L 11 KR 2777/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 2833/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2777/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die mit Wirkung zum 01.08.2017 eingefügte Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V (Gesetz vom 04.04.2017, BGBl. I, S. 778) entfaltet keine Rückwirkung für davorliegende Zeiten.
2. Im Hinblick auf den weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Sozialversicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zugangs zur KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V a.F. für den hier abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 05.08.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufnahme der Klägerin in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.07.2017 streitig.

Die 1951 geborene Klägerin ist seit 1990 verheiratet. Sie ist Mutter von drei Kindern, geboren 1988, 1991 und1994. Am 01.08.1965 nahm die Klägerin eine berufliche Ausbildung auf, die sie zum 31.08.1968 beendete. Anschließend war sie bis zum 13.04.1988 versicherungspflichtig beschäftigt. Wegen Schwangerschaft, Mutterschutz und Kindererziehung unterbrach sie ihre Erwerbstätigkeit bis zum 31.08.2000. Vom 01.09.2000 bis zum 31.07.2011 war sie versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin war vom 16.10.1968 bis zum 31.12.1990 bei der B1 Ersatzkasse gesetzlich krankenversichert (Blatt 93 der Verwaltungsakten), in der Zeit vom 01.01.1991 bis zum 01.01.1999 privat bei der V1 AG (Blatt 190 der Verwaltungsakten). Anschließend war sie nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung und auch nicht familienversichert (Blatt 192 der Verwaltungsakten). Seit dem 01.09.2000 ist die Klägerin wieder Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse, der Beklagten zu 1 (Blatt 191 der Verwaltungsakten).

Am 27.06.2011 beantragte die Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) eine Altersrente für Frauen. Die Anmeldung zur KVdR übermittelte die DRV am 28.06.2011 an die Beklagte. Seit dem 01.08.2011 bezieht die Klägerin eine Altersrente für Frauen, bis zur Aufnahme in die KVdR zum 01.09.2017 nebst Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung. Die Beklagten führten eine freiwillige Versicherung in der streitigen Zeit durch, wobei insofern noch Streit über die Höhe der zu erhebenden Beiträge besteht.

Mit Bescheid vom 30.06.2011 (Blatt 188 der Verwaltungsakten) lehnten die Beklagten eine Aufnahme der Klägerin in die KVdR ab, weil die Versicherungszeiten nicht erfüllt seien. Gegen den Bescheid vom 30.06.2011 legte die Klägerin Widerspruch ein (Blatt 155 der Verwaltungsakten) und beantragte, sie in der KVdR zu versichern, hilfsweise sie als freiwilliges Mitglied zum Mindestbeitragssatz nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V einstweilen bis zur rechtskräftigen Klärung der Angelegenheit zu versichern. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe durch Beschluss vom 15.03.2000 entschieden, dass es mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar sei, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Halbsatz 1 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung dann von der Krankenversicherung der Rentner ausgeschlossen seien, wenn sie nicht seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens 9/10tel der zweiten Hälfte des Zeitraumes seit Beginn ihrer Erwerbstätigkeit auf Grund einer Pflichtversicherung versichert gewesen seien. Der Verstoß könne nicht nur durch eine Neuregelung des Zugangs der KVdR, sondern auch durch eine Änderung im Beitragsrecht behoben werden. Nachdem der Gesetzgeber seiner Neuregelungspflicht nachgekommen sei, sei § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V unwirksam und die von den Beklagten angewandte 9/10- Regelung greife nicht. Sie gehe davon aus, dass maßgebend für den Zugang zur KVdR der Grundsatz der Halbbelegung sei. Danach müsste die Versicherte mindestens die Hälfte der Zeit vor der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen seien.

Mit Anhörungsschreiben vom 19.08.2014 (Blatt 136 der Verwaltungsakten) legten die Beklagten u.a. die der Bestimmung der Vorversicherungszeiten maßgeblichen Daten dar (Erwerbsleben vom 01.08.1965 bis 26.06.2011, Beginn der zweiten Hälfte des Erwerbslebens 15.07.1988, zweite Hälfte des Erwerbslebens 15.07.1988 bis 26.06.2011, 90% der Zeit = 20 Jahre, 8 Monate und 1 Tag, nachgewiesene Zeiten 10 Jahre, 9 Monate und 27 Tage, Versicherungslücke 15.07.1988 bis 31.08.2000, Fehlzeiten zum Erreichen von 9/10 9 Jahre, 10 Monate und 4 Tage, Hauptursache Versicherungsschutz bei der V1 AG vom 01.01.1991 bis 01.01.1999).

Die Klägerin hielt an ihrem Widerspruch fest (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30.09.2014, Blatt 123 der Verwaltungsakten). Die Weigerung der Beklagten, die Klägerin in die KVdR aufzunehmen, führe im Vergleich zu der derzeit durchgeführten freiwilligen Versicherung zu einer extremen Ungleichbehandlung bei der Beitragsbelastung, was gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit und den Gleichheitssatz verstoße. Die Zurechnung der Kindererziehungszeiten zu Zeiten des Erwerbslebens führe zu einer Diskriminierung aus geschlechtsspezifischen Gründen. Die rentenrechtlich anerkannten Kindererziehungszeiten müssten auch als Zeiten einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gelten. Durch die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V würden im Regelfall Beschäftigte benachteiligt, die während ihres Erwerbslebens überwiegend als Pflichtversicherte durch regelmäßige Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung und ergänzend durch Beiträge zur Rentenversicherung zur Finanzierung des Aufwandes der Krankenversicherung der Rentner beigetragen hätten. Sie - die Klägerin - habe zu keinem Zeitpunkt zum Personenkreis der Beamten oder der Selbstständigen gehört.

Mit Schreiben vom 02.08.2017 beantragte die Klägerin im Hinblick auf Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz <HHVG> vom 04.04.2017, BGBl. I, 778, in Kraft getreten am 01.08.2017) die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses in der KVdR (Blatt 85 der Verwaltungsakten).

