S 5 P 89/22

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Lüneburg (NSB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
SG Lüneburg (NSB)
Aktenzeichen
S 5 P 89/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Nach § 91 Abs. 2 SGB XI Erstattungsberechtigte haben keinen Anspruch auf einen Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Leistungszuschlags nach § 43 c SGB XI.

Die Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert. Sie lebt vollstationär in der Pflegeeinrichtung „F.“. Mit der Einrichtung besteht ein Versorgungsvertrag der Pflegekassen. Bis zum 31.3.2022 bestand mit ihr keine Vergütungsvereinbarung. Die Bewohner der Einrichtung erhielten eine Kostenerstattung nach § 91 Abs. 2 SGB XI.

Mit Schreiben vom 1.4.2022 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Vergütungszuschlag nach § 43 c SGB XI geltend. Sie führte aus, auch bei Erhalt von Leistungen nach § 91 Abs. 2 SGB XI seien die Zuschläge gemäß § 43 c SGB XI zu gewähren.

§ 43 c SGB XI nehme Bezug auf § 43 SGB XI im Allgemeinen und nicht allein auf den in § 43 Abs. 2 SGB XI näher konkretisierten Leistungsbezug. § 43 Abs. 1 SGB XI normiere zunächst einmal den grundsätzlichen Anspruch für alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5. Die §§ 85 bis 89 bzw. § 91 SGB XI, die systematisch in einem anderen Kapitel stünden, regelten hingegen die Höhe der Pflegevergütung. Dabei nehme auch § 91 SGB XI eindeutig Bezug auf die §§ 43 ff. SGB XI. Pflegebedürftige in Einrichtungen ohne Vergütungsvereinbarung im Sinne von §§ 85 ff. SGB XI seien damit grundsätzlich ebenso leistungsberechtigt im Sinne von § 43 SGB XI. Ein Unterschied bestehe lediglich in der Art der Kostenerstattung. Daher müsste diesen Pflegebedürftigen folglich auch der Anspruch nach § 43 c SGB XI gewährt werden.

Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung zu § 43 c SGB XI gestützt. Sinn der Regelung sei es, eine finanzielle Überforderung der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu vermeiden (BT-Drucks. 19/30560, S. 62). Dazu solle der Eigenanteil der Pflegebedürftigen an der Pflegevergütung schrittweise verringert werden. Diese Regelungen bezögen sich nicht allein auf Bezieher von Leistungen nach § 43 SGB XI. In der Gesetzesbegründung werde ausgeführt, mit der jeweils direkten Inrechnungstellung der nach Anwendung der Eigenanteilsbegrenzung verbleibenden Beträge durch die Pflegeeinrichtungen an die Pflegekassen und die Pflegebedürftigen könnten unnötige Vorfinanzierungen und Zahlungsvorgänge vermieden werden. Der Gesetzgeber habe hier mithin nicht nur die Konstellation des § 85 SGB XI vor Augen gehabt, sondern auch die Konstellation des § 91 SGB XI erfassen wollen. Bei dem Bezug der Gesetzesbegründung auf § 43 SGB XI handele es sich nicht um einen Ausschluss der Konstellation nach § 91 SGB XI. Der Satz, bei der Bemessung des Zeitraums würden Monate, in denen nur für einen Teilzeitraum Leistungen nach § 43 bezogen worden seien, voll mitgezählt, stehe nicht entgegen.

Der Kostenerstattungsanspruch nach § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB XI sei anhand der gesetzlichen Leistungshöchstbeträge zu berechnen. Diese seien für die vollstationäre Pflege in § 43 Abs. 2 SGB XI geregelt. Da § 43 SGB XI durch § 43 c SGB XI modifiziert werde, sei § 43 c SGB XI auch im Rahmen der Berechnung nach § 91 Abs. 2 SGB XI anzuwenden. Es sei nicht zu befürchten, dass dadurch der Sinn des § 91 Abs. 2 SGB XI konterkariert werde. In dessen Satz 2 habe der Gesetzgeber widerstreitende Interessen zum Ausgleich gebracht. Zum einen solle die Regelung des Abs. 2 Satz 2 vermeiden, dass das Vergütungssystem durch Preisvereinbarungen zu Lasten der Pflegeversicherungen unterwandert werde. Dies werde durch die Deckelung des Kostenerstattungsanspruchs auf 80 % des gesetzlichen Leistungshöchstbetrages vermieden. Bei § 43 c SGB XI handele es sich aber schon nicht um eine Preisvereinbarung zwischen der Pflegeeinrichtung und der pflegebedürftigen Person, die zu Lasten der Pflegeversicherung abgeschlossen worden sei, sondern um eine Norm, die darauf abziele, eine finanzielle Überforderung der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu vermeiden. Bereits deshalb sei § 43 c SGB XI auch bei der Abrechnung nach § 91 SGB XI zu berücksichtigen.

