L 14 AL 61/23 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 12 AL 36/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 61/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Die Assistenz in Form notwendiger Schulbegleitung für den Besuch der Berufsschule im Rahmen einer dualen Ausbildung ist eine Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen Beruf nach § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX.  Denn der Vorschrift ist eine Einschränkung, dass die schulische Aus- oder Weiterbildung im Rahmen einer dualen Ausbildung nicht gefördert werden darf, nicht zu entnehmen.

Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers werden der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. Juli 2023 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 1. August 2023 bis zum 31. Juli 2024, längstens bis zur Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache, Leistungen zur Teilhabe in Form der Übernahme der Kosten für Unterstützungsleistungen für den Besuch der Berufsschule im dritten Ausbildungsjahr der Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik zu gewähren.

 

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des  gesamten Verfahrens zu erstatten. Darüber hinaus haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

 

Der Antrag des Antragstellers auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

 

Gründe

 

I

 

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Antragsgegnerin) zur Gewährung von Assistenzleistungen für eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik.

 

Bei dem 2004 geborenen Antragsteller bestehen nach einer im Verfahren beigebrachten Stellungnahme der Charité vom 31. März 2023 unter anderem eine ausgeprägte spezifische Sprachentwicklungsstörung mit verbaler Dyspraxie (ein Zustand des erschwerten Ablaufs von Handlungen und Bewegungen), eine Lese- und Rechtschreibstörung sowie eine Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen mit Entwicklungsdyspraxie. Nach einem Neufeststellungsbescheid des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg vom 10. März 2023 ist ihm noch ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen einer globalen Entwicklungsstörung und einer Wirbelsäuleninstabilität zuerkannt; gegen die durch diesen Bescheid erfolgte Herabsetzung des GdB und die Aberkennung von Merkzeichen wird nach Angaben des Antragstellers vorgegangen.

 

Auf einen im Juni 2021 gestellten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hin stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. Juli 2021 dem Grunde nach fest, dass der Antragsteller berechtigt sei, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu beziehen. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Antragsgegnerin dem Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg in Frankfurt (Oder), (dem im vorliegenden Verfahren später zu 1 Beigeladenen) mit, dass die grundsätzliche Kostenzusage für die Arbeitsassistenzkosten ab 1. August 2021 für „max. 36 Monate erteilt“ werde. Man bitte um nachträgliche Abrechnung der Kosten und um Übersendung einer Kopie des Bewilligungsbescheides. Das Landesamt für Soziales und Versorgung bewilligte dem Antragsteller auf der Grundlage dieser Kostenzusage durch Bescheid vom 14. Juli 2021 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 1. September 2021 einen Zuschuss zur Beschäftigung einer Arbeitsassistenz für die Unterstützung in der Berufsschule während der betrieblichen Ausbildung für die Zeit vom 23. August 2021 bis 6. Juli 2022 und durch Bescheid vom 14. Juli 2022 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. August 2022 und vom 1. März 2023 für die Zeit vom 22. August 2022 bis 30. Juni 2023.

 

Am 1. August 2021 begann der Kläger eine Ausbildung zum Fachlageristen, die grundsätzlich zwei Jahre dauert. Daneben besuchte und besucht er weiterhin das Europaschule Oberstufenzentrum Oder-Spree.

 

Mit Schreiben vom 6. Februar 2023 teilte die Mutter und Betreuerin des Antragstellers der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller in Absprache mit dem Betrieb ein drittes Ausbildungsjahr absolvieren werde, wenn er die Prüfung zum Fachlageristen bestehe, sie bitte um Kenntnisnahme, dass die Fördermaßnahmen dann weiterlaufen müssten. Die Antragsgegnerin teilte ihr daraufhin mit Schreiben vom 7. Februar 2023 mit, eine weitere Ausbildungsförderung über die Ausbildung zum Fachlageristen hinaus nicht für erforderlich zu halten.

 

Mit Wirkung zum 1. März 2023 wurde der Berufsausbildungsvertrag dahin geändert, dass nunmehr eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik angestrebt ist, also eine Ausbildung, die drei Jahre dauert. Am 22. Februar 2023 übermittelte der Antragsteller den geänderten Berufsausbildungsvertrag an den Antragsgegner.