Mit Bescheid vom 31.08.2017 teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass die Vorversicherungszeiten um 9 Jahre wegen der Erziehung der Kinder aufgestockt worden seien und die Klägerin ab 01.08.2017 Mitglied in der KVdR sei und die freiwillige Versicherung zum 31.07.2017 ende (Blatt 63 der Verwaltungsakten). Die Klägerin blieb bei ihrem Standpunkt, dass die Durchführung einer freiwilligen Versicherung anstatt einer Mitgliedschaft in der KVdR in der Zeit von August 2011 bis Juli 2017 zu einer diskriminierenden Benachteiligung führe und verfassungswidrig sei. Sie begehrte weiterhin auch für diese Zeit die Aufnahme in die KVdR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2018 (Blatt 6 der Verwaltungsakten) wiesen die Beklagten die Widersprüche der Klägerin gegen den ursprünglichen Ablehnungsbescheid zur KVdR vom 30.06.2011 sowie den erneuten Ablehnungsbescheid vom 27.11.2017 als unbegründet zurück. Im Zeitraum 01.08.2011 bis 31.07.2017 seien die Voraussetzungen der KVdR bei der Klägerin nicht erfüllt. Bezogen auf den Rentenantrag vom 27.06.2011 seien die in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V
geforderten Vorversicherungszeiten für eine Mitgliedschaft in der KVdR mit Rentenbeginn ab 01.08.2011 weiterhin nicht erfüllt. Dem lägen folgende Daten zugrunde:
gesamtes Erwerbsleben im Zeitraum 01.08.1965 bis 26.06.2011
damit Beginn der zweiten Hälfte des Erwerbslebens 15.07.1988
Zeitraum der zweiten Hälfte des Erwerbslebens 15.07.1988 bis 27.06.2011
notwendige Vorversicherungszeit 9/10 dieser Zeit 20 Jahre, 8 Monate und 1 Tag
ursprünglich berücksichtigte Zeit einer Versicherung 10 Jahre, 9 Monate und 27 Tage unter Berücksichtigung einer weiteren Versicherungszeit bei der B1 im Zeitraum vom 15.07.1988 bis 31.12.1990 zusätzlich 2 Jahre, 5 Monate und 16 Tage, damit Summe der Vorversicherungszeiten 13 Jahre, 9 Monate und 13 Tage
Differenz zur erforderlichen Vorversicherungszeit 7 Jahre, 4 Monate und 18 Tage
keine Versicherungszeiten in der GKV 01.01.1991 bis 31.08.2000.
Die bestehende Lücke an Vorversicherungszeiten werde erst durch die zusätzlichen Kinderzeiten nach § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V in der Fassung ab 01.08.2017 geschlossen. Vor dem 01.08.2017 seien notwendigen Vorversicherungszeiten nach wie vor nicht erfüllt. Mit der beibehaltenen Ablehnung der Aufnahme der KVdR in der streitigen Zeit bleibe es für diesen Zeitraum bei der durchgeführten freiwilligen Versicherung.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 06.06.2018 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 22.06.2018 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die wesentlichen Streitpunkte ergäben sich aus unterschiedlichen Auffassungen zu Bedeutung und Tragweite der Entscheidung des BVerfG zur 9/10-Regelung vom 15.03.2020 (1 BvL 19/96). Die Aufnahme in die beitragsgünstige KVdR sei durch die Notwendigkeit der 9/10-Belebung in der Zeit der zweiten Hälfte des Erwerbslebens nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V unangemessen erschwert und führe nun in ihrem Fall zu mehr als dreimal so hohen Beiträgen. Die 9/10-Belegung könne bereits beim Zeitraum der Nichtbelegung von 2 ½ Jahren nicht mehr erreicht werden. Diese kurze Zeitspanne habe keine hinreichende Auswirkung auf die Solidargemeinschaft und könne eine Beitragsdifferenz in Höhe des Doppelten nicht rechtfertigen. Die durch § 240 SGB V eingeführte ungleiche Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage im Rentenalter führe dazu, dass erhebliche Einkommens- und Vermögensanteile der freiwillig versicherten Rentner (benachteiligte Gruppe) dem Beitrag unterworfen würden, die im Falle der pflichtversicherten Rentner (begünstigte Gruppe) beitragsfrei blieben. Dies treffe im größeren Umfang zu und sei nicht mehr gerechtfertigt. Beanstandet werde, dass die Beklagte von einer Differenz zur erforderlichen Vorversicherungszeit von 7 Jahren, 4 Monaten und 18 Tagen ausgehe, weil sie die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit und daraus resultierender Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Zeiten der Kinderziehung als Fehlbelegungszeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V bewerte und die Klägerin deshalb von der KVdR in der Zeit von August 2011 bis Juli 2017 ausschließe. Die Kindererziehungszeiten für die 1988, 1991 und 1994 geborenen Kinder würden nicht berücksichtigt. Erst seit der Gesetzesänderung zum 01.08.2017 werde auf die nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erforderliche Mitgliedszeit für jedes dieser Kinder eine Zeit von drei Jahren angerechnet, sodass ab dem 01.08.2017 keine Fehlbelegung mehr geltend gemacht werde. Eine verfassungskonforme Auslegung im Wege der teleologischen Reduktion erlaube es, Kindererziehungszeiten nicht als Zeiten des Erwerbslebens einzustufen, denn in diesen Zeiten sei die Erwerbstätigkeit gerade wegen der Kindererziehung unterbrochen worden. Deshalb sei es zur Unterbrechung der Mitgliedschaft gekommen. Der Gesetzgeber sehe in der Tatsache, dass für die freiwillige Mitgliedschaft während der Kindererziehung eigene Beiträge zu entrichten seien, aber nicht die Möglichkeit einer beitragsfreien Familienversicherung bestehe, eine Benachteiligung der betroffenen Väter und Mütter und habe deshalb die pauschale Anrechnung von 3 Jahren für jedes Kind auf die Vorversicherungszeit der KVdR mit Wirkung zum 01.08.2017 eingeführt. Die Regelung führe zu der Anerkennung des generativen Beitrags der betroffenen Personen im Rahmen des SGB V, denn sie nehme von der Notwendigkeit der Beitragszahlung bzw. Mitgliedschaft gerade Abstand. Weiterhin seien Kindererziehungszeiten im Bereich der sozialen Sicherung seit langem begünstigend zu berücksichtigen (z.B. bei Rentenansprüchen, bei der Bemessung des Elternbeitrages zur Pflegeversicherung). Es sei systemwidrig, die Kindererziehungszeiten benachteiligend und im Ergebnis beitragserhöhend für die KVdR heranzuziehen. Im Rahmen der in der streitigen Zeit hilfsweise durchgeführten freiwilligen Versicherung sei sie im Vergleich zu der Beitragsbelastung in der KVdR mit mehr als dem dreifachen Versicherungsbeitrag belastet, obwohl der Leistungsumfang im Versicherungsfall identisch sei. Die Mehrbelastung summiere sich auf insgesamt mehr als 14.000,00 €. Diese Beitragsdifferenz stelle eine ungerechte Ungleichbehandlung dar. Sie habe ihre Beschäftigung für die Kindererziehung unterbrochen und sei in dieser Zeit privat krankenversichert gewesen. Die 9/10-Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sei