L 3 R 595/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 899/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 595/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.05.2022 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten noch über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ausgehend von einem Leistungsfall am 04.07.2018 bis zum 30.06.2019.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger verfügt über das Abitur und ist gelernter Versicherungskaufmann. Seit den 1980er Jahren war er in der Versicherungsbranche tätig, vor allem als Versicherungsfachmann und Firmenberater für die Sachversicherung zum Teil auch mit Leitungsfunktion. Seit dem 01.02.1998 war er als Direktionsbevollmächtigter „Industrie/Sach“ für die H. AG (fortan: Arbeitgeber) tätig. Zuletzt arbeitete er dort als „Underwriter (Besichtiger von gewerblichen Objekten und Berater für Kunden und Vertriebspartner) im industriellen Kundensegment“/Direktionsbevollmächtigter für Sachversicherungen im Außendienst. Teilweise waren auch „Risikobesichtigungen“ etwa auf Dächern oder unter Begehungen von anlagetechnischen Objekten erforderlich. Die Vor- und Nachbearbeitung erfolgte als klassische Büroarbeit aus dem heimischen Büro. Seit dem 16.11.2017 bezog er Krankengeld. Das zuständige Versorgungsamt des E. stellte bei dem Kläger einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 13.03.2018 fest. Mit Bescheid vom 19.06.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.07.2019.

 

Am 04.07.2018 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, dass sowohl das Autofahren als auch längeres Sitzen oft sehr schmerzhaft seien. Um über unebene Böden zu gelangen, benötige er eine Gehhilfe. Langes Gehen stelle eine Prozedur dar und nach kurzer Zeit sei ein Geradeausgehen ohne Gehhilfe nicht möglich. Treppensteigen gelinge nur langsam mit Hilfe des Handlaufes. Zur weiteren Begründung überreichte er ein Schreiben des Arbeitgebers vom 28.03.2018 an seine Krankenversicherung, wonach dieser eine mögliche Wiedereingliederung des Klägers in seinen letzten Beruf für unwahrscheinlich halte. Eine Versetzung in den Innendienst (Hauptverwaltung in N.) scheide wegen der räumlichen Distanz des Wohnortes des Klägers in J. zur Hauptverwaltung aus. Seinem Antrag fügte er ein Attest des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Orthopädie T. vom 03.07.2018 unter anderem mit den Diagnosen chronische Schmerzen, Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie, Erschöpfungszustand, diverse Erkrankungen der gesamten Wirbelsäule und beider Schultern, eine Coxarthrose beidseits und eine Sprunggelenksarthrose rechts bei.

 

Die Beklagte holte ein Gutachten des Orthopäden A. vom 07.08.2018 ein. Dieser diagnostizierte nach Untersuchung des Klägers vom 06.08.2018 eine Gonarthrose rechts mit deutlicher Bewegungseinschränkung, ein chronisches Zervikalsyndrom bei Bandscheibenvorwölbung C3-C6, eine Schultereckgelenksarthrose rechts, ein Supraspinatussyndrom rechts, ein chronisches Lumbalsyndrom bei Zwischenwirbelgelenkarthrose und Bandscheibendegeneration, eine initiale Hüftgelenksarthrose bds., eine mäßige Sprunggelenksarthrose sowie Spreizfüße. Fachfremd liege Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie und ein Erschöpfungszustand vor. Aufgrund der mit diesen Erkrankungen einhergehenden Beeinträchtigungen könne der Kläger seine letzte berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben. Sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt belaufe sich noch auf sechs Stunden und mehr täglich für körperlich leichte überwiegend sitzende Arbeiten in sämtlichen Schichtformen. Ein negatives Leistungsbild bestehe im Hinblick auf den Bewegungs- und Haltungsapparat für Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, hockenden und knienden Tätigkeiten, das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg täglich und einseitige Wirbelsäulenbelastungen. Kälte, Nässe und Zugluft sollten im Tagesablauf reduziert werden.

 

Mit Bescheid vom 19.09.2018 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers führten nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Nach der medizinischen Beurteilung könne er noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Er könne in seinem bisherigen Beruf als Direktionsbevollmächtigter mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit dürfe die Beklagte nicht berücksichtigen, ob der Kläger tatsächlich einen Arbeitsplatz als Direktionsbevollmächtigter habe oder finden könne.