 

Mit Bescheid vom 1. März 2023 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Bezug auf die Förderung eines dritten Ausbildungsjahres zur Fachkraft für Lagerlogistik ab. Sie führte zur Begründung aus, dass davon ausgegangen werde, dass die im August 2021 begonnene Ausbildung zum Fachlageristen die Möglichkeit der Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und somit die dauerhafte Integration sicherstelle und angemessen sei. Die Notwendigkeit einer weiteren Förderung zur Fachkraft Lagerlogistik sei nicht gegeben. Die Entscheidung beruhe auf § 19 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

 

Auch gegenüber dem Landesamt für Soziales und Versorgung Frankfurt (Oder) stellte der Antragsteller einen Folgeantrag auf Gewährung von Arbeitsassistenz bzw. Schulbegleitung. Beigefügt war ein Schreiben, das seinen Aussteller nicht erkennen lässt, und mit dem ausgeführt ist, dass der Antragsteller Schulbegleitung in der Berufsschule benötige, da Dyspraxie eine Handlungsplanungsstörung bedeute. Das Landesamt für Soziales und Versorgung leitete diesen bei ihm am 16. März 2023 eingegangenen Antrag mit Schreiben vom 22. März 2023 an die Antragsgegnerin weiter, wo er am 23. März 2023 einging. Außerdem erließ das Landesamt für Soziales und Versorgung auf den genannten Antrag hin am 19. September 2023 einen Ablehnungsbescheid mit der Begründung, dass die Antragsgegnerin keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben habe.

 

Gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. März 2023 wurde Widerspruch eingelegt und ausgeführt, dass der Antragsteller die zweijährige Ausbildung zum Fachlageristen begonnen habe, da zunächst Zweifel bestanden hätten, ob er einer Vollausbildung in der üblichen Ausbildungszeit gewachsen wäre. Zwischenzeitlich habe sich allerdings herausgestellt, dass er unter Zuhilfenahme von Arbeitsassistenz ohne weiteres in der Lage sei, die ausbildungsbedingten Anforderungen zu bewältigen. Sowohl er selbst als auch der Ausbildungsbetrieb seien daher überzeugt, dass er auch die Vollausbildung und den Abschluss als Fachkraft für Lagerlogistik schaffen werde. Hiermit hätte er bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, perspektivisch sei auch mit einer Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb zu rechnen. Die Ausbildung werde noch bis zum 31. Juli 2024 fortgesetzt. Erfolgversprechend sei dies allerdings nur dann, wenn auch die Arbeitsassistenz weiter bestehe, da der Antragsteller nicht in der Lage sei, während der Berufsschule Mitschriften anzufertigen und dem Unterrichtsverlauf zu folgen. Infolge der Änderung des Berufsausbildungsvertrages fänden jetzt die grundsätzlich vorgesehenen Abschlussprüfungen nicht statt, vielmehr erfolgten diese nunmehr erst zum Ende des dritten Ausbildungsjahres. Sofern jetzt keine weitere Förderung erfolge, sei der erfolgreiche Berufsabschluss insgesamt infrage gestellt. Dies gelte es zu verhindern. Er wolle und müsse sich nicht mit der Ausbildung lediglich zum Fachlageristen zufrieden geben. Hingewiesen werde ferner darauf, dass mit Bescheid vom 1. Juli 2021 eine Förderung von 36 Monaten bewilligt worden sei.

 

Am 3. April 2023 hat der Integrationsfachdienst Frankfurt (Oder) eine Fachdienstliche Stellungnahme erstellt und erklärt, dass die Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz für die Berufsschule weiterhin bestehe und in direktem Zusammenhang mit der anerkannten Behinderung stehe. Mit Unterstützung verstehe der Antragsteller die Unterrichtsinhalte und könne selbständig üben.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2023 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Sie führte erneut aus, dass mit der Ausbildung zum Fachlageristen die dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben gesichert sei, da der Arbeitsmarkt hier breit gefächerte Eingliederungschancen biete. Die Vermittlung in Arbeit sei das vorrangige Ziel und diese könne bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung im Sommer 2023 erreicht werden. Bei Bedarf könne eine Unterstützung der Arbeitsvermittlung durch die Agentur für Arbeit erfolgen. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder), die dort zum Aktenzeichen S 12 AL 32 / 23 geführt wird.

 

Einen weiteren, am 21. Juni 2023 bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg gestellten und von dort zunächst an die kontoführende Deutsche Rentenversicherung Bund weitergeleiteten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben leitete letztere mit Schreiben vom 5. Juli 2023 unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 SGB IX an die Antragsgegnerin weiter. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag durch Bescheid vom 12. Juli 2023 unter Verweis auf den Bescheid vom 1. März 2023 sowie das laufende Klageverfahren ab.