durch das Gesetz vom 20.12.1988 eingeführt und durch das Gesetz vom 21.12.1992 verschärft worden. Vorher habe bis zum 31.12.1988 als Voraussetzung für die Aufnahme in die KVdR gegolten, dass die Rentner die Hälfte der Zeit seit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages gesetzlich versichert gewesen seien. Die 9/10-Regelung lasse die erste Hälfte des Erwerbslebens völlig außer Ansatz und stelle für die Versagung des Zugangs zur KVdR auf eine Nichtbelegung von 1/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens ab. Auf das gesamte Erwerbsleben gesehen, entspreche dies einer Fehlzeit von 1/10 bzw. 10% des gesamten Erwerbslebens. Selbst wenn 95% des Zeitraums mit Beiträgen belegt seien, sei eine Fehlbelegung von 5% in der zweiten Hälfte ausreichend, um den Zugang zur KVdR zu versagen. Diese Regelung sei 1992 dahingehend noch weiter verschärft worden, dass noch Zeiten einer Pflichtversicherung und einer daraus abgeleiteten Familienversicherung, nicht aber aus einer freiwilligen Mitgliedschaft für die Berechnung der Vorversicherungszeiten zu berücksichtigen gewesen seien. Zu dieser Verschärfung habe das BVerfG durch Beschluss vom 15.03.2000 (1 BvL 19/96) entschieden, dass sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Streitgegenstand in jenem Verfahren sei die ungerechte Verschiedenbehandlung von Personen, die mehr als 1/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens nicht oder freiwillig versichert gewesen seien im Vergleich zu den Pflicht- und Familienversicherten. Eine verfassungsrechtliche Prüfung der 9/10-Regelung sei in diesem Fall nicht erfolgt, denn die dem BVerfG vorgelegten Ausgangsverfahren seien von Personen betrieben worden, die sich als freiwillige Versicherte über eine ungerechte Behandlung beschwert hätten. Gleichwohl seien eine Vielzahl von Erwägungen des BVerfG auch auf die 1988 eingeführte 9/10-Regelung anzuwenden. Die von der 9/10-Regelung begünstigte Gruppe, die Aufnahme in der KVdR finden könne, werde ohne sachlichen Grund begünstigt. Sie - die Klägerin - sei im Rentenalter sozial schutzbedürftig. Auch habe sie durch die Geburt ihrer Kinder einen generativen Beitrag geleistet, der das System der sozialen Sicherung stütze. Die Beitragszeiten in der gesetzlichen Sozialversicherung sowie die Zeiten der Kindererziehung stellten den Gesamtbeitrag der klagenden Mutter zu Gunsten der Solidargemeinschaft dar. Die Nachteile mit einer höheren Beitragsmehrbelastung im Rentenalter sei im Vergleich zu den Nachteilen für die Solidargemeinschaft für Zeiten der Nichtmitgliedschaft völlig unangemessen, zumal die 9/10-Regelung die erste Hälfte des Erwerbslebens völlig ausblende und durch das Abstellen auf die zweite Hälfte des Erwerbslebens den Zugang zur KVdR für Personen eröffne, die bezogen auf das gesamte Erwerbsleben geringere Beitrags- und Mitgliedschaftszeiten hätten. Die kurze Zeitspanne von 1/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens habe keine hinreichende Auswirkung auf die Solidargemeinschaft, um mehr als doppelt so hohe Beiträge im Rentenalter zu rechtfertigen. Es mit Art. 3 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG unvereinbar, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung dann von der KVdR ausgeschlossen sein könnten, wenn sie wegen Zeiten der Kindeserziehung in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens nicht 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums seit Beginn ihrer Erwerbstätigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen seien. Dabei sei zu beachten, dass durch das Gesetz vom 20.12.1988 die einheitliche Regelung der beitragspflichtigen Einnahme, die bis dahin alle Rentner gleich behandelt habe, aufgehoben worden sei und statt dessen eine Regelung eingeführt worden sei, die die versicherungspflichtigen Rentner und die freiwillig versicherten Rentner unterschiedlich belaste. Bei pflichtversicherten Rentnern würden der Beitragsbemessung die Rente, Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen unterworfen. Auf alle anderen Einkünfte würden keine Beiträge erhoben. Bei freiwillig versicherten Rentnern würden grundsätzlich alle Einkünfte bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze herangezogen. Ergänzend würde im Wege der Ehegatteneinstufung Unterhalt gegen den Ehegatten dem Beitrag unterworfen. In ihrem Fall führe dies zu einer mehr als dreifachen Beitragsbelastung. Die dieser unterschiedlichen Beitragserhebung zu Grunde liegende Typisierung, dass freiwillig Versicherte im Rentenalter leistungsfähiger als Pflichtversicherte seien, entspreche nicht der Realität. Auch pflichtversicherte Mitglieder hätten durch Erbschaften und Zuwendungen Vermögen in größerem Umfang erworben, auf das sie auch im Rentenalter zugreifen könnten. Das Vorgehen des Gesetzgebers, einen zusätzlichen Kapitalbedarf einseitig dadurch zu decken, dass die Gruppe freiwillig Versicherter im Rentenalter durch eine unverhältnismäßig kurze Fehlbelegungszeit ausgeweitet und diese Gruppe um ein vielfaches höher belastet werde als die sehr große Gruppe der durchgängig Pflichtversicherten, deren weitgehend gleiche Leistungsfähigkeit noch nicht einmal ansatzweise ermittelt werde, führe zu völlig unbilligen Ergebnissen, zumal der gleiche Kapitalbedarf mit einer minimalen Beitragserhöhung, die alle Versicherten gleich treffe, gedeckt werden könne.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Die verbliebene Lücke in den Vorversicherungszeiten von 7 Jahren, 4 Monaten und 18 Tagen ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens im Zeitraum vom 01.11.1991 bis zum 01.01.1999 eine private Krankenversicherung durchgeführt worden sei. Außerdem lägen Angaben zu einer Versicherung vom 02.01.1999 bis 31.08.2000 nicht vor. Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung seien für diesen Zeitpunkt nicht nachgewiesen. Dem Gesetzgeber sei eine gleichheitswidrige Benachteiligung von einzelnen Personengruppen verboten. Im Übrigen sei es aber seinem weiten Gestaltungsspielraum belassen, in welcher Weise er die Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen Krankenversicherung und auch zur KVdR gestalten wolle. Eine Differenzierung der Zugangsvoraussetzungen nach sachlichen Erwägungen sei grundsätzlich zulässig. Einzusetzen sei in diesem Zusammenhang bei dem Gedanken, dass für Personen, die nicht weiter in der gesetzlichen Krankenversicherung einer Versicherungspflicht unterlägen, grundsätzlich bei Ausscheiden aus dieser Versicherung ein Beitragsrecht zur freiwilligen Krankenversicherung bestehe. Daneben bestehe für den nicht versicherungspflichtigen Personenkreis auch die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung zu wählen. Die Entscheidung zur Wahl einer privaten Krankenversicherung könne aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus getroffen werden. Die Klägerin habe die Wahl zwischen der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und einer privaten Krankenversicherung gehabt. Eine der wesentlichen Gestaltungselemente in der gesetzlichen Krankenversicherung sei das Solidarprinzip, das sich in der Beitragsbemessung für die einzelnen Mitglieder niederschlage. Je höher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitglieds sei, desto höhere Beiträge seien entsprechend zu bezahlen. Bei dieser Sichtweise bemesse sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Ehefrau, die zwar über kein eigenes laufendes Einkommen verfüge, jedoch nach dem familiären Status und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Ehemannes über ein höheres Einkommen verfüge. Der Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung in die private Krankenversicherung durch die Ehefrau bedeute aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung, dass sich damit die Ehefrau für die Zeit der durchgeführten privaten Krankenversicherung einer für sie wirtschaftlich möglichen Beitragszahlung im Falle des Verbleibens in der gesetzlichen Krankenversicherung entziehe. Während ihres Erwerbslebens zahlten Versicherte in die gesetzlichen Krankenversicherungen einen wesentlichen Teil ihrer Beiträge, während sie in dieser Zeit einen wesentlich geringeren Anteil an den Leistungen in Anspruch nehmen würden. Dagegen nähmen Versicherte mit dem Eintritt in das Rentenalter bei niedrigen Beiträgen regelmäßig einen wesentlich höheren Anteil an Leistungen in Anspruch. Entziehe sich ein Betroffener über längere Zeit seines Versicherungslebens einer Beitragszahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung, indem er sich in Zeiten einer höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu einem Wechsel in die private Krankenversicherung entschließe, so erbringe er nach diesem Solidargedanken nicht mehr die Leistungen, die es nach der Idee des Solidarausgleichs rechtfertigten, ihn nach Eintritt in das Rentenalter beitragsrechtlich zu privilegieren. In Anwendung dieser Grundsätze sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Voraussetzung einer beitragsrechtlichen Privilegierung im Alter von den Zugangsvoraussetzungen einer Vorversicherungszeit nach den Regeln des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V abhängig zu machen. Der Ansatz der Klägerin, durch das Erbringen einer Erziehungsleistung für die vorhandenen Kinder würde eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe übernommen, die auch in der Beitragszahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu Gute kommen müsse, lasse sich rechtspolitisch zwar vertreten, führe aber nicht zwingend dazu, dass Kindererziehungszeiten für sich allein genommen bereits dazu führen müssten, dass hierfür bereits die notwendigen Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung als erfüllt angesehen werden müssten. Dies liege innerhalb des dem Gesetzgeber überlassenen Gestaltungsspielraums. Der Gesetzgeber habe diesen Gestaltungsspielraum ausgeübt und sehe durch Einführung der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V ab 01.08.2017 für die zur KVdR erforderliche Vorversicherungszeit die Anrechnung einer Mitgliedszeit von drei Jahren für jedes Kind vor. Der Gesetzgeber habe sich bei der Einführung der Regelung dafür entschieden, diese mit Wirkung ab dem 01.08.2017 für die Zukunft eintreten zu lassen. Eine Rückwirkung für die Vergangenheit sei in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen.
Die Klägerin vermische die versicherungsrechtliche Frage, unter welchen Voraussetzungen die notwendigen Vorversicherungszeiten in der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V - ggf. aus verfassungsrechtlichen Gründen -  erfüllt seien mit der beitragsrechtlichen Frage, in welcher Höhe von der Klägerin während einer durchgeführten freiwilligen Versicherung Beiträge zu zahlen seien und ob hierbei und in welcher Weise eine Anrechnung des Einkommens des nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ehemanns bei der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung berücksichtigt werden könne. Die Entscheidung des BVerfG vom 15.03.2000 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Der Ausschluss der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der 9/10-Regelung sei vom BVerfG deshalb beanstandet worden, weil es keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung der abhängig Beschäftigten, die nach Überschreiten der Arbeitsentgeltgrenze ihr Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung als freiwillige Versicherung fortgesetzt hätten, gesehen habe. Der wesentliche Unterschied zum Fall der Klägerin bestehe darin, dass diese nicht nur den Versicherungsstatus innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung verändert habe, sondern immerhin für einen Zeitraum von 7 Jahren, 4 Monaten und 18 Tage in der zweiten Hälfte des zweiten Erwerbslebens die gesetzliche Krankenversicherung verlassen habe und stattdessen in die private Krankenversicherung gewechselt sei. Es liege auch nicht nur eine geringe Lücke in den erforderlichen Vorversicherungszeiten vor. Die Klägerin habe sich 1991 aus freien Stücken entschieden, die gesetzliche Krankenversicherung zu verlassen und stattdessen in die private Krankenversicherung zu wechseln. Aufgrund der seinerzeitigen gesetzlichen Regelung sei für sie auch erkennbar gewesen, dass der Zugang zur KVdR von Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung abhängig sei. Mit ihrem Einwand, während ihres jetzigen Rentenbezugs aus ihrer Sicht mit unangemessen hohen Beiträgen belastet zu werden, wende sich die Klägerin im Kern gegen die Einkommenszurechnung des nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ehemannes während der Zeit ihrer jetzt bestehenden freiwilligen Versicherung. Ohne diese Einkommenszurechnung hätte die Klägerin auch in der freiwilligen Versicherung lediglich aus ihrem Einkommen ggf. aus der Mindestmessung Beiträge zu zahlen. Erst durch die Einkommenszurechnung des Ehegatten ergäben sich wesentlich höhere Beiträge. Die Zurechnung des Ehegatteneinkommens in der freiwilligen Versicherung sei seit langem anerkannt. Es bestehe deshalb kein Anlass, im Falle der Klägerin hiervon abzuweichen.