 

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 27.09.2018 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass das Gutachten des A. in wesentlichen Punkten unvollständig und falsch sei. Es sei unzutreffend, dass er angegeben habe, an dem Tag der Begutachtung keine Schmerzmittel eingenommen zu haben. Er habe aufgrund seiner starken Schmerzen eine Tablette Targin genommen. Er habe nicht in die Hocke gehen können. Die starken Schmerzen, die vom rechten Oberschenkel ausstrahlten, seien im Gutachten nicht hinreichend gewürdigt worden. Diese reichten bis zu den Zehen und er könne sich in diesem Fall kaum bewegen. Er benutze dann einen Stock als Hilfsmittel. Dies geschehe mehrfach täglich und halte einige Minuten an. Die Schmerzen seien dann unerträglich. Dies habe er dem Sachverständigen genau geschildert. Die Epikrise des Gutachtens sei verharmlosend und verkürzt. Die Schmerzen führten dazu, dass sein Konzentrationsvermögen eingeschränkt sei. Er könne sich kaum einige Minuten über den Tagesverlauf konzentrieren. Er sei nur noch in der Lage, unter drei Stunden arbeitstäglich zu arbeiten.

 

Der Kläger reichte ärztliche Berichte des Orthopäden T. vom 23.03.2018 und 08.01.2019 ein, wonach er starken Druck im LWS-Bereich verspüre und Taubheit im linken und Schmerzen im rechten Bein angegeben habe. Es hätten schmerzhafte Myogelosen der Nacken- und Schultergürtelmuskulatur und Facettendruckschmerz im Bereich der LWS befundet werden können. Auch eine Facetteninfiltration habe eher zu einer Verschlimmerung der Schmerzen geführt. Zudem übersandte er eine selbst erstellte Medikationsübersicht vom 20.01.2019 und einen Befundbericht des Allgemeinmediziners C. vom 31.01.2019. Dieser diagnostizierte unter anderem ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine arterielle essentielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2 mit Neuropathie und eine diabetische Polyneuropathie. Seit Beginn der hausärztlichen Betreuung im Oktober 2010 bestünden chronische Rückschmerzen, sodass Anfang 2016 aufgrund der Verschlimmerung eine orthopädische Mitbehandlung erforderlich geworden sei.

 

Die Beklagte holte eine Arbeitgeberbescheinigung vom 29.10.2018 ein, wonach das Arbeitsverhältnis als Mitarbeiter im Direktionsaußendienst fortbestehe. Die Vergütung des Klägers in Höhe von 6.114,00 EUR erfolge außertariflich, weil es sich laut Betriebsvereinbarung bei den Tätigkeiten als Underwriter im industriellen Kundensegment um über den Anforderungen an das fachliche Können sowie in der Fachverantwortung erheblich über die Merkmale der eigentlich einschlägigen Tarifgruppe PVT VIII hinausgehende Arbeiten handeln würde. Andere, völlig berufsfähige Arbeitnehmer würden im Unternehmen bei gleichartiger Beschäftigung 5.800,00 EUR bis 6.300,00 EUR als Entgelt erzielen.

 

 

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf eine sozialmedizinische Beurteilung des ärztlichen Beratungsdienstes vom 30.04.2019 als unbegründet zurück. Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung bestätige, dass er eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Aus den im Widerspruchsverfahren zusätzlich eingeholten Unterlagen ergäben sich keine weiteren Befunde, die zu einer Änderung der im Rentenverfahren bereits getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung führten. Ausgangspunkt für die rentenrechtliche Beurteilung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit sei der bisherige Beruf. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne grundsätzlich nur eine rentenversicherungspflichtige Berufstätigkeit den bisherigen Beruf darstellen. Hiernach sei der bisherige Beruf, in der Regel die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, die Beurteilungsgrundlage. Dies gelte jedenfalls dann, wenn diese Tätigkeit zugleich die höchste berufliche Stellung im bisherigen Erwerbsleben darstelle. Der Kläger habe seine Tätigkeit als Versicherungskaufmann zuletzt in der Funktion eines Direktionsbevollmächtigten für Sachversicherungen ausgeübt. Dieser Beruf sei zugrunde gelegt worden. Er könne diesem Beruf im Außendienst zwar nicht mehr nachgehen. Da er aber noch für körperlich leichte Tätigkeiten in einem Umfang von mehr als sechs Stunden täglich leistungsfähig sei, könne er seinen bisherigen Beruf als Versicherungskaufmann im Innendienst verrichten, sodass ein Verbleib im bisherigen Berufsbereich möglich sei. Diese Tätigkeit sei ihm unter Berücksichtigung seines bisherigen Berufes sozial zumutbar. Bei Versicherten, die zumutbare Tätigkeiten unter betriebsüblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könnten, begründe der Umstand, dass sie einen entsprechenden Arbeitsplatz nicht erhielten, keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

 

