichts „Falsches“ zu sagen und den Versicherungsschutz des Klägers nicht zu gefährden. Eine Wie-Beschäftigung lasse sich auch nicht mit der Gefährlichkeit der verrichteten Tätigkeit begründen. Denn der Kläger habe über berufliche Erfahrungen mit dem Stellen kleinerer Rüstungen verfügt. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung spreche alles dafür, dass es sich bei der unfallbringenden Tätigkeit um keine Wie-Beschäftigung gehandelt habe. Nach den Gesamtumständen habe die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag einer unternehmerischen Tätigkeit entsprochen und es lägen überwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Tätigkeit am Unfalltag von dem freundschaftlichen Verhältnis geprägt und damit letztlich eine Gefälligkeit gewesen sei, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Auf die Frage, ob die Beklagte oder aber die Beigeladene vorliegend die zuständige Versicherungsträgerin wäre, komme es demnach nicht mehr an. Aus Sicht der Kammer spreche allerdings alles dafür, dass bei Annahme eines Arbeitsunfalls die Beklagte zuständig wäre. Die am Unfalltag geplanten Tätigkeiten des Klägers hätten sich zur Überzeugung der Kammer auf den Aufbau des Gerüsts mit einem zeitlichen Umfang von ca. zweieinhalb Stunden und auf die Reparatur des Ortgangs an einem späteren Wochenende beschränkt. Im Ergebnis der untereinander widersprüchlichen Angaben des Zeugen W und des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe sich die Kammer nicht die Überzeugung bilden können, dass bereits weitere Arbeiten im wesentlichen Umfang (Armierungs- und Dämmarbeiten) konkret vereinbart worden wären. Der diesbezügliche Vortrag scheine darauf gerichtet gewesen zu sein, die Grundlagen für eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu legen, die die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nach Aktenlage zunächst in Betracht gezogen gehabt habe.

 

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 08. Juli 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 09. August 2021 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung hat er im Folgenden mit Schriftsatz vom 14. Juni 2022 vorgetragen, bei der Grenzziehung zwischen arbeitnehmerähnlichen und unternehmerähnlichen Tätigkeiten sei eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich. Zu Unrecht habe das SG hier allein auf die Gerüstarbeiten abgestellt und die weiter geplanten Arbeiten außen vorgelassen. Bereits die Gerüstarbeiten seien aber zwischen ihm und dem Zeugen W arbeitsteilig und gleichberechtigt vorgenommen worden. Zunächst sei der Standort des Gerüstes durch das Legen von Geländerstangen gemeinsam ermittelt worden. Sodann habe man die einzelnen Ebenen des Gerüstes gemeinsam aufgebaut. Dies sei bezüglich der ersten Ebene sogar zwingend notwendig gewesen, weil sich die Stabilität des Gerüstes erst nach der Montage der ersten Lage ergebe. Die weiteren Lagen habe dann zwar nur er, der Kläger, auf dem Gerüst gearbeitet, dies aber nur deshalb, weil der Zeuge W hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei. Dieser habe ihm, dem Kläger, aber die einzelnen Teile angereicht, und zwar ohne entsprechende Aufforderung oder Bezeichnung der Einzelteile, weil der Zeuge W aufgrund seines Sachverstands selbst gewusst habe, welche Teile als nächstes verbaut werden müssten. Der Zeuge W habe hinsichtlich der Gerüsttechnik sogar eher noch einen größeren Sachverstand gehabt als er selbst. Auch hinsichtlich der weiterhin geplanten Dämmarbeiten und des Anbringens der Sohlbänke habe der Zeuge W mindestens über die gleiche Sachkunde verfügt. Er hätte sich hier auch stärker als beim Aufbau des Gerüstes an den Arbeiten selbst beteiligen können.

Entgegen der Feststellungen des SG habe er, der Kläger, nur teilweise sein eigenes Arbeitsmaterial eingesetzt. Einen kleinen Teil des Gerüstes - ca. 10% der Teile – sowie sämtliche Werkzeuge wie Hammer, Bohrmaschine, Schraubenschlüssel, Dübel und Kabeltrommel habe der Zeuge W gestellt. Bei den weiteren Arbeiten wären sämtliche Baustoffe (Dämmplatten, Sohlbänke etc.), das einzusetzende Rührgerät, die Schneidemaschine für die Dämmung, der Winkelschleifer, eine Kabeltrommel und der Strom durch den Zeugen W gestellt worden. Der Zeuge W habe auch bereits die Fensterbänke bestellt gehabt, die auf dem Grundstück lagerten; zudem habe er bereits ein Angebot für Dämmmaterial eingeholt gehabt.

Daneben falle kaum ins Gewicht, dass sich der Zeitpunkt der Arbeiten nach seinen, des Klägers, Vorstellungen gerichtet hätte. Bei Hilfeleistungen richteten sich die Arbeitszeiten regelmäßig nach den Kapazitäten des Helfers. Die soziale Beziehung zwischen beiden sei aber nicht so eng gewesen, dass sie eine „Wie-Beschäftigung“ ausschließen würde. Wenn die Protokollierung in den Fragebögen der Mitarbeiterinnen der Beklagten etwas Anderes suggeriere, dann sei dem entgegenzuhalten, dass die Zeugenaussagen in den Fragebögen unrichtig wiedergegeben seien. Die Ermittlungsergebnisse der Beigeladenen seien hingegen nicht durch eine verfälschende Wiedergabe überlagert und stünden in Widerspruch zu den Protokollierungen durch die Beklagte, die interessengeleitet erschienen.

Er sei überrascht gewesen von der Aussage des Zeugen W vor dem SG, wonach nicht bereits fest vereinbart worden sein sollte, dass die Dämmplatten an allen Seiten des Hauses hätten angebracht und die Sohlbänke komplett hätten erneuert werden sollen. Wenn schon eine Rüstung gestellt sei, liege es auf der Hand, die geplanten Arbeiten an allen Fassaden des Hauses durchzuführen. Im Übrigen habe der Zeuge W sowohl die Dämmung des Hauses als auch die Erneuerung der Fensterbänke bereits wenige Wochen nach dem Unfall durchführen lassen. Der Umfang der von ihm, dem Kläger, auszuführenden Arbeiten habe deutlich über 50 Stunden gelegen. Die Arbeitszeiten seien im Sinne des § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII zusammenzurechnen. Eine entsprechende Arbeitsleistung könne in einer sozialen Beziehung im Sinne einer lediglich guten Bekanntschaft nicht ohne Weiteres erwartet werden. Hinsichtlich der Vergütung habe es zwar keine ausdrückliche Vereinbarung, wohl aber eine stille Übereinkunft gegeben. Wenn der Zeuge W dies anders dargestellt habe, mag dies darin begründet liegen, dass er habe vermeiden wollen, dem Vorwurf der Schwarzarbeit ausgesetzt zu werden. Wenn der Zeuge W sein Verhältnis zum Kläger als deutlich enger dargestellt habe, als dies der Fall gewesen war, mag es hierfür sentimentale Gründe gegeben haben bzw. das schlechte Gewissen des Zeugen, ihn, den Kläger, in diese tragische Situation gebracht zu haben. Heute gebe es zwischen ihm und dem Zeugen W keinen Kontakt mehr. Auch dies spreche gegen die Annahme des SG, es habe zwischen beiden ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis gegeben.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Mai 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Mai 2019 aufzuheben und feststellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 14. April 2018 um einen (in die Zuständigkeit der Beklagten oder der Beigeladenen fallenden) Arbeitsunfall handelt.