 

Am 4. Mai 2023 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder), die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ab dem 1. August 2023 die Kosten für die Arbeitsassistenz für den Besuch der Berufsschule im dritten Ausbildungsjahr zur Fachkraft für Lagerlogistik zu übernehmen. Übermittelt wurden u. a. der geänderte Berufsausbildungsvertrag, die Stellungnahme der Charité vom 31. März 2023, die Fachdienstliche Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 3. April 2023 und für den Antragsteller erfolgte Leistungsbeurteilungen und Zeugnisse.

 

Das Sozialgericht hat am 7. Juni 2023 einen Erörterungstermin durchgeführt und den Ausbilder des Antragstellers, Herrn B, als Zeugen vernommen, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

 

Mit Beschluss vom 31. Juli 2023 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass es an einem Anordnungsanspruch fehle. Bei dem Antragsteller bestehe eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX und er habe grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dies habe die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. Juli 2021 dem Grunde nach festgestellt und entsprechend dem Landesamt für Soziales und Versorgung eine Kostenzusage für die Zeit ab 1. August 2021 für max. 36 Monate erteilt. Entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung seitens der Antragsgegnerin handele es sich bei diesen Leistungen zwar nicht um „Arbeitsassistenz“ im Sinne des Gesetzes, da der Antragsteller eine Assistenz allein für den schulischen Teil seiner Ausbildung begehre. Die benötigte Hilfe in der Berufsschule komme aber grundsätzlich auf der Grundlage des § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX als sonstige Hilfe zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht. Auch bei Prüfung dieser Anspruchsgrundlage komme aber ein über die bisherigen Leistungen hinausgehender Leistungsanspruch nicht in Betracht. Zum einen handele es sich bei den allgemeinen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB III um Ermessensleistungen, bei denen ein Anordnungsanspruch nur glaubhaft gemacht sei, wenn das Ermessen auf Null reduziert sei. Dies sei vorliegend nicht gegeben. Zum anderen könnten Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erforderten (§ 112 Abs. 1 SGB III). Dieser Zielstellung sei die Antragsgegnerin mit der Förderung der Ausbildung des Antragstellers zum Fachlageristen ausreichend gerecht geworden. Eine weitergehende Forderung sei nicht notwendig. Es bestünden auch erhebliche Zweifel daran, dass mit der nunmehr gewünschten Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik dieses Ziel überhaupt erreicht werden könne, denn es sei fraglich, ob der Antragsteller für eine spätere Tätigkeit als Fachkraft für Lagerlogistik ohne dauerhafte Hilfestellung geeignet sei. Mit dem sich aus den beigebrachten Unterlagen und Leistungsbeurteilungen ergebenden Leistungsbild dürfte der Antragsteller eher zur eigenständigen Ausführung der praktischen Tätigkeiten eines Fachlageristen geeignet sein als für die von einer Fachkraft für Lagerlogistik zusätzlich auszuführenden Büroarbeiten, die regelmäßig mit Lesen und Schreiben verbunden seien.

 

Gegen diesen ihm am 3. August 2023 zugegangenen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der am 18. August 2023 eingegangenen Beschwerde. Er trägt vor, dass dahinstehen könne, ob die begehrte Unterstützung als Arbeitsassistenz oder als „sonstige Hilfe“ zu bezeichnen sei, da die Voraussetzungen für die Erbringung dieser Leistungen grundsätzlich die gleichen seien. Er benötige die beantragten Leistungen zum Ausgleich der bei ihm bestehenden behinderungsbedingten Nachteile. Er habe Anspruch darauf, den bestmöglichen Abschluss machen zu können, damit er mit Gesunden gleich ziehen könne. Er müsse die Möglichkeit haben, sein Potenzial voll auszuschöpfen. Die erstinstanzlichen Eignungszweifel würden nicht geteilt. Auch bei dem angestrebten Berufsabschluss Fachkraft für Lagerlogistik handele es sich immer noch um eine vergleichsweise einfache Ausbildung mit relativ geringen Eingangsvoraussetzungen. Auch hier werde überwiegend praktisch gearbeitet und das Berufsbild sei durch viele Routinen geprägt. Der Verdienstunterschied zwischen dem Fachlageristen und der Fachkraft für Lagerlogistik betrage durchschnittlich 20 %. Der Antragsteller hat ferner erklärt, nicht über einzusetzendes Vermögen zu verfügen.