Mit seiner am 02.07.2019 bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente mit der Begründung weiterverfolgt, die Beklagte gehe fehlerhaft davon aus, dass er seinen bisherigen Beruf im Innendienst ausgeübt habe. Er habe unter Verweis auf die Arbeitsplatzbeschreibungen ausschließlich im Außendienst gearbeitet. Die sogenannten „Risikobesichtigungen“ erforderten körperliche Fitness. Bei seinem aktuellen Arbeitgeber seien keine gleichwertigen Stellen vorhanden und er könne dort auch nicht mehr arbeiten, da er hierfür nach N. fahren müsse. Dies sei ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Eine Innendiensttätigkeit komme für ihn nicht in Betracht. Er könne dies gar nicht. Unter Vorlage eines in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 9 O 15/19 bezüglich der Zahlung von Krankentagegeld ab dem 16.12.2017 vor dem Landgericht Bonn erstellten Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie S. vom 28.10.2019 mit Untersuchung vom 03.09.2019 sei von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen. Die Medikamenteneinnahme beanspruche täglich viel Zeit und belaste ihn körperlich. Er könne keiner regelmäßigen Arbeit mehr nachgehen. Die Bundesagentur für Arbeit habe ihm eine schnelle Berentung nahegelegt.

 

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.09.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2019 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 04.07.2018 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat unter Verweis auf eine berufskundliche Stellungnahme vom 15.11.2019 vorgetragen, dass der Kläger im Mehrstufenschema der Gruppe der Angestellten mit einer länger als zweijährigen Ausbildung zuzuordnen sei. Die Zuordnung sei durch die Kopie des Ausbildungszertifikates vom Juni 1984 gerechtfertigt. Der Kläger könne daher auf die Tätigkeit eines Versicherungskaufmanns im Innendienst verwiesen werden. Es handele sich dabei um eine körperlich leichte Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel verrichtet werden könne. Er verfüge über alle erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, da er einen Berufsabschluss als Versicherungskaufmann vorweisen könne und auch in der Versicherungsbranche tätig gewesen sei. Überdies sei es unerheblich, ob der bisherige Arbeitgeber noch über leidensangepasste Arbeitsplätze verfüge. Für den Beruf des Versicherungskaufmannes stünden ausreichende Stellenangebote auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung.

 

Das SG hat Befundberichte des Allgemeinmediziners C. vom 25.11.2019 mit Behandlungsdokumentation und des Orthopäden T. vom 29.11.2019 eingeholt. Der Orthopäde T. hat angegeben, der Kläger könne keine leichten Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mehr vollschichtig ausüben. Zudem könne er keine Wegstrecken von 501 Metern innerhalb einer Zeit von jeweils 20 Minuten zu Fuß bewältigen.

 

Sodann hat das SG nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Zusatzgutachten der Orthopädin F. vom 31.07.2020 und ein Hauptgutachten des Neurologen und Psychiaters K. vom 21.08.2020 eingeholt. Diese haben nach Untersuchungen des Klägers vom 17.07.2020 und vom 21.08.2020 folgende Diagnosen gestellt:

 

Auf fachorthopädischem Gebiet:

 

  1. Fortgeschrittene Arthrose medial und hinter der Kniescheibe des rechten Knies mit Reizerguss und Schleimhautentzündung. Reizzustand linkes Knie mit Flüssigkeit und Schleimhautschwellung bei röntgenologisch noch regelrechtem Befund;
  2. Schultergelenksarthrose der rechten Schulter mit Impingementsyndrom mit leichter Bewegungseinschränkung;
  3. Halswirbelsäulensyndrom mit Bewegungseinschränkung und muskulären Verspannungen;
  4. Lendenwirbelsäulensyndrom mit Bewegungseinschränkung und zeitweiligen Ausstrahlungen rechtsbetont bei Spondylarthrose der unteren Lendenwirbelsäule

 

Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet:

 

  1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
  2. Leichtgradiges diabetisches Polyneuropathiesyndrom.

 

Sie haben ausgeführt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der mit diesen Erkrankungen und Behinderungen einhergehenden Beeinträchtigungen noch körperlich leichte Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen in geschlossenen Räumen mit Publikumsverkehr im Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten könne. Zwischenzeitliches Aufstehen und kurze Gänge seien möglich und für die Wirbelsäule auch erforderlich. Zwangshaltungen mit Bücken, Hocken oder Knien, Tätigkeiten auf Gerüsten oder Leitern seien zu vermeiden. Tätigkeiten an laufenden Maschinen seien aufgrund der Schmerzmedikation gefährlich. Wechsel- oder Nachtschicht sowie hoher Zeit- und Leistungsdruck seien nicht mehr zumutbar. Auch der Tätigkeit als Versicherungskaufmann im Innendienst könne er vollschichtig nachgehen. Der Kläger könne sowohl arbeitstäglich Wegstrecken von viermal mindestens 500 m zu Fuß in einem Zeitaufwand von 15-20 Minuten, wobei sich der Zeitaufwand bei akuten Reizzuständen des rechten Kniegelenkes erhöhen könne, zurücklegen als auch öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit und einen PKW als dessen Fahrer nutzen.