 

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

 

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

 

Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

 

Mit Schreiben vom 29. März 2023 hat der Berichterstatter gegenüber den Beteiligten mitgeteilt, dass er den Vortrag für sehr atypisch halte, wonach ein beruflich in Vollzeit tätiger Maurer, der zugleich familiäre Verpflichtungen als Ehemann, Vater und Sohn habe, zahlreiche Wochenenden durcharbeite in der lediglich vagen Erwartung, von seinem Bekannten hierfür eine wie auch immer geartete Entlohnung zu erhalten. Die gerichtliche Überzeugung von einem atypischen Ablauf setze jedenfalls eine konsequente und stimmige Schilderung voraus. Unter Berücksichtigung der bislang teils widersprüchlichen Angaben könne hiervon kaum die Rede sein. Es sei denkbar, dass erhebliche Bauleistungen vereinbart worden seien und man sich zugleich über eine Entlohnung „an der Steuer und Sozialversicherungspflicht vorbei“ im Sinne von Schwarzarbeit verständigt habe, wobei dann aber wiederum der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben sein könnte.

 

Der Berichterstatter hat am 09. Mai 2023 einen Erörterungstermin durchgeführt. In diesem hat der Kläger mitgeteilt, er wolle seine bisherigen Angaben im Verfahren teilweise richtigstellen. Er sei bereits vor dem Unfall vom 14. April 2018 für den Zeugen W auf dessen Grundstück tätig geworden und habe hierfür auch Geld bekommen. Konkret habe er eine Lage Dämmung am Schuppen gegenüber vom Haus des Zeugen W angeklebt, das sei etwa zwei Wochen vor dem Unfall geschehen. Für 3 bis 4 Stunden Arbeit habe er 50 EUR bekommen, die er „in die Tasche gesteckt“ habe. Diese Arbeiten seien in Vorbereitung für diejenigen erfolgt, die dann noch hätten kommen sollen und für die die Rüstung aufgestellt worden sei. Im Rahmen dieser weiteren Arbeiten habe am Haus rundum Dämmung angebracht werden sollen, dann habe die Armierung erfolgen sollen, das bedeute, es habe Putz mit Gewebe angebracht werden sollen, der die Dämmung schütze. Schließlich habe auf der Armierung noch der Edelputz angebracht werden sollen. Zudem habe auch noch ein Sturmschaden behoben werden sollen, bei dem sich einige Dachziegel gelöst hätten. Im Rahmen dieser ganzen Arbeiten hätten auch die Fensterbänke getauscht werden sollen, die alten Beton-Fensterbänke aus DDR-Zeiten seien zu kurz gewesen und hätten nicht zur Dämmung gepasst. Das habe er alles mit dem Zeugen W im Vorfeld besprochen, als er die Dämmung am Schuppen angebracht habe. Die Arbeiten habe er gemeinsam mit dem Zeugen W sowie dessen Schwiegersohn, dem Zeugen Sch verrichten sollen. Für ihn allein habe er mit mindestens 100 Stunden Arbeit gerechnet. Die Arbeiten hätte er so ausgeführt gehabt, wie er Zeit gefunden hätte, am Freitagnachmittag und Freitagabend sowie am Samstag. Materialien wie Sohlbänke, also Fensterbänke aus Granit, seien durch den Zeugen W bereits bestellt worden und hätten bei diesem auf dem Grundstück gelagert. Die Dämmung sei auch schon bestellt worden, habe aber noch nicht dagelegen. Das Gerüst hätte überwiegend ihm gehört, ungefähr 10% der Teile hätten aber dem Zeugen W gehört Er habe das Gerüst im Wesentlichen nach den Vorgaben des Zeugen W montiert. Dieser sei „der Kopf“ gewesen, er selbst habe die Kraft besessen. Der Zeuge W habe ihm auf dem Bau alles beigebracht gehabt. Auf Vorhalt der Ausführungen seines Bevollmächtigten aus dessen Schriftsatz vom 14. Juni 2022 zum Aufbau des Gerüstes könne er sagen, dass diese so zuträfen. Der Zeuge W habe ihm auf der Arbeit vieles beigebracht gehabt. Zum Zeitpunkt der Ausführungen der Arbeiten sei der Zeuge W derjenige gewesen, der das Wissen gehabt habe. Er selbst habe zwar auch Wissen gehabt, vor allen Dingen aber Kraft. Letztlich hätten der Zeuge W und er Hand in Hand gearbeitet, vieles hätte sich aus der jeweiligen Situation heraus ergeben. Zur Vergütung sei zwischen ihm und dem Zeugen W noch nichts besprochen worden, es sei aber zwischen ihnen klar gewesen, dass Geld fließen sollte. Er hätte 10 EUR pro Stunde erwartet, das sei damals der übliche Stundenlohn für Arbeiten „unter der Hand“ gewesen. Das Geld hätte er für Bauarbeiten an seinem eigenen Haus sowie für den Bedarf seines kleinen Sohns benötigt. Im Hinblick auf die bereits im Vorfeld geplanten künftigen Arbeiten hat er mitgeteilt, dass der Zeuge W leichte Arbeiten hätte verrichten können, etwa den Zuschnitt der Dämmplatten und das Anrühren des Mörtels. Rund 60% der Arbeiten hätte aber er selbst ausgeführt, den Rest hätten sich die Zeugen Sch und W geteilt.

 

