L 14 KR 413/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KR 413/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Eine durch betrügerische Handlungen einer Pflegekraft verursachte bzw. ermöglichte Zweckverfehlung des Persönlichen Budgets (hier: durch sogenannte Kickback-Zahlungen) kann einen Anspruch auf deliktischen Schadensersatz der Krankenkasse begründen, selbst wenn der Bedarf des Berechtigten in dem vom Persönlichen Budget zugrunde gelegten Umfang bestanden hätte (Anschluss an Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. November 2019 – L 11 KR 2795/19 B, juris).

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 10.036  Euro festgesetzt.

 

 

 

Gründe

 

1.         Die Entscheidung über die Kosten ergeht nach Beendigung des Verfahrens in anderer Weise als durch Urteil von Amts wegen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i.V.m. § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 154 bis 162 VwGO sind entsprechend anzuwenden (§ 197a SGG). Weder die Klägerin noch die Beklagte waren in der Eigenschaft als Versicherter oder Leistungsempfänger am Verfahren beteiligt.

 

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Damit richtet sich die Kostenentscheidung nach § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. § 160 VwGO war hingegen nicht heranzuziehen, da die Frage der Kostentragung ausdrücklich von der Einigung im Vergleich ausgenommen worden ist. § 160 VwGO findet unmittelbar nur auf solche Prozessvergleiche Anwendung, in denen keine Kostenregelung getroffen worden ist und die Beteiligten sich ferner darüber einig sind, dass über die Kosten nicht mehr gestritten werden soll. Beschränkt sich die Regelung im Vergleich hingegen ausdrücklich auf die Hauptsache, gilt § 160 VwGO nicht. Denn hier wird nicht der Rechtsstreit insgesamt erledigt, sondern er bleibt im Kostenpunkt anhängig. Wer in diesem Fall die Kosten zu tragen hat, ist entsprechend § 161 Abs. 2 VwGO vom Gericht zu bestimmen (Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 2. August 2023 – 1 LC 242/22 –, Rn. 2, juris, m.w.N.).

 

Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Dabei ist in der Regel der vermutliche Verfahrensausgang im Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärungen von Bedeutung; es ist allerdings nicht Aufgabe der Kostenentscheidung, den Streitfall hinsichtlich aller tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen. Damit entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der im Ergebnis dieser nur summarischen Prüfung voraussichtlich unterlegen wäre (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2008 – L 26 B 360/08 AS –, Rn. 6, juris).

 

Im Zeitpunkt der Erledigungserklärung hatte die Berufung der Klägerin Aussicht auf Erfolg. Es erscheint daher sachgerecht und angemessen, der Beklagten die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen.

 

Die Berufung der Klägerin war zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG), sowie statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Sie war auch begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat nach §§ 823 Abs. 2, 830 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. §§ 263, 27 Strafgesetzbuch (StGB) Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte.

 

Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gelten für die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten und sonstigen Leistungserbringern die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem 4. Kapitel des SGB V vereinbar sind. Das bedeutet, dass den Regelungen des SGB V der Vorrang zukommt und die Vorschriften des BGB nur dann ergänzend herangezogen werden können, wenn die genannten Rechtsbeziehungen nicht abschließend im SGB V geregelt sind. Das ist vorliegend nicht der Fall, denn das SGB V enthält keine abschließenden Regelungen zu einer Schadensersatzpflicht. Die Anwendung der §§ 823 ff. BGB ist daher nicht ausgeschlossen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Oktober 2011 – L 11 KA 30/09 –, Rn. 33, juris).

 

  1. Nach § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Schutzgesetz in diesem Sinne ist § 263 Abs. 1 StGB. Danach ist derjenige, der in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines Anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, mit Freiheits- bzw. Geldstrafe wegen Betrugs zu bestrafen. Der von § 823 Abs. 2 BGB vorausgesetzte „Verstoß“ gegen ein Schutzgesetz erfordert, dass der objektive und subjektive Tatbestand des Schutzgesetzes erfüllt sind, nicht aber, dass eine entsprechende strafrechtliche Verurteilung erfolgt ist.