 

Der Kläger hat weiter ausgeführt, dass die von Amts wegen eingeholten Gutachten unrichtig seien. Beim Gutachten von F. fehle eine Vorgeschichte nach Aktenlage. Diese werde nur bruchstückhaft an verschiedenen Stellen im Gutachten erwähnt. Es sei unklar, ob Arbeiten ausschließlich im Sitzen durchgeführt werden könnten. Unter Frage 2 h) gebe sie an, dass er als Hobby unter anderem als Blogger tätig sei. Dies ergebe sich nicht aus der Anamnese. Ihre Auffassung, dass er keine zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen benötige, werde von der Begutachtung nicht getragen. Ihre Ausführungen zur Wegefähigkeit seien nicht nachvollziehbar. Nicht belastbar sei die Einschätzung, er könne weiterhin einen Pkw führen. Ihre Annahme, dass aus den vorliegenden Befunden eine weitergehende Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit nicht abgeleitet werden könne, werde von ihr nicht begründet. Hinsichtlich weiterer Punkte verweise sie ohne eigene Ausführungen auf das Hauptgutachten des K.. Zusammenfassend seien gewisse Belastungstendenzen zu seinen Lasten zu erkennen. Das Gutachten von K. überzeuge nicht. Er sei in der Begutachtungssituation mit Stromstößen untersucht worden ohne darüber vorab aufgeklärt worden zu sein. Die Untersuchungen seien sehr schmerzhaft für ihn gewesen. Die Leistungsbeurteilung des K. werde durch dessen Ausführungen nicht gestützt. Es fehle an einer nachvollziehbaren Begründung.

 

Das SG hat ergänzende Stellungnahmen der Orthopädin F., eingegangen am 11.02.2021, und des Neurologen und Psychiaters K. vom 19.02.2021 eingeholt. Frau F. ist bei ihrer Auffassung verlieben und hat klargestellt, dass ein andauerndes und ständiges Sitzen nicht erforderlich sei. Die Verweise auf das Hauptgutachten würden sich daraus ergeben, dass es sich bei diesen Punkten um neurologisch-psychiatrische Fragestellungen gehandelt habe. K. hat betont, dass er über sämtliche Untersuchungsmaßnahmen aufgeklärt und deren Nutzen erläutert habe. Er habe auch darauf hingewiesen, dass diese freiwillig und risikolos seien. Im Übrigen habe er sämtliche seiner Ausführungen hinreichend dokumentiert dargelegt.

 

Sodann hat das SG eine Arbeitgeberauskunft vom 19.10.2021 mit Tätigkeitsbeschreibung eingeholt. Darin hat der Arbeitgeber auf den am 01.07.2019 eingetretenen Vorruhestand des Klägers hingewiesen. Die Tätigkeit des Klägers als Direktionsbevollmächtigter im Direktionsaußendienst setze die Berufsausbildung eines Versicherungskaufmannes voraus. Wegen der beruflichen Vorerfahrung habe die Anlernzeit weniger als drei Monate betragen. Im Übrigen benötige man einen Führerschein. Es habe sich um eine mittelschwere Tätigkeit (65 % Sitzen, 20 % Gehen und 15 % Stehen) ohne Zwangshaltungen und ohne Schichtarbeit gehandelt.

 

Die Beklagte hat eine weitere berufskundliche Stellungnahme vom 21.10.2021 mit berufskundlichen Unterlagen aus „berufenet“ der Bundesagentur für Arbeit zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzversicherungen, Versicherungsvertragsverwalter, Versicherungssachbearbeiter und Versicherungsantragsbearbeiter zur Gerichtsakte gereicht und darauf hingewiesen, dass Versicherungsunternehmen grundsätzlich arbeitsteilig in Innen- und Außendienst organisiert seien, wobei der Kläger noch auf ausreichende Tätigkeiten im Innendienst verwiesen werden könne.

 

Der Kläger hat weiter ausgeführt, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters unter Bezugnahme auf eine Stellenausschreibung vom 01.01.1986 nicht vergleichbar mit der eines Innendienstmitarbeiters oder gar eines Sachbearbeiters sei. Die Arbeitgeberauskunft sei teilweise unrichtig. Er habe nicht als Industriemakler gearbeitet. Die Tätigkeit sei auch mit schweren körperlichen Arbeiten verbunden gewesen. Die Arbeitshaltung werde in der Arbeitgeberauskunft falsch beurteilt. Die Arbeit sei mit Zwangshaltungen aufgrund der vielen Autofahrten verbunden gewesen. Unzutreffend sei, dass er keine Schichtarbeiten habe leisten müssen. Er habe öfter auch nachts gearbeitet, um Stellungnahmen und Ergebnisniederschriften zu fertigen. Bei einer reinen Innendiensttätigkeit würden zudem ganz andere EDV-Kenntnisse verlangt. Im Übrigen habe er auch sehr viele Aus- und Weiterbildungen geleitet.