Weiterhin ist in dem Erörterungstermin vom 09. Mai 2023 erneut der Zeuge W vernommen worden.  Er hat ausgesagt, für die Arbeiten am Unfalltag hätten er und der Kläger zunächst vereinbart gehabt, dass dieser, nachdem er die Rüstung gestellt hätte, gegen Mittag hätte entscheiden sollen, ob er noch Zeit habe, weitere Arbeiten auszuführen oder ob er diese an einem anderen Tag fortsetze.  Bei dem Bauvorhaben hätten zunächst die vom Sturmschaden gelockerten Schindeln am Dach bzw. Ortgang komplett befestigt werden sollen. Dann hätte das Haus vollständig gedämmt und geputzt und hätten Armierung und Edelputz aufgebracht werden sollen. Im Rahmen des beabsichtigten Vollwärmeschutzes hätten auch die alten Fensterbänke, die noch aus DDR-Zeiten stammten, ausgetauscht werden müssen. Als Vorbereitung für all diese Arbeiten sei die Rüstung gestellt worden. Er sei davon ausgegangen, dass der Kläger diese Arbeiten mit ein bis zwei Kollegen, die er noch habe mitbringen wollen, ausführen werde. Aus gesundheitlichen Gründen hätte sich sein eigener Arbeitsbeitrag in Grenzen gehalten. Er hätte die Dämmung mit heißem Draht zuschneiden können. Vielleicht hätte er auch noch einen halben Eimer Mörtel anrühren können. Sein Schwiegersohn, der Zeuge Sch, der Schichtarbeiter sei, hätte in Abhängigkeit von seiner Zeit unter Umständen auch noch mitarbeiten können. Er schätze, der Kläger hätte wenigstens für 50 Stunden Arbeit gehabt.  Ein Preis für die weiteren Arbeiten sei zwischen dem Kläger und ihm noch nicht ausdrücklich vereinbart worden. In Abhängigkeit von den preislichen Vorstellungen hätte er eine Firma beauftragen müssen, wenn der Preis nicht stimmte. 10 Euro pro Stunde seien seinerzeit regional für „Arbeiten unter der Hand“ üblich gewesen und er sei davon ausgegangen, dass der Kläger hierfür auch arbeiten würde.  Eine reguläre Handwerkerstunde hätte damals 35 bis 40 Euro gekostet. Am 14. April 2018 seien Wärmedämmung und Armierungsmörtel schon teilweise bestellt worden. Die Materialien für das gesamte Haus habe er aus Platzgründen und aus der Befürchtung heraus, dass die leichte Dämmung wegfliege, noch nicht bestellt gehabt. Er habe aber einen Kostenvoranschlag für das gesamte Material eingeholt gehabt. Die Dachsteine und die Schindeln, um den Sturmschaden komplett zu beheben und den Ortgang in Stand zu setzen, seien auch schon da gewesen. Der Kläger habe auch schon vor dem 14. April 2018 einige Arbeiten ausgeführt gehabt, zu denen Materialien benötigt worden seien. Konkret habe er eine Sohlbank auf der Gästetoilette eingesetzt und beidseitig die Wandabdeckung an der Treppe zur Terrassentür befestigt sowie die Wandabdeckung zum Keller runter aufgelegt und befestigt. Daraus schließe er, dass vor dem 14. April 2018 schon Bestellungen ausgelöst worden sein müssten. Nach 5 Jahren falle ihm die Erinnerung an Einzelheiten aber schwer.  Für das Anbringen der Sohlbank habe der Kläger etwa 4 bis 5 Stunden benötigt und habe von ihm 40 bis 50 Euro dafür bekommen. Er hätte auch eine Fachfirma beauftragt gehabt, es sei aber schwergefallen, jemanden zu finden. Er selbst habe nur sehr eingeschränkt mitarbeiten können. Wenn der Kläger keine Zeit mehr gehabt hätte, hätte man situativ sehen müssen, wie man weiterkommt.  Das Anbringen der Sohlbank auf der Gästetoilette sei Teil des Gesamtprojekts gewesen. Anderes hätte auch keinen Sinn gemacht, denn die Sohlbänke wären, hätte man sie nicht alle komplett ersetzt, ansonsten unterschiedlich groß gewesen. Außerdem habe der Kläger zuvor auch an seinem Schuppen gearbeitet gehabt und dort eine Reihe Dämmung angeklebt. Bei den weiteren geplanten Arbeiten hätte er sich nach der zeitlichen Verfügbarkeit des Klägers gerichtet gehabt. Als der Kläger am 14. April 2018 die Rüstung gestellt habe, hätten er und der Zeuge Sch mitgeholfen. Er habe die Sachen vom Pkw-Anhänger runtergenommen und zur Rüstung getragen. Der Zeuge Sch habe auf der ersten oder zweiten Lage der Rüstung gestanden, habe die Teile entgegengenommen und auf die dritte Lage weitergereicht, wo der Kläger gestanden habe. Er selbst habe übersehen können, welche Teile der Kläger gebraucht habe und ihm hätten angereicht werden müssen. Er habe schon gewusst, wie man eine Rüstung stelle, der Kläger habe da aber mehr Wissen als er besessen. Als ehemaliger Vorarbeiter habe er keine Rüstungen stellen brauchen. Aus körperlichen Gründen habe er nicht selbst auf der Rüstung arbeiten können. Er habe nach drei Arbeitsunfällen auch Angst gehabt. Die Rüstung habe vollständig dem Kläger gehört und sei von diesem auch mitgebracht worden. Es könne aber auch sein, dass er etwa 10% der Teile der Rüstung selbst gestellt gehabt habe. So genau wisse er das nicht mehr. In jedem Fall habe er das Werkzeug gestellt. Hinsichtlich der übrigen Arbeiten, die nach dem Stellen der Rüstung hätten ausgeführt werden sollen, hätten er und der Kläger in etwa gleich gute fachliche Kenntnisse besessen. Der Kläger habe aber bessere körperliche Fertigkeiten gehabt als er, es habe sich ja um die Art von Tätigkeiten gehandelt, die er auch bei seiner beruflichen Arbeit verrichtet habe. Wie die weiteren Arbeiten genau ausgeführt werden würden, hätten der Kläger und er gleichberechtigt und partnerschaftlich abgesprochen und in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation entschieden. Die Herrschaften, die die Arbeiten später nach dem Unfall ausgeführt hätten, hätten zum Teil unentgeltlich gearbeitet, zum Teil für 10 Euro pro Stunde. Seine beiden Schwiegersöhne, der Zeuge Sch und Herr Ger, sowie Herr D hätten umsonst gearbeitet, die anderen für 10 Euro pro Stunde zuzüglich Spritkosten, alles „unter der Hand“. Das heißt, Herr Geb, Herr Go und Herr T hätten für ihre Arbeiten jeweils 10 Euro pro Stunde von ihm bekommen.

Der Zeuge W hat ferner eine Liste der von ihm gennannten Personen, die die Sanierung der Hausfassade nebst Einbau neuer Fensterbänke vorgenommen haben, vorgelegt. Weiterhin hat er zu den Akten gereicht: Rechnungen der Firma M M vom 04. Juli 2018 über 377,29 Euro für das Stellen eines Fassadengerüsts am Giebel der Eingangsseite (Leistungserbringung: 04. Juli 2018), vom 17. Juli 2018 über 519,28 Euro für das Stellen eines Fassadengerüsts am Giebel der Gartenseite (Leistungserbringung: 16. Juli 2018), vom 13. August 2018 über 474,86 Euro für die Deckung der Ortgänge (Leistungserbringung: 08. August 2018) und vom 13. August 2018 über 41,89 Euro für die Gebrauchsüberlassung des Fassadengerüsts vom 01. bis zum 15. August 2018, zudem zwei Protokolle zur Gerüstfreigabe der Firma M M vom 16. und vom 17. Juli 2018 und eine Rechnung der Firma Naturstein BGmbH vom 27. April 2018 (Ausführungszeitraum: 24. April 2018) über Bestellungen der Sohlbänke  (7 Stück) in einem Gesamtwert von 813,37 Euro.

 

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2023 hat die Beigeladene und mit weiteren Schriftsätzen vom 17. Juli 2023 und vom 15. September 2023 hat die Beklagte noch einmal dargelegt, weshalb aus ihrer jeweiligen Sicht die Beweiserhebung durch Einvernahme des Zeugen W sowie die erneute Befragung des Klägers im Erörterungstermin am 09. Mai 2023 nur den Schluss auf ein unternehmerähnliches Tätigwerden zulassen.