Die Klägerin hat u.a. erwidert, dass in der Zeit vom 01.07.1988 bis zum 31.08.2000 insgesamt 125 Monate an Beitragszeiten für Kindererziehung, Schwangerschaft und Mutterschutz belegt seien. In der Zeit ihrer privaten Krankenversicherung ab 01.01.1991 habe sie es nicht in der Hand gehabt, durch eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Anwendung der 9/10-Regelung zu vermeiden. Die am 21.12.1992 beschlossene gesetzliche Regelung habe genau dies ausgeschlossen. Diese sei erst durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000 (1 BvL 19/96) für verfassungswidrig erklärt worden. Die angegriffene Zugangsregelung benachteilige sie - die Klägerin -, weil sie Frau und Mutter sei. Ihre Benachteiligung, keinen Zugang zu einer beitragsfreien Familienversicherung in den Zeiten der Kindererziehung gehabt zu haben, solle nach dem Willen der Beklagten nun auch im Rentenalter fortgesetzt werden. Sie könne aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gerechtfertigt werden.

Das SG hat mit Urteil vom 05.08.2022 die Klage abgewiesen. Die Beklagten hätten die Anträge der Klägerin auf Aufnahme in die KVdR für den streitgegenständlichen Zeitraum August 2011 bis Juli 2017 zu Recht abgelehnt.  Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in den für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgebenden Fassungen seien versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung solche Personen gewesen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten und diese Rente beantragt hätten, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert gewesen seien. Die Mitgliedschaftszeiten müssten dabei in der gesetzlichen Krankenversicherung (oder einem gleichgestellten ausländischen Versicherungssystem) zurückgelegt sein. Zeiten, in denen eine private Krankenversicherung bestanden habe, seien insoweit nicht gleichzustellen, was keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG darstelle (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 03.09.1998, B 12 KR 21/97 R; Landessozialgericht <LSG> Hamburg 05.01.2017, L 1 KR 64/16; LSG Bayern 29.09.2015, L 5 KR 412/13, juris Rn. 20; LSG Baden-Württemberg 12.09.2014, L 4 KR 1532/14, juris Rn. 22). Das Gesetz stelle auf diese Weise verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. insoweit BSG 04.06.2009, B 12 KR 26/07 R; BSG 17.05.2001, B 12 KR 33/00 R; LSG Bayern 29.09.2015, L 5 KR 412/13; LSG Baden-Württemberg 15.10.2019, L 11 KR 3621/18; LSG Baden-Württemberg 10.06.2016, L 4 KR 4063/15; LSG Baden-Württemberg 12.09.2014, L 4 KR 1532/14; LSG Berlin-Brandenburg 22.03.2011, L 1 KR 353/09) für den Regelfall sicher, dass nur Personen einbezogen würden, die sowohl nach Maßgabe ihrer individuellen Erwerbsbiographie hinreichend lange und dauerhaft am Solidarausgleich teilgenommen als auch einen aktuellen Bezug zum System hätten. Mit der Kontinuität der versicherungsrechtlichen Verhältnisse im Rentenalter werde sichergestellt, dass mit den Leistungsaufwendungen diejenige Versichertengemeinschaft belastet werde, der die Betroffenen auch während ihres Erwerbslebens angehört hätten. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen sei der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen (z.B. auch Stichtagsregelungen) zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen (BVerfG 22.05.2001, 1 BvL 4/96; LSG Baden-Württemberg 15.10.2019, L 11 KR 3621/18). Die mit der Versicherung in der KVdR einhergehenden beitragsrechtlichen Vorteile sollten nur solchen Rentnern zukommen, die in besonders enger Weise der gesetzlichen Krankenversicherung verbunden gewesen seien.