 

Mit Urteil vom 24.05.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) habe, weil er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Er könne noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich arbeiten. Der Arbeitsmarkt seit für den Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt der aufgehobenen Wegefähigkeit verschlossen. Dies entnehme die Kammer den Gutachten der nach § 106 SGG angehörten Sachverständigen K. und F. sowie ihren ergänzenden Stellungnahmen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Zwar könne er seine letzte Tätigkeit als Underwriter (Besichtiger von gewerblichen Objekten und Berater für Kunden und Vertriebspartner) im industriellen Kundensegment auch nach Auffassung der Beklagten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Unter Berücksichtigung seiner außertariflichen Vergütung und der nach den vorgelegten Zeugnissen bestehenden besonderen Expertise des Klägers, könne er als besonders qualifizierter Facharbeiter eingeordnet werden. Die Beklagte habe den Kläger dann jedoch zutreffend auf den Verweisungsberuf eines Versicherungskaufmanns im Innendienst verwiesen.

 

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 01.07.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.07.2022 Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass es ihm weder gesundheitlich noch sozial zumutbar sei, auf andere Tätigkeiten verwiesen zu werden. Das SG habe sich offensichtlich schematisch an einem sogenannten Mehrstufenschema orientiert, ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Die von ihm ausgeübte Tätigkeit würde nunmehr einen Hochschulabschluss erfordern und sei daher auf Stufe VI einzuordnen. Die benannte Vergleichstätigkeit entspreche demgegenüber nur Stufe II oder III.

 

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.05.2022 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2019 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 04.07.2018 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Unter Einreichung einer weiteren berufskundlichen Stellungnahme vom 31.01.2023 führt sie aus, dass der von dem Kläger ausgeübte Beruf bestenfalls der Berufsgruppe der spezifisch qualifizierten Angestellten zuzuordnen sei. Daher sei nur eine Verweisung auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes der oberen und unteren Anlernebene ausgeschlossen. Die Dreimonatsfrist als Anlernzeit gelte im Übrigen nur für berufsfremde Tätigkeiten. Bei der benannten Tätigkeit des Versicherungskaufmanns und Sachbearbeiters handele es sich auch weder um einen typischen Schonarbeitsplatz noch um einen Arbeitsplatz, der im Beförderungswege nur an verdiente Mitarbeiter des eigenen Betriebs vergeben werde. Unter Einreichung einer weiteren berufskundlichen Stellungnahme vom 05.04.2023 weist sie unter Bezugnahme auf den beigefügten Tarifvertrag für die private Versicherungswirtschaft darauf hin, dass die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit der Gehaltsgruppe V zuzuordnen sei. Unter Berücksichtigung der gängigen Stellenportale stünden ausreichende Beschäftigungsangebote im Bereich der Verweisungstätigkeit zur Verfügung.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

 

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist entsprechend des beschränkten Antrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2023 nur noch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 04.07.2018.

 

Das SG hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 24.05.2022 abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 19.09.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2019 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

 

Zur Überzeugung des Senates besteht für den Kläger kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI, da er ausgehend von dem Hauptberuf als Underwriter/Direktionsbevollmächtigter für Sachversicherungen im Außendienst entsprechend des Mehrstufenschemas für Angestellte auf eine Tätigkeit als Underwriter/Direktionsbevollmächtigter im Innendienst bzw. als Versicherungskaufmann im Innendienst verweisbar ist.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

 

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).

 

Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema. Dieses gliedert die Berufe bei Angestellten hierarchisch in sechs Gruppen. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Danach sind zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3); Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6). Eine "Verweisung", die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Das "Mehrstufenschema" ist nicht "schematisch" zu handhaben; es lässt durchaus zu, Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen, die dann aber in den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich zu machen sind (BSG, Urteil vom 29.07.2004 – B 4 RA 5/04 R –, Rn. 33; siehe auch Nazarek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 240 SGB VI [Stand: 01.04.2021], Rn. 85 ff. m.w.N).

 

Der Kläger ist vor dem maßgebenden Stichtag geboren. Ausgehend von einer Tätigkeit als Underwriter/Direktionsbevollmächtigter für Sachversicherungen im Außendienst mit Risikobesichtigungen, bei welcher der Senat unter Bezugnahme auf die Arbeitgeberauskunft von einer körperlich mittelschweren bis gelegentlich schweren Tätigkeit allein aufgrund der Risikobesichtigung ausgeht, konnte der Kläger dieser Arbeit im streitigen Zeitraum aufgrund der von den Sachverständigen F. und K. geschilderten qualitativen Leistungseinschränkungen nicht mehr nachgehen.