Der Ausschluss einer Leistungsgewährung nach § 43 c SGB XI stelle zudem eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Bewohner und auch der Pflegeeinrichtungen dar. Es sei insbesondere die Wahlfreiheit hinsichtlich einer Pflegeeinrichtung zu berücksichtigen. Sie, die Klägerin, werde auch ungerechtfertigt benachteiligt, wenn eine Vorschrift, die gerade auf den Schutz vor finanzieller Überforderung ziele, nicht angewandt werden solle. Auch gegenüber den Pflegeheimen, die nach § 91 SGB XI abrechneten, käme es zu einer zusätzlichen Benachteiligung. Kein Pflegeheim könne gezwungen werden, sich auf eine Vereinbarung nach § 89 SGB XI einzulassen. Die Beklagte greife mit der Verwehrung des Leistungszuschlags in unzulässiger Weise in den Wettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen ein, denn die Pflegebedürftigen würden in der Regel die Pflegeeinrichtungen wählen, in der ihnen der Leistungszuschlag nach § 43 c SGB XI gewährt werde.

Wäre § 43 c SGB XI allein im Rahmen der §§ 84 ff. SGB XI zu berücksichtigen, würde sich daraus eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ergeben.

Die Argumentation werde auch durch eine Stellungnahme des ehemaligen Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung gestützt. Dieser äußere sich ausdrücklich dahingehend, dass auch im Rahmen der Berechnung des Kostenerstattungsverfahrens nach § 91 SGB XI der Leistungszuschlag nach § 43 c SGB XI in Höhe von 80 % zu berücksichtigen sei.

Mit Bescheid vom 13.4.2022 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Leistungszuschlags ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, der Leistungszuschlag nach § 43 c SGB XI sei an den Bezug von Leistungen nach § 43 SGB XI gebunden. Die Klägerin erhalte von der Beklagten jedoch keine Leistungen nach dieser Vorschrift, sondern nach § 91 SGB XI.

Hiergegen legte die Klägerin unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 1.4.2022 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1.8.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, Pflegebedürftige in zugelassenen Pflegeeinrichtungen, mit denen keine Vergütungsvereinbarung bestehe, vereinbarten den Preis für die stationäre Pflege direkt mit der Einrichtung. Sie erhielten nach § 91 SGB IX eine Kostenerstattung in Höhe von 80 % des Leistungsbetrags bei stationärer Pflege. Der Wortlaut des § 43 c SGB XI beschränke den Leistungszuschlag ausschließlich auf Bezieher von Leistungen nach § 43 SGB XI. Erstattungsberechtigte nach § 91 SGB XI würden in § 43 c SGB XI nicht benannt.

Darüber hinaus beziehe sich der Leistungszuschlag nach § 43 c SGB XI auf den Eigenanteil, den ein Empfänger von stationärer Pflege zu leisten habe. Erstattungsempfänger nach § 91 SGB XI hätten keinen Eigenanteil an das Pflegeheim zu entrichten. Sie seien verpflichtet, den Gesamtbetrag zu zahlen, und bekämen auch nur einen anteiligen Zuschuss von der Pflegekasse.

Die Klägerin hat am 29.8.2022 Klage erhoben. Sie trägt vor, sie begehre den Leistungszuschlag ab dem 1.1.2022. Sie erhalte bereits seit mehr als 36 Monaten Leistungen der vollstationären Pflege. Der monatliche Leistungszuschlag belaufe sich daher zum Stand Januar 2022 auf 656,08 €.

Nach dem Wortlaut des § 43 c SGB XI erhielten Pflegebedürftige einen Leistungszuschlag zu dem selbst zu tragenden Eigenanteil an pflegebedingten Aufwendungen. Pflegebedingte Aufwendungen seien nach § 4 Abs. 2 SGB XI Aufwendungen, die für die Versorgung der Pflegebedürftigen nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit erforderlich seien. Ausgenommen seien somit Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten, wohingegen Personalkosten einschließlich der Ausbildungskosten nicht erfasst würden.

Die Vorschrift biete keine Anhaltspunkte dafür, dass zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen darüber hinaus erforderlich sei, dass vollstationär Leistungen in einer Einrichtung mit bestehender Vergütungsvereinbarung in Anspruch genommen würden. Die Einengung der Tatbestandsvoraussetzungen widerspreche offensichtlich der gesetzgeberischen Konzeption. Es gehe dem Gesetzgeber um die Entlastung aller Pflegebedürftigen. Dass mit dem Begriff der Leistung im Rahmen des § 43 c SGB XI nicht auf das Sachleistungsprinzip abgestellt werde, werde durch den Sprachgebrauch des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung deutlich. Im Rahmen der Begründung spreche der Gesetzgeber von Leistungen, während er an anderen Stellen, wenn es eben auf die Differenzierung ankomme, von Pflegesachleistungen oder Sachleistungen spreche.