 

Der Kläger hat über seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. August 2023 vortragen lassen, weshalb er seiner Auffassung und Wertung nach zum Zeitpunkt der unfallbringenden Tätigkeit als „Wie-Beschäftigter“ tätig gewesen sein will. Die Renovierungsarbeiten seien in ihrer Gesamtheit ein vom Zeugen W als Unternehmer geplantes und geleitetes und von ihm auch während der Bauphase maßgeblich gesteuertes und durch Einsatz seiner eigenen Arbeitskraft umgesetztes Projekt gewesen. Auch zu konkreten einzelnen Arbeitsschritten habe er die notwendigen Entscheidungen getroffen. Kraft seiner eigenen Fachkunde habe dieser die einzelnen Arbeiten und deren zeitliche Reihenfolge festgelegt, Angebote für die benötigten Baustoffe eingeholt, Maße genommen und Bestellungen erledigt. Weiterhin habe er einen erheblichen Teil der Werkzeuge und Teile der Rüstung selbst gestellt. Eigene Arbeitszeiten hätten die Helfer mit dem Zeugen W absprechen müssen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig, aber unbegründet.

 

Das Urteil des SG vom 28. Mai 2021 sowie der Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Mai 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber der Beigeladenen einen Anspruch auf Feststellung, dass das Unfallereignis vom 14. April 2018 einen Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII darstellt, weil er zum Unfallzeitpunkt nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war.

 

 

Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.  Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die überwiegende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit; ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht ausschließlich eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (ständige Rechtsprechung, Bundessozialgericht <BSG>, vgl. Urteile vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R -, Rn. 12, vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R -, Rn. 10, vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 18/13 R -, Rn. 16 ff., vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R -, Rn. 20 ff., vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, Rn. 16 ff., vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, Rn. 15 ff., vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, Rn. 18 ff. und vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 13 ff., alle zitiert nach Juris, siehe auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 1.7, S. 21 f.). 

Bezogen auf die im Vollbeweis zu sichernden Merkmale muss sich das Gericht grundsätzlich die volle Überzeugung im Sinne einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (ständige Rechtsprechung, siehe etwa BSG, Urteil vom 05. Mai 2009 – B 13 R 55/08 R -, Rn. 28, Juris, m. w. N.). Das Tatsachengericht entscheidet hierbei gemäß § 128 Abs. 1 S.1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Bleiben nach Ausschöpfung der möglichen und notwendigen Ermittlungsmaßnahmen Ungewissheiten hinsichtlich eines den Anspruch begründenden Umstandes, trägt die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Anspruch geltend macht (Schmidt, in: Meyer-​Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 103 Rn. 19a m. w. N).

Nach diesen rechtlichen Vorgaben stellt das Ereignis vom 14. April 2018 keinen Arbeitsunfall dar. Der Kläger hat zwar durch eine Einwirkung von außen (Sturz vom Gerüst und Aufprall auf den Boden) einen Gesundheitserstschaden im Sinne eines Polytraumas bzw. eines kompletten Querschnittssyndroms und damit einen Unfall erlitten. Der Senat konnte jedoch bei Würdigung aller Umstände nicht zur ausreichenden Gewissheit gelangen, dass sich der Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VII begründenden Tätigkeit ereignet hat.

Der Kläger hat – insoweit offenkundig und auch unstreitig – den Unfall nicht als Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erlitten. Er war zum Zeitpunkt des Unfalls aber auch nicht als „Wie-Beschäftigter“ gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig.

 

Die gesetzlichen Vorgaben für das Vorliegen einer „Wie-​Beschäftigung“ nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII bedürfen einer Konkretisierung durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung und die sozialrechtliche Literatur. Die gesetzliche Unfallversicherung gewährt über die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII hinaus – wonach kraft Gesetzes Beschäftigte versichert sind - gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auch Versicherungsschutz bei Tätigkeiten als sogenannte „Wie-​Beschäftigte“. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII fordert insoweit lediglich, dass die betroffenen Personen „wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte“ tätig werden.

 

Der Kläger erbrachte die unfallbringende Verrichtung hier jedoch nicht arbeitnehmerähnlich und damit "wie ein Beschäftigter“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Insofern erweisen sich das Urteil des SG vom 28. Mai 2021 und die Entscheidung der Beklagten in dem hier angegriffenen Bescheid als zutreffend.

 

Arbeitnehmerähnlichkeit setzt nicht voraus, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein müssen; insbesondere braucht keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen vorzuliegen, ebenso wenig ist die Eingliederung in das unterstützte Unternehmen zwingend erforderlich (BSG, Urteile vom 26. November 2019 – B 2 U 24/17 R –, Rn. 22, vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R -, Rn. 23, und vom 17. März 1992 – 2 RU 22/91 -, Rn. 15, jeweils in Juris). Dahinstehen kann, ob eine Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII voraussetzt, dass die Verrichtung typisierend betrachtet üblicherweise von abhängig Beschäftigten erbracht wird und es insofern für die ausgeübte Tätigkeit einen Arbeitsmarkt gibt (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R -, Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 31. August 2012 – L 8 U 4142/10 -, Rn. 37; Hessisches LSG, Urteil vom 12. April 2016 – L 3 U 171/13 -, Rn. 33; jeweils zitiert nach Juris). Insofern ist hier festzustellen, dass Gerüstbauarbeiten, aber auch Dämmarbeiten, wie sie der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls ausgeführt hat bzw. im Rahmen eines Gesamtprojekts ggf. künftig hat ausführen sollen, im Regelfall von Arbeitnehmern in entsprechenden Handwerksbetrieben gewerblich ausgeführt werden.

 

Das Gesamtbild der Tätigkeit muss aber in einem größeren zeitlichen Zusammenhang eine beschäftigungsähnliche Tätigkeit ergeben (siehe BSG, Urteile vom 13. August 2002 – B 2 U 33/01 R -, Rn. 24, und vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R -, Rn. 24, jeweils zitiert nach Juris). Abzugrenzen von der Wie-​Beschäftigung, die unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt, ist die nicht gesetzlich unfallversicherte unternehmerähnliche Tätigkeit (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R –, Rn. 15 ff., und vom 20. März 2018 - B 2 U 16/16 R -, Rn. 23 ff., jeweils zitiert nach Juris). Eine Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch <SGB IV>). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Voraussetzung einer Wie-​Beschäftigung ist deshalb nach ständiger Rechtsprechung, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (BSG, Urteil vom 26. November 2019 - B 2 U 24/17 R -, Rn. 22, Juris).

 

Je mehr Gesichtspunkte der bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse für die Arbeitnehmerähnlichkeit sprechen, umso eher ist demnach eine Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu bejahen (BSG, Urteile vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R -, Rn. 24, und vom 19. Juni 2018 – B 2 U 32/17 R -, Rn. 23, jeweils nach Juris). Für die Arbeitnehmerähnlichkeit einer Tätigkeit spricht, wenn die in Betracht kommende Person nach Art der Tätigkeit auch als Arbeitnehmer hätte beschäftigt werden können (BSG, Urteil vom 05. Juli 1994 – 2 RU 24/93 -, Rn. 23, Juris). So spricht für das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt und die Art ihrer Ausführung in Anlehnung an für Beschäftigungsverhältnisse typische Weisungsrechte im Sinne des § 106 Gewerbeordnung (GewO) und damit eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), ohne dass es einer eine Beschäftigung charakterisierenden Eingliederung in einen Betrieb bedarf (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 1/14 R -, Rn. 22, Juris).  Unschädlich ist, wenn es sich um eine geringfügige Tätigkeit handelt oder dass der unterstützte Unternehmer eine solche Arbeitskraft nicht tatsächlich beschäftigt hätte. Auch ist unerheblich, ob die in Betracht kommenden Personen von dem Unternehmen üblicherweise beschäftigt werden, sondern es genügt, dass sie nach Art der Tätigkeit beschäftigt werden könnten (BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R -, Rn. 25, Juris, m. w. N.).