 

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. Juli 2023 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ab dem 1. August 2023 die Kosten für die Unterstützungsleistungen für den Besuch der Berufsschule im dritten Ausbildungsjahr zur Fachkraft für Lagerlogistik zu übernehmen und

 

für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A M zu gewähren.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Sie hält an der Entscheidung fest, dass mit der geförderten zweijährigen Ausbildung zum Fachlageristen eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen gewesen sei. Die weitergehende Förderung zur Fachkraft für Lagerlogistik sei weder erforderlich noch sei der Antragsteller für den nunmehr angestrebten Beruf geeignet. Er benötige hierfür Fähigkeiten, über die er nicht in ausreichendem Maße verfüge. Ferner seien nach § 140 Abs. 1 SGB IX Eingliederungshilfeleistungen nur bei Bedürftigkeit zu gewähren. Eine Förderung gemäß § 112 SGB IX komme nicht in Betracht, weil in dieser Vorschrift ausschließlich rein schulische und hochschulische Erstausbildungs- oder Weiterbildungsangebote geregelt seien, diese rein schulischen Bildungsangebote erbringe der Eingliederungshilfeträger. Eine betriebliche Ausbildung, wie sie vom Antragsteller absolviert werde, könne auf dieser Grundlage nicht gefördert werden.

 

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2023 hat das Gericht das Land Brandenburg, Landesamt für Soziales und Versorgung zum Verfahren gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. Dieses führte aus, dass eine Schulassistenz als Leistung zur Teilhabe an Bildung nach § 112 SGB IX generell von der Eingliederungshilfe und nicht von ihm zu erbringen sei. Es sei als Integrationsamt lediglich für begleitende Hilfen im Arbeitsleben zuständig, aber kein Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 SGB IX. § 112 Abs. 1 SGB IX beziehe sich seinem Wortlaut nach abschließend nur auf die schulische bzw. akademische Ausbildung und nicht auf die betriebliche Ausbildung, welche in Betrieb und Berufsschule stattfinde. Die schulische Berufsausbildung sei der Sammelbegriff für Ausbildungsgänge, die nicht nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung - HwO) geregelt seien. Die Auszubildenden, die nach BBiG/HwO ausgebildet würden, hätten einen Vergütungsanspruch gegenüber dem ausbildenden Betrieb, sodass sie vorrangig der Gruppe der Arbeitnehmer zuzuordnen sein dürften. Leistungen für Bildungsangebote im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung gehörten auch dann nicht dazu, wenn es sich in diesem Rahmen um schulische Ausbildungsabschnitte handele. Diese stellten vielmehr eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben dar.

 

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2023 hat das Gericht den Landkreis Oder Spree, Sozialamt, gemäß § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beigeladen (Beigeladener zu 2). Der Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag und führt aus, dass die begehrte Schulassistenz weder als Leistung der Eingliederungshilfe auf der Grundlage des § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX noch nach § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX in Betracht komme. Denn es handele sich eindeutig nicht um eine schulische, sondern um eine duale Ausbildung mit einem Vergütungsanspruch nach dem BBiG. Der Gesetzgeber nenne in § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB IX ganz bewusst drei unterschiedliche Formen der Bildung, in deren Anschluss eine Hilfegewährung nach § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX in Betracht komme, nämlich die duale, schulische oder hochschulische Berufsausbildung. Da sich in der Aufzählung des § 112 Abs. 1 SGB IX der Begriff der dualen Ausbildung nicht finden lasse, müsse davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Leistungen der Teilhabe an Bildung ganz bewusst nicht auf eine duale Ausbildung habe erstrecken wollen. Dem Wortlaut nach beziehe sich § 112 Abs. 1 SGB IX abschließend nur auf die schulische bzw. akademische und nicht auf die betriebliche Ausbildung, welche in Betrieb und Berufsschule stattfinde. Darüber hinaus stelle sich die beantragte Leistung weder als geeignet noch als erforderlich dar, um das Ziel der Eingliederungshilfe bzw. der Teilhabe an Bildung zu erreichen. Der Antragsteller habe bis zum Jahr 2021 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Einzelfallhelfers zum Besuch der allgemeinbildenden Schule erhalten. Das Ziel der Eingliederungshilfe, nämlich eine Schulbildung und die Erlangung eines Schulabschlusses, seien hierdurch erreicht worden. Das weitergehende Ziel der Eingliederungshilfe, nämlich die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, sei bereits durch die Erlangung des Abschlusses als Fachlagerist erreicht. Der Antragsteller habe hierdurch gute berufliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt, während sich die Verdienstmöglichkeiten im Unterschied zu einer Fachkraft für Lagerlogistik abhängig von regionalen Unterschieden nicht als signifikant darstellten. Die Erreichung eines höherwertigen Berufsabschlusses habe nichts mit der Zielstellung der Eingliederungshilfe und der Teilhabe an Bildung zu tun. Es werde darauf hingewiesen, dass am 21. Juni 2023 auch bei ihm, dem Beigeladenen zu 2, ein Antrag auf ein persönliches Budget zur Eingliederung am Arbeitsmarkt gestellt worden sei, welcher allerdings am 2. August 2023 wieder zurückgezogen worden sei.