Die Beklagte trägt mit Schriftsatz vom 7.11.2022 vor, seit dem 1.4.2022 habe die Klägerin einen Anspruch auf einen Leistungszuschlag gemäß § 43 c SGB XI. Der Leistungszuschlag von 46,53 € monatlich sei am 12.10.2022 ausgezahlt worden.

Die Klägerin trägt hierzu vor, auch für den Zeitraum ab dem 1.4.2022 sei das Verfahren nicht für erledigt zu erklären, da die Beklagte hinsichtlich des Leistungszuschlags lediglich den Bezugszeitraum ab dem 1.4.2022 berücksichtige. Dies führe zu entsprechend geringeren Zuschlägen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 13.4.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.8.2022 und unter Abänderung des Teilanerkenntnisses vom 7.11.2022 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1.1.2022 einen Leistungszuschlag nach § 43 c SGB XI in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 13.4.2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides nach dem Teilanerkenntnis vom 7.11.2022 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat keinen über das Teilanerkenntnis hinausgehenden Anspruch auf einen Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI.

Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, die bis einschließlich zwölf Monate Leistungen nach § 43 beziehen, erhalten nach Satz 1 dieser Vorschrift einen Leistungszuschlag in Höhe von 5 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen. Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, die seit mehr als zwölf Monaten Leistungen nach § 43 beziehen, erhalten einen Leistungszuschlag in Höhe von 25 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen (Satz 2). Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, die seit mehr als 24 Monaten Leistungen nach § 43 beziehen, erhalten einen Leistungszuschlag in Höhe von 45 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen (Satz 3). Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, die seit mehr als 36 Monaten Leistungen nach § 43 beziehen, erhalten einen Leistungszuschlag in Höhe von 70 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen (Satz 4). Bei der Bemessung der Monate, in denen Pflegebedürftige Leistungen nach § 43 beziehen, werden Monate, in denen nur für einen Teilzeitraum Leistungen nach § 43 bezogen worden sind, berücksichtigt (Satz 5). Die Pflegeeinrichtung, die den Pflegebedürftigen versorgt, stellt der Pflegekasse des Pflegebedürftigen neben dem Leistungsbetrag den Leistungszuschlag in Rechnung und dem Pflegebedürftigen den verbleibenden Eigenanteil (Satz 6).

Die Voraussetzungen dieser Norm erfüllte die Klägerin in den Monaten von Januar bis März 2022 nicht, da sie keine Leistungen nach § 43 SGB XI bezog:

Nach Abs. 1 dieser Regelung haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen.

Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift übernimmt für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen die Pflegekasse im Rahmen der pauschalen Leistungsbeträge nach Satz 2 die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Der Anspruch beträgt nach Abs. 2 Satz 2 je Kalendermonat

1. 770 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2,

2. 1 262 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3,

3. 1 775 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4,

4. 2 005 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.

Abweichend von Satz 1 übernimmt die Pflegekasse auch Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, soweit der nach Satz 2 gewährte Leistungsbetrag die in Satz 1 genannten Aufwendungen übersteigt (Abs. 2 Satz 3).

Die in § 43 c SGB XI enthaltene Bezugnahme auf § 43 erstreckt sich nicht allein auf dessen Abs. 1. Für einen Leistungsanspruch nach § 43 c SGB XI ist vielmehr erforderlich, dass eine finanzielle Unterstützung entsprechend § 43 Abs. 2 SGB XI erfolgt. Nicht erfasst sind hingegen Pflegebedürftige, welche lediglich eine Kostenerstattung nach § 91 SGB XI erhalten.

Nach Abs. 1 dieser Vorschrift können zugelassene Pflegeeinrichtungen, die auf eine vertragliche Regelung der Pflegevergütung nach den §§ 85 und 89 verzichten oder mit denen eine solche Regelung nicht zustande kommt, den Preis für ihre ambulanten oder stationären Leistungen unmittelbar mit den Pflegebedürftigen vereinbaren. Nach Abs. 2 der Regelung werden den Pflegebedürftigen die ihnen von den Einrichtungen nach Absatz 1 berechneten Kosten für die pflegebedingten Aufwendungen erstattet (Satz 1). Die Erstattung darf jedoch 80 vom Hundert des Betrages nicht überschreiten, den die Pflegekasse für den einzelnen Pflegebedürftigen nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit nach dem Dritten Abschnitt des Vierten Kapitels zu leisten hat (Satz 2).  