 

Als Unternehmer oder unternehmerähnlich wird die Tätigkeit hingegen verrichtet, wenn die Handlungstendenz nicht auf die Belange eines fremden Unternehmens gerichtet ist, sondern der Verletzte in Wirklichkeit wesentlich allein eigenen Angelegenheiten dienen wollte und es somit an der fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung fehlt (BSG, Urteil vom 05. Juli 2005 – B 2 U 22/04 R -, Rn. 13, Juris). Unternehmer ist nach der gesetzlichen Definition in § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis seines Unternehmens unmittelbar zum Vor- und Nachteil gereicht. Für eine Unternehmerähnlichkeit ist hingegen kein Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit erforderlich (BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R -, Rn. 26, Juris). Für eine Unternehmerähnlichkeit spricht auch, wenn der Verletzte Tätigkeiten erbringt, die mit einem anderen Vertragstyp vergleichbar sind, zum Beispiel mit einem Werkvertrag nach § 631 BGB oder bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung mit einem Auftrag mit Werksvertragscharakter (§ 662 BGB). Hier wird dann dem Auftraggeber nicht die eigene Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, sondern ein Werk eigenverantwortlich hergestellt bzw. ein konkreter Auftrag erledigt (siehe BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987 – 2 RU 9/87 -, Rn. 15, Juris). Dasselbe gilt, wenn der Verletzte die Ausführung des von ihm Übernommenen im Wesentlichen frei planerisch gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen konnte (BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R -, Rn. 26; Bayerisches LSG, Urteil vom 24. September 2020 – L 17 U 311/18 -, Rn. 32, jeweils zitiert nach Juris).

 

Für die Beurteilung der Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII ist weiter von Bedeutung, wer sich an der Hilfeleistung beteiligt. Wenn der Verletzte nicht allein tätig wird, sondern zusammen mit demjenigen, dem die Hilfe geleistet wird, oder mit anderen Personen, kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass es um die Erbringung eines Arbeitserfolges geht, weil der Tätigwerdende bei einer solchen Sachlage nicht selbst für einen solchen geradestehen kann. In derartigen Fällen wird regelmäßig eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vorliegen, weil bei entgeltlicher Betätigung mit Rechtsbindungswillen ein Dienstvertrag vorliegen würde. Dies gilt auch, wenn der Tätigwerdende über größere fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt als derjenige, dem die Hilfeleistung zugutekommt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. September 2020 – L 3 U 4241/19 –, Rn. 30, Juris).  Trotz Zusammenarbeit mit anderen kann eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit allerdings zu verneinen sein, wenn der Tätigwerdende die Leitung innehat und federführend mitarbeitet und deshalb bei Gesamtwürdigung aller Umstände des Sachverhaltes wie ein Werkunternehmer oder eine Person, die einen Auftrag mit Werkvertragscharakter ausführt, tätig wird (LSG Thüringen, Urteil vom 05. September 2019 – L 1 U 165/18 -, Rn. 25, Juris).

 

Ein weiteres Indiz für eine unternehmerähnliche Tätigkeit kann die Verwendung eigenen Werkzeugs sein (BSG, Urteil vom 05. März 2002 – B 2 U 9/01 R -, Rn. 17, Juris). Allerdings bedarf es auch insoweit einer Gesamtbetrachtung, so dass die Verwendung eigener Werkzeuge nicht ohne weiteres zu einer Unternehmerähnlichkeit führt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 6/06 R -, Rn. 23, Juris).

 

Nicht zuletzt stellt es ein gewichtiges Kriterium für die Annahme einer unternehmerähnlichen Tätigkeit dar, wenn der Betroffene über eine besondere Sachkunde für die ausgeübte Tätigkeit verfügte (BSG, Urteil vom 31. Mai 2005 – B 2 U 35/04 R –, Rn. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2012 – L 2 U 223/09 –, Rn. 29, jeweils in Juris).

 

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens bei Würdigung des Akteninhalts, insbesondere der Angaben des Klägers und des Zeugen W im Verwaltungs-, Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren einschließlich der Darstellung des Unfallgeschehens durch den Kläger und den Zeugen W im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 09. Mai 2023, steht für den Senat fest, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen W zum Unfallzeitpunkt am 14. April 2018 lediglich das Aufstellen des Gerüsts – nicht aber ein Gesamtauftrag einschließlich der  Sanierung der Hausfassaden, der Anbringung eines Vollwärmeschutzes und dem Austausch der Fensterbänke insgesamt und auch nicht bezogen nur auf die einzurüstende Giebelseite – konkret vereinbart war, und dass der Kläger beim Aufstellen des Gerüstes nicht arbeitnehmerähnlich, sondern unternehmerähnlich tätig geworden ist.

 

Nicht überzeugen konnte sich der Senat davon, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen W über das Stellen des Baugerüstes hinaus ein Gesamtarbeitsauftrag insbesondere unter Einschluss der Dämmarbeiten an den Hausfassaden, des Anbringens neuer Fensterbänke, der Armierung und des Auftragens des Edelputzes fest vereinbart worden wäre.

 

Der Zeuge W hat hierzu im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 09. Mai 2023 schlüssig und glaubhaft ausgesagt, er sei davon ausgegangen, dass der Kläger die weiteren, im Rahmen der Sanierung der Hausfassaden und des Anbringens eines Vollwärmeschutzes anfallenden Arbeiten mit ein bis zwei Kollegen, die er noch habe mitbringen wollen, ausführen werde. Aus gesundheitlichen Gründen hätte sich sein eigener Arbeitsbeitrag in Grenzen gehalten. Er hätte die Dämmung mit heißem Draht zuschneiden können. Vielleicht hätte er auch noch einen halben Eimer Mörtel anrühren können. Sein Schwiegersohn, der Zeuge Sch der Schichtarbeiter sei, hätte in Abhängigkeit von seiner Zeit unter Umständen auch noch mitarbeiten können. Er sei davon ausgegangen, dass der Kläger für den seinerzeit regional für „Arbeiten unter der Hand“ üblichen Lohn von 10 Euro pro Stunde arbeiten würde. Ein Preis für die weiteren Arbeiten sei zwischen den beiden aber noch nicht ausdrücklich vereinbart worden. In Abhängigkeit von den preislichen Vorstellungen des Klägers hätte er, der Zeuge W eine Firma beauftragen müssen. Ebenso hätte er, wenn der Kläger keine Zeit mehr gehabt hätte, situativ sehen müssen, wie er weiterkomme. Wie die weiteren Arbeiten genau ausgeführt werden würden, hätten der Kläger und er erst noch gleichberechtigt und partnerschaftlich absprechen müssen und dann in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation eine Entscheidung getroffen. 