 

Die der Beklagten vorgeworfene unerlaubte Handlung erfolgte im Rahmen der Versorgung des bei der Klägerin krankenversicherten M E (nachfolgend als Versicherter bezeichnet) mit häuslicher Krankenpflege und deren Abrechnung. Nach den Aussagen des Zeugen G und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagte gewusst hat, dass durch die Vorlage unzutreffender Rechnungen und durch Vorlage manipulierter Dienstpläne gegenüber der Klägerin vorgetäuscht werden sollte, dass der Versicherte ausschließlich und dauerhaft durch sie, die Beklagte, und die anderen beauftragten Pflegekräfte und nicht – zeitweise – (auch) durch Familienangehörige gepflegt wurde. Zur Überzeugung des Senats steht daher auch fest, dass die Beklagte in Zusammenwirken mit dem Versicherten bzw. mit dessen Eltern einen Betrug zu Lasten der Klägerin begangen hat. Die Beklagte war mindestens als Gehilfin i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB an der Tat der Familie des Versicherten beteiligt. Nach dieser Vorschrift wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

Im Rahmen des § 263 Abs. 1 StGB ist zu prüfen, ob die Tatbestandsmerkmale Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung und Vermögensschaden erfüllt sind. Die Täuschung des Täters muss einen Irrtum des Getäuschten hervorgerufen haben, der Irrtum muss zu einer Vermögensverfügung und diese dann zu einem Vermögensschaden geführt haben. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

 

  1. Eine Täuschungshandlung i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Die Beklagte hat im Zusammenwirken mit der Familie des Versicherten die Klägerin über die rechtmäßige Verwendung des für den Versicherten gezahlten Persönlichen Budgetsgetäuscht.

 

Bei dem Persönlichen Budget handelt es sich nicht um eine neue Leistungsart, sondern um eine alternative Leistungsform. Ziel des Persönlichen Budgets ist es, dem Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch [SGB IX] i.d.F. bis zum 31. Dezember 2017 [a.F.], seit 1. Januar 2018: § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der Leistungsberechtigte erhält im Rahmen des Persönlichen Budgets einen Geldbetrag, mit dem er die erforderlichen Leistungen selbstbestimmt „einkaufen“ kann. Der im Rahmen des Persönlichen Budgets auszuzahlende Geldbetrag bestimmt sich gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX a.F., § 29 Abs. 2 Satz 6 SGB IX nach dem individuell festgestellten Bedarf; dabei soll gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX a.F., § 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. November 2019 – L 11 KR 2795/19 B –, Rn. 22, juris). Das Persönliche Budget unterliegt einer strikten Zweckbindung. Ist es ausgeschlossen, dass gezahlte Geldleistungen noch für die Deckung eines festgestellten Bedarfs verwendet werden können, gibt das Persönliche Budget keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen dieses Geldes. Daher kann eine durch betrügerische Handlungen einer Pflegekraft verursachte bzw. ermöglichte Zweckverfehlung des Persönlichen Budgets einen Anspruch auf Schadensersatz der Krankenkasse begründen, selbst wenn der Bedarf des Berechtigten in dem vom Persönlichen Budget zugrunde gelegten Umfang bestanden hätte (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. November 2019 – L 11 KR 2795/19 B –, Rn. 28, juris).

 

Die Beklagte hat falsche Tatsachen vorgespiegelt bzw. wahre Tatsachen entstellt oder unterdrückt, indem sie einerseits dem Versicherten für (angeblich) erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege in der Form der Beatmungspflege Stundensätze von 26 Euro in Rechnung gestellt hat, obwohl sie für ihre Leistungen tatsächlich nur 26 Euro abzüglich 16,80 Euro erhalten hat. Denn der Vater des Versicherten hat ihr wiederum für angeblich erbrachte „Leistungen der Pflegeassistenz“ Stundensätze von 16,80 Euro in Rechnung gestellt, die die Beklagte auch bezahlt hat, ohne dies in ihren Rechnungen an den Versicherten kenntlich zu machen. Die Beklagte hat zur Überzeugung des Senats ferner falsche Angaben über ihre tatsächlichen Einsatzzeiten, die nicht den arbeitsrechtlichen Vorgaben entsprachen, gemacht, indem sie in den – mutmaßlich von der Mutter des Versicherten vorbereiteten – Dienstplänen, die der Klägerin zur Abrechnung des Persönlichen Budgets eingereicht wurden, Angaben zu Dienst- und Schichtzeiten mit ihrer Unterschrift bestätigte, obwohl die dortigen Angaben nicht der Wahrheit entsprachen.