Die Regelung des § 43 c SGB XI spricht in Satz 6 ausdrücklich von einem Eigenanteil des Pflegebedürftigen. Einen solchen haben jedoch nur diejenigen Pflegebedürftigen zu tragen, die Leistungen nach § 43 (Abs. 2) SGB XI beziehen, mit deren Pflegeeinrichtungen also eine Vergütungsvereinbarung besteht. Personen, die einen Anspruch nach § 91 Abs. 2 SGB XI geltend machen können, haben demgegenüber keinen Eigenanteil an die Pflegeeinrichtungen zu zahlen. Sie sind vielmehr verpflichtet, zunächst den gesamten Beitrag zu zahlen und erhalten dann eine begrenzte Erstattung. Schon eine Zusammenschau des Wortlauts der drei Vorschriften steht damit einem Anspruch nach § 43 c SGB XI entgegen. In der Vorschrift wird auf Leistungsberechtigte nach § 43 abgestellt, nicht jedoch auf Erstattungsberechtigte nach § 91 SGB XI.

Bestätigt wird diese Beurteilung durch die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/30560, Seite 62). Darin heißt es unter anderem, um eine finanzielle Überforderung der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu vermeiden, werde der von ihnen zu tragende Eigenanteil an der Pflegevergütung (einschließlich der Ausbildungskosten) mit zunehmender Dauer der vollstationären Pflege schrittweise verringert. Er reduziere sich in den Pflegegraden 2 bis 5 durch einen von der Pflegekasse zu zahlenden Leistungszuschlag um 5 Prozent in den ersten 12 Monaten, nach 12 Monaten um 25 Prozent, nach 24 Monaten um 45 Prozent und nach 36 Monaten um 70 Prozent. Bei der Bemessung des Zeitraums würden Monate, in denen nur für einen Teilzeitraum Leistungen nach § 43 bezogen worden seien, voll mitgezählt. Damit werde die Gesamtbelastung der „Pflegebedürftigen mit Eigenanteilen“ über den Pflegeverlauf deutlich reduziert. Durch die prozentuale „Verringerung des Eigenanteils“ bleibe der Anreiz erhalten, in die Überlegungen zur Wahl eines Pflegeheims auch die Höhe des Pflegesatzes einzubeziehen.

Wie die Klägerin zwar zutreffend vorträgt, liegt das Ziel des Gesetzgebers bei § 43 c SGB XI damit in der Vermeidung einer finanziellen Überforderung. Auch in der soeben dargestellten Gesetzesbegründung wird jedoch auf den von den Pflegebedürftigen zu zahlenden Eigenanteil an der Pflegevergütung abgestellt. Dies zielt allein auf Pflegebedürftige, die in Einrichtungen mit einer Vergütungsvereinbarung untergebracht sind.

Dementsprechend stützt auch der Sinn und Zweck des § 43 c SGB XI die hier vertretene Auffassung. Beabsichtigt war die Verringerung des Eigenanteils. Wie auch in der Gesetzesbegründung ausgeführt, bleibt durch die prozentuale Verringerung des Eigenanteils der Anreiz erhalten, in die Überlegungen zur Wahl eines Pflegeheims auf die Höhe des Pflegesatzes einzubeziehen. Die gesetzliche Regelung hat damit den Zweck, den Pflegebedürftigen ein Kriterium für ihre Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit zu bieten.

Insoweit liegt auch nicht etwa ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) vor. Vielmehr ist es sachlich begründet, dass Bewohner von Einrichtungen ohne Vergütungsvereinbarung im Gegensatz zu solchen mit einer Vergütungsvereinbarung von einem Anspruch nach § 43 c SGB XI ausgeschlossen werden. Für das Gesamtsystem der Sozialen Pflegeversicherung und auch für die Beitragszahler ist es bedeutsam, die Finanzierung bestimmten Grenzen zu unterwerfen. Bei fehlender Bindung einer Pflegeeinrichtung an solche Grenzen besteht hingegen die Möglichkeit der Einrichtung, ihr Angebot hinsichtlich des Leistungsangebotes und der Preisgestaltung freier zu gestalten. Diese Möglichkeit stellt einen sachlichen Grund dar, der nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz die Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung bietet. Würde man eine solche Einrichtung durch weitergehende finanzielle Unterstützung der Pflegebedürftigen mittelbar fördern, liefe dies zu Lasten der Pflegekassen auf eine Umgehung der Vorgabe der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität hinaus.

Die Klägerin erhält damit nicht bereits seit mehr als 36 Monaten, sondern erst seit dem 1.4.2022 Leistungen nach § 43 SGB XI. Über das Teilanerkenntnis hinausgehende Ansprüche stehen ihr daher nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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