 

Mit Schriftsatz vom 9. November 2023 hat der Antragsteller mitgeteilt, die Zwischenprüfung nach § 48 BBiG erfolgreich absolviert zu haben, und eine entsprechende Teilnahmebescheinigung der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg vorgelegt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den des Verwaltungsvorganges der Antragsgegnerin.

 

II.

 

Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs. 1173 SGG) Sie ist auch begründet.

 

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. ein materieller Leistungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund, d.h. eine Eilbedürftigkeit, gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht sind. Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind. Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung bzw. – wenn diese wegen notwendiger Ermittlungen im Eilrechtsschutzverfahren nicht durchführbar ist – eine Folgenabwägung erforderlich, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 23. März 2020 – 2 BvR 2051/19 –, juris, m.w.N.). Auch bei Vornahmesachen ist einstweiliger Rechtsschutz jedenfalls dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 –, juris, m.w.N.).

 

Ein solcher Anordnungsanspruch des Antragstellers auf die begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin besteht zwar nicht aufgrund der Vorschriften des SGB III. Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III. Diesbezüglich wird auf die erstinstanzlichen Ausführungen Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt. Zu Recht ist diesbezüglich erstinstanzlich ausgeführt, dass es sich bei der vom Antragsteller beantragten Leistung um eine im Ermessen der Antragsgegnerin stehende Leistung handelt. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 SGB III, wonach für Menschen mit Behinderungen allgemeine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden „können“, und aus § 3 Abs. 3 SGB III, wonach Leistungen der aktiven Arbeitsförderung Ermessensleistungen sind. Lediglich besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind durch Nr. 8 dieser Vorschrift hiervon ausgenommen. Vorliegend sind jedoch nicht besondere Leistungen zur Teilhabe begehrt, die nach § 118 SGB III lediglich Übergangsgeld, Ausbildungsgeld und die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme umfassen. Vielmehr geht es vorliegend um allgemeine Leistungen, die nach § 115 SGB III u.a. die Berufsausbildung umfassen, bzw. – wenn man den Berufsschulbesuch nicht hierunter erfasst – um sonstige Hilfen auf der Grundlage des § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX. Diese allgemeinen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind Ermessensleistungen. Hier besteht für Betroffene nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) lediglich ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens.

 

Die Antragsgegnerin hat zwar in ihrem ablehnenden Bescheid vom 1. März 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2023 nicht zu erkennen gegeben, dass sie Ermessen ausgeübt hat. Der Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 39 SGB I erstarkt jedoch erst und nur dann zu einem Anspruch auf eine begehrte Leistung, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist, wenn also sämtliche anzustellenden Ermessenserwägungen zu einem einzigen ermessensgerechten Ergebnis führen. Eine derartige Ermessensreduzierung auf Null ist vorliegend nicht gegeben, wie bereits erstinstanzlich begründet wurde. Die Ermessensausübung hat sich zum einen am Ziel der streitigen Leistung zu orientieren. Nach § 49 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Primäres Ziel der Teilhabeleistung, wie auch in § 112 Abs. 1 SGB III beschrieben, ist also die Erlangung der vollen Erwerbsfähigkeit und dadurch die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer. Ein behinderter Mensch kann die berufliche Förderung nicht allein deshalb beanspruchen, weil er den Status eines Behinderten hat, sondern nur so lange, wie ein Rehabilitationsbedarf besteht. Deshalb richtet sich die Rehabilitation grundsätzlich auf die erstmalige Eingliederung (Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 49 SGB IX (Stand: 17.06.2020), Rn. 84 und 100, m.w.N.). Zudem sind bei der Auswahl der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen des Ermessens Kriterien wie Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeiten sowie die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen (§ 112 Abs. 2 S. 1 SGB III).