 

Für den streitentscheidenden Zeitraum ist dabei von folgenden Gesundheitsstörungen auszugehen:

 

1.         Fortgeschrittene Arthrose medial und hinter der Kniescheibe des rechten Knies mit Reiz-erguss und Schleimhautentzündung. Reizzustand des linken Knies mit Flüssigkeit und Schleimhautschwellung bei röntgenologisch noch regelrechtem Befund;

2.         Schultergelenksarthrose der rechten Schulter mit Impingementsyndrom mit leichter Bewegungseinschränkung;

3.         Halswirbelsäulensyndrom mit Bewegungseinschränkung und muskulären Verspannungen;

4.         Lendenwirbelsäulensyndrom mit Bewegungseinschränkung und zeitweiligen Ausstrahlungen rechtsbetont bei Spondylarthrose der unteren Lendenwirbelsäule;

5.         Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und

6.         Leichtgradiges diabetisches Polyneuropathiesyndrom.

 

Unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist der Kläger nur noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, dabei überwiegend im Sitzen zu verrichten. Kurzes Gehen und Stehen sind ihm weiter zumutbar. Er kann nur noch Arbeiten in geschlossenen, wohltemperierten Räumen verrichten. Von dem Kläger können nur noch Arbeiten in Tagesschicht abverlangt werden. Nicht mehr zumutbar sind ihm Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten auf Gerüsten, Leitern und Regalleitern sowie Arbeiten in häufigen Zwangshaltungen mit häufigem Bücken, Hocken oder Knien, Überkopf oder in gebückter Haltung. Arbeiten mit besonderen Einwirkungen von Nässe, Hitze, Kälte, Zugluft, Dampf, Rauch, atembelastenden Stoffen, Lärm und Schmutzeinwirkung kann der Kläger nicht mehr ausüben. Arbeiten an laufenden Maschinen können dem Kläger nicht mehr abverlangt werden. Arbeiten am PC und/oder Bildschirm sind ihm hingegen weiterhin möglich. Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens bestehen nur insoweit, als dass der Kläger keine Arbeiten mit hohen Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit, das Durchsetzungsvermögen, das Durchhaltvermögen und die Nervenkraft mehr verrichten kann. Betriebsunübliche Pausen sind nicht erforderlich. Die Gehfähigkeit ist nicht wesentlich eingeschränkt. Das festgestellte Leistungsbild besteht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für den gesamten streitigen Zeitraum ohne wesentliche Veränderungen.

 

Diese Feststellung ergibt sich aus den überzeugenden, anschaulichen und in sich schlüssigen Gutachten von F. und K. mitsamt den ergänzenden Stellungnahmen. Dabei haben die Sachverständigen auf Basis einer umfassenden Würdigung der Befundberichte und der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren angeforderten Unterlagen das gesamte Erkrankungsbild gewürdigt und insbesondere in Übereinstimmung mit dem Rentengutachten von A. sowie dem eingereichten Gutachten von S. weitestgehend übereinstimmende Befunde und Beeinträchtigungen festgestellt bzw. Diagnosen gestellt. Dabei haben sämtliche Sachverständige unter Bezugnahme auf deren Befunderhebung und Anamnese die von dem Kläger geschilderten, subjektiven schmerzbedingten Einschränkungen berücksichtigt und entsprechend des medizinisch-gutachterlichen Standards gewürdigt, ohne dabei jedoch weitere, insbesondere quantitative oder kognitive Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bei Einhaltung der qualitativen Vorgaben objektivieren zu können.

 

Die darüber hinausgehende subjektive Beschwerdeschilderung des Kläger ist für den Senat demgegenüber nicht nachvollziehbar. So hat der Kläger in sämtlichen Begutachtungssituationen keine orthopädischen Hilfsmittel genutzt, sondern nur von der Nutzung eines Gehstocks berichtet. Ihm ist auch ein problemloses Sitzen auf der Untersuchungsliege möglich gewesen und Schmerzschon- oder Entlastungshaltungen haben nicht beobachtet werden können. Die Ausführungen des Sachverständigen K., wonach eine deutliche Diskrepanz zwischen subjektiver Beschwerdeschilderung und körperlicher Beeinträchtigung bei einem nur geringen Leidensdruck bestehe, ist vor diesem Hintergrund überzeugend.

 

Dem Einwand des Klägers, dass das Gutachten von F. unstrukturiert sei bzw. zunächst ohne eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Aktenlage erfolgt sei, führt nicht zu einer Unverwertbarkeit. Die eigentlichen gutachterlichen Würdigungen und die Befunderhebung geraten nachvollziehbar und anschaulich und die ausführliche Würdigung der Aktenlage ist in der ergänzenden Stellungnahme nachgeholt worden. Auch das Gutachten von K. ist inhaltlich voll verwertbar, weil sämtliche Untersuchungsmethoden leit-liniengerecht eingesetzt worden sind.

 

Den von diesem Leistungsbild abweichenden Befundberichten der behandelnden Ärzte folgt der Senat nicht. Die Befundberichte des Orthopäden T. sind nicht überzeugend, weil eine Vielzahl an Diagnosen überhaupt nicht durch seine Befunde belegt ist und im Übrigen eine bloße Wiedergabe der Angaben des Klägers darstellt. Das von S. mit einem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren begründete herabgesunkene Leistungsvermögen ist durch den Sachverständigen K. als Facharzt mit dem Zusatz spezielle Schmerzmedizin ausreichend (fachnäher) begutachtet und nachvollziehbar bei der Leistungsbeurteilung gewürdigt worden.