 

Mithin hatten der Kläger und der Zeuge W lediglich die Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit grob umrissen, ohne dass das „Ob“ einer solchen fortwährenden Kooperation bereits besiegelt oder gar das „Wie“ in seinen Einzelheiten besprochen, geschweige denn fest vereinbart worden wäre. Über eine lose, noch unverbindliche Absichtserklärung gehen die zwischen den beiden Beteiligten hierzu geführten Gespräche nicht hinaus. Der Zeuge W erwog bereits Alternativen für den Fall, dass es nicht zu der ins Auge gefassten Hilfe des Klägers kommen würde. Diese vagen Überlegungen im Hinblick auf ein künftiges Zusammenwirken genügen nicht, um das Stellen des Gerüstes als bloß ersten Baustein in ein Gesamtgefüge einordnen zu können. 

 

Der Kläger selbst hat zwar im Erörterungstermin am 09. Mai 2023 angegeben, mit dem Zeugen W bereits im Vorfeld besprochen zu haben, welche konkreten Arbeiten nach dem Aufbau des Gerüsts hätten erfolgen sollen, und dass er davon ausgegangen sei, diese Arbeiten gemeinsam mit dem Zeugen und dessen Schwiegersohn zu verrichten. Er habe für seine Arbeit den seinerzeit üblichen Stundenlohn von 10 Euro erwartet. Damit akzentuiert der Kläger den Grad seiner Entschlossenheit im Hinblick auf die weiteren Arbeiten etwas stärker, als dies noch den Angaben seines Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 22. Januar 2019 zu entnehmen war und wonach die anstehenden Arbeiten in Abhängigkeit von seinen zeitlichen Kapazitäten ausgeführt werden sollten und die Frage der Entlohnung zwischen den Vertragsparteien noch offen gewesen sei. Noch deutlicher wird der Kontrast zu denjenigen Angaben, die der Kläger gegenüber dem Rehabilitationsberater der Beigeladenen anlässlich dessen Besuch im Unfallkrankenhaus Bam 27. April 2018 gemacht hatte. Hier hatte er angegeben, der Zeuge W habe auch noch die Dämmung seines Hauses vornehmen lassen wollen. Sie hätten bereits grob über die Zusammenarbeit gesprochen, ohne ins Detail gegangen zu sein. Diese Erstangaben, denen der Senat wegen der Zeitnähe zum Geschehen besondere Bedeutung beimisst, stehen im Einklang mit der schlüssigen Aussage des Zeugen Wim Erörterungstermin. Von den divergierenden Angaben des Klägers im Erörterungstermin konnte sich der Senat hingegen nicht überzeugen. Zumal der Kläger auch bei seiner Anhörung durch das SG am 28. Mai 2021 noch angegeben hatte, dass die Rüstung zunächst für die Arbeiten einer Dachdeckerfirma zur Behebung eines Sturmschadens aufgestellt werden sollte. Danach sollte wegen des stehenden Gerüstes noch die Dämmung der Fassade an der Giebelseite erfolgen, wobei diesbezüglich der zeitliche Ablauf für den Kläger noch ungewiss war, da er nicht wusste, wann die Dacharbeiten ausgeführt werden sollten und wann er selbst Zeit hätte, bei der Dämmung der Giebelseite zu helfen.  Nach seinen Angaben vor dem SG war es für den Kläger zum Unfallzeitpunkt völlig ungewiss, wann der Zeuge W die weiteren Dämmarbeiten am Haus vornehmen (lassen) wollte. So hat der Kläger hierzu angegeben: “Das mit der Dämmung sollte später erfolgen. Ich denke mal, er wollte erst mal sparen und dann wieder Geld haben.“ Des Weiteren hatte der Kläger auch angegeben, dass es zwar angedacht gewesen sei, dass der Schwiegersohn des Zeugen W bei den Arbeiten helfe, es jedoch genauere Absprachen zur weiteren Mithilfe des Zeugen S, der nur Laienarbeiten ausführen könne, oder zur Mithilfe anderer Personen noch nicht gegeben habe.

 

Der Sichtweise, wonach hier für eine Qualifizierung der Tätigkeit lediglich auf den Aufbau des Gerüsts abzustellen ist, steht nicht der Umstand entgegen, dass der Zeuge W zum Unfallzeitpunkt bereits Wärmedämmung und Armierungsmörtel teilweise bestellt bzw. Kostenvoranschläge hierfür eingeholt haben will. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Zeuge W zu dem Zeitpunkt, als das Gerüst gestellt wurde, die Sanierung und den Vollwärmeschutz der Hausfassaden für sich selbst fest eingeplant und als Bauherr bereits entsprechende Vorbereitungen getroffen und ggf. auch Bestellungen ausgelöst hatte. Dies ist allerdings nicht damit gleichzusetzen, dass bereits fest vereinbart worden wäre, diese Arbeiten gerade durch die Person des Klägers durchführen zu lassen. Zumal der Zeuge W bei der etappenweise Umsetzung seines Eigenheimsanierungsprojektes mal Fachfirmen, mal Privatpersonen herangezogen hat bzw. heranziehen wollte, wie auch die im Hinblick auf die anvisierte Dämmung der Hausfassade erfolgte Verbreiterung des Dachüberstandes schon einiger Zeit (nach den Angaben des Klägers vor dem SG: ca. 2 Monate) vor dem Unfall durch eine Fachfirma verdeutlicht. Im Übrigen datiert die von dem Zeugen W im Erörterungstermin am 09. Mai 2023 vorgelegte Rechnung der Firma Naturstein BGmbH über Bestellungen der Sohlbänke (7 Stück) in einem Gesamtwert von 813,37 Euro auf den 27. April 2018 bzw. belegt als Ausführungszeitraum den 24. April 2018, mithin ein Datum, das zeitlich nach dem Unfalltag liegt. Zum Unfallzeitpunkt bereits erfolgte Bestellungen weiteren Baumaterials sind mithin nicht objektiviert. Ob und ggf. inwieweit zum Unfallzeitpunkt Bestellungen von Baumaterialien tatsächlich erfolgt bzw. Kostenvoranschläge eingeholt waren, bedarf hier allerdings keiner weiteren Aufklärung, da es nicht maßgeblich auf den Willen des Zeugen (des Bauherren) zur Umsetzung seines Projekts ankommt, sondern auf die Fragen, ob dieses Vorhaben gerade durch die Arbeit des Klägers hätte realisiert werden sollen und ob hierzu feste Vereinbarungen getroffen worden waren. Hiervon konnte sich der Senat aus den vorgenannten Gründen gerade nicht überzeugen.

 

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass nach der Aussage des Zeugen W im Erörterungstermin am 09. Mai 2023 der Kläger bereits früher Arbeiten auf seinem – des Zeugen – Grundstück verrichtet hatte, konkret das Einsetzen einer Sohlbank auf der Gästetoilette und die beidseitige Befestigung der Wandabdeckung zum Keller bzw. – insoweit nach den Angaben des Klägers im Erörterungstermin – das Ankleben einer Lage Dämmung am Schuppen auf dem Grundstück des Zeugen. Diese weiteren Arbeiten fügen sich in ein Bild, nach dem der Kläger für den Zeugen W situativ bereits die eine oder andere handwerkliche Arbeit verrichtet hatte und ggf. auch künftig verrichten würde. Diese Arbeiten sind aber jeweils für sich isoliert zu betrachten und nicht als Teil eines einzigen, großen „gemeinsamen“ Gesamtprojekts anzusehen.