 

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist das Ermessen der Antragsgegnerin nicht auf Null reduziert. Wie die Antragsgegnerin bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, ist das in § 49 Abs. 1 SGB IX dargelegte Ziel der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, nämlich die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern, vorliegend durch die Ausbildung des Antragstellers zum Fachlageristen erreicht, denn der Arbeitsmarkt bietet hier breitgefächerte Eingliederungschancen. Dahinstehen kann, ob eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik tatsächlich zu einer höheren Einkommenserwartung führt. Denn die Teilhabe des Antragstellers am Arbeitsleben ist durch die Ausbildung zum Fachlageristen aus den genannten Gründen bereits auf Dauer gesichert. Gegenüber dem Landesamt für Soziales und Versorgung wurde erklärend dargelegt, dass der Antragsteller an einer Handlungsplanungstörung leide; bereits dies und die sich aus der  Stellungnahme der Charité vom 31. März 2023 ergebenden Einschränkungen stehen der Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf den gewünschten Ausbildungsberuf entgegen. Der Umstand, dass der Antragsteller ohne vorherige Erklärung der Antragsgegnerin, die Kosten zu übernehmen, bzw. sogar trotz der zuvor erfolgten Ablehnung einer Übernahme weiterer Assistenzkosten seinen Ausbildungsvertrag geändert hat, führt ebenfalls nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch.

 

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach § 116 Abs. 5 SGB III wird eine Verlängerung der Ausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus, eine Wiederholung der Ausbildung ganz oder in Teilen oder eine erneute Berufsausbildung gefördert, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann. Die Gründe, die eine erneute bzw. weitere Förderung rechtfertigen können, müssen also in der Behinderung selbst und ihren Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit liegen. Entgegen den Ausführungen seitens des Antragstellers gilt hier also nicht, dass ein Anspruch auf einen bestmöglichen Abschluss bestehe, damit mit Gesunden gleichgezogen werden könne. Beispielsweise genügt auch allein der Umstand, dass jemandem der erlernte Beruf in der Praxis nicht gefällt, er sich also andere Vorstellungen vom Arbeitsalltag gemacht hat, nicht für eine erneute Förderung der Ausbildung (Jutta Siefert in: Hauck/Noftz SGB III, 5. Ergänzungslieferung 2023, § 116 SGB 3, Rn. 21). Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 116 Abs. 5 SGB III erfüllt seien; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Art oder Schwere der Behinderung des Antragstellers erfordern keine weitere Förderung. Vielmehr trägt der Antragsteller selbst vor, die Anforderungen eines Fachlageristen zu erfüllen, und belegt dies durch Leistungsnachweise. Auch ist die zweite Voraussetzung, dass ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann, ersichtlich nicht gegeben. Diese Voraussetzung muss nach der Vorschrift kumulativ vorliegen. Die Antragsgegnerin ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Ausbildung zum Fachlageristen eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann. Darauf, ob der Antragsteller überhaupt über die erforderlichen Eignungsvoraussetzungen für die von ihm nunmehr verfolgte Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik verfügt, kommt es also letztlich für den geltend gemachten Anspruch nicht an.

 

Entgegen den Ausführungen seitens des Antragstellers folgt ein Anspruch auch nicht daraus, dass eine Förderung im Umfang von 36 Monaten bereits anerkannt bzw. zugesagt worden wäre. Mit dem Bescheid vom 1. Juli 2021 hat die Antragsgegnerin lediglich dem Grunde nach festgestellt, dass der Antragsteller berechtigt sei, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu beziehen. Die an das Landesamt für Soziales und Versorgung mit Datum vom selben Tag erteilte Kostenzusage enthielt nach ihrem Wortlaut lediglich eine Obergrenze, nicht aber eine konkretisierte Kostenzusage für eine bestimmte Leistungsdauer. Das Landesamt für Soziales und Versorgung schließlich hat die Leistungsdauer zuletzt mit Bescheid vom 26. August 2022 ausdrücklich auf die Zeit bis 30. Juni 2023 befristet.

 

Der Antragsteller hat jedoch einen Anordnungsanspruch auf Übernahme der Kosten für die begehrte Schulbegleitung auf der Grundlage des § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX glaubhaft gemacht.

 

Zunächst einmal ist die Antragsgegnerin nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX im Verhältnis zum Antragsteller allein für die Erbringung der beantragten Sachleistung zuständig, da der Antragsteller seinen Antrag vom 6. und 22. Februar 2023 an diese gerichtet und die Antragsgegnerin den Antrag nicht an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat und nachdem ferner die Beigeladene zu 1 den bei ihr am 16. März 2023 gestellten Antrag mit Schreiben vom 22. März 2023, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 23. März 2023, auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX und binnen der hier geregelten Frist an die Antragsgegnerin weitergeleitet hat. Da die Antragsgegnerin zu den in § 6 Abs. 1 SGB IX genannten Rehabilitationsträgern gehört, wird sie hierdurch im Verhältnis zum Antragsteller nach § 14 Abs. 2 S. 4 SGB IX in Verbindung § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX umfassend leistungspflichtig und hat auch Teilhabeansprüche zu prüfen und gegebenenfalls Teilhabeleistungen zu erbringen, die nicht zu ihrer originären Zuständigkeit im Sinne des § 5 SGB IX gehören (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12, Rn. 16, juris).