 

Indem die Beklagte falsche Rechnungen ausgestellt hat und falsche Angaben in Dienstplänen unterschriftlich bestätigt hat, hat sie es den Eltern des Versicherten ermöglicht, Abrechnungsunterlagen an die Klägerin zu übersenden, die wahrheitswidrige Angaben enthielten. Insoweit gilt: Außer durch ausdrückliche Erklärung kann eine Täuschung i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt. Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt, die ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt werden. Liegen keine Besonderheiten vor, kann regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation geschlossen werden. Der Verkehr erwartet im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 25. Juli 2017 – 5 StR 46/17 –, Rn. 44, juris, m.w.N.).

  1. Im vorliegenden Fall ist auf die durch die Vorschriften des SGB V geprägten normativen Erwartungen der jeweiligen Krankenkassenmitarbeiter abzustellen. Danach enthält die Einreichung von Leistungserbringer-Rechnungen regelmäßig die stillschweigende Erklärung, diese seien in geltend gemachter Höhe endgültig angefallen und nicht – wie hier – durch Kickback-Zahlungen an den Leistungserbringer geschmälert (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 5 StR 46/17 –, Rn. 45, juris).Aufgrund der Täuschung der Beklagten ist die Klägerin irrig davon ausgegangen, dass die Angaben in den Abrechnungsunterlagen, die ihr von dem Versicherten bzw. von seinen Eltern übermittelt wurden, über die Einsatzzeiten und geforderten Rechnungsbeträge der Beklagten der Wahrheit entsprachen.

 

Für den Irrtum der Klägerin ist nicht Voraussetzung, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen im Einzelfall durchgeführt wurde. Jedenfalls bei standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist nicht erforderlich, dass der jeweilige Mitarbeiter hinsichtlich jeder einzelnen geltend gemachten Position die positive Vorstellung hatte, sie sei der Höhe nach berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung“ (BGH, Urteil vom 22. August 2006 – 1 StR 547/05 –, Rn. 34, juris, m.w.N.). Ein Irrtum i.S.d. § 263 StGB ist nicht nur gegeben, wenn der Getäuschte von der Gewissheit der behaupteten Tatsache ausgeht, sondern auch dann, wenn er trotz gewisser Zweifel die Vermögensverfügung trifft, wenn er also die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält. Denn der Getäuschte ist im Regelfall des Betrugs schon dann der List des anderen zum Opfer gefallen, wenn er die Vermögensverfügung trotz eines Zweifels vornimmt. Zweifel an der Wahrheit sind solange irrelevant, als der Getäuschte die Wahrheit der Tatsache noch für möglich hält und die Vermögensverfügung infolge der Täuschung vornimmt (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 – 1 StR 306/16 –, Rn. 44, juris, m.w.N.). Es ist daher für das Tatbestandsmerkmal „Irrtum“ unproblematisch, dass die Klägerin auch noch nach Kenntnis von dem anonymen Hinweis auf Unregelmäßigkeiten bei den Pflegeleistungen für den Versicherten das Persönliche Budget zunächst weitergezahlt hat.

 

  1. Aufgrund ihres Irrtums über die tatsächlichen Abläufe bei der Pflege hat die Klägerin die Abrechnungsunterlagen nicht beanstandet und auf dieser unzutreffenden Grundlage zu hohe monatliche Beträge im Rahmen des Persönlichen Budgets an den Versicherten gezahlt. Die uneingeschränkten, beanstandungslosen Auszahlungen des vereinbarten Budgets sind irrtumsbedingt erfolgt.

