L 2 AS 257/22 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 SF 17/21 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 257/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.01.2022 wird zurückgewiesen.

 

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

 

Gründe

 

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus Prozesskostenhilfe festzusetzenden Rechtsanwaltsvergütung in Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).

 

Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf mit dem Az. S 35 AS 65/15 begehrte der Kläger unter Abänderung des Bewilligungsbescheids vom 24.03.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2014 höhere Leistungen für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.05.2014. Mit einer unter dem Az. S 35 AS 936/15 erhobenen Klage begehrte er unter Abänderung der angefochtenen Bescheide höhere Leistungen für den Zeitraum vom 01.12.2014 bis zum 31.05.2015 und unter dem Az. S 35 AS 1196/15 höhere Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis zum 30.11.2013. In allen drei Verfahren stellte der Kläger mit der Erhebung der Klage auch einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und reichte die entsprechenden Unterlagen ein.

 

Das Sozialgericht lud alle drei Verfahren zu einem Erörterungstermin am 14.12.2015 und verband die Verfahren in diesem Termin mit Beschluss ebenfalls vom 14.12.2015 zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung. Als führendes Verfahren bestimmte es das Verfahren S 35 AS 65/15. Für das verbliebene Verfahren S 35 AS 65/15 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger sodann unter Beiordnung des Beschwerdeführers ratenfreie Prozesskostenhilfe. In einem späteren Erörterungstermin am 13.03.2017 erklärte sich der Beklagte bereit, nach erneuter Aufforderung an den Kläger, bestimmte Mitwirkungshandlungen zu erbringen, eine erneute rechtsmittelfähige Erklärung zu treffen. Daraufhin erklärte der Kläger die Klage für erledigt.

 

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 03.12.2019 die Festsetzung der Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfe und machte dabei getrennte Gebühren in den Verfahren S 35 AS 65/15, S 35 AS 1196/15 und S 35 AS 936/15 in Höhe von insgesamt 2.310,73 Euro geltend.

 

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Vergütung am 07.09.2020 auf insgesamt 1.283,29 Euro fest und führte zur Begründung aus, dass lediglich die Kosten für das Verfahren S 35 AS 65/15 festzusetzen seien. Die Bewilligung und Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe sei erst nach der Verbindung der drei Verfahren und nur für das Verfahren S 35 AS 65/15 erfolgt. Ein Anspruch gegen die Landeskasse bestehe daher nur in diesem Verfahren.

 

Durch Beschluss vom 10.01.2022 hat das Sozialgericht auf die mit Schriftsatz vom 16.10.2020 eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.09.2020 dahingehend abgeändert, dass diesem weitere 43,32 Euro unter Berücksichtigung der im Verfahren S 35 AS 1196/15 angesetzten Kopierkosten zuzuerkennen seien. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen.

 

Gegen den ihm am 20.01.2022 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 03.02.2022 Beschwerde eingelegt. Er führt zur Begründung seiner Beschwerde aus, dass er die verbundenen Verfahren getrennt abrechnen könne.

 

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

II.

 

Über die Beschwerde entscheidet der Senat mit drei Berufsrichtern ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 und 3 RVG), weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

 

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

 

Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft. Die Beschwer des Beschwerdeführers übersteigt den Betrag von 200,00 Euro. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung seiner Vergütung auf insgesamt 1.326,61 Euro und begehrt die Festsetzung einer Vergütung von 2.310,73 Euro. Die Differenz zwischen festgesetzter und begehrter Vergütung beträgt mehr als 200,00 Euro. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG) ist gewahrt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 33 Abs. 4 S. 1 RVG).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

 

Dem Beschwerdeführer steht in dem Verfahren S 35 AS 65/15 gegenüber der Staatskasse keine höhere Vergütung als die festgesetzte Vergütung von 1.326,61 Euro aus §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 RVG zu.

 

Nach § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Dieser Vergütungsanspruch ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, 62. Ed. 01.12.2023, RVG § 48 Rn. 17). Vorliegend besteht ein Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers. Zwischen dem Kläger und ihm hat ein Mandatsverhältnis bestanden. Im Beschluss vom 14.12.2015 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Kläger ist der Beschwerdeführer beigeordnet worden.

 

Die durch das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.01.2022 vorgenommene Kostenfestsetzung gegenüber der Staatskasse im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe ist bzgl. des Verfahrens S 35 AS 65/15 der Höhe nach nicht zu beanstanden. 

 

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind die §§ 45 ff. RVG. Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor den Gerichten eines Landes die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist.