 

Nach § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe an Bildung Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf. Die vom Antragsteller begehrte und benötigte Assistenz ist eine Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen Beruf, also vom Wortlaut der Vorschrift ohne weiteres erfasst. Die Vorschrift erfordert, dass eine schulische bzw. akademische Ausbildung im weitesten Sinne zugrunde liegt; Leistungen für Bildungsangebote im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz gehören nach dem Vorstehenden dazu, wenn es sich in diesem Rahmen um schulische Ausbildungsabschnitte handelt (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 112 SGB IX (Stand: 01.10.2023), Rn. 60). Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 2 nicht daraus, dass § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB IX im Zusammenhang mit der beruflichen Weiterbildung ausdrücklich eine duale, schulische oder hochschulische Berufsausbildung benennt, während sich diese Aufzählung in § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX nicht vollständig wiederfindet und die duale Ausbildung hier nicht ausdrücklich genannt ist. Denn auch § 112 Abs. 2 S. 1 SGB IX bestimmt, dass die schulische berufliche Weiterbildung gefördert wird; eine Einschränkung, dass die schulische Aus- oder Weiterbildung im Rahmen einer dualen Ausbildung nicht gefördert werden darf, ist dem nicht zu entnehmen. Auch für die einengende Sichtweise der Beigeladenen zu 1, wonach sich § 112 Abs. 1 SGB IX abschließend nur auf die schulische bzw. akademische Ausbildung beziehe, während in der Berufsschule eine betriebliche Ausbildung stattfinde, bei der es sich nicht um eine schulische Ausbildung im Sinne des § 112 SGB IX handele, ergibt sich aus dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes nichts. Vielmehr handelt es sich bei der Ausbildung in der vom Antragsteller besuchten Berufsschule um eine Schule im Sinne der genannten Vorschrift. Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Berufs- oder Weiterbildung sind im gesetzessystematischen Zusammenhang solche, mit denen unmittelbar die Erlangung einer Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG angestrebt wird bzw. ein in den Hochschulgesetzen der Länder oder sonstiger akademischer Berufe geregelter Abschluss angesteuert wird. Die Ausbildung muss also an einen anerkannten Ausbildungsberuf oder einen anerkannten akademischen Beruf heranführen. Allgemein müssen die Leistungen mithin final auf das Ziel einer positiven Entwicklung beruflicher Kompetenzen gerichtet sein (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 112 SGB IX (Stand: 01.10.2023), Rn. 59). Dies trifft in besonderem Maße auf Berufsschulen wie die vom Antragsteller besuchte Schule zu. Bei dem Einsatz eines Schulbegleiters handelt es sich auch grundsätzlich um eine geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. Februar 2013 – 12 CE 12.2104 –, Rn. 52, juris, vgl. auch BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 8/15 R –, Rn. 22, juris).

 

Auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe sind mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit gegeben. Eingliederungshilfe erhalten nach § 99 Abs. 1 SGB IX Menschen mit Behinderungen im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB IX, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 erfüllt werden kann. Nach § 90 Abs. 4 SGB IX ist es besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische bzw. hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

 

Eine wesentliche Behinderung in diesem Sinne liegt beim Antragsteller ausweislich des von ihm beigebrachten Ausweises über seine Schwerbehinderung und beispielsweise nach der ebenfalls beigebrachten Stellungnahme der Charité vom 31. März 2023 vor. Die grundsätzliche Notwendigkeit einer Schulbegleitung ist auch nicht infrage gestellt, zumal die Antragsgegnerin eine solche für die ersten zwei Jahre der Ausbildung bewilligt hatte.