 

Die Wegefähigkeit ist zur Überzeugung des Senats ebenfalls erhalten. Nach dem insoweit gebotenen generalisierenden Maßstab reicht es aus, wenn der Versicherte noch in der Lage ist, viermal täglich eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel innerhalb der Hauptverkehrszeit zu benutzen (BSG, Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - m.w.N. juris). Diesen Anforderungen wird der Kläger unter Bezugnahme auf die insoweit übereinstimmenden Ausführungen sämtlicher Sachverständiger und insbesondere auch unter Beachtung der Angaben des Klägers während der Begutachtungen zum Nutzungsverhalten seines PKW gerecht. So übernimmt der Kläger weiterhin das regelmäßige Autofahren, weil die Ehefrau nicht gerne fahre, und er unternimmt auch längere Urlaubsfahrten mit dem PKW.

 

Unter Berücksichtigung seiner außertariflichen Vergütung und der nach den vorgelegten Zeugnissen bestehenden besonderen Expertise, die auch aus den Arbeitgeberbescheinigungen hervorgeht, ist eine Einordnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit des Klägers als Underwriter/Direktionsbevollmächtigter für Sachversicherungen im Außendienst mit Risikobesichtigungen in die Gruppe der Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung, gerechtfertigt. Zwar hat der Kläger lediglich eine zweijährige Ausbildung zum Versicherungskaufmann durchlaufen und verfügt unter Bezugnahme auf das Zeugnis der O. vom 31.01.1998 nur über die Berechtigung, die ehemalige Berufsbezeichnung des Versicherungsfachmanns (BWV) als Ausbildungsstandard in der Versicherungsbranche zur führen, was eher für eine niedrigere Einstufung spricht. Der Senat würdigt jedoch den beruflichen Werdegang des Klägers, welcher sich im Laufe seines Erwerbslebens weitere Kenntnisse durch seine praktische Tätigkeit erworben hat. Auch hat er teilweise Leitungsfunktionen innegehabt und Fortbildungen geleitet. Eine höhere Einstufung scheitert zum einen an den fehlenden erfolgreichen Abschlüssen einer Fachhochschule oder gar eines Hochschulstudiums. Zum anderen stehen einer Höherstufung aber auch die Arbeitgeberbescheinigungen entgegen, wonach für die von dem Kläger konkret ausgeübte Tätigkeit allein der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung eines Versicherungskaufmanns Voraussetzung gewesen ist und die Tätigkeit auch nur eine Anlernzeit von unter drei Monaten erfordert hat.

 

Unter Berücksichtigung dieser Einstufung kann der Kläger sowohl auf der gleichen Stufe auf eine Tätigkeit als Underwriter /Direktionsbevollmächtigter für Sachversicherungen oder andere Versicherungszweige ohne Risikobesichtigungen im Innendienst als auch auf den von ihm erlernten Beruf eines Versicherungskaufmanns im Innendienst als Beruf mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3) verwiesen werden.

 

Unter Bezugnahme auf die Tätigkeitsbeschreibung bei „berufenet“ der Bundesagentur für Arbeit ist das Tätigkeitsbild des Underwriters bei Versicherungen wie folgt gekennzeichnet:

„Underwriter bei Versicherungen gehen bei der Kalkulation von Risiken oder Prämien gewissenhaft und verantwortungsbewusst vor, denn Berechnungsfehler können für die Versicherung gravierende wirtschaftliche Folgen haben. Im Rahmen ihrer Risikoeinschätzungen haben sie mit den unterschiedlichsten Fachleuten zu tun, z.B. aus der Meteorologie, Logistik oder dem Ingenieurwesen. Bei Verhandlungen treten sie freundlich, aber überzeugend auf, da sie ihr Unternehmen repräsentieren.

 

Underwriter bei Versicherungen arbeiten überwiegend in Büroräumen am Computer, wo sie beispielsweise Versicherungsverträge ausarbeiten, Versicherungsprämien kalkulieren oder Versicherungsrisiken beurteilen. Im Außendienst besichtigen sie z.B. Versicherungsobjekte wie Maschinen und Anlagen, schulen Versicherungsmakler/innen oder beraten Kunden. Bei der Termingestaltung richten sie sich nach den Wünschen ihrer Kunden.“

 