 

Ein Vermögensschaden ist der Klägerin durch die zu viel gezahlten Budgetbeträge entstanden. Der Schaden war ursächliche Folge der Verfügungsverfügung.

  1. Die Beklagte hat auch vorsätzlich gehandelt. Vorsatz ist das Wissen und Wollen zur Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Bedingter Vorsatz ist ausreichend. Der Täter muss es lediglich für möglich halten und billigen, durch Täuschung einen Irrtum hervorzurufen und durch die Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten zu veranlassen, der bei diesem zu einem Vermögensschaden führt. Für die Beihilfe i.S.d. § 27 StGB genügt jede vorsätzliche Unterstützung oder Förderung der Haupttat.

 

Die Haupttäter waren der Versicherte selbst bzw. seine Eltern, denn sie haben in den Abrechnungsunterlagen für die Klägerin bewusst Falschangaben zur Höhe der an die Beklagte gezahlten Vergütung sowie zu deren tatsächlichen Einsatz- bzw. Arbeitszeiten gemacht. Der Beklagten war aber bewusst, dass sie die Falschabrechnungen gegenüber der Krankenkasse durch ihren Beitrag unterstützt. Sie hat auch in der Absicht gehandelt, sich selbst durch die gegenüber der Klägerin nicht offengelegten Kickback-Zahlungen, denen eine Absprache zugrunde gelegen haben muss, einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. In diese Absicht eingeschlossen war zwangsläufig auch die Absicht, dem Versicherten bzw. seiner Familie einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, da der gemeinsame Tatplan ansonsten nicht hätte umgesetzt werden können.

 

  1. Rechtswidrigkeit und Schuld sind ebenfalls zu bejahen; Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

 

  1. Rechtsfolge des § 823 Abs. 2 BGB ist, dass die Beklagte der Klägerin den aus der deliktischen Handlung entstandenen Schaden ersetzen muss. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Haben – wie hier – mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, ist jeder für den Schaden verantwortlich (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB); dabei stehen Anstifter und Gehilfen Mittätern gleich (§ 830 Abs. 2 BGB).

 

Die Beurteilung, ob sich jemand als Mittäter oder Gehilfe im Sinne der genannten Bestimmungen an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, richtet sich nach den für das Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen. Die Teilnahme verlangt demgemäß neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern; objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Da Mittäter und Gehilfen gemäß § 830 Abs. 2 BGB deliktsrechtlich gleich zu behandeln sind, kommt es auf diese rechtliche Unterscheidung der Beteiligungsform nicht an. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass für den einzelnen Teilnehmer ein Verhalten festgestellt werden kann, das den rechtswidrigen Eingriff in das fremde Rechtsgut unterstützt hat und das (gemäß den im Rahmen des § 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB maßgeblichen strafrechtlichen Grundsätzen) von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (BGH, Urteil vom 4. November 1997 – VI ZR 348/96 –, Rn. 46 f., juris).

 

Die dargestellten Voraussetzungen einer deliktrechtlichen Beteiligung der Beklagten im Zusammenwirken mit dem Versicherten bzw. seiner Familie sind erfüllt (s.o.).

 

  1. Über die Höhe des geschuldeten Schadensersatzes musste der Senat nicht mehr entscheiden, nachdem die Beteiligten sich in der mündlichen Verhandlung auf einen Vergleichsbetrag geeinigt hatten. Offen bleiben konnte danach auch, ob der erst im Termin zur mündlichen Verhandlung am Sozialgericht Potsdam am 23. September 2021 geltend gemachte Anspruch auf höheren Schadensersatz in Höhe von 10.036 Euro (statt zuvor 8.823 Euro) verjährt ist.

 

2.         Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG und § 47 GKG. Danach bestimmt sich der Streitwert nach dem Antrag des Rechtsmittelführers bzw. ist der Streitwert aus der sich für diesen aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Klägerin hat eine konkret bezifferte Geldleistung geltend gemacht, so dass nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG deren Höhe maßgebend ist.

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 177 SGG, 158 Abs. 2 VwGO).

 

 

 

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