 

Es ist auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass die begehrten Hilfen zur schulischen Berufsausbildung für den Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet und erforderlich sind. Diese Voraussetzungen sind zu prüfen, denn mit unangemessenen Maßnahmen, die den persönlichen Fähigkeiten und Interessen des behinderten Menschen nicht gerecht werden, lassen sich die in § 90 SGB IX aufgeführten Aufgaben sozialer Teilhabe nicht erfüllen (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 112 SGB IX (Stand: 01.10.2023), Rn. 55). Im Kontext der Erforderlichkeits- und Eignungsprüfung sind die Lebenswirklichkeit und die berechtigten Wünsche des behinderten Menschen in die rechtliche Gesamtbetrachtung des Falles einzubeziehen. Die Erforderlichkeitsprüfung darf dabei nicht dazu führen, die Hilfe von vornherein als aussichtslos zu betrachten, solange nicht feststeht, dass der Betroffene im Rahmen einer Ausbildung und späteren Berufsausübung aller Voraussicht nach selbst bei gebotener Unterstützung scheitern wird (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 112 SGB IX (Stand: 01.10.2023), Rn. 28, 29). An der Eignung des Antragstellers für die von ihm begehrte Ausbildung im dritten Lehrjahr bestehen zwar aus den seitens der Antragsgegnerin und auch im erstinstanzlichen Beschluss geäußerten Gründen durchaus Zweifel, die sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allerdings nicht abschließend klären lassen, so dass die Klärung dieser Fragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Auch das Ergebnis der Zwischenprüfung aus Herbst 2023, welche der Antragsteller nur knapp  bestanden hat, vermag diese Zweifel nicht nachhaltig zu zerstreuen.  Allerdings hat der erstinstanzlich im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) gehörte Zeuge B, der der Ausbilder des Antragstellers ist, sich ausdrücklich überzeugt gezeigt, dem Antragsteller die nötigen Voraussetzungen für die von ihm gewünschte Ausbildung beibringen zu können. Schließlich befürwortet der Integrationsfachdienst die weitere Förderung im dritten Ausbildungsjahr. In der Gesamtschau hat der Antragsteller damit noch glaubhaft gemacht, das von ihm angestrebte Bildungsziel erreichen zu können.

 

Dem Erfordernis der Erforderlichkeit steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin für den Antragsteller bereits eine Schulbegleitung für die 2-jährige Ausbildung zum Fachlageristen übernommen hat. Dies folgt bereits aus § 112 Abs. 2 S. 1 SGB IX, wonach Leistungen zur Teilhabe an Bildung auch für eine berufliche Weiterbildung erbracht werden können, sodass bereits grundsätzlich das erstmalige Erreichen eines Ausbildungsziels der Erforderlichkeit nicht grundsätzlich entgegensteht.

 

Der Antragsteller hat ferner im Schriftsatz vom 9. November 2023 erklärt, nicht über zu berücksichtigendes Vermögen zu verfügen, welches gemäß § 140 SGB IX vor der Inanspruchnahme von Leistungen von ihm aufzubringen wäre, was angesichts der Gesamtsituation hinreichend glaubhaft ist.

 

Die Leistung nach § 112 Abs. 1 S. 1 SGB IX steht schließlich auch nicht im Ermessen des zur Leistungsgewährung Verpflichteten.

 

Für die begehrte einstweilige Regelung besteht auch ein Anordnungsgrund. Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 28). Dem Antragsteller droht im Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein wesentlicher Nachteil, d.h. eine über Randbereiche hinausgehende Beeinträchtigung, weil Ausbildungen wie die vorliegend angestrebte nicht beliebig unterbrochen werden können und da angesichts der Notwendigkeit von Ermittlungen nicht abzuschätzen ist, wann mit einer Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen ist.

 

Der Antragsteller war bereits im Termin vom 7. Juni 2023 durch das Sozialgericht darauf aufmerksam gemacht worden, dass er für den Fall, dass im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz eine für ihn positive Entscheidung ergehen sollte, die sich im Hauptsacheverfahren nicht bestätigen sollte, verpflichtet ist, die Kosten für die von der Antragsgegnerin erbrachten Leistungen zu erstatten hat. Diese Verpflichtung beruht auf § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO.

 

Zweifel an der fehlenden Durchsetzbarkeit eines Rückgewähranspruchs begründen im Falle der vorläufigen Leistungsgewährung dabei keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, da ansonsten mittellose Antragsteller entgegen der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz in gerichtlichen Eilverfahren faktisch immer rechtlos gestellt würden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. April 2022 – L 4 KR 40/22 B ER –, Rn. 33, juris).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese aus Gründen der Billigkeit selbst, weil sie keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben.

 

Prozesskostenhilfe (PKH) war für das vorliegende Verfahren gemäß § 73a SGG i.V.m. den §§ 114 ff ZPO nicht zu gewähren, weil der Antragsteller aufgrund der zusprechenden Kostenentscheidung die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen vermag.

 

Gegen diesen Beschluss ist keine Beschwerde an das Bundessozialgericht gegeben (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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