Da die Klägerin - was zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehe - erstmals am 01.08.1965 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und am 27.06.2011 einen Rentenantrag gestellt habe, erstrecke sich der nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V maßgebliche Gesamterwerbszeitraum vom 01.08.1965 bis 26.06.2011 und der Zeitraum der zweiten Hälfte des Erwerbslebens somit vom 15.07.1988 bis 27.06.2011. In diesem Zeitraum seien nicht neun Zehntel, d.h. 20 Jahre, 8 Monate und 1 Tag, mit berücksichtigungsfähigen Versicherungszeiten belegt, sondern lediglich 13 Jahre, 3 Monate und 13 Tage. Die Differenz zur erforderlichen Vorversicherungszeit betrage somit 7 Jahre, 4 Monate und 18 Tage. Dieser Sachverhalt stehe fest aufgrund der vorgenommenen Berechnung der Beklagten (vgl. Seite 3 des angegriffenen Widerspruchsbescheides), die die Klägerin dem Grunde nach nicht in Frage stelle (vgl. Seite 4 der Klageschrift vom 22.06.2018) und an deren Richtigkeit auch die Kammer keine ernsthaften Zweifel habe. Die Neun-Zehntel-Belegung sei danach nicht erfüllt.

Die Klägerin werde durch die gesetzliche Regelung auch nicht in verfassungswidriger Weise belastet. Hinsichtlich des Erfordernisses der sog. Halbbelegung habe das BVerfG unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen (BVerfG 25.03.1986, 1 BvL 5/80; BVerfG 16.07.1985, 1 BvL 5/80). Das BVerfG habe in seiner Rechtsprechung ausgeführt, für die verfassungsrechtliche Bewertung sei von Gewicht, dass Personengruppen wie die Klägerin beim Ausschluss von der KVdR nicht ohne Krankenversicherungsschutz seien, sondern den Versicherungsschutz im Rahmen des freiwilligen Beitrittsrechts fortführen könnten. Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des BVerfG vom 15.03.2000 (1 BvL 16/96) Bezug nehme, sei festzustellen, dass dort nicht die Neun-Zehntel-Belegung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V an sich beanstandet worden sei, sondern lediglich die Regelung, wonach die erforderliche Belegung in der zweiten Hälfte der Rahmenfrist nicht auch mit Zeiten einer freiwilligen Versicherung erfüllt werden könne. Der Zeitraum 01.01.1991 bis 01.01.1999, in dem die Klägerin wegen Kindererziehung nicht sozialversicherungspflichtig berufstätig und privat versichert gewesen sei, sei nicht als Vorversicherungszeit anzuerkennen. Zwar würden seit dem 01.08.2017 pauschal drei Jahre für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind auf die Vorversicherungszeit angerechnet (§ 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V), sodass die Klägerin auch die Voraussetzungen für die Aufnahme in die KVdR ab dem 01.08.2017 erfülle. Eine rückwirkende Anrechnung, wie sie die Klägerin begehre, sehe das Gesetz allerdings ausdrücklich nicht vor. Dass eine dem § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V entsprechende Vorschrift zu der Zeit, in welcher die Klägerin wegen der Erziehung ihrer Kinder nicht berufstätig gewesen sei, gefehlt habe, wäre allenfalls dann ein verfassungsrechtliches Problem, wenn damals eine freiwillige Krankenversicherung nicht möglich gewesen wäre. Dafür sei aber nichts ersichtlich: Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der im streitgegenständlichen Zeitraum maßgebenden Fassung hätten der gesetzlichen Krankenversicherung Personen freiwillig beitreten können, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden seien und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert gewesen seien. Diese Voraussetzungen hätten bei der Klägerin unstreitig vorgelegen. Dass sich die Klägerin seinerzeit gegen eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Versicherung entschieden und stattdessen den Schutz der privaten Krankenversicherung gewählt habe, könne nicht dazu führen, dass sie jetzt einer Gruppe gleichgestellt werde, die sich in der Vergangenheit freiwillig weiterversichert habe. Die Klägerin werde auch nicht etwa deshalb „benachteiligt", weil sie Kinder aufgezogen habe, sondern weil sie in der hierfür in Anspruch genommenen Zeit in einer privaten Krankenversicherung versichert gewesen sei, statt durch eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbleiben. Soweit die Klägerin vortrage, eine Mitgliedschaft in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung sei in der damaligen Situation „nicht gestaltbar" gewesen, sei diese Aussage nicht nachvollziehbar. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der zum damaligen Zeitpunkt maßgebenden Fassung habe der Klägerin im Zeitraum der Kindererziehung sowohl unter objektiver als auch subjektiver Betrachtungsweise eine fortgesetzte Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung im Grundsatz ermöglicht. Dass sie sich - aus welchen Gründen auch immer - gegen diese Möglichkeit entschieden und stattdessen eine Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung gewählt habe, könne nicht zu einer mit den gesetzlichen Vorgaben unvereinbaren versicherungsrechtlichen Anerkennung der entsprechenden außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung befindlichen Zeiten führen. Im Übrigen sei das Risiko, durch einen Wechsel von der gesetzlichen zur privaten Krankenversicherung notwendige Versicherungszeiten für einen Zugang zur KVdR zu verlieren, zur Überzeugung der Kammer auch zum damaligen Zeitpunkt bereits weithin bekannt gewesen. Auch dem hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag sei nicht zu entsprechen. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG sei das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankomme, für verfassungswidrig halte. Die erkennende Kammer halte die seiner Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften allerdings aus den oben genannten Gründen unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung, der sie sich nach eigener Prüfung ausdrücklich und uneingeschränkt anschließe, nicht für verfassungswidrig, sodass eine Aussetzung und Vorlage an das BVerfG nicht zu erfolgen habe. Eine Verfassungswidrigkeit liege insbesondere nicht in dem - zwischen den Beteiligten sicherlich nicht streitigen - Umstand, dass die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung deutlich über denjenigen zur KVdR lägen, da diese Beitragsunterschiede systembedingt seien und die Unterschiede zwischen einer Pflicht- und einer Wahlversicherung abbildeten.


Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 18.08.2022 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 13.09.2022 zum LSG Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Das angefochtene Urteil setze sich nicht mit der Rechtsfrage auseinander, ob Erziehungszeiten nicht generell zur Unterbrechung des belegungsfähigen Zeitraums der 9/10-Regelung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V führten (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg, L 1 KR 353/09 und Revision beim BSG B 12 KR 9/11 R). Sie sei der Auffassung, dass kein Erwerbsleben vorliege, solange Kinder erzogen würden, vorliegend dreimal drei Jahre. Das angefochtene Urteil des SG gehe nicht auf die verfassungsrechtliche Problematik, zu der im Klageverfahren vor dem SG bereits umfassend vorgetragen worden sei, ein. Auch setze sich das SG nicht mit dem Beschluss des BVerfG vom 07.04.2022 (1 BvL 3/18 u.a.) auseinander. Danach fordere Art. 3 Abs. 1 GG bei der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen die Beachtung des aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleiteten Gebots der Belastungsgleichheit, das sich auf alle staatlichen Aufgaben erstrecke. Die angegriffene Regelung schaffe zwei Gruppen von Rentnern, die bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für den gleichen Versicherungsschutz Beiträge in unterschiedlicher Höhe zahlen müssten. Die benachteiligten Rentner zahlten Beiträge in doppelter, dreifacher und noch mehrfacher Höhe. Wirkten sich Beitragsregelungen innerhalb der Gruppe der Familien zu Lasten bestimmter Familienkonstellationen benachteilig aus, so müsse der Staat den besonderen Schutz beachten, den er der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG schulde. Auch hierauf gehe das SG nicht ein. Vorliegend wirke sich die Zugangsregelung zur KVdR mit ihren günstigen Beiträgen nachteilig für alle Familien aus, bei denen nicht die Möglichkeit einer beitragsfreien Krankenversicherung für die Mütter nach § 10 SGB V bestehe, weil der Ehegatte nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sei. Die Frauen und Mütter und ihre Familien seien schon in der Zeit der Mutterschaft und Kindererziehung gravierend benachteiligt, weil der Versicherungsschutz für die Betroffenen nur gegen erhebliche Beiträge zu erlangen sei, sei es als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung, sei es in einer privaten Krankenversicherung. Diese Benachteiligung setze sich im Rentenalter durch die angegriffene Zugangsregelung fort. Sie - die Klägerin - habe während ihres Arbeitslebens nicht die Arbeitsentgeltgrenze überschritten und habe abgesehen von den Kindererziehungszeiten immer an die gesetzliche Krankenversicherung Beiträge als Pflichtversicherte bezahlt. Die Pflichtversicherung habe wegen ihrer Schutzbedürftigkeit und ihres niedrigen Erwerbseinkommens bestanden. Weshalb diese Versicherungspflicht in der Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgesetzt worden sei, obwohl die Schutzbedürftigkeit mangels Entlohnung während dieser Zeit sich noch erhöht habe, sei nicht ersichtlich. Gleiches gelte für das Rentenalter. Die angegriffene Zugangsregelung führe Kriterien ein, die weder das typische Schutzbedürfnis berücksichtigten, noch einen Zusammenhang mit der Beteiligung an der Solidargemeinschaft herstellten. Weiterhin trägt die Klägerin vor, dass die Barmer Ersatzkasse anlässlich ihres Ausscheidens aus der gesetzlichen Krankenversicherung zum 31.12.1990 weder auf die 9/10-Regelung hingewiesen habe noch ihr die Weiterversicherung als freiwilliges Mitglied angeboten worden sei. Die angegriffene Regelung benachteilige sie zudem als Spätgebärende. Für Mütter bestehe Schutzbedürftigkeit wie bei den übrigen Pflichtversicherten. Mütter, die keinen Zugang zur beitragsfreien Familienversicherung hätten, müssten als versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung angesehen werden. Männer seien von der 9/10-Regelung nur selten betroffen. Die angegriffene Regelung sei frauenfeindlich und verstoße deshalb gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Freiburg vom 05.08.2022 aufzuheben und die Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 30.06.2011 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 27.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2018 zu verurteilen, die Klägerin in der Zeit vom 01.08.2011 bis 31.07.2017 in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner zu versichern.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweisen auf ihr bisheriges Vorbringen sowie die angefochtene Entscheidung des SG und führen ergänzend aus, dass § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der auf den streitigen Zeitraum maßgebenden Fassung eine klare Regelung enthalte. Der Eintritt in das Erwerbsleben spiele nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nur insoweit eine Rolle, als der Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit den Beginn der Rahmenfrist bestimme. Der Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben sei als sachlicher Anknüpfungspunkt für den Beginn der Rahmenfrist angemessen und geeignet. Mit dem Eintritt in das Erwerbsleben bestehe regelmäßig die Möglichkeit, eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen und diese danach auch weiter aufrecht zu erhalten. Für den Gesetzgeber habe keine Verpflichtung bestanden, allgemeine Kindererziehungszeiten ohne gleichzeitige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung als Versicherungszeiten in der KVdR anzuerkennen. Wenn beide Eheleute während der Zeit der Kindererziehung privat krankenversichert gewesen seien und keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichtet hätten, so bestehe kein Grund, diese Zeit als Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung anzuerkennen. Mögliche freiwillige Beiträge der Mutter während der Kindererziehungszeiten seien in dieser Zeit nicht bezahlt worden. Der Ehemann selber zahle keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Ehefrauen von Freiberuflern und Beamten würden hierbei nicht benachteiligt. Vor dem Hintergrund dessen, dass die eigenen Beiträge der Rentner nur einen geringen Teil der von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen abdeckten, während die noch aktiven Versicherten einen Großteil der Beiträge aufbringen würden, ohne selbst in diesem Umfang Leistungen in Anspruch zu nehmen, sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, den Zugang zur KVdR typisierend von einer ausreichenden Vorversicherungszeit abhängig zu machen. Dies sei ein sachlicher Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung der Personengruppen. Die Frage der Höhe der unterschiedlichen Beiträge für freiwillig Versicherte und Versicherte in der KVdR sei keine Frage der Berücksichtigung von Vorversicherungszeiten für den Zugang der KVdR, sondern eine Frage des Beitragsrechts.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), hat keinen Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 SGG) und im Übrigen statthaft.

2. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 30.06.2011 und 27.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagten für die Zeit vom 01.08.2011 bis zum 31.07.2017 die Aufnahme der Klägerin in die KVdR abgelehnt haben. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) und begehrt in der Sache die Feststellung, dass sie in der streitigen Zeit pflichtversichertes Mitglied in der KVdR bei der Beklagten zu 1 und in der Pflegeversicherung bei der Beklagten zu 2 war (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

3. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 30.06.2011 und 27.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin war in der Zeit vom 01.08.2011 bis zum 31.07.2017 nicht versicherungspflichtig in die KVdR. Damit fehlt es auch an einer Versicherungspflicht als Rentnerin in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI). Das SG hat ausführlich die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der KVdR in der hier streitigen Zeit dargelegt und eingehend begründet, warum diese im Falle der Klägerin nicht erfüllt sind. Dabei hat das SG insbesondere zutreffend dargelegt, dass die mit Wirkung zum 01.08.2017 eingefügte Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V (Gesetz vom 04.04.2017, BGBl. I, S. 778; vgl. dazu z.B. Berchtholdt in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, 8. Aufl. 2023, SGB V § 5 Rn. 37a) keine Rückwirkung für die hier streitige Zeit entfaltet und die Klägerin die von § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V verlangten Vorversicherungszeiten nicht aufweist. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 31.07.2017 geltenden Fassung bestimmt die Rahmenfrist für die Berechnung der 9/10-Belegung als den Zeitraum zwischen der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags. Die Rahmenfrist des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V umfasst das gesamte Erwerbsleben von der erstmaligen Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zum Rentenantrag (z.B. LSG Baden-Württemberg 15.10.2019, L 11 KR 3621/18, Rn. 29, juris <nachgehend BSG 08.04.2020, B 12 KR 98/19 B>). Der Tag der Aufnahme der Erwerbstätigkeit ist mitzurechnen; der Tag der Rentenantragstellung bleibt unberücksichtigt (LSG Baden-Württemberg 15.10.2019, L 11 KR 3621/18, Rn. 29, juris). Eine Unterbrechung der Rahmenfrist, vorliegend durch Zeiten der Erziehung von Kindern, sah das Gesetz nicht vor. Mit der erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit beginnt die Rahmenfrist, eine Dauerhaftigkeit dieser Aufnahme erfordert der Wortlaut nicht (BSG 04.06.2009, B 12 KR 26/07 R, BSGE 103, 235; LSG Baden-Württemberg 15.10.2019, L 11 KR 3621/18, Rn. 33, juris). Die Gründe für das Fehlen einer ausreichenden Versicherung nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit sind nach dem Gesetz unerheblich (vgl. BSG 17.05.2001, B 12 KR 33/0 R, SozR 3-2500 § 5 Nr. 45; BSG 22.02.1996, 12 RK 33/94, SozR 3-2200 § 165 Nr. 15, SozR 3-2500 § 5 Nr. 25; LSG Baden-Württemberg 15.10.2019, L 11 KR 3621/18, Rn. 33, juris; LSG Baden-Württemberg 10.06.2016, L 4 KR 4063/15, Rn. 20, 22, juris).

Schließlich hält der Senat - wie das SG - das entscheidungsrelevante Gesetz nicht für verfassungswidrig (vgl. z.B. BVerfG 25.03.1986, 1 BvL 5/80, BVerfGE 72, 84; BVerfG 16.07.1985, 1 BvL 5/80, BVerfGE 69, 272; BSG 04.06.2009, B 12 KR 26/07 R, BSGE 103, 235; BSG 17.05.2001, B 12 KR 33/0 R, SozR 3-2500 § 5 Nr. 45; Hessisches LSG 06.12.2022, L 1 KR 71/22, Rn. 22, 23 <nachgehend BSG 27.03.2023, B 12 KR 39/22 B, juris>; LSG Baden-Württemberg 15.10.2019, L 11 KR 3621/18, Rn. 35,36, juris; Bayerisches LSG 07.09.2016, L 20 KR 217/15, juris <nachgehend BSG 25.04.2017, B 12 KR B>; LSG Baden-Württemberg 10.06.2016, L 4 KR 4063/15, Rn. 23 ff., juris; LSG Baden-Württemberg 12.09.2014, L 4 KR 1532/14, Rn. 21, juris <nachgehend BSG 28.10.2015, B 12 KR 114/14 B>), sodass er das Verfahren nicht aussetzen und dem BVerfG vorlegen musste (Art. 100 Abs. 1 GG). Auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 07.04.2022 (1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 2824/17, BVerfGE 161, 163) folgt nichts anderes, weil dieser die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen bei kinderbetreuenden und -erziehenden Versicherten (mit unterhaltspflichtigen Kindern) betrifft und nicht den Zugang zur Sozialversicherung  Der Senat sieht anlässlich der angestrebten Begünstigung (Zugang zur KVdR) auch in der vorliegenden Konstellation im Hinblick auf den weiten Einschätzungs‑, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Sozialversicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung keine Anhaltspunkte, die Verfassungsmäßigkeit des Zugangs zur KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V a.F. für den hier abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum in Zweifel zu ziehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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