 

Ist mithin die hier zu qualifizierende Tätigkeit lediglich das Stellen des Baugerüsts, so wurde der Kläger hierbei unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Abgrenzungskriterien nicht wie ein Arbeitnehmer, sondern vielmehr unternehmerähnlich tätig.  Diese Wertung folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtbild der Tätigkeit:

 

Nach der Aussage des Zeugen im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 09. Mai 2023 hat dieser den Kläger am Unfalltag gemeinsam mit dem weiteren Zeugen Sch beim Gerüstaufbau unterstützt. Er, der Zeuge W, habe die Sachen vom Pkw-Anhänger runtergenommen und zur Rüstung getragen. Der Zeuge Sch habe auf der ersten oder zweiten Lage der Rüstung gestanden, die Teile entgegengenommen und auf die dritte Lage weitergereicht, wo der Kläger gestanden habe. Er selbst habe übersehen können, welche Teile der Kläger gebraucht habe und ihm hätten angereicht werden müssen. Er habe schon gewusst, wie man eine Rüstung stelle, der Kläger habe da aber mehr Wissen als er besessen. Als ehemaliger Vorarbeiter habe er keine Rüstungen stellen brauchen. Aus körperlichen Gründen habe er nicht selbst auf der Rüstung arbeiten können. Er habe nach drei Arbeitsunfällen auch Angst gehabt.

 

Diese Aussage des Zeugen W steht insoweit in Übereinstimmung mit derjenigen, die er bereits in der mündlicher Verhandlung vor dem SG Potsdam am 28. Mai 2021 getätigt hatte. Danach habe er den Kläger gefragt gehabt, ob er ihm mit einer Rüstung aushelfen könne. Selbst sei er körperlich nicht mehr in der Lage gewesen, eine Rüstung zu stellen. Bis zum Jahr 2016 habe er in der gleichen Firma wie der Kläger gearbeitet und sei vorher schon 36 Monate krank gewesen.

 

Demgegenüber hatte der Kläger in dem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 09. Mai 2023 angegebener habe das Gerüst im Wesentlichen nach den Vorgaben des Zeugen W montiert. Dieser sei der über das notwendige Wissen verfügende „Kopf“ gewesen. Er selbst habe zwar auch über Wissen verfügt, im Wesentlichen aber die für die Arbeiten notwendige Kraft besessen. Letztlich hätten der Zeuge W und er Hand in Hand gearbeitet, vieles hätte sich aus der jeweiligen Situation heraus ergeben. Der Zeuge W hätte aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nur leichte Arbeiten verrichten können.

 

Entgegen dem Vortrag des Klägers ist der Senat davon überzeugt, dass dieser selbst die Leitung der Tätigkeit des Gerüstaufbaus innehatte und federführend mitarbeitete. Dies ergibt sich zunächst aus der für den Senat nachvollziehbaren und glaubhaften, weil ohne erkennbare Interessen am Ausgang des Verfahrens getätigten Aussage des Zeugen W dass dieser und der weitere Zeuge Sch lediglich Hilfeleistungen beim Gerüstaufbau erbrachten, für dessen erfolgreiche Umsetzung indes der Kläger selbst verantwortlich war. Nach den Aussagen des Zeugen W wurden die in etwa gleich guten (theoretischen) fachlichen Kenntnisse beider durch die seinerzeit weitaus besseren körperlichen Fertigkeiten des Klägers überkompensiert. Dies erschließt sich auch daraus, dass der Zeuge schon im Jahr 2016 aus der Firma ausgeschieden und berentet und bereits zuvor drei Jahre arbeitsunfähig war. Nicht nur körperliche, sondern auch psychische Einschränkungen – Angst nach drei Arbeitsunfällen – standen einer qualifizierten Mitarbeit beim Aufbau des Gerüsts entgegen, die über ein paar bloße Handreichungen hinausgingen. Den aktiv im Berufsleben stehenden Kläger hatte der Zeuge W gerade wegen seines beruflich erworbenen Fachwissens und seiner praktischen Fertigkeiten um Hilfe gebeten. Hätte der Kläger sich nicht mit seinem Gerüst zur Verfügung gestellt, hätte der Zeuge W eine Fachfirma beauftragen müssen. So ist es dann im Übrigen auch gekommen: Der Zeuge W hat im Erörterungstermin am 09. Mai 2023 für das Stellen des Gerüsts Rechnungen der Fachfirma M M vorgelegt, und zwar Rechnungen vom 04. Juli 2018 für das Stellen eines Fassadengerüsts am Giebel der Eingangsseite (Leistungserbringung: 04. Juli 2018), vom 17. Juli 2018 für das Stellen eines Fassadengerüsts am Giebel der Gartenseite (Leistungserbringung: 16. Juli 2018), und vom 13. August 2018 für die Gebrauchsüberlassung des Fassadengerüsts vom 01. bis zum 15. August 2018, ferner zwei Protokolle zur Gerüstfreigabe der Firma M M vom 16. und vom 17. Juli 2018. Neben der weiteren Rechnung für die Deckung der Ortgänge vom 13. August 2018 sind dies die einzigen Rechnungen für Arbeiten am Haus des Zeugen W, die eine Ausführung von Arbeiten durch eine Fachfirma belegen, während die übrigen Fassadenarbeiten „unter der Hand“ an Familienmitglieder und frühere Arbeitskollegen vergeben wurden. Auch dies zeigt, dass der Zeuge W gerade im Hinblick auf das Stellen des Baugerüstes auf kompetenten Sachverstand angewiesen war und daher den insoweit über eine besondere Expertise verfügenden Kläger betraut hatte bzw. die Ausführung dieses Gewerks nach dem Unfall in die Hände einer Fachfirma legen musste.

 

Mithin gelangt der Senat zur Überzeugung, dass die Hilfe des Zeugen W beim Gerüstaufbau nicht als wesentlich für die gesamten Gerüstbauarbeiten angesehen werden kann. Der Zeuge W übernahm gegenüber dem Kläger keine annähernd gleichwertige Aufgabe. Das bloße Zureichen einzelner Teile und andere untergeordnete Beiträge sind nicht geeignet, das Gesamtbild des Tätigwerdens des Klägers so einzufärben, dass von einer Arbeitnehmerähnlichkeit auszugehen wäre. Der Leitungsfunktion des Klägers steht nicht entgegen, dass der Zeuge W als Bauherr dem Kläger hinsichtlich der Art der Tätigkeitsausführung gewisse Vorgaben gemacht haben mag. Dies hätte durchaus auch gegenüber einem Unternehmer erfolgen können, dient lediglich der Konkretisierung des verabredeten Werks und führt für sich genommen nicht zur Qualifizierung der Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich.