 

Bis zur Verbindung der Verfahren am 14.12.2015 ist über den jeweils gestellten Prozesskostenhilfeantrag nicht entschieden worden. Die nach Verbindung der Verfahren im führenden Verfahren S 35 AS 65/15 mit Beschluss vom 14.12.2015 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bezieht sich nur auf dieses Verfahren. Eine förmliche Verbindung der Verfahren nach § 113 SGG hat zur Folge, dass nur noch ein Verfahren anhängig ist und alle weiteren nach Verbindung entstehenden Gebühren nur noch in diesem Verfahren anfallen. Des weiteren führt die Verbindung ursprünglich rechtlich selbständiger Verfahren dazu, dass die bereits verdienten Gebühren dem Rechtsanwalt weiterhin zustehen. Er kann wählen, ob er die Gebühren aus den getrennten oder aus dem verbundenen Verfahren verlangt (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 20.07.2017 – L 6 SF 1115/15 B, Rn. 27, juris). Dieses Wahlrecht läuft hier jedoch ins Leere, da in den hinzuverbundenen Verfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist (Thüringer LSG, Beschluss vom 05.07.2019 – L 1 SF 230/18 B, Rn. 7, juris). Denn die Verbindung bewirkt nicht, dass aus mehreren Rechtsstreitigkeiten eine einzige Streitigkeit wird (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 04.01.2010 – L 7 AS 73/09 B PKH , Rn. 31, juris; a.A. LSG NRW, Beschluss vom 11.10.2019 – L 7 AS 1478/19 B, Rn. 13, juris; LSG NRW, Beschluss vom 02.09.2014 – L 20 SO 317/13 B, Rn. 25, juris). Vielmehr bleiben die verbundenen Verfahren selbständig (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 14. Aufl. 2023, § 113 Rn. 4). Die Sachentscheidungsvoraussetzungen und die Begründetheit des Klagebegehrens sind für jedes der verbundenen Verfahren gesondert zu prüfen (vgl. Guttenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 113 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 27). Dementsprechend sind in verbundenen Rechtsstreitigkeiten auch die Voraussetzungen für die Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO gesondert zu prüfen (vgl. Leopold, in: beck-online Grosskommentar, SGG, Stand: 01.11.2023, § 73a Rn. 42; Haupt/Wehrhahn, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 113 Rn. 8). Da die Verbindung nicht dazu führt, dass aus mehreren Rechtsstreitigkeiten eine einzige Streitigkeit wird, kann sie auch nicht dazu führen, dass aus mehreren Prozesskostenhilfeanträgen ein einziger Antrag wird. Der Prozesskostenhilfe-Antrag ist immer auf die konkrete Klage bezogen und zu dieser ein Annex-Antrag. So wie über die Klage (nach einer Verbindung weiterhin) getrennt zu entscheiden ist, ist auch über die Prozesskostenhilfe gesondert zu entscheiden. Würde man dies anders sehen, würde durch die Verbindung von Klagen Prozesskostenhilfe auch in den hinzuverbundenen Verfahren gewährt werden, ohne dass die Erfolgsaussichten gesondert geprüft werden könnten. Ein solches Ergebnis ist nicht gerechtfertigt.

 

Wird bis zur Beendigung des Verfahrens – wie hier durch Verbindung – über den Prozesskostenhilfe-Antrag nicht entschieden, ist auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen, wonach im Einzelfall Prozesskostenhilfe auch noch nach Abschluss der ersten Instanz gewährt werden kann (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 02.08.2022, L 19 AS 398/22 B; LSG NRW, Beschluss vom 22.08.2023, L 9 SO 141/23 B, Rn. 12, juris; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 14. Aufl. 2023, § 73a Rn. 11a).

 

Die durch das Sozialgericht vorgenommene Kostenfestsetzung gegenüber der Staatskasse im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die von dem Beschwerdeführer beantragte Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) – Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – in Höhe von 390,00 Euro, die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 280,00 Euro und die Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 300,00 Euro sind antragsgemäß festgesetzt worden. Der Beschwerdeführer konnte sich jedoch mit seinem Vorbringen, wonach für den Fall, dass nur eine Verfahrensgebühr und nur eine Terminsgebühr geltend gemacht werden könne, diese jeweils mit der Höchstgebühr zu bemessen seien, nicht durchsetzen. Die Verfahrensgebühr in dem Verfahren S 35 AS 65/15 rechtfertigt nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG bei überdurchschnittlichen Merkmalen eine Verfahrensgebühr von 390,00 Euro. Eine höhere Gebühr oder gar die Höchstgebühr in Höhe von 550,00 Euro war für dieses Verfahren nicht anzusetzen, weil dies ein schwieriges oder komplexes Verfahren voraussetzt, dass hier offensichtlich nicht vorlag. Über die Verfahrensgebühr in den Verfahren S 35 AS 1196/15 und S 35 AS 936/15 wird mit der noch ausstehenden PKH-Entscheidung zu befinden sein. Eine Terminsgebühr und eine Einigungsgebühr sind jeweils nur in dem Verfahren S 35 AS 65/15 nach dem Verbindungsbeschluss angefallen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 02.08.2022, L 19 AS 398/22 B). Unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erscheinen bei durchschnittlichen Merkmalen die im Verfahren S 35 AS 65/15 angesetzte Terminsgebühr und Einigungsgebühr als angemessen.

 

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

 

Rechtskraft
Aus
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