Diesem Anforderungsprofil konnte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum unter Bezugnahme auf das dargestellte Leistungsbild noch in Vollzeit für eine Innendiensttätigkeit ohne Risikobesichtigung gerecht werden. Der Senat geht dabei in Übereinstimmung mit den berufskundlichen Stellungnahmen der Beklagten, der Tätigkeitsbeschreibung von berufenet sowie unter Berücksichtigung der gängigen Stellenportale davon aus, dass entsprechend der in Versicherungsunternehmen grundsätzlich bestehenden arbeitsteiligen Struktur von Innen- und Außendienst es sich bei der Arbeit eines Underwriters im Innendienst um eine Tätigkeit handelt, von der es eine genügende Anzahl von vorhandenen allgemein zugänglichen Arbeitsplätzen gibt. So ergibt bereits eine einfache Stellensuche für das Tätigkeitsfeld des Underwriters im Internet 2.318 Treffer, davon 418 in der Versicherungsbranche (vgl. etwa https://www.stepstone.de/jobs/underwriter; zuletzt abgerufen am 14.11.2023). Auch der Arbeitgeber hat eine grundsätzlich mögliche Versetzung in den Innendienst in die Hauptverwaltung für möglich gehalten und allein wegen der unzutreffenden Annahme einer weggefallenen Wegefähigkeit verneint. Unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seiner langjährigen Berufstätigkeit mit der Leitung von Fortbildungen verfügt der Kläger auch über ausreichende Fähigkeiten sich in andere Fachbereiche des Versicherungswesens binnen drei Monaten einzuarbeiten. In diesem Zusammenhang nimmt der Senat auch auf die eingereichten Zeugnisse Bezug, wonach der Kläger auch als Firmenberater allgemein sowie in den Sparten Sach-, Haftpflicht-, Transport, technische Versicherungen, Kraftfahrt-Firmengeschäft und Firmenrechtsschutz tätig gewesen ist und er sich auch spartenübergreifendes Wissen „schnellstens“ aneignen konnte.

 

Darüber hinaus ist der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG davon überzeugt, dass dem Kläger die Verweisung auf die von der Beklagten benannte Tätigkeit als Versicherungskaufmann im Innendienst sozial zumutbar ist, da er in diesem Beruf nicht nur erfolgreich ausgebildet worden ist, sondern auch durchgängig im Versicherungswesen tätig gewesen ist, Fortbildungen von und für Versicherungskaufleute geleitet sowie mit diesen zusammengearbeitet hat. Der Einwand des Klägers, dass er nicht über die nötigen Fachkenntnisse für eine Tätigkeit als Versicherungskaufmann im Innendienst verfügen würde, verfängt vor diesem Hintergrund nicht. Schließlich hat sich der Kläger von seiner Tätigkeit als Versicherungskaufmann nie gelöst, sondern nach seiner Ausbildung weitere fachliche Qualifikationen durch seine praktische Tätigkeit erworben. Dass der Kläger gesundheitlich in der Lage ist, als Versicherungskaufmann im Innendienst in Vollzeit tätig zu sein, folgt dabei explizit aus den Sachverständigengutachten, was angesichts des festgestellten positiven Leistungsbildes für eine weitüberwiegende Bürotätigkeit am PC auch schlüssig ist. Bei dem Berufsbild des Versicherungskaufmanns handelt es sich unter Bezugnahme auf im Jahr 2022 im Innendienst in Versicherungsunternehmen in Deutschland rund 164.300 beschäftigten Personen auch um einen sogenannten „arbeitsmarktgängigen“ Arbeitsplatz (vgl. hierzu, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/449635/umfrage/beschaeftigte-innendienst-der-versicherungsunternehmen-in-deutschland/, zuletzt abgerufen am 14.11.2023).

 

Sofern der Kläger einwendet, dass er nicht über die erforderlichen EDV-Kenntnisse für eine Innendiensttätigkeit verfüge und er sich diese auch nicht binnen drei Monaten aneignen könne, so folgt der Senat diesem Vortrag nicht. Der Darstellung des Klägers steht bereits entgegen, dass er auch bisher immer am PC zur Vor- und Nachbearbeitung der Termine tätig gewesen ist und die Einschränkung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit weit überwiegend mit Ausnahme der Schmerzstörung auf rein körperliche Beschwerden zurückzuführen ist. Daher ist er auch weiterhin in der Lage, entsprechende Arbeiten am PC auszuführen. Sich in neue Anwendersoftware oder andere Betriebssysteme einarbeiten zu müssen, geht im Übrigen mit jeder Tätigkeit einher, die einen regelmäßigen Einsatz von Computern – wie auch die zuletzt vom Kläger ausgeübte Tätigkeit – erfordert. Eine gewisse Einarbeitungszeit ist diesen Tätigkeiten daher immanent und betriebsüblich. Weder seine behandelnden Ärzte noch die Sachverständigen haben kognitive oder intellektuelle Einschränkungen dergestalt feststellen können, dass dem Kläger eine Arbeit am PC bzw. die Einarbeitung in ein Betriebssystem oder anwenderspezifische Software in einer Zeit von drei Monaten nicht mehr möglich ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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