 

Demgegenüber sieht der Senat den Umstand, dass der Zeuge W dem Kläger  Werkzeug wie Bohrmaschine, Schlagdübel und Kabeltrommel gestellt hat, nicht als gewichtig an. Bei den genannten und ggf. ähnlichen weiteren Werkzeugen handelt es sich um solche, die in zahlreichen Haushalten vorhanden sind und insbesondere im Haushalt eines Handwerkers zur Standardausstattung gehören. Es ist mit einem unternehmerähnlichen Tätigwerden nicht unvereinbar, wenn sich der Auftragnehmer desjenigen Werkzeugs bedient, das ohnehin auf dem Grundstück des Auftraggebers bzw. in dessen Haushalt bereitliegt. Das hier maßgebliche und regelmäßig gesondert zu beschaffende Arbeitswerkzeug – das Gerüst – ist hingegen (nach den insoweit nur leicht divergierenden Angaben bzw. Aussagen) vollständig oder jedenfalls in seinen ganz wesentlichen Teilen zu 90% durch den Kläger gestellt worden. Auch dieser Umstand indiziert die Unternehmerähnlichkeit des Tätigwerdens des Klägers.

 

Eine beschäftigtenähnliche Weisungsbefugnis des Zeugen W gegenüber dem Kläger ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen seines Tätigwerdens nicht anzunehmen. Nach den insoweit übereinstimmenden Aussagen des Zeugen W und den Angaben des Klägers richtete sich sein Arbeitseinsatz nach seinen eigenen zeitlichen Möglichkeiten, die durch seine beruflichen und privaten Verpflichtungen bestimmt wurden. Die freie Zeiteinteilung galt auch für die Dauer der Arbeiten am Unfalltag selbst, die durch die Notwendigkeiten der Betreuung des Sohns des Klägers bestimmt waren.

 

Schließlich spricht auch der nicht dienstvertragliche, sondern werkvertragsähnliche Charakter des Tätigwerdens des Klägers für eine Unternehmerähnlichkeit. Gegenstand der Tätigkeit des Klägers am Unfalltag war der Aufbau des Gerüstes, das heißt die Erbringung eines Erfolges und damit die Herstellung eines Werkes, für dessen Erstellung der Kläger nach seinen insoweit mit den Aussagen des Zeugen W im Wesentlichen übereinstimmenden eigenen Angaben das Gerüst entweder vollständig oder jedenfalls in seinen wesentlichen Teilen (ca. 90% der Teile) selbst mitgebracht hatte. Eine Dienstvertragsähnlichkeit lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens des Klägers mit den Zeugen W und Sch nicht begründen, erschöpfte sich deren Beitrag doch – wie oben dargestellt – in untergeordneten Handreichungen und Hilfestellungen.

 

Für die mithin vorzunehmende Charakterisierung als werkvertragsähnlich ist nicht entscheidend, ob der Aufbau des Gerüstes und ggf. die anderen Arbeiten entgeltlich waren. Bei fehlender Entgeltlichkeit läge zwar kein (entgeltlicher) Werkvertrag vor, wohl aber ein Auftrag mit Werkvertragscharakter. Um einen Auftrag mit Werksvertragscharakter handelt es sich dann, wenn Gegenstand des Vertrages nicht die Überlassung der eigenen Arbeitskraft, sondern – wie hier - die eigenverantwortliche Herstellung eines Werkes oder die Erledigung eines konkreten Auftrages ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1992 – 2 RU 22/91 -, Rn. 19; Bayerisches LSG, Urteil vom 24. September 2020 – L 17 U 311/18 -, Rn. 45, jeweils in Juris). Ist hier demnach von einer Werkvertragsähnlichkeit auszugehen, liegt eine Wie-Beschäftigung fern, weil dem Vertragstypus des Werkvertrags grundsätzlich die das Beschäftigungsverhältnis prägende Weisungsgebundenheit (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) fremd ist.

 

Die durch den Zeugen W im Erörterungstermin am 09. Mai 2023 benannten weiteren Personen, die nach dem Unfall dann die Dämm-, Armierungs- und Putzarbeiten sowie den Austausch der Fensterbänke verrichtet haben, brauchte der Senat zu der hier vorzunehmenden Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer- und Unternehmerähnlichkeit nicht zu hören. Es ist nicht erkennbar, welche Erkenntnisse sich aus ihren Aussagen zu den zwischen dem Kläger und dem Zeugen W intern getroffenen Vereinbarungen zum Gerüstaufbau ergeben sollten, zumal diese Personen – bis auf den Zeugen Sch– erst im Rahmen der folgenden Fassadenarbeiten (auf die hier gerade nicht abzustellen ist) tätig geworden sind. Der Zeuge Sch hatte bei seiner Anhörung durch das SG Potsdam am 28. Mai 2021 bekundet er sei von seinem Schwiegervater nur um Hilfe beim Aufstellen des Gerüsts gebeten worden. Weitere Absprachen zu weiteren Bauarbeiten habe es mit ihm nicht gegeben. Er wisse auch nicht, welche weiteren Arbeiten geplant gewesen seien und wie der weitere Werdegang habe sein sollen. Es sei nur klar gewesen, dass irgendetwas mit der Fassade habe passieren sollen. Demzufolge hatte der Zeuge Sch keinerlei Kenntnis betreffend konkreter Absprachen zwischen dem Zeugen W und dem Kläger bzw. betreffend der konkreter Beteiligung des Klägers über das Stellen seines Gerüstes am Unfalltag hinaus.

Angesichts der mithin festzustellenden unternehmerähnlichen Tätigkeit kann der Senat dahingestellt lassen, ob dem Versicherungsschutz hier eine Sonderbeziehung aus freundschaftlicher Verbundenheit entgegensteht (offengelassen auch bei Thüringer LSG, Urteil vom 05. September 2019 – L 1 U 165/18 -, Rn. 29, Juris).

 

Nach der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 SGB II verneint, wenn die konkrete Tätigkeit durch eine Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer geprägt war. Eine solche Sonderbeziehung, die eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausschließt, liegt bei der Erfüllung von Verpflichtungen gesellschaftlicher, insbesondere familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Art vor. Auch bei einer solchen Sonderbeziehung sind allerdings alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass die konkrete Verrichtung auch außerhalb dessen liegen kann, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen selbstverständlich getan oder erwartet wird (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 11/17 R -, Rn. 19., Juris, m. w. N.).

 

Während die Erstangaben des Zeugen W gegenüber der Beklagten vom 20. April 2018 – die Richtigkeit der vorgenommenen Protokollierung unterstellt – jedenfalls dann für eine solche Sonderbeziehung sprechen würden, wenn man allein auf das etwa zweieinhalb Stunden dauernde Aufstellen des Gerüstes abstellt, dürfte nach den im Folgenden getätigten Angaben sowohl des Klägers selbst als auch nach den Aussagen des Zeugen W in der mündlichen Verhandlung vor dem SG und im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats eine solche Sonderbeziehung nicht vorliegen. Aus den oben genannten rechtlichen Gründen braucht der Senat hier aber nicht in eine Beweiswürdigung einzutreten und kann das Bestehen einer Sonderbeziehung im Ergebnis offenlassen.

 

Auch auf die Frage, ob unter Anwendung des § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII die Beklagte oder aber bei Überschreitung des zeitlichen Schwellenwertes der im Bauhauptgewerbe geltenden tariflichen Wochenarbeitszeit die Beigeladene vorliegend die zuständige Unfallträgerin wäre, kommt es demnach nicht mehr an.

 

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

 

Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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